Wichtiger Zeuge im Fall Ayotzinapa erhält Asyl in den USA

Von Peter Clausing
amerika21

Phoenix. Im Zuge eines Asylverfahrens für einen ehemaligen Haftrichter ist im US-Bundesstaat Arizona die zuständige Richterin, Molly S. Frazer, zu einem Urteil gekommen, das auch Auswirkungen auf den noch immer ungeklärten Fall der 43 Verschwundenen Studenten von Ayoztinapa haben könnte. Frazer kam zu dem Schluss, dass "die mexikanische Armee und die mexikanische Bundespolizei an den Angriffen und dem Verschwindenlassen der Lehramtsstudenten teilnahmen und anwesend waren".

Nach Prüfung von über 60 Beweisstücken bezweifelte die Richterin, dass eine städtische Polizeidienststelle über die politische Schlagkraft und die notwendigen Ressourcen verfügt hätte, um den komplizierten Vorgang der Vertuschung und des Verschwindenlassens der 43 Studenten zu planen. Es sei weitaus plausibler, dass die mexikanische Regierung und die Bundespolizei für diesen schrecklichen Vorfall verantwortlich seien.

Bei dem Gerichtsverfahren ging es um den Asylantrag von Ulises Bernabé García, einem ehemaligen Haftrichter bei der örtlichen Polizeidienststelle in Iguala, der als erster direkter Zeuge die Armee in den Stunden des Angriffs in den Straßen von Iguala beobachtete und bestritt, dass die Studenten zur örtlichen Polizeidienststelle gebracht worden seien. Letzteres war der Kern der so genannten "historischen Wahrheit", die von der Generalstaatsanwaltschaft unter der Regierung von Enrique Peña Nieto verbreitet wurde.

In einem ausführlichen Bericht der Zeitung Aristegui Noticias über das Asylverfahren wird darauf verwiesen, dass es das erste Mal seit Jahrzehnten vorgekommen sei, dass ein US-Gericht über schwere Menschenrechtverletzungen in Mexiko urteilte. In seinem 24-seitigen Urteil berücksichtigte das Gericht in Arizona die zwei Berichte der Interdisziplinären Gruppe unabhängiger Experten (GIEI) der Interamerikanischen Menschenrechtskommission die Schlüsselaussagen von Bernabé García und die Aussage von Anabel Hernández als Expertin. Sie ist die Autorin des Berichts von Aristegui Noticias und recherchiert seit fünf Jahren als investigative Journalistin in diesem Fall.

Bernabé García äußerte sich erstmalig am 21. November 2014 dahin gehend, dass die 43 Studenten niemals zur örtlichen Polizeistation in Iguala gebracht wurden. Diese Aussage, die er damals in den Büros der Staatsanwaltschaft (PGR) machte und an der er bis heute festhält, fand jedoch bis zu dem Asylverfahren in den USA niemals Eingang in Gerichtsverfahren. Stattdessen wurden widersprüchliche, unter Folter erzwungen Aussagen von städtischen Polizeibeamten durch mexikanische Gerichte als "Beweise" verwendet, um das angebliche Zusammenwirken von lokaler Polizei und einer Drogenbande zu konstruieren. Das ermöglichte, eine Beteiligung von Armee und Bundespolizei an der Entführung der 43 Studenten zu vertuschen.

Am 29. September 2014, drei Tage nach der Entführung der Studenten, wurde Bernabé García ohne Angabe von Gründen vom Dienst suspendiert. Anschließend wurde sein Haus illegal von der Armee durchsucht. Als seine oben erwähnte Aussage im Dezember 2014 in der Zeitschrift Proceso veröffentlicht wurde, sah er sich Schikanen durch die Armee ausgesetzt. Schließlich wurde er in die USA abgeschoben und befand sich vier Jahre lang in Haft – bis zu seinem nunmehr erfolgreichen Asylverfahren.

Trotz der sich seit über einem Jahr im Amt befindlichen neuen Regierung mit dem Präsidenten Andrés Manuel López Obrador an der Spitze, "sind diejenigen, die an der Folter der Gefangenen und an der Manipulation der Ermittlungen der PGR beteiligt sind, immer noch frei", endet der Bericht von Anabel Hernández in Aristegui Noticias.

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