MIGRATION <MACHT> ENTWICKLUNG
Das Projekt Grenzposten ist eine Gruppe, die auf der einen Seite inhaltlich / theoretisch arbeitet, um auf der anderen Seite die Standpunkte, Diskussionen und Kontroversen der erarbeiteten Themen über künstlerisch, performative Aktionsformen im öffentlichen Raum zur Diskussion zu stellt. Ziel dieser Aktionen ist es, gewohnte und standardisierte Handlungsmuster an öffentlichen Orten zum Stocken zu bringen, zum Nachdenken anzuregen und so mit Passant_innen ins Gespräch zu kommen. 2010 haben wir uns im Rahmen des Projekts MIGRATION <MACHT> ENTWICKLUNG mit dem Zusammenhang von Migration und Entwicklungspolitik beschäftigt.
Die Begriffe Migration und Entwicklung sind – jeweils für sich genommen – in öffentlichen Debatten, wie beispielsweise in der Debatte um Integration, überaus präsent. Dabei scheint auf unausgesprochene Weise den an der Debatte Beteiligten klar zu sein, was mit Migration und Entwicklung gemeint ist. Eine differenzierte Auseinandersetzung, wofür genau die Begriffe Migration und Entwicklung stehen, welche – möglicherweise unterschiedlichen, wenn nicht gar widersprüchlichen – Bilder sie in unseren Köpfen hervorrufen und welche Konzepte sie bezeichnen, findet nur wenig statt.
Ebensowenig werden Migration und Entwicklung als Phänomene verstanden, die in einem engen Wechselverhältnis zueinander stehen. Während auf der Ebene internationaler Organisationen wie der International Organisation for Migration (IOM), der International Labor Organisation (ILO) und den United Nations (UN) schon seit Ende der 1990er Jahre über den Zusammenhang von Migration und Entwicklung diskutiert wird, die Kommission der Europäischen Union sich 2002 erstmals explizit und seit 2005 verstärkt mit dieser Verknüpfung beschäftigt und der Nexus „Migration und Development“ in den vergangenen Jahren zunehmend in den Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen gerät, werden die beiden Themen Migration und Entwicklung in einer breiteren Öffentlichkeit meist getrennt verhandelt.
Entwicklung wird dabei nach wie vor häufig als Defizit von Entwicklungsländern verstanden, welches mit Hilfe von Projekten der Entwicklungszusammenarbeit ausgeglichen werden sollte. Migration dagegen wird – je nach Standpunkt – als Thema oder Problematik verstanden, das oder die in erster Linie hier vor Ort, in der Bundesrepublik Deutschland oder der Europäischen Union verortet ist. Die Wechselverhältnisse und Verflechtungen von Entwicklung und Migration fallen dabei meist unter den Tisch. Wenn überhaupt, dann wird mangelnde Entwicklung in den Herkunftsländern als Ursache für Migration verhandelt.
Das Zusammenspiel von Migration und Entwicklung ist jedoch wesentlich vielfältiger und öffnet den Blick für unterschiedliche Perspektiven auf beide Phänomene. Wir wollen mit dem Projekt „MIGRATION <MACHT> ENTWICKLUNG –>> Transformationen und Projektionen urbaner Räume“ dieses Wechselspiel zwischen Migration und Entwicklung genauer auf den Grund gehen und kreativ veranschaulichen. Zentrale Fragestellungen, mit denen wir uns auseinandergesetzt haben waren:
- In welchem Verhältnis stehen Entwicklungspolitik und Migrationsbewegungen?
- Wie werden Migrationsbewegungen über entwicklungspolitische Maßnahmen gesteuert?
- Welchen Einfluss hat Migration auf die Entwicklung der Herkunftsländer und der Zielländer?
Ein Schwerpunkt der Auseinandersetzung war dabei die Transformation und Entwicklung urbaner Räume durch Migration sein. Hintergrund dieser Schwerpunktsetzung ist das Konzept der Kommunalen Entwicklungszusammenarbeit:
Im Zuge der vermehrten Förderung der kommunalen Entwicklungszusammenarbeit – in der Stadt München wurde beispielsweise 2008 eine Stelle für Internationale Angelegenheiten geschaffen, deren Schwerpunkt die Koordination der lokalen kommunalen Entwicklungszusammenarbeit ist – haben wir in den vergangenen Monaten innerhalb des Ökumenischen Büros, aber auch mit verschiedenen entwicklungspolitischen Gruppen in München wie z.B. dem Nord-Süd-Forum, aber auch mit der Gruppe [muc] münchen postkolonial Diskussionen über unser Verständnis von „Entwicklung“ geführt. In diesen Diskussionen wurde deutlich, dass es – je nach Kontext – sehr unterschiedliche Auffassungen von dem Begriff „Entwicklung“ gibt. Auf der einen Seite ist Entwicklung ein positiv besetzter Begriff, der für Fortschritt steht, für bessere Lebensbedingungen und für den Versuch internationale Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten auszugleichen. Auf der anderen Seite drückt der Begriff „Entwicklung“ immer auch ein globales Herrschaftsverhältnis aus, dessen Ursprünge im Kolonialismus und Rassismus liegen. Eine unkritische Verwendung des Begriffs Entwicklung läuft somit immer auch Gefahr dieses Herrschaftsverhältnis nicht aufzuweichen, sondern zu reproduzieren. Vor diesem Hintergrund wollen wir mit unserem Projekt folgende Fragen thematisieren:
- Wer entwickelt wen mit welchem Recht?
- Wer bestimmt, wohin Entwicklung gehen soll?
- Welche
Macht- und Herrschaftsverhältnisse liegen dem
Entwicklungskonzept zugrunde?
Mit der Verknüpfung der Themen Migration und Entwicklung wollen wir, eine Diskussion über beide Themen anzustoßen. Dabei geht es uns weniger darum, abschließende Antworten zu finden, sondern darum, mit kritischen Fragen zum Nachdenken anzuregen, feststehende Konzepte auf den Kopf zu stellen und so neue Perspektiven zu eröffnen.
Gefördert von: Inwent, Kulturreferat der Landeshauptstadt München, KathFonds
Gefördert von:
Inwent