"Unsere gesamte Umwelt ist in Gefahr"
Gespräch mit Aurelia Arzú, Vizekoordinatorin der Garifuna-Organisation OFRANEH aus Honduras
Sendung: Radio Lora München “En la linea” 4.Februar 2019
Herzlich willkommen bei En la Linea, der Sendung des Ökubüros. Heute widmen wir unsere Sendung einer ganz besonderen Kultur, über die hierzulande wenig bekannt ist: den Garifuna. Wer die Suchmaschinen im Internet anwirft, der wird schnell fündig und schnell in die Irre geführt. Garifuna seien die Abkömmlinge afrikanischer Sklaven, die vor 200 Jahren in an der Karibikküste Zentralamerikas gestrandet sind, lautet der Tenor vieler Einträge dort. Europäischen aber auch lateinamerikanischen Weißnasen leuchtet das möglicherweise ein: Schwarze Hautfarbe, afrikanische Rhythmen, Unterdrückung – Sklaven. Alles klar. Falsch! sagen hingegen die Garifuna selbst. Wieder mal ein typisches von kolonialem Denken geprägtes Vor-Urteil. Die Garifuna waren nie versklavt! Sie sind ein rebellisches Volk, das von der Antillen-Insel San Vicente stammt. Dort haben sich karibische Indigene, die Arawak, mit Seefahrern aus Westafrika vermischt, die sich weit vor Kolumbus und Co. über den Pazifik gewagt hatten. Aus beiden wurden die Garifuna. Sie kämpften unter ihrem Anführer Satuye zunächst erfolgreich gegen britischen Kolonisatoren, mussten sich nach Satuyes Ermordung aber geschlagen geben und wurden auf die Insel Roatán vertrieben, die heute zu Honduras gehört. Von dort aus besiedelten sie vor etwa 200 Jahren die Karibikküste des heutigen Belize, Guatemala, Honduras und Nicaragua. Dort nahmen sie dann tatsächlich auch afrikanische ehemalige Sklaven in ihre Gemeinschaften auf.
Heute leisten die Garifuna erneut Widerstand gegen die neue Kolonisierung durch verschiedene Großprojekte - vor allem touristische. Sie rauben den Garifuna-Gemeinden ihr Land, um dort Häfen, Hotels und Golfplätze zu bauen. Im Oktober 2018 hatten wir eine Vertreterin der 46 in der Organización Fraternal Negra Hondureña (OFRANEH), organisierten Garifuna-Gemeinden in Honduras zu Gast. Aurelia Arzú ist die Vize-Koordinatorin von OFRANEH. Sie ist zugleich eine spirituelle Anführerin der Gemeinden. Wenn sie trotz aller Reisen, Rituale und Organisationsarbeit noch etwas Zeit hat, trainiert sie außerdem die Männerfußball-Mannschaft ihrer Gemeinde. Das passt zum Selbstverständnis und zur Rolle der Garifuna-Frauen. Ich habe Aurelia deshalb gefragt, welche Rolle die Frauen in den honduranischen Garifuna-Gemeinschaften haben.
“Wenn du vor den Franzosen Angst hast, dann gibt mir deine Hose”
AURELIA: Die Garifuna-Frau ist matrifokal geprägt. Es ist nicht so, dass wir die Männer zur Seite schieben. Sie sind immer bei uns und wir nehmen sie ernst. Sie unterstützen uns. Aber es ist die Frau, die entscheidet. Die Frau hat das Sagen - seit der Zeit unserer Vorfahren. Es gibt eine sehr hübsche Geschichte über unseren Anführer Satuye und seine Frau Barauda: Es wird erzählt, dass die Franzosen jeden Tag ihr Vieh auf Baraudas Felder trieben. Die Rinder fraßen die Yucca-Wurzeln, die Kochbananen - alles, was Barauda gesät hatte. Also verlangte sie von Satuye, dass er protestiert. Es könne doch nicht sein, dass die Tiere ihre Feldarbeit zerstörten. Und da sagte sie zu ihm: „Wenn du vor denen Angst hast, dann gebe ich dir meinen Rock. Und du gib mir deine Hose, damit ich’s denen zeige.“ So ist das Matriarchat bei uns entstanden. Wenn du unsere Kämpfe anschaust, dann ist es bei allem die Frau, die den Ton angibt. Wenn es um Proteste geht, um Konflikte, ist die Frau die Kämpferin. Aber unsere Männer sind immer bei uns; sie unterstützen uns, auch wenn’s schwierig wird.
Das heisst aber auch dass ihr euch in einem sehr patriarchalen System - das gibt es ja weltweit, aber in Honduras ist es besonders stark und eine wichtige Stütze der Macht - dass ihr in einem solchen System großen Risiken ausgesetzt seid.
Schau, das Patriarchat wird nie aufhören. Es existiert auch in den Garifuna-Dörfern. Aber wir wissen dagegen anzukämpfen. Wir erziehen unsere Männer. Aber es ist nicht leicht. Keiner sagt, dass es einfach ist. Das mit dem Patriarchat, mit dem Machismo, ist etwas, was schon aus Vorzeiten stammt. Unsere Organisation, OFRANEH, ist zum Beispiel eine gemischte Organisation. Klar, am Anfang waren die Koordinatoren Männer. Aber mit der Organisation ging’s bergab - bis dann die Frauen die Koordination übernommen haben. Die erste war Gregoria Flores. Sie musste wegen Todesdrohungen fliehen. Sie wurde sogar verletzt und hat heute politisches Asyl in den USA. Dann kam Miriam Miranda. Mit ihr hat die Organisation heute ihren höchsten Stand erreicht, was Glaubwürdigkeit angeht, was unsere Kämpfe angeht, alles. Eine Frau hat das geschafft. Aber der Machismo ist da, wir werden ihn nicht ausrotten können. Ich bin aber stolz auf die Garifuna-Männer, die mit uns Frauen in der Organisation arbeiten, weil sie wissen, worauf es ankommt. Wir haben mit ihnen geredet und wir bilden sie weiter.
Wenn wir von den anderen wichtigen Säulen der Garifuna-Kultur sprechen, dann, so habe ich es auf unserer Rundreise gelernt, ist das Erbe der Vorfahren, oder anders ausgedrückt die Anwesenheit der Vorfahren, besonders wichtig. Kannst du uns ein wenig erklären, was sie für das Leben der Gemeinden bedeutet?
Ich glaube, du meinst damit die Spiritualität. Sie ist für uns sehr wichtig. Jahrhundertelang hat man sie für satanisch gehalten. Sie wurde früher von den Mächtigen satanisiert. Wir kennen diese Geschichten schon lange und auch in den Gottesdiensten nahm man auf das Teuflische Bezug. Aber für uns Garifuna waren das immer Legenden. Die Leute hatten viel Angst davor. Oder, mehr als Angst, eher doch Respekt vor unserer Spiritualität. Als Organisation haben wir sie Stück für Stück bekannt gemacht. Das ist ein Erfolg, denn wir haben den anderen indigenen Völkern vor Augen geführt, wie wichtig Spiritualität in unseren Gruppen ist, in unserem Leben und in unseren Dörfern. Wir haben dadurch viel gewonnen und achten Spiritualität sehr. Wir haben Kämpfe dadurch gewonnen. Ich meine die Rückgewinnung unserer Territorien. Wir haben neun davon: zwei in Nueva Armenia im Departement Atlántida, zwei in Santa Fe, eine in Guadalupe, zwei in der Bucht von Trujillo und eine in Puerto Castilla. Eine in Sangrelaya. Und die größte ist Vallecito. Zehn sind es.
Für uns hier in Deutschland, in unserer Komfortzone, ist es gar nicht so einfach zu verstehen, was eine Landrückgewinnung ist, was sie in der Praxis bedeutet?
Die Landrückgewinnungen. Damit meinen wir, dass wir zurückgewonnen haben, was Unseres war. Sie haben uns dieses Land geraubt, haben mit Tricksereien das Land der Garifuna erworben. Immer wurden wir gefragt, ob wir Dokumente, Papiere für diese Ländereien haben. Das Land der Garifuna ist aber angestammtes Land der Vorfahren. Es kann gar nicht verkauft oder verpachtet werden. Es ist unveräußerlich. Aber die Macht des Geldes findet immer einen Weg, diese Ländereien zu erwerben. Zum Beispiel Vallecito. Vallecito gehörte lange Jahre, seit der Zeit unserer Vorfahren, den Garifuna. Es ist ein Territorium im Gemeindebezirk Limón. Dort suchten unsere Vorfahren Schutz, wenn sie aus Iriona kamen oder auch von der Seite meines Dorfes, Santa Rosa de Aguán. Dort rasteten sie, um dann weiterzureisen. Straßen gab es ja damals nicht. Aber dann änderten sich die Zeiten. Verschiedene Herrschaften kamen dorthin, die Macht des Geldes kam an. Es ist nämlich Neuland, gut geeignet für Rinderhaltung, für Landwirtschaft, für alles. Weil es Flüsse gibt, weil auf der anderen Seite das Meer ist. Also warfen die Mächtigen ein Auge darauf und suchten Wege, um sich das Gebiet anzueignen. Sie konstruierten eine geheime Landepiste, wo sie mit ihren Kleinflugzeugen landen konnten. Das heißt, die Drogenhändler nutzten das Terrain für eine geheime Landebahn für ihre Flugzeuge mit Drogen.
Bei unserer Rundreise hier habe ich gesehen, dass viele Leute große Augen machten, als du erzählt hast, dass ihr dieses Territorium zurückgewonnen habt. Denn natürlich hat die Drogenmafia ihre Verbindungen zu den Mächtigen im Land. Es scheint also unmöglich zu sein. Wie habt ihr das geschafft? Es hat über drei Jahre gebraucht, stimmt’s?
Vier Jahre dauerte der Kampf. Mit Reisen in die Hauptstadt der Republik. Wir gingen zum Agrarinstitut und sie gaben uns falsche Auskünfte. Aber wir wussten, dass diese Ländereien von Rechts wegen den Garifuna gehörten. Also gingen wir den legalen Weg durch die Instanzen. Das waren viele Reisen nach Tegucigalpa. In der Hauptstadt Tegucigalpa sagten sie uns: “Ja, diese Ländereien gehören Ihnen tatsächlich.” Aber als wir dann in Vallecito ankamen, trafen wir auf Waffen, wir trafen auf Zäune und wir wurden bedroht. Sie sagten uns kategorisch, dass diese Ländereien niemals Schwarzen gehören würden. Dass sie Eigentümer hätten und Privatgrund seien. Also sind wir frustriert wieder nach Tegucigalpa gefahren, was nicht einfach ist: Von unseren Gemeinden aus sind es sieben Stunden mit dem Bus. Und einen Reisebus mieten kostet 23.000 Lempira (umgerechnet ca. 800 Euro für die Hin- und Rückreise durch alle Gemeinden, d.Red.). So erging es uns fast vier Jahre lang. Wir haben immer unsere Trommeln ertönen lassen, wir haben immer unseren Weihrauch verbrannt, unsere Zigarren geraucht. Und eines Tages sagten die Großväter und Großmütter uns, was genau wir tun konnten, damit diese Leute dort weggehen. Verzeiht: Was die Vorfahren uns sagten, kann ich nicht offenbaren. Das ist sehr privat für uns. Wenn davon die Rede ist, wundern sich viele Leute. Das sei doch unmöglich. Manchmal glaubt man nur dem Augenschein, aber wir können schon beweisen, dass es so war. Es gab da eine ganz besondere Nacht, am 25. August 2013 (2012, d.Red.) Da wollten wir einen Teil von Vallecito in Besitz nehmen. Wir kamen mit acht Bussen an, aus allen Garifuna-Dörfern.
“Vier Krater, die uns sagten, dass dort kein Drogenflugzeug mehr landet”
Es gab einen Boykott gegen diese Reise. Sogar die Bürgermeister haben in den Medien Kampagne gemacht, damit die Leute nicht losfahren. Also kamen Leute, aber nicht die Menge, die wir uns wünschten. Wir konnten die ganze Nacht nicht schlafen - wegen all der Schüsse, die zu hören waren. Ganz in der Nähe schossen sie die ganze Nacht lang. Um uns einzuschüchtern. Aber, im Vertrauen auf unsere Spiritualität tönten die Trommeln in jener Nacht. Die ganze Nacht tönten die Trommeln an den Feuern, mit unserem Räucherwerk, mit unseren Zigarren. Als es vorüber war, als sie sahen, dass wir nicht aufgeben, da wussten wir sicher, dass die Vorfahren bei uns waren. Und wir haben wieder eine Fahrt nach Tegucigalpa vorbereitet. Diesmal schickten sie dann Leute vom Agrarinstitut, um die Leute von dort zu vertreiben. Einen Herrn Reynaldo Villalobos, der immer sagte, das Land sei nicht seines, aber es sei Brachland. Und der sich dann gefälschte Dokumente verschaffte. Als wir ankamen, war er schon gestorben. Die Erbin, seine Frau, zog dann auch weg. Aber die Tochter blieb und wir mussten uns mit denen herumschlagen. Langer Rede kurzer Sinn: Entscheidend ist, dass alle weggingen. Eines schönen Tages kamen dann Staatsangestellte, um anzukündigen, dass sie die geheime Landepiste, die es in Vallecito gab, bombardieren würden. Und das haben sie gemacht. Sie haben vier Krater hinterlassen, die uns sagten, dass dort kein Flugzeug der Drogenmafia mehr landen würde.
Allerdings wurde 2014 deshalb versucht, uns in Vallecito zu entführen. Bei einer Entführung wollen sie dich normalerweise umbringen oder sie wollen Lösegeld. Aber das hatten sie wohl nicht im Sinn. Einige compañeros haben sie gesehen und haben sich im Wald versteckt. Auch Miriam Miranda, die Koordinatorin von OFRANEH konnte sich ins Gebüsch retten. Die Entführer haben sich also auf einen Verwalter und einige Jugendliche in einem Auto konzentriert, ihnen die Telefone abgenommen. Ich war am anderen Ende des Ortes.
Über das Handy eines Ingenieurs, das dort liegen geblieben war, erfuhr ich, dass sie dabei waren die compañeros zu entführen. Etwa zwei Minuten lang wusste ich nicht, was tun. Wie sollte ich die compañeros retten, die mich eben noch informiert hatten, dass Waffen auf sie gerichtet werden. Ich danke den Vorfahren, dass sie mir einen Wink gegeben haben. So habe ich es geschafft, Radio Globo anzurufen. Radio Globo war damals ein populärer Radiosender. Ich rief an und berichtete live, dass Miriam Miranda entführt worden sei. Das hatte eine große Wirkung. Die Nachricht verbreitete sich im ganzen Land und international. Die Entführer verschwanden. Und wir hatten uns gerettet und leben noch.
Das war ein Teil des Kampfes um Vallecito, die Art , wie wir dieses Territorium zurückgewonnen haben. Darauf sind wir sehr stolz. Es ist sehr groß, 1.200 Hektar Land. Es ist die Hoffnung der ganzen Garifuna-Bevölkerung. Warum? Weil unsere Dörfer heutzutage mit dem Problem des Klimawandels zu kämpfen haben. Die Erosion durch den Klimawandel betrifft alle Garifuna-Gemeinden, weil wir ja an der Nordküste, nahe am Meer leben. Vallecito hat die Besonderheit, dass der Ort zwei Stunden vom Meer entfernt liegt. Deshalb sagen wir, es ist die Hoffnung der Bevölkerung, denn dort gibt es genug Land für alle Garifuna aus Honduras.
Ist Vallecito den Garifuna denn nun sicher? Und welche Zukunftspläne habt ihr?
Das Land ist uns sicher, aber in Honduras weiß man nie. Nach der Rückgewinnung war uns sehr klar, dass wir es nicht ungenutzt lassen konnten, denn in Honduras ist gesetzlich geregelt, dass Brachland, das nicht bestellt wird, an den Staat gehen kann. Das wussten wir sehr gut und es begann die Odyssee, Vallecito zu füllen, es nicht allein zu lassen. Wir machten Durchsagen, suchten alleinerziehende Mütter. Du weißt ja, wie groß die Krise in Honduras ist. Also fingen wir so an: Wir fanden Mütter, die uns sagten, dass sie dorthin gehen könnten, aber Bildung für ihre Kinder bräuchten. Also haben wir überlegt, wie wir das hinkriegen. Es hatte früher eine Lehrerstelle in Vallecito gegeben, aber die hatten sie uns geklaut. Wir brauchten eine Grundschule. Die haben wir jetzt. Zehn bis zwölf Familien leben schon in Vallecito. Wir haben einen Kindergarten. Und planen eine weiterführende Schule.
„Wir wollen Kokosöl für die Garifuna-Küche“
Wie ist das Leben in Vallecito? Es ist kollektiv organisiert. Es gibt, wie gesagt, Land für Pflanzungen. Die Mütter arbeiten vormittags und ein wenig am Nachmittag im Yucca-Anbau. So sichern wir die Ernährung für die Garifuna-Bevölkerung. Das ist der erste Schritt, damit Vallecito sich weiter füllt; da denken wir in großem Maßstab. Ich finde, Träumen ist nicht unmöglich. Es ist ein Traum, aber ich hoffe, dass er Schritt für Schritt wirklich wird. Ich meine Riesenschritte. Es ist nicht leicht, Vallecito zu erhalten. Aber wir halten Versammlungen ab. Die meisten unserer Treffen finden jetzt in Vallecito statt, damit unsere Leute Vallecito kennenlernen, sich in Vallecito verlieben, damit sie es sich anschauen. Wir haben wirklich schon viel erreicht. Vallecito, das Leben dort, begeistert die Leute. Es ist eine Form der Entgiftung von unseren Gemeinden und den Städten. Denn, damit alle es wissen: Dort gibt es keinen Strom, es gibt keine elektrische Energie. Wenn du also dort hinkommst, funktionieren deine Handys kaum noch. Du machst dir Sorgen, aber bald vergisst du es, denn es gibt so viel zu sehen, so viel zu tun, dass du das vergisst. Es ist ein Naturparadies: Viele Bäume, viele gute Sachen, 1.200 Hektar unberührter Wald. Und wir pflanzen Kokospalmen. Wir haben schon 28 Hektar mit Kokospalmen. Die Hoffnung ist, dass wir 70 Hektar schaffen. Warum 70 Hektar Kokospalmen? Weil wir eine kleine Kokosölproduktion aufbauen wollen. Wir wollen Kokosöl für die Garifuna-Küche. Das ist unsere Hoffnung.
Wir haben auf der Rundreise mit dir, Aurelia, viel über die Qualitäten von Kokosöl erfahren, ganz im Gegensatz zu denen von Palmöl. Die Palmölpflanzungen sind ja nicht nur schädlich für die Umwelt, das Produkt ist auch schlecht für die menschliche Gesundheit. Zum Abschluss unseres Gesprächs würde gern nach einer Zusammenfassung fragen, welche weiteren Kämpfe ihr zu bestehen habt. Gegen Tourismusprojekte, Wasserkraftwerke, ein Schwerölkraftwerk bei Sambo Creek. Welche Kämpfe gibt es entlang der Küste?
Unser Kampf ist wirklich nicht einfach. Aber wir wissen, dass diese Kämpfe unsere Kämpfe sind. Der Großteil ist der Ungerechtigkeit geschuldet, die sie den Gemeinden antun. Sie respektieren deren Rechte nicht. Wir haben Probleme mit Tourismusprojekten in Honduras. Es gibt sie bereits auf Garifuna-Gebiet. Wir haben Probleme mit einer Hotelkette in der Bucht von Tela zwischen den Garifuna-Gemeinden Tornabé, San Juan und Triunfo de la Cruz. Der Staat sagt, dass wir Garifuna uns der Entwicklung widersetzen, dass wir keine Entwicklung wollen. Meine Herren, es ist nicht so, dass wir uns der Entwicklung entgegenstellen. Aber: Was für eine Art von Entwicklung ist das denn, die sie uns anbieten? Das muss man verstehen. Wir widersetzen uns nicht der Entwicklung, sondern wir wollen eine Entwicklung, mit der wir verbunden sind. Wir wollen aus dieser Entwicklung nicht ausgeschlossen sein. Wie könnte das gehen? Wir müssten darüber befragt werden, welche Art von Entwicklung in unsere Gemeinden kommt. Aber das passiert in Honduras nicht. Es gab nie echte Konsultationen. Man konsultiert uns nicht, wir sehen nur, dass die Projekte in unsere Gemeinden kommen, dass dabei unsere Rechte nicht respektiert werden und das kann nicht sein.
In der Bucht von Trujillo gibt es ein Projekt, das sind Anleger für Kreuzfahrtschiffe. Sie waren schon in Betrieb, aber durch unseren konstanten Widerstand sind sie jetzt stillgelegt. Die Touristenschiffe kommen nicht mehr nach Trujillo. Wegen unseres Kampfes, wegen der Anzeigen. Gegen diesen Anleger haben wir uns von Beginn an gewehrt. Warum haben wir uns gewehrt? Weil viele Garifuna dadurch von ihrem Land vertrieben wurden. Leute, die dort schon sehr lange lebten, denn für die Bucht von Trujillo gibt es uralte Papiere, die vom damaligen Präsidenten Manuel Bonilla ausgestellt wurden. Es sind Dokumente von 1901. Aber durch die Macht des Geldes wurden viele Leute vertrieben. Dagegen leisten wir Widerstand.
“Alles in Honduras ist gefälscht, wenn es um Unternehmen geht, die in unsere Gemeinden kommen”
Momentan wird ein thermisches (Schweröl,-, d.Red.)Kraftwerk zwischen den Gemeinden Sambo und Corozal gebaut. Das wird die ganze Flora und Fauna kaputtmachen. Schon allein für den Bau haben sie einen guten Teil des Waldes zerstört. Alles wegen der Macht, die diese Industrien haben. Sie sagen, sie hätten eine Genehmigung. Wir haben nachgeforscht und die Umweltgenehmigung ist gefälscht. Alles in Honduras ist gefälscht, wenn es um Unternehmen geht, die in unsere Gemeinden kommen. Unsere gesamte Umwelt ist in Gefahr. Denn die Unternehmen kommen, um zu zerstören, nicht um etwas aufzubauen, was uns nützen würde. Ich sag dir was: Bevor diese extraktivistischen Unternehmen in unsere Gemeinden kamen, lebte die Garifuna-Bevölkerung gut - mit dem wenigen, was wir hatten. Der Reichtum der Garifuna ist das Land, das Meer, das Wasser. Wir haben nie irgendwelche Unternehmen gebraucht, um uns selbst zu erhalten. Wir haben uns mit unseren Pflanzungen erhalten, mit Fischerei und Viehzucht. Unsere Vorfahren haben sehr lange so gelebt. Und das ist es, was wir wollen: In Ruhe leben. Sie sollen unsere Ländereien nicht anfassen, sie sollen uns nicht mit ihren extraktivistischen Projekten schädigen. Denn die sind sehr schädlich. Sie sind der Anfang vom Ende der Garifuna. Wir verlieren alles: Wir verlieren unsere Identität, unsere Kultur, wir verlieren alles, sobald diese Unternehmen in unsere Gemeinden kommen.
Das Gespräch führte Andrea Lammers am 24. Oktober 2018 in München.