Argentinien: Was wird der Heilige Vater wohl dazu sagen?
(Montevideo, 15. Februar 2013, la diaria -poonal).- In einem Gerichtsverfahren gegen Ex-Militärs wegen der Ermordung von zwei Priestern während der Militärdiktatur (1976-1983) kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass es eine
“Vernunftehe” zwischen der Katholischen Kirche Argentiniens und den Militärs gegeben hat. Es wird damit gerechnet, dass in den nächsten Monaten ein weiteres Verfahren wegen der Ermordung eines Bischofs eröffnet werden wird.
Kirche erstmals als Komplizin des Videla-Regimes benannt
Die Verfolgung von Priestern während der Diktatur ist bekannt, aber zum ersten Mal hat ein Gericht bei einer Verurteilung bestätigt, dass die Katholische Kirche eine “Komplizin der Verbrechen” gegen die Menschlichkeit gewesen ist, die vom Regime begangen worden sind.
Ein Gericht aus der Provinz La Rioja verurteilte drei Ex-Militärs zu lebenslanger Haft wegen der Tötung der Priester Carlos de Dios Murias und Gabriel Longueville, die 1976 verschwunden sind. Das Urteil vom 13. Februar zeigt auf, dass man von der Kirche “eine eindeutigere und klarere Ablehnung der Mechanismen [der Militärregierung] erwartet hatte, dass sie aber tatsächlich, in der einen oder anderen Weise, das Begehen schwerster Straftaten wie denen, über die wir im Moment urteilen, ermöglicht und gutgeheißen hat”.
Verschwinden und Folter von Priestern von Kirche gedeckt
Die oberste Kirchenleitung wusste von den Morden und der Folter, deren Opfer einiger ihrer Mitglieder geworden waren und habe weggeschaut, schrieben die drei Richter in der Urteilsbegründung. Die Kirche tolerierte und deckte indirekt die Verfolgung und das Verschwinden von Priestern, die in der Mehrzahl Mitglieder der Bewegung “Priester für die Dritte Welt” MSTM (Movimiento de Sacerdotes para el Tercer Mundo) waren. Die Bewegung war zu
einem großen Teil von Geistlichen gegründet worden, die aus ärmlichen Verhältnissen stammten und sich gegen die Diktatur stellten.
“Es handelte sich hier nicht um aus dem Zusammenhang gerissene Einzelfälle, die von besonderen Motiven geleitet waren”, wird im Rechtsgutachten erklärt, sondern “um einen systematischen Plan zur Ausschaltung politischer Gegner”, in den auch die Priester als “Teil einer Gruppe innerhalb der Kirche, die als ‘Feinde’ betrachtet wurden”, einbezogen waren.
Weiterhin unterstreichen die Richter, dass es ein "widerstrebendes Verhalten der kirchlichen Obrigkeit, den Klerus eingeschlossen“ gebe, bei der Aufklärung der jetzt verhandelten Verbrechen mitzuwirken. Als Beispiel führten sie an, dass den InspektorInnen der Zutritt zur Gemeinde, aus der Murias und Longueville entführt wurden, verwehrt worden war.
Bischöfe berieten Streitkräfte
Zu den Dokumenten, die den Fall belegen, gehören auch die Monate zurückliegenden Enthüllungen des Journalisten der Tageszeitung Página 12, Horacio Verbitsky. Sie zeigen, wie Bischöfe die Streitkräfte darüber beraten haben, wie und was über das Verschwinden von Personen und auch über ein Treffen der Kirchenführung mit dem De-facto-Präsidenten Jorge Videla im Jahr 1978 zu sagen sei.
Die beiden Priester wurden verhaftet, verhört und anschließend umgebracht. 15 Tage später wurde Bischof Enrique Angelelli ermordet, als er Dokumente zur systematischen Verfolgung von Priestern sicherstellte. Seine Ermordung wurde als Verkehrsunfall getarnt, eine Version, die von derKirche akzeptiert wurde.
Staatsanwalt hofft auf weiteren Prozess noch in diesem Jahr
Der zuständige Staatsanwalt, Carlos Gonella, sagte Página 12, dass “besonders deutlich wurde, dass die Kirche eine passive Rolle hatte, aber auch, dass sie Teil der allgemeinen Repression war.” Gonella äußerte die Hoffnung, dass der Prozess zur Ermordung von Angelelli noch in diesem Jahr beginnt.
Cristina Murias, die Schwester einer der beiden ermordeten Priester, erklärte ihrerseits, dass einige der Priester, die während des Prozesses aussagten, zugegeben hätten, dass es eine “Vernunftehe zwischen der Kirchenführung und den Militärs” gegeben habe".
Im Prozess wurde auch daran erinnert, dass es drei weitere Priester aus La Rioja gab, die noch vor dem Staatstreich verhaftet und gefoltert wurden. Sie hatten eine Warnung erhalten, dass Angelelli ermordet werden sollte.
Zu den während dieses Prozesses untersuchten Vorgängen gehört auch die auf Grundlage von Dokumenten und Zeugenaussagen erfolgte Rekonstruktion eines Treffens zwischen Angelelli und Kardinal Raúl Primatesta, bei dem Angelelli zu Primatesta sagte: “Sie töten meine Lämmer”. Der Kardinal antwortete darauf: “So etwas passiert, wenn man sich in solche Sachen einmischt”.