Aktion für inhaftierte Trans*Frauen in Honduras:
„Wir sind die Vergessensten unter den Vergessenen“
Über 260 Mitglieder der LGBTI*-Community wurden in Honduras zwischen 2009 und 2017 ermordet. Nur die wenigsten Morde werden strafrechtlich verfolgt und aufgeklärt. LGBTI* werden in ihrem Kampf um Gleichberechtigung, Sichtbarkeit und gesellschaftliche Anerkennung massiv bedroht. Gewalt schlägt ihnen aus Zivilgesellschaft und staatlichen Institutionen entgegen.
Aufsässig in ihrem Begehren und Aufbegehren
Die Lage der LGBTI* hat sich seit dem Staatsstreich 2009 immer weiter verschlechtert. Die LGBTI*-Bewegung ging nach dem Putsch als Teil des Widerstandes auf die Straße: Die heterogene Bewegung aus Bauern und Bäuerinnen, indigenen Gruppen, Feminist*innen und LGBTI*-Aktivist*innen stellt sich seither Verfolgung, Militarisierung und dem Ausverkauf des Landes entgegen. LGBTI* wurden so zur doppelten Zielscheibe: Aufsässig in ihrem Begehren und Aufbegehren. Am sichtbarsten und verwundbarsten sind Trans*Frauen, mehrfach verfolgt die Menschenrechts-aktivist*innen unter ihnen.
Überlebensalter: 40 Jahre
Zwei Beispiele: Angy Ferreira und Paola Barraza wurden 2015 und 2016 ermordet. Beide waren Führungspersonen der Asociación Arcoíris (Regenbogen), eine von etwa einem Dutzend Organisationen in Honduras, die sich für LGBTI*-Rechte einsetzen. Angy und Paola waren Mitte zwanzig als sie wegen ihres Engagements für Rechte von Trans*-Menschen erschossen wurden. Trans*-Personen werden in Honduras durchschnittlich nur 40 Jahre alt. Die meisten Gewaltverbrechen an LGBTI* bleiben ungeahndet. Besonders wenig Aufklärung erfahren Hate Crimes – aus Hass motivierte Diskriminierungen, Belästigungen, Angriffe bis hin zum Mord. Deutlich zeigen dies auch die Statistiken zu
Feminiziden: den Morden an Frauen mit dem Motiv Frauenhass. Alle 16 Stunden wird in Honduras eine Frau ermordet, über 90 Prozent der Fälle bleiben straflos. Die honduranische Polizei sorgt nicht für die Sicherheit der queeren Bevölkerung. Die meisten Übergriffe gegen LGBTI* werden gar nicht erst zur Anzeige gebracht, aus Angst vor Polizei und Militär, die oft genug selbst Täter*innen sind.
Weggeschlossen auf „La Isla“
So untätig die Polizei bei Gewalt gegen LGBTI* bleibt, so akribisch inhaftiert sie insbesondere Trans*Frauen, die z.B. als Sexarbeiter*-innen oder Straßenverkäufer*innen tätig sind, willkürlich oder bei kleinsten Delikten. Sie werden in speziellen Gefängnistrakten gemeinsam mit psychisch Schwerkranken und Menschen mit HIV oder Tuberkulose im Endstadium weggeschlossen.
Sand im Getriebe der Macht
LGBTI* sind Sand im Getriebe der Machtverhältnisse. Sie stellen die soziale Ordnung bereits durch ihre bloße Existenz infrage. Mehr noch, Lebens- und Beziehungsformen der LGBTI*-Community erproben alternative Gesellschaftsentwürfe. In Honduras werden schwule, lesbische und transgeschlechtliche Jugendliche häufig von ihren Familien vor die Tür gesetzt. Von ihren Familien verachtet und verstoßen, bildet die LGBTI*-Community Schutzräume und Freiräume jenseits von Blutsverwandtschaft und staatlicher Akzeptanz. Die verheerende Situation der LGBTI* in Honduras ist eng verwoben mit Herrschaftsverhältnissen und überkommenen Denkmustern. So knüpfen sich die emanzipatorischen Prozesse dieser „geschlechtlichen Abweichler“ und „sexuellen Außenseiter“ an vielfältige Kämpfe um Selbstbestimmung und umgekehrt. Hier kann internationale Solidarität ansetzen, Allianzen bilden, Druck machen. Denn: Emanzipation ist unteilbar.
Besuch im Gefängnis
Gemeinsam mit zwei Mitarbeiter*innen der Asociación Arcoíris besuchte ein Mitglied der LGBT*Honduras-Gruppe des Öku-büros aus München im August 2017 die Trans*Frauen, die im Männergefängnis in Támara nördlich von Tegucigalpa inhaftiert sind: „Nach dem Passieren mehrerer Sicherheitsgürtel mit maskierten Militärs und längeren Verhandlungen mit dem Sicherheitspersonal, geht der Weg durch einige Höfe in den Gefängnistrakt für chronisch und psychisch kranke Gefangene, La Isla (die Insel) genannt. Von ihrem Zellengang, den sie mit der Regenbogen- und der Trans-Fahne dekoriert haben, blicken die Trans*Frauen auf eine Art Käfig, in dem hinter Eisenstäben sedierte Gefangene in Lumpen auf dem Boden und auf Zementblöcken ohne Decken vor sich hinvegetieren. Die Frauen zeigen uns zeigen kurz die Männerklos, die sie benutzen müssen, nichts weiter als stinkende Löcher im Boden. Ohne abschließbare Türen, versteht sich.
Die Trans*Frauen versuchen die Mitglieder ihrer kleinen Gruppe vor dem Schicksal der Menschen im Käfig zu schützen. Sie bleiben aktiv und helfen sich gegenseitig, um ihre Haftzeit zu überstehen. Es fehlt ihnen an ausreichender Ernährung, Vitaminen und Mineralstoffen, guten Medikamenten, ärztlicher Betreuung, Anwält*innen, würdigen Arbeitsmöglichkeiten. Ein eigenes kleines Kaltwasserbecken, an dem sie sich morgens waschen, haben sie sich erkämpft. Dafür müssen sie die großen Betonbecken der Männer zusätzlich schrubben. Einen alten Kocher haben sie, verkaufen Kaffee an die anderen Häftlinge auf der „Insel“. Manchmal gibt es Jobs in der Kantine. Meistens nicht. Oder nur gegen „Gefälligkeiten“. Alles was wir mitgebracht haben - Brathühnchen zum Mittagessen, Zahnpasta, Seife, Shampoo, Toilettenpapier, Kondome - ist mehr als willkommen. Gleitmittel ist, wie immer, zu wenig.“
Aktuelle Situation
Derzeit (März 2018) sind zwölf Trans*Frauen im Männerknast Támara inhaftiert. Die Situation dort hat sich nach dem Amtsantritt des neuen, alten De facto-Regimes von Präsident Juan Orlando Hernández im Januar 2018 für alle Gefangenen in Honduras nochmals verschlechtert. Besuche werden extrem erschwert, so dass die Angehörigen der Trans*Frauen sie bisher überhaupt nicht mehr besuchen können. Haupthindernis ist, dass jede/r Besucher*in jetzt vorab eine Erlaubnis beantragen muss, die 3.000 Lempira (etwas über 100 Euro) kostet. Zum Vergleich: Der monatliche Mindestlohn, den viele nicht erreichen, liegt bei 300 Euro. Essen darf nicht mehr mitgebracht werden, von anderen Dingen immer nur ein Stück pro Person. Die medizinische Versorgung ist noch prekärer geworden. Eine Trans*Frau hat am Jahresanfang einen Selbsttötungsversuch unternommen. Arcoíris kann nur noch nach langen Antragsprozeduren ins Gefängnis. Selbst mit den nötigen Genehmigungen mussten die Aktivist*innen im Februar regelrecht betteln, eingelassen zu werden. Sie durften die Frauen nur in Begleitung mehrerer Wachposten sehen und die Besuchszeit war extrem kurz. Eine gegen Auflagen freigelassene Trans*Aktivistin, Soraya, leistet inzwischen Sozialarbeit bei Arcoíris. Ihr Appell:
„Wir brauchen dringend Geld, damit wir Besuchsscheine für die Angehörigen der Frauen und Dinge des täglichen Bedarfs kaufen können. Und es ist wichtig, dass die Frauen unsere hart erkämpften Errungenschaften verteidigen können, wie die zeitweise Bewegungsfreiheit außerhalb der >Insel< und die Erlaubnis, die Haare lang zu tragen.“
Bitte unterstützt die Arbeit von Arcoíris für die inhaftierten Trans*frauen!
SPENDENKONTO:
Ökumenisches Büro für Frieden und Gerechtigkeit e.V.
Stadtsparkasse München
IBAN: DE65 7015 0000 0056 1762 58
Betreff: LGBTI* Honduras
Online: https://www.oeku-buero.de/online-spenden.html
V.i.S.d.P. Andrea Lammers, c/o Ökubüro e.V., Pariser Str. 13, 81667 München