12. März 2023, Kampf für Frauenrechte – (nicht nur) in Zentralamerika

Teodora Vásquez in München vor dem Ökubüro
Teodora Vásquez in München vor dem Ökubüro,Quelle: Ökubüro

Anlässlich des Weltfrauentages stellten wir bei Radio Lora München und bei einer Veranstaltung im ligsalz8 die Geschichte von Teodora del Carmen Vásquez aus El Salvador vor. Über zehn Jahre lang saß Teodora im Gefängnis. Denn: Sie wurde zunächst der Abtreibung und dann des Mordes beschuldigt. Heute kämpft sie für die Rechte von Frauen, die eine ähnliche Geschichte wie sie teilen. Hier das Skript unseres Radiobeitrags.

TEODORA: Mein Name ist Teodora del Carmen Vásquez. Ich vertrete und leite die Organisation Mujeres Libres aus El Salvador. Das ist eine gemeinnützige Organisation, die sich für die Rechte der Frauen einsetzt. Vor allem für Frauen, die auf Grund der ungerechten Gesetze El Salvadors wegen gynäkologischer Notfälle verurteilt wurden. Unsere Organisation konzentriert sich auf die Unterstützung der inhaftierten Frauen und, sobald sie draußen sind, auf ihre Wiedereingliederung.

SPRECHERIN: Abtreibungen sind in El Salvador, wie in vielen Ländern, absolut verboten. Teodora ist 2007 im neunten Monat ihrer zweiten Schwangerschaft. Während der Arbeit bekommt sie starke Schmerzen, ruft vergeblich um Hilfe, wird ohnmächtig und erwacht im Krankenhaus umstellt von Polizist*innen. Sie wird zunächst der Abtreibung, dann wegen Mordes in einem besonders schweren Fall beschuldigt und zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt.  Die Wahrheit ist: Sie hatte ihr Baby verloren. Doch Teodora ließ sich von dem ungerechten Urteil nicht unterkriegen:

TEODORA: Ich betrachte mich nicht als Opfer, sondern als Überlebende der Justiz. Mir wurde die Freiheit entzogen. Ich wurde zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt, von denen ich zehn Jahre und sieben Monate verbüßt habe. Für ein Verbrechen, das ich nicht begangen habe.

Eine der größten Schwierigkeiten, mit denen wir Frauen hier in El Salvador konfrontiert sind, ist dieses Gesetz, das uns Frauen schadet. Denn hier gilt alles als Leben vom Moment der Empfängnis an. Egal ob Abtreibung, ein Unfall, eine Krankheit... In jedem Fall hätte die Frau ihre Schwangerschaft unter allen Umständen zu Ende führen müssen. Sonst landet sie im Gefängnis. Das ist eine der Realitäten, mit denen wir als Frauen leben.

 

 

SPRECHERIN: Im Gefängnis lernte Teodora weitere Frauen kennen, denen es ging wie ihr. Die Frauen organisierten sich und kämpften gemeinsam für das alltägliche Überleben und ihre Freilassung. 2018 kam Teodora nach einer intensiven internationalen Kampagne frei.

TEODORA: 2018 habe ich meine Freiheit wiedererlangt, dank den nationalen und internationalen Organisationen, die Briefe an das Parlament geschickt haben, um meine Freiheit zu fordern. Und so habe ich 2018, am 14. Februar, meine Freiheit wiedererlangt. Ich bin jetzt seit fünf Jahren frei und begleite nun Frauen, die im Gefängnis waren und sich jetzt im Prozess der Wiedereingliederung befinden.

 

 

 

Eine der größten Schwierigkeiten, mit denen wir Frauen hier in El Salvador konfrontiert sind, ist dieses Gesetz, das uns Frauen schadet. Denn hier gilt alles als Leben vom Moment der Empfängnis an. Egal ob Abtreibung, ein Unfall, eine Krankheit... In jedem Fall hätte die Frau ihre Schwangerschaft unter allen Umständen zu Ende führen müssen. Sonst landet sie im Gefängnis. Das ist eine der Realitäten, mit denen wir als Frauen leben.

Wenn sie uns für ein Verbrechen zu verurteilen, das wir nicht begangen haben, haben wir auch kein Recht auf einen Anwalt. Denn unglücklicherweise sind wir Frauen mit geringen Einkommen. Wir haben nicht das Geld, um einen Anwalt zu bezahlen, der uns hilft uns zu verteidigen. Und dann verurteilen uns die Richter, ohne genügend Beweise zu haben. In meinem Fall wurde die Todesursache meiner Neugeborenen nie festgestellt und trotzdem wurde ich verurteilt.

Im Interview mit Mexiko-Referentin Patricia Rendón
Im Interview mit Mexiko-Referentin Patricia Rendón, Quelle: Ökubüro

SPRECHERIN: Heute setzt sich Teodora Vásquez für 69 Frauen ein, die in El Salvador mit der gleichen Anklage konfrontiert waren wie sie selbst. Sie ist Sprecherin der Gruppe Mujeres Libres – Freie Frauen. Einer Gruppe von Frauen, die im Gefängnis von Ilopango inhaftiert waren. Sie gehören alle zur verarmten salvadorianischen Arbeiterklasse und haben teilweise mehr als 15 Jahre im Gefängnis verbracht.

TEODORA: Als Frauen leben wir leider mit zwei Verurteilungen. Die eine ist die, die uns von Richtern und den Gesetzen in unserem Land auferlegt wird. Und die andere ist die lebenslange Verurteilung. Die Diskriminierung und die Chancenlosigkeit, wenn man vorbestraft ist. Dieser Makel, dass wir inhaftiert waren und dass man uns als Mörderinnen ansieht, auch wenn es keinerlei Beweise gibt, die das rechtfertigen. Aber hier in El Salvador dominieren die Religion und das Patriarchat.

 


SPRECHERIN: Im Rahmen ihrer Menschenrechtskampagnen klären die Aktivistinnen Menschen überall im Land und international über das Unrecht auf, das im Namen des Gesetzes geschieht und setzen gemeinsam ein Zeichen kollektiver Resilienz, Solidarität und Schwesternschaft. Aktuell ist Teodora Vásquez hier in Deutschland, um auf die Situation für Frauen in El Salvador und anderswo aufmerksam zu machen.

TEODORA: Es ist uns wichtig, dass unsere sehr persönlichen Geschichten und der ganze Prozess, der dazu geführt hat, dass wir im Gefängnis waren, bekannt werden. Es geht um die Zeugnisse der Frauen, die im Gefängnis waren. Es geht darum, die Realität zu verändern und Veränderungen zu begleiten. Wir tun das aus unserer eigenen Erfahrung heraus. Mir hat nicht jemand etwas erzählt, sondern ich habe es mit den Frauen gemeinsam erlebt und stehe weiter an ihrer Seite. Ich denke, dass der gemeinsame Kampf eine ganz wichtige Herausforderung für die Frauen in unserem Land ist.

Aktion „Gerechtigkeit für Beatriz“ nach der Veranstaltung mit Teodora Vásquez am 12. März 2023.
Aktion „Gerechtigkeit für Beatriz“ nach der Veranstaltung mit Teodora Vásquez am 12. März 2023. Quelle: Ökubüro

Aktion „Gerechtigkeit für Beatriz“ nach der Veranstaltung mit Teodora Vásquez am 12. März 2023. Die Geschichte von Beatriz hat der Welt die schwerwiegenden Auswirkungen der absoluten Kriminalisierung der Abtreibung in El Salvador vor Augen geführt. Ihr Fall sollte am 23. März in einer öffentlichen Anhörung vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte erörtert werden.Das Urteil könnte Frauen in El Salvador und in der gesamten Region zugute kommen. https://www.youtube.com/watch?v=oZa6QMe4i2Y&t=432s

AGENDA 2023 Ziele für Nachhaltige Entwicklung

Bis 2030 sollen alle Formen der Diskriminierung von Frauen und Mädchen überall auf der Welt beendet werden. Unterziel: Frauen und Mädchen sollen ungehinderten Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheit und entsprechenden Rechten haben. Siehe: https://www.bmz.de/de/themen/koerperliche-selbstbestimmung-und-reproduktive-gesundheit

Die Möglichkeit, SDG 5 zu erreichen, ist eng verknüpft mit

 Friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz ermöglichen und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen aufs allen Ebenen aufbauen.

Gefördert durch Engagement Global mit Mitteln des


Für den Inhalt dieser Publikation ist allein das Ökumenische Büro für Frieden und Gerechtigkeit e.V. verantwortlich; die hier dargestellten Positionen geben nicht den Standpunkt von Engagement Global oder des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wieder.


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