Offener Brief an die Kampagne „Steuer gegen Armut"
Berlin, im Februar 2011
An die Organisationen der Kampagne „Steuer gegen Armut"
Prof. Dr. Johannes Müller SJ, Leiter Institut für
Gesellschaftspolitik, Hochschule für Philosophie
Prälat Klaus Väthröder SJ, Missionsprokurator Jesuitenmission
Birgit Zenker, Vorsitzende Katholische Arbeitnehmerbewegung
Prof. Dr. Josef Sayer, Hauptgeschäftsführer Misereor
P. Eric Englert osa, Präsident Missio München
Prälat Dr. Klaus Krämer, Präsident Missio Aachen
Wolfgang Schonecke, Leiter Netzwerk Afrika Deutschland
Prof. Dr. Bernhard Emunds, Institutsleiter Nell-Breuning Institut,
Hochschule Sankt Georgen
Norbert Steiner, Geschäftsführer Weltnotwerk der KAB
Martina Schaub, Geschäftsführerin Südwind - Institut
P. Bernd Klaschka, Geschäftsführer Adveniat
Cornelia Füllkrug-Weitzel, Direktorin „Brot für die Welt"
Gertrud Casel, Geschäftsführerin Deutsche Kommission JUSTITIA ET PAX
Prälat Dr. Peter Neher, Präsident Deutscher Caritasverband
Lesley-Anne Knight, Secretary General Caritas Internationalis
Kopie an: P. Dr. Jörg Alt SJ, Verantwortlicher für Kampagne "Steuer gegen Armut"
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Forderung nach einer Transaktionsteuer spielt seit Jahren eine wichtige Rolle in der internationalen Debatte über eine gerechtere Wirtschaftsordnung. Es ist wichtig und gut, dass auch kirchliche Organisationen diese Position aufgreifen.
Mit großem Unverständnis sehen wir jedoch, dass in der Öffentlichkeitsarbeit dieser Kampagne der honduranische Kardinal Óscar Andrés Rodríguez Maradiaga einen wichtigen Platz einnimmt. Kardinal Rodríguez Maradiaga ist durch seine befürwortende Haltung zum Staatsstreich gegen die letzte demokratisch gewählte Regierung in seinem Heimatland am 28. Juni 2009 für eine solche Kampagne unglaubwürdig und schadet ihr und den übrigen Organisationen in einem ganz erheblichen Ausmaß.
Kardinal Rodríguez Maradiaga hat den Staatsstreich gegen die Regierung von Präsident Manuel Zelaya gutgeheißen und öffentlich verteidigt, während Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch, Amnesty International, FIAN International und viele andere immer wieder auf die zunehmenden Menschenrechtsverletzungen und politischen Morde unter der wenige Monate währenden Diktatur und dem aktuellen De-facto-Regime hingewiesen haben und hinweisen.
Das Ziel des Staatsstreichs bestand in erster Linie darin, die Privilegien der Oberschicht zu schützen und eine Verfassungsreform zugunsten der Bevölkerungsmehrheit und mit dem Ziel eines stärkeren sozialen Ausgleichs zu verhindern. Der gestürzte und vom Militär aus dem Land geschaffte Präsident Manuel Zelaya stand kurz vor dem Ende seiner Amtszeit und hatte in Honduras zuletzt mehrere Reformen eingeleitet, die den wohlhabenden Schichten ein Dorn im Auge waren.
Wie die Verteidiger des Putsches – unter ihnen Kardinal Rodriguez
Maradiaga – fälschlicherweise und gegen alle Vernunft glauben machen wollten, habe Präsident Zelaya mit der Verfassungsreform den Weg für seine Wiederwahl durchsetzen wollen. Diese und andere Rechtfertigungen des Putsches wurden, wie aus einem jüngst von dem Internetprojekt Wikileaks veröffentlichten Bericht hervorgeht, sogar von der US-Botschaft in Tegucigalpa en detail verworfen.
Tatsache ist, dass
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die Putschisten, zu deren Lager Kardinal Rodríguez Maradiaga gehört, soziale Reformen rückgängig gemacht und die politische Opposition massiv unterdrückt haben und unterdrücken. Dies hat sich auch nach der international nicht anerkannten Wahl Ende 2009, aus der das De-facto-Regime unter Führung des Unternehmers Porfirio Lobo hervorging, nicht geändert;
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große Teile der Bevölkerung weiterhin und verstärkt die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung fordern. Die Mächtigen des Landes und ihre Vertreter in Exekutive, Parlament und Verfassungsgericht bekämpfen eine solche Reform von unten mit massiver Gewalt;
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in einer neuen Verfassung u.a. auch das Thema einer Steuerreform und Steuergerechtigkeit wesentlich gewesen wäre;
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die geringe Steuerlast für Wohlhabende sowie nationale und transnationale Unternehmen in Honduras wesentlich zu Armut und sozialer Ausgrenzung beitragen, und ein entscheidender Grund für die mangelnde Garantie wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte großer Teile der Bevölkerung sind. Wer in Sachen sozialen Ausgleichs und der Wahrung von Menschenrechten im eigenen Land derart im Abseits steht wie Kardinal Rodriguez, darf nicht durch eine Kampagne aufgewertet werden, in der Verantwortung für eine gerechte Gesellschaftsordnung eingefordert wird.
Aus den genannten Gründen fordern wir Sie mit aller Dringlichkeit auf, sich öffentlich von Kardinal Rodriguez zu distanzieren. Es gibt viele Menschen, die mit hoher Glaubwürdigkeit an seine Stelle treten können. Das gilt auch für den Posten des Vorsitzenden von Caritas Internationalis, den mit Kardinal Rodríguez Maradiaga ein Befürworter eines blutigen Staatsstreiches weiterhin innehat.
Unterzeichnende Organisationen:
Christliche Initiative Romero e.V. (Münster)
Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V. (Berlin)
Honduras Koordination (Hamburg)
Institut für Theologie und Politik (Münster)
Lateinamerika-Arbeitsgruppe ATTAC Deutschland
Lateinamerika-Nachrichten (Berlin)
Nicaragua-Forum (Heidelberg)
Nachrichtenportal amerika21.de (Berlin, Frankfurt am M.)
Ökumenisches Büro für Frieden und Gerechtigkeit (München)
Zapapres e.V. Mexiko-Nachrichten-Import (Hamburg)
Guatemala Solidarität Österreich
Informationsgruppe Lateinamerika (IGLA)
Internationaler Versöhnungsbund (Wien)
Associazione di aiuto medico al Centro America (Giubiasco, Schweiz)