URGENT ACTION: Repression gegen Tolupanes in Honduras
Sorge um das Leben und die Unversehrtheit der Mitglieder der indigenen Gemeinschaft „Tribu de San Francisco de Locomapa“
Das internationale Menschenrechtsbegleitprojekt Proyecto de Acompañamiento Internacional en Honduras (PROAH) fürchtet um das Leben der sieben Mitglieder der indigenen Gemeinschaft „Tribu de San Francisco de Locomapa“, die am Hungerstreik in Tegucigalpa teilnehmen und ist sehr besorgt über die Situation der Straflosigkeit und der schweren Menschenrechtsverletzungen in den Gemeinden der Region Locomapa, Departement Yoro (Honduras).
Am 30. Juni 2015 haben sich sieben Mitglieder der indigenen Gemeinschaft der Tolupanes „Tribu de San Francisco de Locomapa“ einem Hungerstreik vor dem Sitz des Präsidenten angeschlossen. Sie fordern die Einsetzung einer internationalen Kommission gegen die Straflosigkeit sowie das Ende der Straflosigkeit im ganzen Land und speziell im Departement Yoro.
Allen sieben Mitgliedern der indigenen Gemeinschaft der Tolupanes, die an dem Hungerstreik teilnehmen, sind im Dezember 2013 von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission Schutzmaßnahmen (medidas cautelares) zugesprochen worden. Grund war der Mord an drei Gemeindemitgliedern am 25. August 2013. Sie hatten sich dem illegalen Holzeinschlag und der illegalen Ausbeutung von Mineralien in der Region Locomapa widersetzt. Daraufhin forderte die Interamerikanische Menschenrechtskommission vom honduranischen Staat besonderen Schutz für 18 Gemeindemitglieder und deren Familienangehörige, insgesamt 38 Personen.
Von August 2013 bis dato sind sieben Mitglieder der Gemeinschaft ermordet worden, darunter fünf Führungspersonen, die sich für den Erhalt der Gemeingüter, des Landes und der Wälder engagierten. Sie hatten sich offen gegen die widerrechtliche Ausbeutung des Minerals Antimon auf dem Territorium der indigenen Gemeinschaft ausgesprochen. Der bisher letzte Mord geschah am 18. Juni 2015 in der Gemeinde Brisas de Locomapa an dem Menschenrechtsverteidiger Erasio Vieda Ponce.
AKTUELLE DROHUNGEN GEGEN DIE HUNGERSTREIKENDEN
Die Tolupanes im Hungerstreik und ihre Familienangehörigen sind derzeit ganz besonders gefährdet. Seit Beginn des Hungerstreiks sind Unbekannte um ihre Häuser in Locomapa geschlichen, haben Familienangehörige per Telefon eingeschüchtert und sie mit dem Tode bedroht. Sergio Àvila, einer der Teilnehmer am Hungerstreik, berichtete am 8. Juli 2015, dass unbekannte Bewaffnete seinem Sohn zugerufen hätten „Runter vom Pferd, sonst bringen wir auch dich um!“. Sie hätten angefangen zu drängeln und sein Sohn sei schließlich abgesprungen und davongelaufen, während sie sein Pferd erschossen.
Die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Movimiento Amplio por la Dignidad y la Justicia (MADJ) die die Gemeinschaft der Tolupanes „Tribu de San Francisco de Locomapa“ rechtlich vertritt, bittet dringend darum, die honduranischen staatlichen Stellen aufzurufen
– sofort geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Verantwortlichen für die Morde und Bedrohungen in Locomapa zu verhaften; sie vor ein unabhängiges und unparteiisches Gericht zu stellen und die gesetzlich vorgesehenen Strafen gegen sie zu verhängen.
– unverzüglich Ermittlungen über die angezeigten Vorfälle einzuleiten und einen detaillierten Bericht darüber zu veröffentlichen.
– innerhalb kürzestmöglicher Zeit effektive Schutzmaßnahmen für die Tolupanes aus Locomapa umzusetzen und jeglicher Bedrohung und Gewaltanwendung gegen sie ein Ende zu setzen.
Adressen und einen Musterbrief auf Spanisch zum Herunterladen finden Sie im Anhang!
Hintergrund:
ZUM HUNGERSTREIK
Mitte Mai 2015 kamen neue Indizien im Fall der Veruntreuung von Geldern des honduranischen Sozialversicherungsinstituts (IHSS) ans Licht. Seither protestieren wöchentlich im ganzen Land Zehntausende von Bürger_innen als Bewegung der Empörten (indignados/as) gegen die Korruption und Straflosigkeit im Land. Sie fordern unter anderem die Einsetzung einer internationalen Kommission gegen die Straflosigkeit. Am 22. Juni 2015 begann eine Gruppe von Studierenden einen Hungerstreik vor dem Präsidentenpalast in Tegucigalpa, der Hauptstadt von Honduras. Auch namhafte Menschenrechtsverteidiger_innen wie Wilfredo Méndez vom Menschenrechtszentrum CIPRODEH schlossen sich dem Hungerstreik an. Mittlerweile häufen sich die Berichte über Repressalien gegen die Protestierenden, vor allem gegen Studierende der staatlichen Universität und gegen kritische Journalist_innen. Besonders gefährdet sind auch Vertreter_innen von Minderheiten, deren Familien in abgelegenen Dörfern schutzlos den Attacken gedungener Mörderbanden ausgesetzt sind.
Weitere Informationen: https://hondurasaccompanimentproject.wordpress.com/2015/06/29/indigenous-tolupanes-join-the-indignados-hunger-strike-in-tegucigalpa/
ZU DEN AKTEUREN IN DER REGION LOCOMAPA
Augenzeug_innen versichern, dass die fünf Morde an den Führungspersonen des “Tribu San Francsisco de Locomapa” von Männern ausgeführt wurden, die einer Gruppe von Minenbetreibern und mächtigen Unternehmer_innen der Region angehören. Gegen zwei von ihnen war nach dem Mord an den drei Gemeindemitgliedern vom 25. August 2013 Haftbefehl erlassen worden.
Trotz vielfacher Anzeigen bei honduranischen Instanzen und bei der Interamerikanischen Menschenrechtskommission hat sich an der Situation der Straflosigkeit und der hohen Verwundbarkeit der Gemeindemitglieder nichts verändert. Die mutmaßlich Verantwortlichen für die Morde und weitere Mitglieder ihrer Gruppen betreten und verlassen die Region nach Belieben, schüchtern Gegner_innen des Bergbauprojektes ein, bedrohen sie und halten die ganze Gemeinschaft in einem Zustand der permanenten Angst. Alle Menschenrechtsverteidiger_innen der Gemeinschaft leben in einer Situation höchster Unsicherheit. Mindestens elf Führungspersonen haben bisher Todesdrohungen erhalten.
Einer der Akteure, die die Gemeinde einschüchtern, ist der General a.D. Finlander Uclés. Er beansprucht Teile des indigenen Gemeindelandes als sein Privateigentum und hat vor kurzem Morddrohungen gegen Gemeindemitglieder und gegen Mitglieder der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Movimiento Amplio por la Dignidad y la Justicia (MADJ) ausgesprochen, denen von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission Schutzmaßnahmen zuerkannt wurden.
Polizei und Ermittlungsorgane, die eigentlich den Vorgängen auf den Grund gehen und die mutmaßlichen Mörder festnehmen sollten, verweisen stets darauf, dass Materialmangel ihre Arbeit behindere. MADJ, das die Menschenrechtsverteidiger_innen der indigenen Gemeinschaft der Topulanes begleitet und ihnen Rechtsbeistand leistet, ist hingegen der Auffassung, dass es sich vielmehr um einen Mangel an Willen seitens des honduranischen Staates handelt.
Weitere Informationen: https://hondurasaccompanimentproject.wordpress.com/2015/06/17/community-of-locomapa-impunity-violence-and-harassment-continue-against-tolupan-indigenous/