Münchner Konferenz: Kolumbien und Brasilien definieren globale Sicherheit anders

Francia Márquez bei der Siko in München
Francia Márquez bei der Siko in München, Quelle: @FranciaMarquezM

Francia Márquez: "Alte Richtlinien zur Militarisierung des Lebens" passen nicht zu den Bedürfnissen der Welt. Brasilien für friedliche Lösung im Ukraine-Krieg

Von Hans Weber
amerika21

München. Die kolumbianische Vizepräsidentin Francia Márquez hat sich bei der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) vom allgemeinen Tenor einer andauernden Militarisierung des Ukraine-Kriegs distanziert. Sie forderte einen entmilitarisierten Ansatz in Sicherheitsfragen. Der Außenminister von Brasilien, Mauro Vieira, bekräftige die Bereitschaft seines Landes, eine Verhandlungslösung für den Krieg in der Ukraine mit zu erarbeiten.

Márquez sagte in einer Podiumsdiskussion über die 'Verteidigung der UN-Charta und der regelbasierten internationalen Ordnung': "Es ist nicht gut, weiter darüber zu streiten, wer in einem Krieg verliert und wer gewinnt. Wir haben alle verloren, und wer in einem Krieg verliert, ist die Menschheit".

"Ein großer Teil der Welt fühlt sich heute unsicher. Aber ich glaube, wir müssen weiter denken. Denn Sicherheit lässt sich nicht mit Waffen lösen", so die afrokolumbianische Vizepräsidentin. Es sei notwendig andere Wege zu finden, denn die "alten Richtlinien zur Militarisierung des Lebens", wie sie bislang umgesetzt werden, passten nicht zu den aktuellen Bedürfnissen der Welt. Sie seien "anachronistisch".

Márquez rief zu "einer neuen Weltordnung" auf, "die das Leben in den Mittelpunkt stellt und nicht die Militarisierung". Es gehe nicht darum, sich an der Seite von einer der Kriegsparteien zu positionieren, also nicht dafür, Russland oder die Ukraine zu schlagen. "Wir sind gegen den Krieg, denn der Krieg hat die Menschheit immer zerstört", äußerte sie.

Laut Márquez muss die Welt ihre Aufmerksamkeit auf andere Faktoren lenken, die Unsicherheit verursachen. Dies seien die Migrationskrise, die soziale Ungleichheit und die Ungleichheit der Geschlechter, der Hunger und das Elend sowie der Mangel an Ernährungssouveränität.

Die 42-jährige Politikerin verwies insbesondere auf die Klimakrise als Faktor der globalen Unsicherheit. Kolumbien erwarte Klimagerechtigkeit von Europa, von der Welt. Es reiche nicht, Finanzmittel von Europa zu bekommen. Es sei wichtig, dass die Welt sich wirklich um die Klimakrise kümmere. Der kolumbianische Staat gehöre zu den Ländern der Welt, die nicht für große CO2-Emissionen verantwortlich seien, aber trotzdem die Verluste und Schäden der Klimakrise erleiden.

In diesem Zusammenhang betonte sie die aktuellen gemeinsamen Bemühungen der südamerikanischen Länder, unter ihnen Brasilien, um den Amazonas-Regenwald zu schützen.

Márquez sprach ebenso über das Friedensprojekt der kolumbianischen Regierung, das diese den "totalen Frieden" nennt. Der jahrzehntelange interne Krieg habe Millionen von Opfern gekostet. Die Opfer stehen im Zentrum des "totalen Friedens". Die Regierung tausche sich mit ihnen aus angesichts der laufenden Friedensgespräche mit den bewaffneten Gruppen. Kolumbien wolle den Krieg hinter sich lassen und ein neues Kapitel aufschlagen. Die Vizepräsidentin verwies darauf als Beispiel für andere Konflikte in der Welt.

Andere Teilnehmer:innen der Podiumsdiskussion teilten den pazifistischen Ansatz von Márquez. Der Außenminister Brasiliens, Mauro Vieira, verurteilte die Invasion Russlands in die Ukraine, sprach sich aber für eine friedliche Lösung des Konflikts aus. "Wir können nicht weiterhin nur über den Krieg sprechen". Es sei notwendig, Schritt für Schritt die Möglichkeit der Verständigung und Verhandlung zu suchen.

Mauro Vieira mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell bei der Siko
Mauro Vieira mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell bei der Siko, Quelle: @Itamaraty_ES

Dies führte Vieira auf der Publikumsveranstaltung "Im Mittelpunkt des Interesses: Brasilien" weiter aus. Präsident Lula da Silva missbillige die Agression und die Invasion, die gegen internationales Recht sei. Er habe verurteilt, was geschehen ist. Auf der anderen Seite habe Brasilien sich nicht an den Sanktionen beteiligt. Sanktionen, die nicht vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossen werden, seien illegal, so der Außenminister. Seine Regierung schlage vor, eine Reihe von Ländern zusammenzubringen, die bei Verhandlungen zur Wiedererlangung des Friedens helfen. Dies bevorzuge Brasilien, anstatt am Krieg teilzunehmen.

Neben Márquez war aus Kolumbien auch Außenminister Álvaro Leyva zur Konferenz eingeladen. "Natürlich lehnen wir Invasionen ab und respektieren das Völkerrecht", sagte Leyva der Deutschen Welle. Kolumbien sei jedoch für eine friedliche Lösung des Ukraine-Russland-Konflikts und nicht für eine "ewige Verlängerung des Kalten Krieges".

Die Beiträge von Márquez und Leyva auf der Münchner Sicherheitskonferenz sind besonders bemerkenswert vor dem Hintergrund, dass Kolumbien das einzige Land in Südamerika ist, das den Status eines "globalen Partners der Nato" hat. Sie blieben in den deutschsprachigen Medien indes ebenso wenig erwähnt wie die Beiträge des brasilianischen Außenministers.

Während ihres Aufenthaltes in München haben Márquez und Leyva verschiedene Vertreter:innen der Ampelregierung getroffen. Nach Angaben des kolumbianischen Außenministers bekundeten die Minister für Wirtschaft und Klimaschutz sowie für Ernährung und Landwirtschaft, Robert Habeck und Cem Özdemir, das Interesse Deutschlands am energie- und agroindustriellen Potenzial Kolumbiens. Sie wollen das Land im März 2023 besuchen.

Leyva kündigte zudem einen Besuch von Präsident Gustavo Petro im Mai in Deutschland an.

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