Honduras

Länderbericht

Das Jahr 2015 begann und endete in Honduras mit Repression, Depression, Zersplitterung und Frust der sozialen Bewegungen. Dazwischen lagen Monate des Aufbruchs, zehntausende empörte Bürger*innen, auch solche aus dem Mittelstand, die nie zuvor an Protesten teilgenommen hatten, strömten auf die Straßen und machten ihrem Unmut über einen enormen Korruptionsskandal Luft: Mehrere Millionen Euro waren aus dem staatlichen Gesundheitssystem in dunkle Kanäle, unter anderem die Wahlkampfkasse des amtierenden Präsidenten Juan Orlando Hernández, geflossen. Die strukturellen Probleme des Landes und die zentralen sozialen Kämpfe blieben 2015 die gleichen wie die Jahre zuvor: Kleinbauern und -bäuerinnen und indigene Gemeinden versuchen unter wachsendem Druck ihre Territorien zu verteidigen, Medienschaffende kämpfen um das Recht auf Information und freie Meinungsäußerung, die LGBTI*-Community ums Überleben.

 

Repression gegen Schüler*innen und Studierende

Ein zeitliches Zusammentreffen illustriert, in welchem Spannungsfeld zwischen Außendarstellung und innerer Realität sich das Land auch schon im ersten Quartal 2015 bewegte: Während in der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa eine Konferenz für zentralamerikanische Sicherheit stattfand, bei der US-General John Kelly betonte, Honduras sei nicht mehr „das gefährlichste Land der Welt“, sondern ein „exzellenter Ort für Investitionen“,1 trafen Proteste von Schüler*innen und Studierenden, die Anfang März begonnen hatten, auf immer stärkere staatliche Repression. Am Nachmittag des 25. März kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Polizeieinheiten und Schüler*innen und Student*innen vor und in der nationalen autonomen Universität UNAH, die zu mehreren Verletzten und Verhafteten führten. In der Nacht vom 23. auf den 24. März waren zwei Schüler ermordet worden, die aktiv an den Protesten in der Hauptstadt teilgenommen hatten. Eine weitere Schülerin, die bei der Attacke schwer verletzt worden war, verstarb später im Krankenhaus. Einen Tag später wurde die Leiche der dreizehnjährigen Soad Nicolle Ham Bustillo aufgefunden. Der Körper wies Folterspuren auf. Die Schülerin war wenige Tage zuvor im Fernsehen zu den Protesten interviewt worden. In einer Erklärung bezeichnete Bildungsminister Marlon Escoto die ermordete Schülerin Suad Ham als „Problemkind“ und wies einen Zusammenhang der Morde mit der Beteiligung an den Protesten zurück. Neben der Kritik an den von der Weltbank, der Interamerikanischen Entwicklungsbank und dem Internationalen Währungsfonds unterstützten Privatisierungs- und Dezentralisierungsplänen und der Forderung nach besseren Lehrplänen und besserer Ausstattung war ein wichtiges Anliegen der protestierenden Schüler*innen zu verhindern, dass ihre Schulstunden früher beginnen und später enden sollten. Der Grund: die gefährlichen Schulwege.2
In Honduras kommen nach Angaben der Hilfsorganisation Casa Alianza jeden Monat mindestens 81 Kinder und Jugendliche unter 23 Jahren gewaltsam zu Tode. Viele Fälle weisen ein Profil „sozialer Säuberung“ auf. Auch das Verschwindenlassen von Jugendlichen und Kindern nimmt zu, so dass inzwischen in Honduras immer öfter der Begriff jovenicidio (Genozid an Jugendlichen) zu hören ist, der vor einigen Jahren in der mexikanischen Ciudad Juarez geprägt wurde.3


Empörte Bürger*innen gegen Korruption

Gegen Korruption
Ende der Angst: Zehntausende formierten sich 2015 jeden Freitagabend zu Fackelzügen gegen die Korruption. Foto: Giorgio Trucchi – LINyM

Ein enormer Korruptionsskandal war bereits 2014 ans Licht gekommen. Aus dem honduranischen Sozialversicherungssystem IHSS sollen rund 300 Millionen US-Dollar veruntreut und in anderen Kanäle geleitet worden sein. Doch so richtig entwickelte sich öffentliche Empörung darüber jedoch erst im Mai 2015. Der oppositionelle Sender Globo TV berichtete nämlich über die Verwicklung hoher Regierungsfunktionäre und zeigte Schecks, welche die regierende Nationale Partei (PNH) von Scheinunternehmen erhalten hatte, die unter anderem durch falsche Rechnungen Gelder aus dem IHSS zogen. Die Partei soll diese Gelder unter anderem für den Wahlkampf zu den Präsidentschaftswahlen 2013 verwendet haben, aus denen Juan Orlando Hernandez als umstrittener Sieger hervorging. Mitte Mai bestätigte die Staatsanwaltschaft die Existenz der Schecks und die Aufnahme von Ermittlungen. Kopien der Schecks lagen der Staatsanwaltschaft allerdings schon seit längerem vor, weshalb diese beschuldigt wurde, Ermittlungen verschleppt zu haben.4
Das honduranische öffentliche Gesundheitssystem war inzwischen weitgehend zusammengebrochen. Schnell wurde errechnet, dass der Geldentzug bis zu 3.000 Menschen das Leben gekostet hatte. Tausende empörter Bürger*innen strömten nun im ganzen Land in Fackelzügen auf die Straßen und forderten den Rücktritt des Präsidenten und die Einrichtung einer internationalen Untersuchungskommission gegen Korruption und Straflosigkeit nach dem Vorbild der guatemaltekischen UN-geführten internationalen Kommission gegen die Straflosigkeit CICIG.

Polizeisperre
Militär und Polizeisperre vor dem Regierungssitz. Foto: Giorgio Trucchi – LINyM

Als klar wurde, dass die Verantwortlichen sich ungerührt wegduckten, begannen zwei Studierende einen Hungerstreik vor dem Sitz des Präsidenten. Bald schlossen sich weitere Aktivist*innen der indignados und anderer sozialer Bewegungen an, wie zum Beispiel Vertreter*innen der von straflos agierenden Mörderbanden heimgesuchten indigenen Gemeinschaft der Tolupanes, die sich gegen ein Bergbauprojekt auf ihrem Territorium zur Wehr setzen. Der Hungerstreik war von vielfältigen Drohungen und Übergriffen der Polizei begleitet und endete am 27. Juni ohne Ergebnis.
Am 1. Juli erließ die Staatsanwaltschaft Haftbefehle gegen die Vizepräsidentin des Parlaments und 15 weitere Personen wegen Betrugs, Delikten gegen die öffentliche Gesundheit und Dokumentenfälschung. Die Regierung übte sich in Schadensbegrenzung und begann angesichts anhaltender Proteste einen so genannten nationalen Dialog, der allerdings damals von großen Teilen der Zivilgesellschaft, die sich für die Wiederherstellung der seit dem Putsch 2009 ausgehöhlten demokratischen Institutionalität und Rechtstaatlichkeit einsetzten, abgelehnt wurde. Im August kam ein weiterer Korruptionsfall im nationalen Institut für Statistik (INE) ans Licht. Auch hier sollen wieder Gelder für die Präsidentschaftskampagne von Hernández abgezweigt worden sein. Die vielköpfige Protestbewegung engagierte sich unter großen persönlichen Risiken für die Einsetzung einer UN-Kommission mit weitreichenden Ermittlungsvollmachten und Eingriffsrechten in die Arbeit der Staatsanwaltschaft, während die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) der Regierung Hernández beisprang und sich für eine MACCIH (Misión de Apoyo Contra la Corrupción y la Impunidad en Honduras) mit eingeschränkten Befugnissen stark machte, die schließlich Anfang 2016 auch tatsächlich installiert wurde.


Indigene Menschenrechtsverteidiger*innen besetzen OAS-Büro

Tolupanes
Hungerstreik für eine Internationale Kommission gegen Straflosigkeit, Foto: Giorgio Trucchi – LINyM

Mehrere Aktivist*innen der indigenen Tolupan- und Lenca-Organisationen besetzten das Büro der OAS in Tegucigalpa und forderten ein Gespräch mit dem uruguayischen Generalsekretär, Luis Almagro. In einem Brief machten sie auf die Verletzung ihrer Rechte und die Nichteinhaltung der von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission CIDH geforderten besonderen Schutzmaßnahmen aufmerksam. Zudem forderten sie, dass die OAS nicht in einem Dialog vermitteln solle, der die Hoffnung des honduranischen Volkes auf Gerechtigkeit negiert oder hinauszögert. Vielmehr sollten die Bedingungen geschaffen werden, um den kriminellen Eliten des Landes den Prozess zu machen. Die Vertreter*innen der Lenca und Tolupanes mussten die Nacht in einem Putzraum des OAS-Gebäude verbringen und wurden erst am nächsten Tag in die Büros vorgelassen und schließlich von Almagro empfangen.5
Ob die Ende des Jahres viel diskutierte MACCIH mehr als ein mit internationaler Finanzierung (auch vom deutschen BMZ) ausgestattetes Feigenblatt der Regierung Hernández sein wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls wird sie in ihrer Arbeit wohl auf institutionalisierte Hindernisse wie das 2015 verabschiedete Geheimhaltungsgesetz (Ley de Secretos Oficiales y Desclasificación de la Información Pública) treffen. Dieses Gesetz erlaubt es dem Präsidenten und Minister*innen in großem Umfang, Informationen in verschiedenen Geheimhaltungskategorien unzugänglich zu machen. Die Präsidentin des Instituts für den Zugang zu öffentlicher Information (IAIP) hatte Bedenken geäußert, dass dieses Gesetz internationale Anti-Korruptionsabkommen aushebeln würde, weshalb ihr zu Beginn des Jahres 2016 eingereichter Rücktritt absehbar schien.


Internationaler Kongress „Verantwortlicher Bergbau, höheres Wirtschaftswachstum“

Im Juli 2015 tagte in Tegucigalpa ein internationaler Kongress unter dem Motto „Verantwortlicher Bergbau, höheres Wirtschaftswachstum“. Eingeladen waren Expert*innen und Delegationen aus 15 Ländern.
Von Bergbau betroffene Gemeinden mobilisierten zum Protest. Sie empfanden das Motto als zynisch, seien doch mehr als 30 Prozent des dafür geeigneten honduranischen Territoriums bereits für Minen konzessioniert und weitere 870 Anträge für Konzessionen in Arbeit.6 Vizeumweltminister Pineda sprach hingegen von bestehenden Konzessionen für weniger als zwei Prozent des Staatsgebietes und von 333 Anträgen.7 Die amtierende Regierung hatte dem Bergbaugesetz ihrer Vorgängerin Ende 2014 eine Expressrichtlinie beigegeben, die sehr an kolumbianische Vorbilder erinnert: Lizenzen können nun allesamt im Schnellverfahren binnen 24 Stunden erteilt werden, ohne die dafür vorgesehenen Konsultationen mit der betroffenen Bevölkerung.
Eine der umstrittensten Bergbau-Lizenzen betrifft mehrere ohnehin schon von Landraub und dem Vordringen der Ölpalmen-Monokulturen schwer gebeutelten Garifuna-Gemeinden an der Nordküste Honduras. Die Genehmigungen für Punta Piedra I und II waren im Dezember 2014 an die Corporacion Minera Punta Caxina vergeben worden, die dort Eisenerz und nichtmetallische Mineralien abbauen will, wodurch auch eine Verschmutzung des für die Gemeinden lebenswichtigen Rio Bambuco und seiner Zuflüsse zu befürchten ist. Geplant ist auch ein so genannter  „Bergbau-Park“ im Rahmen der weltweit ersten Spezialzone für Arbeit und Entwicklung (ZEDE) im Departement Choluteca.


„Modellstädte“ alias „Charter Cities“ alias ZEDE

„Was wir in Honduras beobachten, hat tatsächlich eine herausragende Bedeutung. Allerdings werden wir nicht Zeugen einer Revolution, sondern einer systemimmanenten Fortentwicklung jahrzehntelanger Trends: Zurückdrängung des Staates, Privatisierungen und globaler Konkurrenzkampf um Investoren. In diesem Wettbewerb gestehen Staaten den Unternehmen immer weitergehende Vergünstigungen und Freiräume zu. Mit der ZEDE erreicht diese Dynamik eine neue Dimension“, schreiben Nicole Ruchlak und Carsten Lenz in Blätter für deutsche und internaionale Politik.8
2015 blieb es nicht mehr bei der ultraneoliberalen Utopie. Die erste einer Vielzahl geplanter ZEDE in Honduras nimmt inzwischen Gestalt an. Ihr oberstes Lenkungsorgan ist das sogenannte Komitee für die Übernahme der besten Praktiken (CAMP, Comité para la Adopción de Mejores Prácticas), das von der honduranischen Regierung ernannt wurde und seither für seine Arbeit keinerlei demokratische Kontrolle befürchten muss. Mitglieder des 21-köpfigen CAMP sind unter anderem vier ehemalige Mitarbeiter*innen der Regierung Reagan, die ehemalige Innsbrucker FPÖ-Gemeinderätin und heutige Präsidentin des Wiener Hayek-Instituts, Dr. Barbara Kolm, die ehemalige Botschafterin Georgiens in Deutschland, Gabriela von Habsburg sowie drei Angehörige des ultraliberalen US-Thinktanks Cato-Institute. Gemäß Lenz/Ruchlak lasse sich die politische Ausrichtung dieses Gremiums durch die markigen Worte des US-Lobbyisten und CAMP-Mitglieds Grover Norquist charakterisieren, den sie mit folgenden Worten zitieren: “Ich will die Regierung nicht abschaffen. Ich möchte sie bloß so klein machen, dass ich sie ins Badezimmer schleifen und in der Badewanne ertränken kann.“ Für die praktische Verwaltung der ZEDE, die auch eine eigene, private Polizei bekommen sollen, wird CAMP dem honduranischen Parlament eine Liste der gewünschten Kandidat*innen übergeben.


Widerstand im Süden von Honduras formiert sich

Die erste ZEDE entsteht seit 2015 im Süden von Honduras, im Departement Choluteca. Sie soll an der Pazifikküste am Golf von Fonseca einen Tiefseehafen und ein Logistikzentrum umfassen, die mit einer großen Autobahn nach dem Modell „trockener Kanal“ mit dem Norden verbunden werden sollen. Die Machbarkeitsstudie, die im Mai 2015 fertig gestellt sein sollte, kam offenbar zunächst nicht so recht voran, weil der koreanische Vertragspartner POSCO Daewoo ebenfalls in einen Korruptionsskandal verstrickt war.9 Im Juli verkündete Präsident Hernández jedoch nach einer Reise nach Südkorea, er habe die Studie und die Unterstützung der staatlichen Entwicklungsagentur KOIKA erhalten. Aufgrund der Schwäche der lokalen Basisorganisationen an der Küste und den verlockenden Versprechungen neuer Arbeitsplätze und sicherer Infrastruktur für die verarmte und vernachlässigte Region Amapala ließ eine vernehmliche Opposition vor Ort zunächst auf sich warten. Ende 2015 erreichten uns jedoch Nachrichten, dass sich mittlerweile 60 Gemeinden zum Bündnis Movimiento Ambientalista Social del Sur por la Vida (Mass-Vida) auch gegen die ZEDE zusammengeschlossen haben. Mass-Vida kritisiert unter anderem, dass Lizenzvergaben für Bergbau und für die geplante größte Solaranlage Lateinamerikas zu Abholzungen großer Flächen führten und den betroffenen Gemeinden keinerlei Vorteile einbrächten.10
Im Norden des Landes setzt sich die Organización Fraternal Negra Hondureña (OFRANEH) seit Jahren für die Landrechte der lokalen Garifuna-Gemeinden ein. OFRANEH berichtete 2015 von einem Spekulationsboom im Grundstücks- und Immobiliensektor sowie Vertreibungen am nächsten geplanten ZEDE-Standort Puerto Castillo an der Bucht von Trujillo. Mehr als 3.000 Einwohner*innen sollen nach dem offiziellen Plan ZEDE Trujillo-Santa-Fe für den Ausbau des Hafens, des Karibik-Tourismus und Infrastrukturprojekte umgesiedelt werden. Wohin ist unklar und die nach der ILO-Konvention 169 vorgeschriebenen Konsultationen der indigenen Garifuna-Gemeinden blieben bisher aus.11


Münchner Flughafengesellschaft gewinnt Ausschreibung für Palmerola Airport

Dies ist das Investitionsklima, in dem die Münchner Flughafengesellschaft FGM im Bündnis mit der honduranischen Inversiones EMCO S.A zum Jahresende 2015 die Ausschreibung für den Bau und Betrieb des neuen honduranischen internationalen Großflughafens Palmerola gewann, der im übrigen auch auf der Karte potentieller ZEDE in Honduras verzeichnet ist.12 Gesellschafter der FGM sind der Freistaat Bayern mit einem Anteil von 51 Prozent, die Bundesrepublik Deutschland mit 26 Prozent und die Landeshauptstadt München mit 23 Prozent. 13
Die Konzession läuft über 30 Jahre. Laut Presseberichten soll der Flughafen zwischen 140 und 160 Millionen US-Dollar kosten. Er wird den jetzigen, wegen seiner kurzen Landebahnen sehr gefährlichen Tocontín Airport in Tegucigalpa ersetzen. Knapp 73 Millionen US-Dollar sollen vom honduranische Staat kommen (etwa 50 Millionen aus der Umschuldung eines Kredites des spanischen Staates und über 20 Millionen aus öffentlichen Haushaltsmitteln), etwas über 87 Millionen US-Dollar von der FGM/EMCO. In den ersten 28 Jahren des Betriebs soll kein Cent an den honduranischen Staat zurückfließen - es sei denn, die Zahl der Fluggäste würde die 600.000 überschreiten. Prognosen gehen bisher von ca. 300.000 Fluggästen im Jahr der vorgesehenen Inbetriebnahme 2018 und einer jährlichen Steigerungsrate von drei Prozent aus.14
Palmerola ist derzeit Sitz der Soto Cano Air Base, auf der neben honduranischem Militär auch mehr als 600 US-amerikanische Soldaten dauerhaft stationiert sind. Die Basis ist einer der wichtigsten Militärstützpunkte der USA in Zentralamerika. Von ihr starteten in den achtziger Jahren viele Counterinsurgency-Einsätze des US-Militärs gegen die Guerrilla und die Zivilbevölkerung in den Nachbarländern El Salvador und Guatemala sowie die Unterstützung für die antisandinistische Contra in Nicaragua.
Bereits Präsident Zelaya, der beim Putsch 2009 von Palmerola aus nach Nicaragua verschleppt wurde, wollte den Flughafen in einen internationalen zivilen Flughafen umwandeln, was angeblich mit zu seinem Sturz beigetragen haben soll. Nun allerdings sollen sich Militär und zivile Luftfahrt das Terrain teilen, so zumindest die rechtsnationalistische Tageszeitung El Heraldo.15


Garifuna-Gemeinden erzielen Erfolg beim interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte

Zwölf Jahre nach dem Einreichen ihrer Klage urteilte der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte im Dezember 2015, dass der honduranische Staat die kollektiven Landrechte der Garifuna-Gemeinden Triunfo de la Cruz und Punta Piedra sowie ihre Rechte auf Konsultation, kulturelle Identität, rechtlichen Schutz und Zugang zur Justiz verletzt habe.
Das Urteil verpflichtet den honduranischen Staat unter anderem zu einem öffentlichen Eingeständnis seiner Verantwortung, der Ausstellung von kollektiven Landtiteln über das angestammte Territorium der Gemeinden, den Rückkauf von Dritten illegal erworbener oder besetzter Teile zugunsten der Gemeinden oder die Übergabe von gleichwertigen Ländereien und den Aufbau eines Entwicklungsfonds für die Dörfer und ihre Bewohner*innen.16 Letzteres sieht die Organisation OFRANEH, die die Klagen eingereicht hatte, unter den gegebenen Umständen eher kritisch: Die Gelder könnten benutzt werden, um die Gemeinden noch stärker zu spalten und bisher Erreichtes in Frage zu stellen. Auch verhinderten sie nicht weitere drohende Vertreibungen und Enteignungen durch die ZEDE  und könnten auch die Auflösung kollektiver Landtitel durch das von der Weltbank oktroyierte Eigentumsgesetz nicht stoppen. Dennoch bleiben Klagen und Petitionen vor der interamerikanischen Gerichtsbarkeit eines der wenigen Mittel der indigenen Gemeinden, sich gegen den systematischen Landraub auf ihren Territorien zu wehren, deshalb hat OFRANEH drei weitere Verfahren angestrengt.17

 

1    https://ofraneh.wordpress.com/2015/03/27/desangran-a-honduras-asesinan-a-jovenes-por-participar-en-manifestaciones-estudiantiles/
2    http://www.hondurasdelegation.blogspot.de/2015/03/massive-schuler-und-studentenproteste.html
3    http://casa-alianza.org.hn/images/documentos/CAH.2016/03.Comun.CAH/03.%20casa%20alianza_comunicado%202%20aos%20de%20gobierno%20joh.pdf
4    https://amerika21.de/2015/06/123329/korruption-ihss
5    http://hondurasdelegation.blogspot.de/2015/07/druck-auf-regierung-in-honduras-wachst.html; https://blog.misereor.de/2015/10/23/honduranische-kaempferin-fuer-menschenrechte-von-killern-bedroht/
6    https://ofraneh.wordpress.com/2015/07/08/corrupcion-generalizada-y-el-congreso-internacional-mineria-honduras/
7    http://www.laprensa.hn/honduras/870089-410/diversificación-potencia-exportaciones-mineras-en-honduras
8    Carsten Lenz/Nicole Ruchlak:Charter Cities - Honduras als Experimentierfeld neoliberaler Utopien. In: Blätter für deutsche und internationale Politik 11/2015
9    www.koreaobserver.com/posco-shares-plunge-amid-probe-into-alleged-corruption-27615/
10    www.latribuna.hn/2015/11/13/protestan-contra-plantas-solares-y-la-mineria/
11    https://ofraneh.wordpress.com/2015/09/18/zede-ciudad-modelo-y-el-desalojo-de-la-comunidad-garifuna-de-puerto-castilla/; National Lawyers Guild (NLG) Video „Neocolonialism and land grabbing in Honduras“ https://www.youtube.com/watch?v=_kRRnBIbgz0; Fernando Garcia Rodrígue: Las Ciudades Burbujas. Zonas de Empleo y Desarrollo Económico (ZEDE) en Honduras Análisis Político-Jurídico de la Legislación de las ZEDE. Tegucigalpa (FES) 2014
12    zede.gob.hn
13    www.munich-airport.de/de/company/facts/allg/index.jsp
14    www.laprensa.hn/honduras/926979-410/palmerola-no-pagará-ni-un-centavo-al-estado-en-28-años
15    www.elheraldo.hn/pais/913455-466/firma-hondure%C3%B1o-alemana-inicia-en-seis-meses-obras-en-palmerola
16    www.hondurasdelegation.blogspot.de/2015/12/honduras-wegen-verletzung-indigener.html
17    https://ofraneh.wordpress.com/2015/12/21/corte-idh-condena-al-estado-de-honduras-por-violar-derechos-colectivos-del-pueblo-garifuna/; https://ofraneh.wordpress.com/2016/02/10/las-sentencia-de-la-corte-idh-el-derecho-a-la-consulta-y-la-represa-en-la-comunidad-garifuna-de-sambo-creek/

 

LGBTI* in Honduras

Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden” schrieb Rosa Luxemburg. Und der Andersliebenden und -begehrenden, wäre hinzuzufügen. In Honduras wird der Ausbruch aus den herrschenden Sexual- und Geschlechternormen diskriminiert, verfolgt und ausgelöscht. Doch an der Reibungsfläche der Unterdrückung entzündet sich auch Widerstand.

Über 210 Mitglieder der LGBTI*-Community (zu den Begriffen siehe Auflistung am Ende des Artikels) wurden in Honduras zwischen 2009 und 2015 ermordet, berichten Menschenrechtsorganisationen.1 Nur die wenigsten Morde werden strafrechtlich verfolgt und aufgeklärt. Homosexualität ist in Honduras zwar nicht strafbar, doch LGBTI* werden in ihrem Kampf um Gleichberechtigung, Sichtbarkeit und gesellschaftliche Anerkennung massiv bedroht. Gewalt schlägt ihnen aus Zivilgesellschaft und staatlichen Institutionen entgegen.


Aufsässig in ihrem Begehren und Aufbegehren

Die Lage der LGBTI* hat sich insbesondere seit dem Staatsstreich im Juni 2009 immer weiter verschlechtert. In den Wochen nach dem Putsch verdreifachte sich die Zahl der Gewaltverbrechen. Die LGBTI*-Bewegung hatte Präsident Zelaya und seine Pläne einer Verfassungsreform unterstützt und ging nach dem Putsch als Teil des Widerstandes auf die Straße: Die heterogene Bewegung aus Bauern und Bäuerinnen, indigenen Gruppen, Feminist*innen und LGBTI*-Aktivist*innen stellt sich seither Verfolgung, Militarisierung und dem Ausverkauf des Landes entgegen. LGBTI* wurden so zur doppelten Zielscheibe: Aufsässig in ihrem Begehren und Aufbegehren.

Zwei Beispiele von vielen:
In der Nacht vom 25. auf den 26. Juni 2015 wurde aus einer Gruppe von vier Unbekannten auf Angy Ferreira geschossen. Eine Polizeipatrouille, die am Tatort erschien, kam der noch Lebenden nicht zu Hilfe. Eine der Augenzeuginnen des Mordes wurde einige Tage später ebenfalls von Unbekannten zusammengeschlagen. Sie musste zusammen mit einer weiteren Augenzeugin Honduras verlassen. Angy Ferreira war Koordinatorin der Trans*Frauen-Gruppe bei der Asociación Arcoíris (Regenbogen), eine von etwa einem Dutzend Organisationen in Honduras, die sich für LGBTI*-Rechte einsetzen.

Christopher-Street-Day München 2015: Solidarität mit der LGBTI-Community in Honduras. Foto: Eliot Jones


Am 15. August 2015 wurde in unmittelbarer Nähe des Arcoíris-Büros auf die Trans*-Aktivistin Paola Barraza (ebenfalls Vorstandsmitglied der Organisation) geschossen. Sie überlebte schwer verletzt, eine Kugel ist in ihrem Schädelknochen steckengeblieben. Ende Januar 2016 wurde sie vor ihrer Haustür erschossen.

Überlebensalter: 40 Jahre

Angy und Paola waren Mitte zwanzig als sie wegen ihres Engagements für LGBTI*Rechte ermordet wurden. LGBTI*-Personen werden in Honduras durchschnittlich nur 40 Jahre alt, während ihre heterosexuellen Mitbürger*innen durchschnittlich ein Alter von 76 Jahren erreichen. 98 Prozent der Gewaltverbrechen an LGBTI* bleiben in Honduras ungeahndet. Besonders wenig Aufklärung erfahren Hate Crimes – aus Hass motivierte Diskriminierungen, Belästigungen, Angriffe bis hin zum Mord. Deutlich zeigen dies auch die Statistiken zu Feminiziden: den Morden an Frauen mit dem Motiv Frauenhass. Alle 16 Stunden wird in Honduras eine Frau ermordet, über 90 Prozent der Fälle bleiben straflos.


Maroder Rechtsstaat

Die honduranische Polizei sorgt nicht für die Sicherheit der queeren Bevölkerung. Die meisten Übergriffe gegen LGBTI* werden gar nicht erst zur Anzeige gebracht, aus Angst vor Polizei und Militär, die oft genug selbst Täter*innen sind. Arcoíris hat sich zur Aufgabe gemacht, diese Verbrechen zu dokumentieren und Anzeige zu erstatten. Der Aktivist Donny Reyes, der die LGBTI*-Organisation Arcoíris 2003 gründete, war mehrfach persönlich betroffen von der Gewalt und Ignoranz der Polizei. 2007 wurde er verhaftet und in Untersuchungshaft unter der Aufsicht der Polizisten mehrfach von Gefangenen misshandelt und vergewaltigt.
Am 1. August 2015 wurde Donny zusammen mit seinem Lebensgefährten von einer Polizeipatrouille gestoppt und an einem Ort, an dem üblicherweise Menschen exekutiert oder Leichen abgelegt werden, beschimpft und hatten Todesangst. Am 20. August 2015 wurde Marco Aurelio Lopéz, LGBTI*-Aktivist aus La Ceiba nach einem Arbeitstreffen im Arcoíris-Büro von einer Patrouille der Militärpolizei verschleppt und außerhalb der Stadt geschlagen und mehrfach vergewaltigt. Er überlebte und ist inzwischen außer Landes. Arcoíris geht davon aus, dass er mit Donny Reyes verwechselt wurde. Die Ko-Direktorin von Arcoíris und Leiterin der Lesbengruppe LITOS, Esdra Sosa musste ebenso wie Marco Aurelio, auf Grund von Drohungen zeitweise das Land verlassen. Am 5. Oktober war LITOS-Aktivistin Josselin Janeth Aceituno Suazo (23) verschleppt, gefoltert und ermordet worden. Eine Liste von weiteren Überfällen, Schüssen und Bedrohungen allein gegenüber Arcoíris-Aktivist_innen von Oktober bis Jahresende 2015 füllt acht DIN A4 Seiten.


Weggeschlossen auf „La Isla“

So untätig die Polizei bei Gewalt gegen LGBTI* bleibt, so akribisch inhaftiert sie insbesondere Trans*frauen, die als Sexarbeiter*innen tätig sind, willkürlich oder bei kleinsten Delikten. Falls sie nicht in der Lage oder willens sind, die Polizisten zu bestechen, werden sie in speziellen Gefängnistrakten, wie z.B. der „Insel“ in Tegucigalpa, mit psychisch Schwerkranken und Menschen mit HIV oder Tuberkulose im Endstadium weggeschlossen und fortlaufend erniedrigt.
Die weit verbreitete Homo- und Transphobie in Honduras zieht sich durch alle maroden Institutionen, angefangen bei der Polizei bis hin zum Gesetzgeber. Der Staat schafft ein Klima der Rechtlosigkeit und Verachtung. Die 2015 begonnene Reform des Strafrechts, die Mitte 2016 abgeschlossen werden soll und von der Europäischen Union finanziert sowie mit Berater*innen unterstützt wird, droht dies noch zu verschlimmern. LGBTI*-Organisationen hatten nach dreijähriger Kampagne 2013 erreicht, dass Hassverbrechen ins Strafgesetzbuch aufgenommen wurden. Noch ehe es zu einem ersten Präzedenzfall kommen könnte – falls ein Staatsanwalt oder Gericht sich dazu entschlösse – droht der entsprechende Paragraph nun wieder gestrichen zu werden.
Die Strafrechtsreform soll überdies die „Annahme einer falschen Identität“ verbieten. Intention der Gesetzesänderung ist zwar die Bekämpfung des organisierten Verbrechens, doch sie könnte – mit höherer Wahrscheinlichkeit – auch gegen die LGBTI*-Community, insbesondere Trans*-Personen, gewendet werden.


Sand im Getriebe der Macht

LGBTI* sind Sand im Getriebe der Machtverhältnisse. Sie stellen die soziale Ordnung bereits durch ihre bloße Existenz infrage. Mehr noch, Lebens- und Beziehungsformen der LGBTI*-Community erproben alternative Gesellschaftsentwürfe. In Honduras werden schwule, lesbische und transgeschlechtliche Jugendliche häufig von ihren Familien vor die Tür gesetzt. Von ihren Familien verachtet und verstoßen, bildet die LGBTI*-Community Schutzräume und Freiräume jenseits von Blutsverwandtschaft und staatlicher Akzeptanz.
Die verheerende Situation der LGBTI* in Honduras ist eng verwoben mit Herrschaftsverhältnissen und überkommenen Denkmustern. So knüpfen sich die emanzipatorischen Prozesse dieser „geschlechtlichen Abweichler“ und „sexuellen Außenseiter“ an vielfältige Kämpfe um Selbstbestimmung und umgekehrt. Hier kann internationale Solidarität ansetzen, Allianzen bilden, Druck machen. Denn: Emanzipation ist unteilbar.


Sexuelle Vielfalt

L-Lesbian-Lesbe: Sich als weiblich identifizierende Person, die     Frauen begehrt.
G-Gay-Schwuler: Sich als männlich identifizierende Person, die Männer begehrt.
B-Bisexual-Bisexuell: Person, die sich sowohl zu Männern als auch zu Frauen hingezogen fühlt.
Heterosexuell: Person, die Menschen anderen Geschlechts begehrt.


Geschlechtliche Vielfalt

T-Trans*: Sammelbezeichnunug für: „Transvestiten“, „Transsexuelle“, „Transgender“ und „*“; Überschreiten des zugewiesenen Geschlechts. Ihre sexuelle Orientierung kann variieren.
Transvestit: Person, welche die Kleidung des anderen Geschlechts (Gender) bevorzugt, jedoch keine anderen körperlichen Veränderungen anstrebt. Die „Travestie“ ist der Kleidertausch auf der Bühne.
Transsexuell: Menschen, deren empfundenes Geschlecht (Geschlechtsidentität) nicht mit dem zugewiesenen biologischen Geschlecht (Sex) im Einklang ist. Damit verbunden ist der Drang, den Körper auch durch medizinische Eingriffe an die Geschlechtsidentität anzugleichen. Transgender: Menschen, deren empfundenes Geschlecht (Geschlechtsidentität) nicht mit dem zugewiesenen biologischen Geschlecht (Sex) im Einklang ist. Ob eine geschlechtsangleichende Operation angestrebt wird, ist unwichtig.
Cis: Das zugewiesene Geschlecht wird angenommen und stimmt mit dem empfundenen Geschlecht (Geschlechtsidentität) überein.
I-Intersexuell: Person, mit Geschlechtsmerkmalen beider Geschlechter (Sex). Keine eindeutige Zuordnung zum binären Geschlechtssystem (männlich-weiblich) möglich. Intersexuelle kämpfen gegen frühkindliche Zwangsoperationen zur „Normalisierung“ – auch in Deutschland.


Geschlecht

Sex: Das biologische Geschlecht, in das Menschen aufgrund sozial vereinbarter körperlicher Merkmale eingeordnet werden. Durch die kulturelle Deutung genetischer, anatomischer und hormoneller Merkmale entsteht ein binäres Geschlechtssystem (männlich-weiblich). Was nicht in die nur zwei Kategorien passt, gilt als Abweichung oder Krankheit. Gender: All die Eigenschaften, Verhaltensweisen und Werte, welche gesellschaftlich konstruiert und den biologischen (scheinbar eindeutigen) Geschlechtern „Mann-maskulin“ und „Frau-feminin“ zugeschrieben werden.
Geschlechtsidentität: Das subjektive Gefühl eines Menschen, sich als Mann, Frau, dazwischen oder jenseits dieser Einteilung zu empfinden.


Jenseits aller Grenzen

Q-Queer: Personen, welche sich nicht auf eindeutige geschlechtliche und sexuelle Identitäten festlegen wollen. Das Wort „queer“ wird zudem gelegentlich als Sammelbegriff für die LGBTI*-Community gebraucht. In Honduras ist Q noch nicht im Gebrauch, weswegen wir das Q bei der Beschreibung der dortigen Realität oft weglassen.
*-„das Sternchen“: Der digitalen Kommunikation entlehnt, wo es stellvertretend für beliebig viele Zeichen steht. Mit dem „*“ wird die Beschränkung auf die Kategorien „weiblich“ oder „männlich“ durchbrochen. Dabei fungiert der Stern als ein Platzhalter für alle.


Aktivitäten LGBTI*-Honduras-München

„Ich denke, dass dieser neuerliche Mord das Ziel hat, uns einzuschüchtern und die Community zu demobilisieren, aber wir werden nicht zulassen, dass die Angst uns überwältigt,“ sagte uns Donny Reyes von der Asociación Arcoíris nach dem Mord an Angy Ferreira.

CSD München
Christopher-Street-Day München 2015: Homophobie tötet. Foto: Eliot Jones

In München hat sich 2015 eine kleine Gruppe aus LGBTI*- und Ökubüro-Aktivist*innen zusammengefunden, die sich regelmäßig im Ökubüro  trifft und Arcoíris, fallweise auch andere LGBTI*-Menschenrechtsver-teidiger*innen, im alltäglichen Überlebenskampf sowie bei Kampagnen unterstützt und hierzulande über die Situation der Community informiert.
Im Mai vermittelten und dolmetschten wir einen Vortrag der Trans*-Aktivistin Kendry Hilton bei der Trans*Tagung in München. Im Juni folgte eine Spendenaktion zugunsten der  Mobilisierungen zur  Pride Parade des Internationalen Tags gegen Homo-, Trans- und Biphobie (IDAHOT) in Tegucigalpa.
Nach der Ermordung von Angy Ferreira im Juni starteten wir eine Urgent Action, in der wir die Aufklärung und Bestrafung der Tat, mit der Community abgestimmte Schutzmaßnahmen und Prävention gegen hate crimes forderten. Zusätzlich zur mail-Aktion sammelten wir (nicht elektronisch-anonym, sondern persönlich) über 500 Unterschriften, die der honduranischen Botschaft in Berlin übergeben wurden.
Zum Konzert der argentinischen Band Kumbia Queers in der Münchner Muffathalle hatten wir einen Infostand und eine kurze aber heftige  Bühnenintervention, beim Christopher Street Day waren wir mit Fotos, Schildern und Flyern im Block der Trans*Tagung bei der Pride Parade dabei.
Die Münchner Stadträtin Lydia Dietrich hob die Situation der LGBTI* in Honduras auf die große CSD-Bühne und wir konnten uns der Solidarität der Bundestagsabgeordneten Volker Beck und Kai Gehring versichern, die sich in der Folge u.a. in einer kleinen Anfrage an die Bundesregierung zur Lage der LGBTI* in Honduras ausdrückte. Wir beteiligten uns sodann an der Solidaritätsaktion auf dem Weißenburger Platz in Haidhausen für Marcel, der nach dem CSD angepöbelt, attackiert und erheblich verletzt worden war –  und bekamen Zuspruch der Münchner Maikönigin für unsere Honduras-Arbeit.
Am 17. Oktober besuchte uns Donny Reyes. Er informierte im Rahmen einer Veranstaltung im ligsalz8 über die aktuelle Situation und sensibilisierte uns für zwei Themen, die wir, neben anderen, auch 2016 weiterverfolgen werden: Die Situation der inhaftierten Mitglieder der Community und die Strafrechtsreform, die kontraproduktiv zu enden droht (siehe Artikel).

Christopher-Street-Day München 2015: Homophobie tötet. Foto: Eliot Jones

 

1    https://www.dropbox.com/s/2y4xiudr452f39f/INFORME%202015%20CRIMENES%20DE%20ODIO%20APUVIMEH.pdf?dl=0

 

Aktivitäten zu Honduras

Wasserkraftwerk „Agua Zarca“ — Protest zur Siemens-Hauptversammlung

Anlässlich der Jahreshauptversammlung von Siemens machten wir Ende Januar erneut vor und in der Münchner Olympiahalle auf Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem Wasserkraftwerk „Agua Zarca“ in Honduras aufmerksam. Durch unseren Mexiko-Referenten sowie Aktivist*innen von Pro Regenwald, GegenStrömung und dem Dachverband Kritischer Aktionärinnen und Aktionäre wurde Siemens aber auch mit der Problematik der Staudammprojekte im brasilianischen Amazonasgebiet und der Windparks auf dem Isthmus von Tehuantepec in Mexiko konfrontiert. Zu „Agua Zarca“ und „Belo Monte“ waren der Konzernleitung ausführliche Dossiers vorgelegt worden, in denen unter anderem die fehlenden freien, vorherigen und informierten Konsultationen der betroffenen indigenen Gemeinschaften dokumentiert sind. Außerdem wurden illegale Landaneignungen und weitere kriminelle Machenschaften der Staudammbetreiber geschildert.1
Vorstandsvorsitzender Joe Kaeser zog sich in seiner Replik auf den Standpunkt zurück, Siemens sei an den Staudämmen nicht direkt beteiligt, sondern „nur“ mit einer Minderheitsbeteiligung am Joint Venture VOITH HYDRO. Für Siemens „haben Compliance und Ethik höchste Priorität.“ Der Respekt vor den Menschenrechten habe Vorrang vor kommerziellen Interessen. Man halte sich an internationale Abkommen und Normen und habe die UN-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte (Global Compact 2003) unterschrieben. Daniel Tapia kommentierte die Kluft zwischen lokaler Realität und wohlfeilen Worte in seinem anschließenden Statement für die mexikanische Presse so: „Die Haltung eines Konzerns wie Siemens zeigt einmal mehr wie notwendig ein international verbindlicher Mechanismus für die menschenrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen ist. Die existierenden Abkommen sind nicht einklagbar. Wenn sie nicht eingehalten werden, passiert nichts. Auf diese Weise dienen sie den globalen Wölfen als bequemer Schafspelz.“2


Veranstaltungen in München und Nürnberg

Unter dem Titel „Staudämme, Konzerne, Menschenrechte und Widerstand“ referierte Christian Russau zur 38. Lateinamerikawoche Ende Januar in Nürnberg über das Staudamm-Projekt „Belo Monte“ in Brasilien, unsere Honduras-Referentin über „Agua Zarca“. Beide freuten sich über die zahlreichen Zuhörer*innen und gaben überdies ein ausführliches gemeinsames Interview für Radio Z.
Ende April luden wir in ähnlicher Konstellation zu einer gemeinsamen Veranstaltung „ Grüne Energie - auf wessen Kosten?“ in die Münchner Seidlvilla ein. Mit von der Partie war diesmal zusätzlich Verena Glass von der Organisation Xingu Vivo aus Brasilien.  Besonders gut kamen beim Publikum erste Ausschnitte aus dem Film „La Voz del Gualcarque“ an, der im Januar  2016 Festivalpremiere feierte.3
Am 6. März veranstalten wir im EineWeltHaus München eine Podiumsdiskussion mit zwei Gästen aus Honduras. Tomás Gomez Membreno vom Rat indigener und zivilgesellschaftlicher Organisationen in Honduras (COPINH) und Juan Mejía von der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Breite Bewegung für Würde und Gerechtigkeit (MADJ) referierten zum Thema „Honduras – Weil unser Land nicht zu verkaufen ist. Wie Basisorganisationen sich gegen Großprojekte wehren“.


Information und Advocacy

Am 6. März 2015  begleiteten wir die beiden honduranischen Referenten zu einem ausführlichen Gespräch mit Siemens-Investor Relations. Unser Menschenrechtsdossier und die überzeugende Darstellung der Problematik der beiden Menschenrechtsverteidiger schien zumindest einen Vertreter von Siemens soweit zu überzeugen, dass er bekundete, die zur Durchsetzung des Projektes „Agua Zarca“ angewandten Methoden seien „inakzeptabel“ und „mit Siemens-Standards nicht vereinbar“. Was von derlei Äußerungen hinter verschlossenen Konzerntüren zu halten ist, zeigte sich zu Beginn 2016, als Siemenschef Joe Kaeser vor mehreren tausend Aktionär*innen darlegte, dergleichen sei nie gesagt worden.
Im Mai 2015 begann in Honduras ein von der Sonderstaatsanwaltschaft für Ethnien geführter Prozess gegen den ehemaligen Vizeumweltminister Marco Jonathan Laínez und weitere Funktionäre wegen des Vorwurfs der Verletzung der Rechte der indigenen Lenca-Bevölkerung durch das Staudamm-Projekt „Agua Zarca“: Es geht  um die fehlende Konsultation bzw. die gefälschte Zustimmung der betroffenen Gemeinden und Manipulationen des Umweltgutachtens. Nichtsdestotrotz rückten im Juli vor Ort erneut Baumaschinen an, diesmal auf  der linken Flussseite. Gelder für das Projekt kommen offenbar weiterhin von der holländischen Entwicklungsbank FMO und dem zu 93 Prozent staatlichen Finnfund.
Im Oktober 2015 wurden Staudammgegner*innen, die auf der rechten  Flussseite ein Protestcamp eingerichtet hatten, mit schweren Felsbrocken attackiert, nachts fielen immer wieder Schüsse. COPINH wurde eine Todesliste mit über zwanzig Staudammgegner*innen zugespielt.

Polizei und Militär
Polizei und Militär auf der neuen Baustelle. Foto: COPINH


Im Dezember 2015 erreichten die Staudammgegner*innen einen vorläufigen Teilsieg im Prozess gegen einen Unteroffizier, der 2013 den indigenen Menschenrechtsverteidiger und ehrenamtlichen Bürgermeister Thomas Garcia erschossen hatte. Er wurde wegen Mordes verurteilt, die Schüsse auf seinen 16-jährigen Sohn wertete das Gericht hingegen nur als „Fahrlässigkeit.“ Bis zum Redaktionsschluss (Februar 2016) war das Urteil allerdings noch nicht rechtskräftig. Der Prozess war von zahlreichen Einschüchterungsversuchen und Bedrohungen, gegen Zeug*innen der Anklage, COPINH-Aktivist*innen und Staatsanwält*innen begleitetet. Im gleichen Monat wurde ein internationaler Menschenrechtsbeobachter aus Spanien zunächst vom Sicherheitschef der Kraftwerksbetreibergesellschaft DESA fotografiert und wenige Stunden später von zwei bewaffneten  Unbekannten mit dem Tod bedroht, falls er das Land nicht verlasse.
Wir berichteten u.a. beim Runden Tisch Zentralamerika im Auswärtigen Amt über den Fall „Agua Zarca“ und informierten Außenministerium und Botschaft über die Bedrohungen gegen den Menschenrechtsaktivisten.


Eilbriefe in Solidarität mit der Gemeinschaft der Tolupanes

Im Juli unterstützten wir eine Eilaktion des internationalen Menschenrechtsbegleitprojektes in Honduras PROAH. Die  sieben Mitglieder der indigenen Gemeinschaft der Tolupanes „Tribu de San Francisco de Locomapa“, die am Hungerstreik in Tegucigalpa (siehe Honduras-Länderteil) teilnahmen befanden sich in akuter Lebensgefahr. Deshalb  mobilisierten wir zu Protestbriefen, in denen auch auf die  Situation der Straflosigkeit und schweren Menschenrechtsverletzungen in den Gemeinden der Tolupanes in der  Region Locomapa, Departement Yoro, hingewiesen wurde. Dort waren nach Augenzeugenberichten bis dato fünf Führungspersonen des „Tribu San Francisco de Locomapa” von Männern ermordet worden, die einer Gruppe von Minenbetreibern und mächtigen Unternehmer*innen der Region angehören. Gegen zwei von ihnen war bereits nach dem Mord an drei Gemeindemitgliedern im August 2013 Haftbefehl erlassen worden, ohne dass das irgendwelche Konsequenzen nach sich gezogen hatte.4


Pressemitteilung zum Staatsbesuch des honduranischen Präsidenten

Unter dem Titel „Korruption, illegale Machenschaften und schwere Menschenrechtsverletzungen“ verfassten wir gemeinsam mit Kolleg*innen der HondurasDelegation in Hamburg und Berlin ein Statement zum Deutschlandbesuch des honduranischen Präsidenten am 26. und 27. Oktober.  Hernández führte ein längeres Gespräch mit Bundeskanzlerin Merkel und präsidierte das Business Forum „Germany and Honduras: Trade and Investment Opportunities“. Wir wiesen auf die aktuellen  Korruptionsskandale hin und darauf, dass zahlreiche nationale und internationale Investitionsprojekte in Honduras mit Gewalt und erheblichen Menschenrechtsverletzungen durchgesetzt werden. Besonders betroffen sind u. a. Gebiete mit indigener Bevölkerung, in denen der „free, prior and informed consent“ der Gemeinden eingeholt werden muss. (…) Honduras hat die entsprechende ILO-Konvention 169 unterzeichnet und ratifiziert, hält sie aber nicht ein.“ Im diesjährigen Universal-Periodic-Review-Verfahren vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf bekam Honduras 152 Empfehlungen von anderen Staaten, um die Menschenrechtslage im Land zu verbessern. In dem zentralamerikanischen Land kann also keine Rede sein von Rechtsstaatlichkeit und Respektierung der Menschenrechte.“5

 

1    Dossier und Anhang über die Menschenrechtsverletzungen in Aqua Zarca
2    Siemens geht Nachfragen zu Menschenrechten aus dem Weg
3    http://hondurasdelegation.blogspot.de/2016/01/la-voz-del-gualcarque-dokumentarfilm.html
4    URGENT ACTION: Repression gegen Tolupanes in Honduras
5    Pressemitteilung zum Staatsbesuch des honduranischen Präsidenten

 

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