“Wir verteidigen nicht nur den Rio Mezapa”

Reisebericht aus Honduras – 1. Teil

TEGUCIGALPA (16.8.2016) - Albertina Lopez trägt ein strahlend blaues Kleid, unter dem sich deutlich die Rundungen ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft abzeichnen. Erst morgens um 3 Uhr wurde sie von der Polizei in Tela an der honduranischen Atlantikküste auf freien Fuß gesetzt, sie hat kein Auge zugetan und ist wenige Stunden später in der Hauptstadt und berichtet bei einem Forum der “Breiten Bewegung für Würde und Gerechtigkeit” (Movimiento Amplio por la Paz y la Justicia – MADJ) über den Kampf der Gemeinden im Gebirgszug “Cordillera Nombre de Dios” gegen ein Wasserkraftwerk des Unternehmens HIDROCEP. Albertina ist eine der Aktivist*innen aus der Gemeinde Pajuiles, die seit über 140 Tagen friedlicher Widerstand in Protestcamps gegen den Bau eines Wasserkraftwerks des HIDROCEP am Rio Mezapa zur Wehr setzen. In den vergangenen drei Wochen erlebten die Aktivist*innen zunächst eine Attacke durch einen aufhetzten Mob, die Zerstörung ihrer Camps und eine gewaltsame Räumung durch Polizei und Militär.

Dennoch sperrten die Dorfbewohner*innen weiter den Weg für Baumaschinen, nicht für Personen und sonstige Fahrzeuge. Als am gestrigen Dienstag, 15. August, ein großes Polizeiaufgebot gewaltsam den Weg für zwei große Baumaschinen freimachen wollte, so Albertina, “fragte ich den Einsatzleiter, ob er einen Räumungsbefehl habe und er antwortete: Wenn Sie meinen, bloß weil Sie schwanger sind, können wir sie nicht festnehmen, haben Sie sich getäuscht. Und in dem Moment nahmen sie mich fest.” Polizisten wollten sie mit Gewalt wegschleppen, aber wegen ihrer Schwangerschaft stieg Albertina stieg freiwillig auf den Polizeiwagen: “Und in dem Moment fingen sie an, Tränengas zu werfen.” Fünf Personen wurden festgenommen, die Polizei präsentierte später Macheten und Steine, die sie angeblich geworfen hätten. Offenbar beabsichtigt die Staatsanwaltschaft eine Anklage wegen illegaler Zusammenrottung und Sachbeschädigung. Mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass die Beschuldigten schon festgenommen waren, als die Pajuiles Tränengasgranaten und Steine flogen.

Albertina versichert, schon ihr Großvater habe prophezeit, dass die Generation der Enkel das Wasser verteidigen müsse. Zudem würden in der Kordillere wertvolle Bodenschätze vermutet. Sie habe ihn damals nicht verstanden. Heute folge sie dem Beispiel von Berta Caceres. “Ich habe sie nicht persönlich gekannt. Als sie ermordet wurde, hat mich das tief im Herzen getroffen. Nie hätte ich gedacht, dass wir mit unseren Gemeinden nun den gleichen Kampf führen müssen. Wir verteidigen nicht nur den Mezapa-Fluss, sondern die ganze Kordillere und alle Flüsse in Honduras.”

Für den Koordinator der Rechtsabteilung des MADJ, Ariel Madrid folgt die Repression gegen die Staudammgegner*innen einem immer gleichen Muster: Auf die Spaltung der betroffenen Gemeinden in Pro und Contra folgt die Stigmatisierung derjenigen, die das Recht auf Wasser, die Umwelt und die Menschenrechte verteidigen. Das vertieft die Spaltung und die Zwistigkeiten wachsen, darauf folgt Repression durch Polizei und Militär, die Kriminalisierung der Aktivist*innen und eine Eskalation der Konflikte. Im Fall von Pajuiles werden u.a. Männer aus den Dörfern der Usurpation beschuldigt, die über 60, teils sogar über 70 Jahre alt sind und weder lesen noch schreiben können. Am 24. August soll ein Gerichtsverfahren gegen sie eröffnet werden.

MADJ hat seinerseits verschiedene Anzeigen gegen die Behörden erstattet, unter anderem weil die Staatsanwaltschaft nicht wegen der sogar amtlich festgestellten Schäden durch die bisherigen Bauarbeiten ermittelt. Mehrere Gemeinden können seit fünf Monaten ihre Trinkwasserquellen nicht mehr nutzen. Bei stärkeren Regenfällen sind schwere Erdrutsche zu befürchten.

Madrid zeigte sich sehr besorgt über Äußerungen des örtlichen Polizeichefs Alexander Iglesias, der ihm am 15. August gesagt habe, man werde keinen Dialog mehr führen. Es gehe jetzt ausschließlich darum den Widerstand der Staudammgegener*innen zu brechen und Daten von Personen für weitere Festnahmen zu sammeln. Die staatliche Ombudsstelle für Menschenrechte und das Staatssekretariat für Menschenrechte hingegen hätten am gleichen Tag den dringend erforderlichen Dialog unterstützt und einen Runden Tisch mit dem Unternehmen HIDROCEP zugesagt. Allerdings seien bisherige Zusagen (Rückzug des Militärs und Stopp des Transports von großen Baumaschinen) als Voraussetzung für den Dialog nicht eingehalten worden. Maßnahmen des Staates seien dringend nötig, um womöglich Tote und Verletzte zu verhindern, bisher hätten die staatlichen Institutionen komplett versagt.

 

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