Xiomara Castro ruft den nationalen Sicherheitsnotstand in Honduras aus
Militär soll Bekämpfung organisierter Kriminalität unterstützen. Kritiker warnen vor Machtmissbrauch der Institutionen, die selbst in Verbrechen verwickelt sind
Von Daniela Dreißig
amerika21
Tegucigalpa. Die linke Regierung unter Präsidentin Xiomara Castro hat am 24. November einen umfassenden Sicherheitsplan im Kampf gegen die organisierte Kriminalität in Honduras vorgestellt. Das Land wird gegenwärtig mit einer steigenden Zahl an Erpressungen und weiteren Formen von Verbrechen wie dem Drogenhandel und der Korruption konfrontiert. Eine Maßnahme des "Plan Integral de Seguridad" ist der regional begrenzte Ausnahmezustand und damit das Aussetzen von verfassungsmäßigen Garantien und Rechten.
"Erpressung ist eine der hauptsächlichen Ursachen fehlender Sicherheit, von Migration, Vertreibung, Verlust der Freiheit, gewaltsamer Tode und Schließung von kleinen und mittleren Geschäften. Ich weise die nationale Polizei an, in den Gemeinden die Situation zu ermitteln und gegebenenfalls den Ausnahmezustand vorzuschlagen", begründete Castro die drastischen Maßnahmen. Sie wies die Streitkräfte sowie die Militärpolizei der öffentlichen Ordnung (PMOP) an, die Kontrollen an den Grenzen zu unterstützen. Bereits am Wochenende fanden sich deshalb mehr als 600 Einsatzkräfte der PMOP in Grenzgebieten für unbestimmte Zeit zusammen. Auch das staatliche Telekommunikationsunternehmen und die nationale Kommission für Banken- und Versicherung werden mit Maßnahmen in den Plan involviert.
In mehr als hundert Stadtvierteln der Hauptstadt Tegucigalpa und von San Pedro Sula, den größten Städten des Landes mit den höchsten Gewaltraten, haben die Behörden den Ausnahmezustand verhängt. Einige Stadtteile werden von Gruppen von Jugendlichen und Erwachsenen dominiert, den so genannten "Maras", deren kriminelles Vorgehen auf Drohungen, Verfolgung, Mord und Erpressung beruht. Es werden Polizeisperren errichtet und Personen, die der Erpressung verdächtigt werden, durchsucht und verhaftet. Das Innenministerium veröffentlichte in diesem Zusammenhang immer wieder Videos von erfolgten Festnahmen von vermeintlichen Straftätern in den sozialen Medien auf Twitter und Facebook.
Omar Menjivar, Vizebürgermeister von San Pedro Sula und ehemaliger Staatsanwalt, äußerte auf seinem Twitter-Account hingegen Bedenken gegen die Maßnahmen der Regierung: "Unabhängig von den Umständen, die den Ausnahmezustand rechtfertigen, schafft er mit der einhergehenden Aussetzung von Rechten und Garantien immer Raum für Exzesse und Missbrauch durch staatliche Akteure, die den gesetzlichen Rahmen der Beschränkung überschreiten."
Der runde Tisch der Menschenrechte (Mesa de Derechos Humanos), ein Zusammenschluss von nicht-staatlichen Menschenrechtsorganisationen, veröffentlichte eine Erklärung, in der die Ausnahmezustände "zur Machtkonzentration, zur Normalisierung von Menschenrechtsverletzungen oder zur Lockerung der administrativen Kontrollen gegen Korruption genutzt werden". Die Organisationen schlagen vor, dass Strategien gegen die Kriminalität entwickelt werden müssten, die nicht nur gegen die kriminellen Handlungen vorgehen, sondern auch die Ursachen in den Fokus nehmen.
Victor Fernández, ehemaliger Staatsanwalt und Koordinator der Menschenrechtsbewegung (MADJ), führt die jetzige Veröffentlichung des Sicherheitsplans auf eine schwindende Zustimmung der Regierung in der Bevölkerung zurück. "Das Thema der Sicherheit hat eine politische Dimension, die in den Wahlversprechen verortet ist. Die Popularität der Regierung in der Bevölkerung nimmt ab", merkte er gegenüber amerika21 an. Um dem entgegenzuwirken, wurde kürzlich das Armutsbekämpfungsprogramm "Red solidaria" im Nordwesten des Landes begonnen, das in mehr als 2.700 Gemeinden arme Familien unterstützen soll. Das Thema der verstärkten Präsenz von Polizei und Militär zur Bekämpfung der Kriminalität wie auch das Ausrufen des Ausnahmezustands seien wiederkehrende Mittel aller Regierungen, um die Bevölkerung eine Zeitlang zufriedenzustellen und Sympathien zurückzugewinnen. "Die in diesen Institutionen innewohnende Korruption als auch Infiltration durch die organisierte Kriminalität bleibt dabei jedoch unberührt“, fügte er hinzu.
Die honduranische Polizei als auch weitere Einheiten der Streitkräfte sind bekannt für ihre Ineffizienz, Korruption und systematischen Menschenrechtsverletzungen. In den zwölf Jahren nach dem Militärputsch von 2009 sind Polizei und Armee immer wieder gegen die protestierende Bevölkerung eingesetzt worden. In den New Yorker Prozessen gegen honduranische Drogenhändler wurde unter anderen ausgesagt, dass Polizisten und Militärangehörige in den kriminellen Strukturen agieren.