Trans-Aktivistin in Honduras ermordet
Polizei kam der 26jährigen nicht zu Hilfe – Augenzeugin schwer mißhandelt
TEGUCIGALPA (oeku-buero). Die LGBTI-Gemeinde in Honduras trauert um ihre Aktivistin Angy Ferreira (26). Angy, die Koordinatorin der TransFrauen-Gruppe „Muñecas de Arcoíris“ war, wurde in der Nacht vom 25. auf den 26. Juni 2015 aus einer Gruppe von vier Männern heraus ermordet. Nach Aussagen von TransFrauen, die in dieser Nacht zusammen mit Angy zu Fuß unterwegs waren, fuhren die Männer mit einem dunklen Lieferwagen vor, entsicherten ihre Waffen und schossen ohne einen Wortwechsel direkt auf Angy.
Ihre Begleiterinnen flüchteten vom Tatort, einer Straße in der Stadt Comayagüela, an das nahegelegene unbeleuchtete Ufer des Flusses Choluteca. Nachdem der Lieferwagen verschwunden war, kamen sie zurück und versuchten Angy, die nach ihnen rief, zu helfen. Inzwischen war eine Polizeipatrouille mit der Aufschrift M 1-95 der Polizeiwache 4 in Comayagüela vorgefahren. Sie ließ die Frauen nicht durch und unternahm selbst nichts, um Angy erste Hilfe zu leisten, so die Augenzeug_innen. Eine Transfrau und Augenzeugin des Vorfalles war zunächst verschwunden. Sie wurde dem Vernehmen nach am Sonntag, 27. Juni von Unbekannten krankenhausreif geschlagen. Ihr Gesundheitszustand ist nach Aussage von Arcoiris inzwischen stabil, die Gefährdung für die Augenzeuginnen des Mordes an Angy Ferreira sowie die Mitglieder der LGBTI-Community und ihre Menschenrechtsverteidiger_innen jedoch weiterhin extrem.
Arcoíris setzt sich seit 2003 für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen (LGBTI) in Honduras ein. Die Co-Direktorin der Organisation,Esdra Yaveth Sosa Sierra, musste nach einer Serie von Todesdrohungen und versuchten Übergriffen im März dieses Jahres das Land verlassen. Am 18. Mai 2015, einen Tag nach den Aktionen der LGBTI Community zum Internationalen Tag gegen Homophobie und Transphobie (IDAHOT) wurde die Transfrau Rubí Ferreira von Unbekannten geschlagen und schwer verletzt. Auch Kendry Hilton, Trans-Aktivistin von Arcoíris, berichtete dem Ökumenischen Büro von Todesdrohungen in jüngster Zeit.
Arcoíris fordert die Aufklärung des Mordes an Angy und den weiteren Mitgliedern der LGBTI-Comunity in Honduras , die Hassverbrechen zum Opfer gefallen sind, sowie die Verurteilung der Täter. Die Spezialeinheit, die in solchen Fällen ermitteln sollte, müsse dringend verstärkt und zu raschem Handeln angehalten werden. Zudem müssten, so Arcoíris unverzüglich Schutzmaßnahmen für die LGBTI-Community und ihre Menschenrechtsverteidiger_innen ergriffen werden.
Kritik an Untätigkeit und Komplizenschaft des Staates
Donny Reyes von der LGBTI-Organisation Arcoíris: „Während man in den USA die Einführung der Homoehe als großen Sieg feiert, geht es bei für uns Schwule, Lesben und TransPersonen darum, irgendwie unser Leben zu schützen. In Honduras werden Führungspersonen und Mitglieder von LGBTI-Organisationen in aller Öffentlichkeit und mit Duldung der Sicherheitskräfte eines Staates umgebracht, dem unser Leben vollkommen egal ist.“
Seit dem Staatsstreich in Honduras 2009 sind 198 Angehörige der LGBTI-Community in Honduras Opfer tödlicher hate crimes geworden, so die Statistik der honduranischen Staatsanwaltschaft. Strafrechtlich verfolgt werden Verbrechen an Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender/ Transexual and Intersexed nur sehr selten. Stattdessen sind LGBTI mit willkürlichen Verhaftungen, Polizeigewalt, Mordanschlägen, Drohungen Überfällen aller Art konfrontiert, von alltäglicher Diskriminierung und Mißhandlung ganz zu schweigen.
Repression gegen LGBTI inmitten einer politischen Krise
„Es versteht sich von selbst, dass solche Maßnahmen, nicht denen überlassen werden können, die oftmals selbst Täter sind oder die Täter in Schutz nehmen, also den staatllichen Sicherheitskräften“, so Andrea Lammers vom Öku-Büro in München, das langjährige Beziehungen zu LGBTI-Organisationen in Honduras pflegt: „Wenn die Regierung so weiter macht, sind die Erklärungen, den zahlreichen Empfehlungen des UN-Menschenrechtsrates zugunsten der LGBTI Folge leisten zu wollen, das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben wurden. Genauso wenig wie die Änderungen des Strafgesetzbuches und neue Gesetze, die angeblich dem Schutz von Menschenrechtsverteidiger_innen dienen sollen.“
Beobachter_innen vor Ort sehen den Mord an der bekannten LGBTI-Aktivistin Angy Ferreira auch im Zusammenhang mit der derzeitigen politischen Krise in Honduras. So weist z.B. das unabhängige Internetportal pasosdeanimalgrande darauf hin, dass der Mord an Angy an die Repression nach dem zivil-militärischen Putsch 2009 erinnere, als die LGBTI-Bewegung sich konstituierte und öffentlich sichtbarer Teil des zivilgesellschaftlichen Widerstandes gegen den Staatsstreich wurde. Auch heute, wo Tausende Woche für Woche wegen eines enormen Korruptionsskandals protestieren, in den die Regierung verwickelt ist, sind LGBTI-Gruppen ein sehr aktiver und sichtbarer Teil dieser Protestbewegung.
„Ich denke, dass dieser neuerliche Mord das Ziel hat, uns einzuschüchtern und die Community zu demobilisieren, aber wir werden nicht zulassen, dass die Angst uns überwältigt,“ so Donny Reyes von Arcoíris gegenüber dem Öku-Büro.
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