Todesschwadrone in Honduras weiter aktiv
Sohn des Ex-Präsidenten Lobo getötet. Trotz sinkender Mordrate im Land wird Kritik laut, dass staatliche Sicherheitspläne fehlen. Linksregierung mit Strukturen des alten "Narcostaates" konfrontiert
Von Thomas Raabe
amerika21
Tegucigalpa. Der Polizeichef von Honduras, Gustavo Sánchez, hat informiert, dass hinter dem Massaker vom Donnerstagmorgen, bei dem neben dem Sohn von Ex-Präsident Porfirio Lobo (2010-2014) drei weitere Menschen getötet wurden, die kriminelle Gruppierung MS-13 steht. Dies hätten umfangreiche Ermittlungen ergeben.
Ziel des Anschlages sei der Sohn des ehemaligen Präsidenten gewesen. Neben Said Lobo Bonilla gehören zu den Opfern Luis Zelaya, Neffe des ehemaligen Generals Romeo Vásquez, Norlan Enrique Rodríguez, Chauffeur von Lobo Bonilla und Salomón Velásquez.
Unter den sechs festgenommenen Tatverdächtigen ist ein Polizist, weitere fünf Personen seien identifiziert. Die Hintergründe des Verbrechens sind bisher nicht bekannt.
Die Überwachungskameras eines Gebäudekomplexes in einer belebten Ausgehmeile der Hauptstadt hielten die Tat fest. Die Aufnahme zeigt, wie der Ausgang von einem schwarzen Pick-Up blockiert wird und fünf schwer bewaffnete, maskierte Personen in kugelsicheren Polizeiwesten in die Garage stürmen. Sie zerren die Insassen eines Autos heraus und stellen sie mit erhobenen Händen an die Wand. Zwei weitere Personen eines dahinter wartenden Autos werden ebenfalls dazu gestellt. Die Maskierten eröffnen das Feuer und fliehen anschließend. Die gesamte Aktion dauert nur wenige Minuten.
Politische Beobachter:innen in Honduras sprechen hinter vorgehaltener Hand davon, dass die Exekution der vier jungen Männer eine Botschaft des in den USA wegen Drogenhandels angeklagten Ex-Präsidenten Juan Orlando Hernández (2014-2022) an alle diejenigen sein könnte, die sein System des vom organisierten Verbrechen kooptierten Staates aushebeln wollten.
Die Vizeministerin für Sicherheit, Julissa Villanueva, zeigt sich überzeugt, dass es sich um eine sorgfältig geplante, zielgerichtete Tat handelte. "Es ist offensichtlich, dass die Aktionen krimineller Gruppen darauf abzielen, die Bevölkerung ins Chaos zu stürzen und das gesamte Sicherheitssystem zu destabilisieren. Wir haben zweifellos ein Problem geerbt, das man als Narcostaat bezeichnet", so Villanueva weiter.
Die honduranische Kriminologin Wendy Fúnes wies in diesem Kontext darauf hin, dass aktuelle Studien der Plattform Reporteros de Investigación zu dem Schluss kommen, dass im Land von der früheren Regierung Hernández autorisierte Todesschwadronen weiter aktiv sind. Diese bewaffneten Gruppen agierten, so Fúnes, in Absprache mit der Anti-Banden-Polizei FNAMP und der Militärpolizei.
Der Menschenrechtsanwalt Joaquin Mejía äußerte gegenüber amerika21, dass die Regierung von Xiomara Castro seit der Übernahme der Regierungsgeschäfte bisher noch keinen Sicherheitsplan entwickelt habe. David Chávez, Oppositionsführer der Nationalen Partei, fordert ein hartes Durchgreifen und Präsenz des Militärs in der Öffentlichkeit: "Es kann nicht sein, dass wir heute das Militär in den Kasernen haben. Früher hat die Militärpolizei für Sicherheit auf den Märkten und anderswo gesorgt".
Noch am Tag des Massakers veröffentlichte die nationale Polizei Zahlen, die belegen sollen, dass die Mordrate im Vergleich zum Vorjahr um drei Punkte gesunken sei. Lag diese im Jahr 2021 noch bei 42 pro 100.000 Einwohner:innen, so könnten sie mit den aktuellen Schätzungen bei ungefähr 36 pro 100.000 Einwohner:innen liegen.
Die Familie des Ex-Präsidenten Lobo ist nicht das erste Mal Gegenstand des öffentlichen Interesses. Lobos Bruder Ramón wurde in einem Prozess des New Yorker Bundesgerichts von dem verurteilen Drogenboss des Los Cachiros-Kartells erwähnt, darüber hinaus habe er öffentliche Gelder veruntreut. Fabio Lobo, ein weiterer Sohn des ehemaligen Präsidenten wurde 2017 in den USA wegen Drogenhandels zu 24 Jahren Haft verurteilt und Rosa Elena Bonilla de Lobo, ehemalige First Lady, sitzt seit 2018 wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder in Honduras in Haft.