Fairdammt Fairsiegelt ? im Siegel-Dschungel

Erscheint demnaechst auch als Beitrag in der ila.
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Die Verbraucher sind zunehmend verwirrt und überfordert mit der Vielfalt der Siegel. Und auch die Akteure des Fairen Handels sind sich nicht einig.

Ein Beitrag von Jan Braunholz von der Kaffeekampagne El Salvador:

Neben dem Biosiegel gibt es diverse Siegel, die nachhaltigen Anbau versprechen und den Kleinbauern ein besseres Einkommen ermöglichen sollen. Am bekanntesten ist mit Sicherheit das Fairtrade-Siegel, welches just in unserem Land sein 20 jähriges Bestehen feiert. Doch seit seiner Entstehung gibt es auch die Diskussion um das Für und Wider, um den Sinn des Fairtrade-Siegels. Stichpunkte dabei sind die zunehmende Ausrichtung auf Supermärkte und Discounter wie Lidl und Aldi, was z.B. der  Weltladenszene gar nicht schmeckt. Aber auch die Möglichkeit der
Siegelübernahme durch Großkonzerne wie Nestlé rief scharfe Kritik sowohl bei Konsumenten wie auch bei den
Kleinbauern-Produzenten-Verbänden hervor.

Gepa führt eigenes Siegel ein

Nun hat ausgerechnet die Gepa, einer der Mitbegründer von Transfair Deutschland, sich dazu entschlossen, sein eigenes Siegel auf einen Großteil der Gepa-Produkte zu bringen. Dies betrifft vornehmlich den Kaffee, das Ur-Produkt des Fairen Handels. Konkret heißt das, es gibt kein Fairtrade-Siegel auf der Mehrzahl der Kaffee-Päckchen, sondern das Gepa Eigensiegel Fair +. Die Zertifizierung wird aber weiterhin von Fairtrade International und FLO-Cert gewährleistet, d.h. an den Grundpfeilern des Fairen Handels wie Mindest- und Mehrpreis,
Vorfinanzierung und langjährige Handels-Beziehungen, wird nicht gerüttelt.


Übrigens alle diese Grundpfeiler erfüllen die Mitka (Mittelamerikanische Kaffee Im- und Export GmbH) und ihre
Mitgliedsgruppen auch ohne das Fairtrade-Siegel! Der Kaffee der Kaffeekampagne La Cortadora stammt hauptsächlich aus der Kooperative Santa Adelaida in Salvador, die Handelspartner von MITKA ist.
Die Gepa will sich zukünftig als Marke in den Mittelpunkt stellen. Klar, ihr Bekanntheitsgrad ist groß, auch durch die Präsenz in Supermärkten und sie können es sich von daher  gut erlauben auf das Transfair-Siegel zu verzichten.

"Gemeinsam haben wir das Siegel bekannt gemacht und in den Mainstream gebracht", so die  Gepa in ihrer
Stellungnahme vom März 2012. In den Weltläden wird nun dieser Schritt intensiv diskutiert: "Dies ist
20 Jahre nach  Gründung von Transfair durchaus eine Zäsur für die Weltläden", denn bei einem Großteil der Produkte wird das Fairtrade-Siegel weitest gehend verschwinden (siehe Stellungnahme Weltladen-Dachverband).


Zukünftig wird nun auch die Marke Weltladen in den Mittelpunkt gerückt und die Kommunikation mit KundInnen und den Marken der Vollsortiments-Lieferanten wie Gepa, aber auch Dritte-Welt-Partner und El Puente intensiviert. Zitat: "Die Marke Weltladen und die Marken der anerkannten Weltladen-Lieferanten kommunizieren stärker noch als
bisher die Glaubwürdigkeit unserer Arbeit gegenüber den KundInnen."


Chancen zur Auseinandersetzung  darüber bieten die Weltladen Fachtage und Messe vom *22.-23. Juni in Bad Hersfeld , wo dem Thema "Entsiegelung?" auch ein Diskussionsabend gewidmet wird.

Heftige Diskussion auch auf internationaler Ebene

Doch auch auf dem internationalen Fairtrade-Markt ist eine heftige Diskussion im Gange. Auslöser dafür ist der Austritt von Fairtrade USA aus Fairtrade International (FLO) zum Ende des Jahres 2011. Fairtrade USA nennt sich nun Fairtrade For All - Comercio Justo Para Todos. Ziel ist die Verdoppelung des Fairtrade-Absatzes in den USA bis zum Jahr 2015. Voraus gegangen ist eine seit über 10 Jahren andauernde Diskussion um die Ausweitung der Zertifizierung auf Kaffeegroßplantagen und die veränderten Standards bei FLO. Eigentlich werden bei FLO Kleinbauern
Produzenten und Kooperativen zertifiziert. Bei Blumen,Tee und Bananen gibt es jedoch keine kleinbäuerliche Produktionsweise, d.h. es handelt sich dort um zertifizierte Plantagen. Diese Standards will Fairtrade
For All (FT4All) nun auch auf Kaffee und zukünftig auch auf Zucker und Kakao ausweiten.


Auch die Standards bei Mischprodukten werden aufgeweicht. Zukünftig sollen bei FT4All bereits Produkte ab 10% Fair-Handelsanteil zulässig sein. Die bisherige Grenze bei FLO zertifizierten Produkten liegt bei 20% und wenn darüber hinaus gesiegelte Zutaten erhältlich sind, sollen diese auch verwendet werden.
FT4All wird in Brasilien nun mit einem Kaffee-Pilotprojekt starten, um die zukünftigen Standards für Großplantagen zu testen und festzulegen. Kleinbauernverbände kritisieren dies vehement, denn sie fürchten um ihre
Absatzchancen auf dem Weltmarkt.

 

Negative Auswirkung auf den gesamten Fairtrade-Markt

Über 70% des weltweit angebauten Kaffees wird von Kleinbauern produziert und der bisherige Fairtrade-Markt kann längst nicht allen Kaffee von Fairtrade-Produzenten aufnehmen, d.h. sie sind gezwungen billiger auf dem konventionellen Markt zu verkaufen. Mit der zukünftigen Ausweitung würden sich ihre Chancen auf dem Weltmarkt zunehmend verschlechtern und das Vorhaben von FT4All  Industrie-Kaffee zu versiegeln wäre kontraproduktiv für den gesamten Fairtrade-Markt.
Der Kleinbauern-Produzenten-Verband  CLAC (Coordinadora Latinoamericana y del Caribe de Pequenos Productores de Comercio Justo) lehnt FT4All komplett ab und kritisiert das Vorgehen stark. Sie gründeten sich 2004 in Oaxaca/Mexico und sind eng mit Comercio Justo Mexico und Fairtrade Int. verbunden. Sie repräsentieren über 300 Organisationen in 21 Ländern Lateinamerikas und  vertreten diese Organisationen gegenüber Fairtrade.
Mit ihrer Arbeit haben sie z.B. 2011 erreicht, das der Fairtrade Mindestpreis von 120 ct/lb auf 140 ct/lb angehoben wurde. Dies war seit Jahren überfällig. Auch sie haben nun ein eigenes Siegel entwickelt, welches sich Tu Simbolo-Your Symbol nennt. Die Mitglieder-Liste von Tu Simbolo ist z.B. in Mexico weitest gehend deckungsgleich mit der Fairtrade-Liste und sie werden ebenfalls von Certimex zertifiziert. Allerdings sind die Mitka Lieferkooperativen in Mexico und Nicaragua noch nicht eingetreten. Auch die Mitka-Lieferkooperativen für La Cortadora Kaffee, die Kooperativen Santa Adelaida (El Salvador) und Combrifol (Honduras), nicht (in El Salvador ist der Verband Apecafe
eingetreten). Bleibt abzuwarten, ob dies geschieht und ob Mitka das auch macht. Die Diskussion darüber ist im Gange.

Problematische Zertifizierung

Im Moment lassen sich also die Kooperativen doppelt zertifizieren. Dabei sind die Kosten bei Tu Simbolo erheblich günstiger. Ob dann zukünftig das Fairtrade-Siegel fallen gelassen wird, ist wohl auch in der Diskussion. Lange mitmachen wird das Fairtrade mit Sicherheit nicht. Ob sich jedoch neue Kooperativen überhaupt die Zertifizierung leisten können, ist auch fraglich. Viele Kooperativen sind z.B. in Mexico nach Einführung der *Fairtrade-Gebühren* für die Zertifizierung des Siegels ausgetreten. Sie konnten es sich schlichtweg nicht leisten. Dies betraf
auch die beiden zapatistischen Kaffeekooperativen Mut Vitz und Cafe Yachil. Schwierig genug war überhaupt sie ins Siegel zu bekommen, welches auf Wunsch der Kooperativen wegen einiger Fairtrade-Importeure in den USA geschah. Einer der Mitbegründer des Fairen Handels, Frans Vanderhoff (Berater bei der Koop Uciri), wollte dies verhindern und beinahe wären erste Lieferverträge mit dem Schweizer Importeur Bertschi geplatzt.
Dieses Caciquentum (Kazike (sp.: cacique) ist eine Bezeichnung für indigene Anführer oder Adlige in Mittel- und Südamerika) war immer ein Hauptkritikpunkt am Fairen Handel in Mexico und hat z.B. bei der Koop
Majomut zur Spaltung geführt. Auch gab es immer wieder Fälle von Coyotismo seitens der großen Fairhandels-Kooperativen (als Coyoten werden die Zwischenhändler bezeichnet). Inwieweit nun das neue Siegel
von CLAC -Tu Simbolo eine Chance auf dem Markt hat, bleibt abzuwarten.
Der Markt ist übersättigt von einer Vielzahl von Nachhaltigkeits-Siegeln wie z.B. Utz-Kapeh, Rainforest Alliance, 4
C, Starbucks . Einer Studie von CLAC aus dem Jahr 2010 zufolge haben bereits einige Produzenten in Guatemala die Bio-Zertifizierung zugunsten von Utz verlassen in Costa Rica passierte selbiges zugunsten von Rainforest und Starbucks. Gründe dafür sind niedrigere Erträge pro Hektar im Bio-Anbau aber auch der zu geringe Bio-Mehrpreis im Verhältnis zum enormen Arbeitsmehraufwand. Hier besteht also auch dringender Handlungsbedarf, so CLAC.


Siegeldiskussion bei der Kaffeekampagne El Salvador

Die Siegeldiskussion wird, wie wir sehen, zunehmend unübersichtlicher und komplizierter und für uns als Kaffeekampagne El Salvador besteht seit Jahren aus vielen der angeführten Gründe kein Grund ein Siegel zu
nehmen. Auch El Rojito hat seit kurzem alle Kaffees siegelfrei, denn beim Fairmaster-Kaffee, der zusammen mit Gepa-Nord in Hamburg vertrieben wird, ist auch das Fairhandels-Siegel verschwunden. Natürlich könnte
man sagen, wir schwimmen im Kielwasser von Fairtrade. Von daher ist es umso wichtiger die eigenen Positionen und Diskussionen deutlich und *transparent* zu vertreten. Dies ist besonders wichtig im Umgang mit den
KonsumentInnen und vor allen Dingen im Umgang mit den ProduzentInnen. Denn für wen und für was machen wir denn eigentlich den Handel? Die Kaffeebauern stolpern von Krise zu Krise, verdienen viel zu wenig, nur 4 % des Ladenpreises. Und von Living Wages und Mindestlöhnen und davon, ob die reichen zum Überleben, will ich jetzt gar nicht erst anfangen. Für die Zertifizierer ist es egal für wen oder was und welches Siegel sie zertifizieren. Und der Handel lebt gut davon. Mal schauen wie sich das zukünftig entwickelt. Die Diskussion bleibt spannend.

Weitere Informationen und Links zu Dokumenten und Organisationen
dieser aktuellen Diskussion befinden sich auf unserer Webseite der
Kaffeekampagne El Salvador http://www.cafe-cortadora.de.

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