Polizei in Mexiko geht gewaltsam gegen Anti-Rassismus-Protest vor
Von Ökubüro München
amerika21
Guadalajara, Mexiko. Zeitgleich mit weltweiten Protesten wegen der tödlichen Polizeigewalt gegen Schwarze in den USA machten im mexikanischen Guadalajara unlängst Tausende Menschen ihrer Empörung über die grassierende Polizeigewalt im Bundesstaat Jalisco Luft. Auslöser war der Tod des 30-jährigen Maurers Giovanni López in Polizeigewahrsam. López war Anfang Mai im etwa 40 Kilometer entfernten Ixtlahuacán de los Membrillos festgenommen worden, weil er keine Schutzmaske trug. Vier Wochen nach seinem Tod wurde öffentlich, dass er in Polizeigewahrsam gefoltert worden und an einer schweren Schädelhirnverletzung gestorben war.
Bei Protesten am 4. und 5. Juni mussten nun Dutzende Demonstrierende, die Gerechtigkeit für Giovanni López und ein Ende der Polizeigewalt forderten, am eigenen Leib erfahren, dass ihnen jederzeit das Gleiche passieren kann. Besondere Besorgnis löste eine verdeckte Polizeiaktion am 5. Juni aus, als Hunderte überwiegend junge Leute vor der Staatsanwaltschaft in einem Industriegebiet im Süden von Guadalajara die Freilassung von 28 am Vortag Festgenommenen fordern wollten. Männer in Zivil, die teilweise mit Baseballschlägern, Metallrohren und Nagelstöcken bewaffnet waren, fingen etwa 60 junge Leute auf dem Weg ab und zerrten sie auf Fahrzeuge ohne Nummernschilder. Den jungen Leuten wurden ihre Handys abgenommen, sie wurden geschlagen und man drohte ihnen, sie einem Drogenkartell auszuliefern und verschwinden zu lassen. Niemand würde je wieder von ihnen erfahren. Sie wurden in das Gebäude der Staatsanwaltschaft gebracht und dort in Zellen gesperrt, die so klein sind, dass sie im Volksmund “Hundezwinger” genannt werden.
Die mexikanische Menschenrechtsorganisation Red TdT veröffentlichte eine Eilaktion zugunsten der Verschleppten. Einige wurden rasch wieder freigelassen, von zweien gab es mehrere Tage lang kein Lebenszeichen, sechs Personen wurden erst am 9. Juni entlassen.
Der Journalist und Autor Luis Hernández berichtet in seiner Kolumne in der Tageszeitung La Jornada, dass Polizeigewalt in Jalisco nicht ungewöhnlich ist. Allein 1.530 Anzeigen wegen Folter habe die staatliche Menschenrechtskommission zwischen 1997 und 2019 registriert. Für die neuesten Fälle wird nun der Gouverneur von Jalisco, Enrique Alfaro, mitverantwortlich gemacht. Alfaro gehört zu einem Bündnis von acht Gouverneuren, die in Opposition zu Präsident Andrés Manuel López Obrador stehen. Ihm werden Ambitionen auf das oberste Staatsamt nachgesagt. Die Proteste gegen Polizeigewalt diffamierte Alfaro öffentlich als von López Obradors Partei Morena gesteuert. Auf diese Diffamierung von oben folgten Anschuldigungen in sozialen Medien und in der Presse gegen angeblich “elf Gruppen”, die die Proteste in Guadalajara inszeniert und eskaliert hätten.
Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen in Mexiko sehen diese Veröffentlichungen mit großer Sorge. In einer gemeinsamen Erklärung fordern sie eine unabhängige Aufklärung der Ereignisse von Anfang Juni durch internationale Experten unter Beteiligung der Opfer und zivilgesellschaftlicher Organisationen.