Schwere politische Krise in Honduras
Abtrünnige LIBRE-Abgeordnete spalten die künftige Regierungspartei und schließen sich den Handlanger*innen der Narcodiktatur und Korruption an – technischer Putsch zum Amtsantritt der designierten Regierungschefin Xiomara Castro befürchtet
(oeku-buero, 24.Januar 2022) Noch bevor die gefeierte, souveräne Wahlsiegerin Xiomara Castro von der Mittelinkspartei Libertad y Refundación (Freiheit und Neugründung LIBRE) am 27.Januar als erste Frau in der honduranischen Geschichte ihr Amt antreten kann, ist das Land in eine schwere politische und institutionelle Krise geraten. 20 Abgeordnete von LIBRE verweigerten sich der Abmachung der künftigen Regierungskoalition den Kandidaten des kleineren Partners PSH, Luis Redondo, als Präsidenten des Kongresses zu bestimmen. Stattdessen wählten sie gemeinsam mit der Nationalen und Liberalen Partei in einer dreiminütigen Blitzaktion den LIBRE-Abgeordneten Jorge Calix zum vorläufigen Chef des Parlamentes. Zwei Abgeordnete korrigierten ihr Votum am nächsten Tag, 18 wurden aus der Partei ausgeschlossen. Sie bildeten am Sonntag in einer Geheimsitzung mit Kollegen der Nationalen und der Liberalen Partei außerhalb der Hauptstadt Tegucigalpa einen Parallel-Kongress, der Jorge Cálix und seine Vice Beatrix Valle in ihren Ämter bestätigte. Jorge Cálix werden enge Beziehungen mit der Finanzoligarchie des Landes, insbesonders zur Bankerfamilie Atala nachgesagt. Während er mit dem Hubschrauber und zehn Bodygards zur Sitzung des Schattenkongresses einflog, wählten die designierte Präsidentin Xiomara und ihre Koalition wählten, geschützt von Tausenden von LIBRE-Anhänger*innen und Bürger*innen, die sich ihr Votum gegen die Narcodiktatur nicht nehmen lassen wollen, im Kongressgebäude Luis Redondo zum Kongresspräsidenten, der am kommenden Donnerstag die Präsidentin vereidigen soll.
Wir dokumentieren eine Meldung von a21 Kommentare von Giorgio Trucchi und des Zentralamerika-Sekretariates Zürich.
Honduras "an der Schwelle zu einem Staatsstreich"
Institutionelle Krise durch zwei gewählte Kongresspräsidenten. Spaltung und Ausschlüsse in der Libre-Partei. Tausende Honduraner:innen protestieren auf den Straßen
Von Daniela Dreißig
amerika21
Tegucigalpa. Am Sonntag ist der Abgeordnete Luis Redondo von der Partei Salvador de Honduras (PSH) zum Präsidenten des neuen Nationalkongresses gewählt worden. Für ihn stimmten jedoch nur 48 Abgeordnete: 32 von der Partei Libertad y Refundación (Libre), zehn von der PSH, fünf von der Liberalen Partei (PLH) und einer von der Democracia Cristiana de Honduras (DCH).
Zur gleichen Zeit stimmten für dieselbe Funktion in Bosques de Zambrano, außerhalb der Hauptstadt, 44 Abgeordnete der konservativen Nationalen Partei (PNH) zusammen mit 18 abtrünnigen Libre-Abgeordneten und 17 Abgeordneten der Liberalen Partei für Jorge Calix, ein ehemaliger Libre-Abgeordneter.
Calix sollte schon am Freitag vereidigt werden. Dieser Versuch war im Kongress von Tumulten begleitet. Die Sitzung wurde abgebrochen. Noch am selben Abend wurden die 18 Abtrünnigen aus der Partei Libre ausgeschlossen. Drei Abgeordnete zogen ihre Entscheidung zurück.
Warum so viele Libre-Abgeordnete mit ihren jahrelangen Widersachern paktieren, erschließt sich den Beobachter:innen noch nicht. Rechnerisch hätten die 50 Libre-Abgeordneten zusammen mit der PSH und einigen Abgeordneten der PLH eine einfache Mehrheit im 128-köpfigen Kongress erlangt. Nun ist Libre nur noch mit 32 Sitzen vertreten, was die Regierungsarbeit der designierten Präsidentin Xiomara Castro deutlich erschweren dürfte.
Am Samstag folgten Tausende Honduraner:innen dem Aufruf von Castro zu einer Mahnwache vor dem Parlament. "Die Mahnwache soll die Übernahme des Nationalkongresses verhindern und die Zweiparteienherrschaft des Diktators Juan Orlando Hernández [scheidender Präsident von Honduras] mit direkter Komplizenschaft einiger verräterischer Abgeordneter, die vom Volk unter unserer Flagge gewählt wurden, zurückweisen", begründete Castro ihren Aufruf. Honduras nächste Präsidentin erklärte, dass sie einen Kongressvorsitz unter Calix nicht akzeptiere. Gewerkschaftsmitglieder der Nationalen Druckerei (ENAG) schützten Sonntagnacht die Druckerei und erklärten, dass sie die offizielle Zeitung La Gaceta mit Calix' Wahl nicht drucken würden.
Ismael Moreno, Jesuit und Direktor von Radio Progreso, beschreibt die aktuelle Situation: "Juan Orlando Hernández und seine Mafia sind aktiver denn je. Sie nutzten die triumphale Euphorie, um die Demokratie innerhalb der Partei Libre zu untergraben. Heute stehen wir an der Schwelle zu einem Staatsstreich."
Der honduranische Anwalt Joaquin Mejía erklärt gegenüber amerika21, dass beide Wahlvorgänge, sowohl von Calix als auch von Redondo, Verfahrensmängel aufweisen und gegen das Gesetz verstießen. Das normale Prozedere der Wahl einschließlich der Verlesung von Anträgen und Reden der Abgeordneten konnte nicht durchgeführt werden. "Aber mehr noch die Wahl von Jorge Calix. Es handelt sich nicht nur um ein juristisches Problem, es hat eine politische Reichweite. Die politische Klasse hat sich in der Wählerschaft getäuscht, als ob die Wähler:innen nur im November ihre Stimmen abgeben. Sie bilden ein Gegengewicht, was sich in den spontanen Demonstrationen widerspiegelt."
Die online-Zeitung ContraCorriente wiederum äußert sich zu dem Dilemma, dass Redondo zwar nur 48 Stimmen erhielt, jedoch habe er die Legitimität der designierten Präsidentin. Hingegen wäre der Kongressvorstand unter Calix mit 79 Stimmen rechtlich abgesichert. Dieser Konflikt müsse nun von der Verfassungskammer des Obersten Gerichtshofs gelöst werden.
Seit dem Wochenende kursieren in den sozialen Netzwerken Nachrichten, dass Calix in Verbindung zu den Sonderarbeits- und Wirtschaftszonen (Zedes) stünde. Zedes sind sogenannte Privatstädte, wobei nationales Territorium an Privatunternehmen veräußert wird und diese ihre Interessen und Entscheidungen losgelöst von jeglicher honduranischer Gesetzgebung durchsetzen. Darüber hinaus soll Calix von der zweitgrößten honduranischen Bank FICOHSA unterstützt werden. Deren Eigentümer, die Familie Atala, gehört zur mächtigen Bankiers- und Wirtschaftselite des Landes. Weiterhin kursierte ein Audio, in dem die ebenfalls ausgeschlossene Abgeordnete Margie Dip berichtet, dass Calix ihre Schulden von über 92.000 Lempira bezahlt habe.
Wie ist die Krise zu verstehen? Im Oktober 2021, noch vor den Wahlen, verzichtete Salvador Nasralla von der Partei Salvador de Honduras (PSH) auf seine Präsidentschaftskandidatur und ging zusammen mit Libre eine Wahlallianz ein. Im Falle des Sieges von Xiomara Castro solle Nasralla Vizepräsident von Honduras werden, dazu stellt die PSH den Präsidenten des Nationalkongresses. Dieses Abkommen wurde durch Calix' Kongressvorsitz unterlaufen.
Honduras hat noch immer unter den Folgen des Militärputschs im Juni 2009 zu leiden. Die Nationale Partei ist seit zwölf Jahren Regierungspartei. Ihr scheidender Präsident Hernández hat sich vor vier Jahren verfassungswidrig und unter massivem Wahlbetrug eine zweite Amtszeit verschafft. Hernández hat Kontrolle über alle Institutionen des Staates. Die Strukturen aus der Drogenkriminalität reichen bis in die Familien von Hernández und Porfirio Lobo, Hernández Vorgänger, deren Bruder bzw. Sohn rechtskräftig in den USA verurteilt sind.
Neben den prominenten Fällen gehören Abgeordnete, Bürgermeister:innen und hohe Beamte zu den Personen, gegen die die New Yorker Staatsanwaltschaft ermittelt. Honduras ist durchsetzt von Korruption, dazu kommt ein ungebremster Ausverkauf der Gemeingüter und Versuche der Privatisierung wichtiger Bereiche wie Gesundheit, Bildung, Stromversorgung, selbst der öffentlichen Straßen.
Honduras ist das zweitärmste Land Lateinamerikas, 70 Prozent der Bevölkerung sind arm. Tausende Honduraner:innen sehen keine Perspektive in ihrem Land und machen sich in Karawanen auf den Weg in die USA. Vor diesem Hintergrund haben mehr als 1,7 Millionen Wahlberechtigte im November 2021 ihre Stimme Castro gegeben.
Am 27. Januar wird sie als Präsidentin von Honduras vereidigt. Es bleibt abzuwarten wie sich die Streitkräfte bis dahin verhalten werden.
Honduras: "Niemand, der den Schmerz des Volkes spürt, kann sich mit Diktatoren verbünden."
Die gewählte Präsidentin ruft dazu auf, die an der Wahlurne getroffene Entscheidung zu verteidigen
Von Giorgio Trucchi | Rel UITA 24.01.2022
Am Samstagnachmittag versammelten sich Hunderte von Bürger*inenn vor dem Nationalkongress, um ihre Unterstützung für die designierte Präsidentin Xiomara Castro zu bekunden, nachdem 20 Abgeordnete der Partei Libertad y Refundación (Freiheit und Neugründung) beschlossen hatten, ihre Stimmen zu denen der traditionellen Parteien hinzuzufügen und einen anderen Parlamentspräsidenten zu wählen als den, der mit den Verbündeten vereinbart wurde. Stunden später berichtigten zwei der Abgeordneten ihre Position, die anderen wurden aus der Partei ausgeschlossen.
"Sie können uns nicht mit Sirenengesängen täuschen, denn das honduranische Volk ist bereits aufgewacht, weil es sich bereits entschieden hat. Wir werden nicht zulassen, dass sie uns erneut unsere gesetzgebende Gewalt nehmen", sagte Xiomara Castro.
Die Präsidentin, die ihr Amt am 27. Januar antreten wird, hat die Wahlen mit fast 1,8 Millionen Stimmen gewonnen. Eine echte Volksabstimmung gegen die beiden traditionellen Parteien (Liberale und Nationale), die De-facto-Mächte, die das Land in Geiselhaft halten, und die Regierungen, die den Putsch von 2009 fortgesetzt haben.
Ein Volksentscheid gegen ein neoliberales politisches und wirtschaftliches Modell, das Tausende von Familien in Armut und Verzweiflung gestürzt hat, das sich Land angeeignet und das Staatsgebiet zum Verkauf angeboten hat, das Gemeingüter und Staatskassen geplündert hat und das Institutionen, Demokratie und Menschenrechte ausgehöhlt hat.
Angesichts des Enthusiasmus der Bevölkerung und der Hoffnung, dass ein neues Honduras möglich ist, haben die von der Übergangskommission der neuen Regierung eingerichteten Runden Tische mit den verschiedenen Sektoren der Gesellschaft unaufhörlich getagt. Ziel ist es, die notwendigen Instrumente zu sammeln, zu systematisieren und zu suchen, um auf die zahlreichen Forderungen der Menschen zu reagieren, die sich nach einem Bruch mit der Vergangenheit sehnen.
Nach der Wahlniederlage haben das Regime und seine Verbündeten nun einen Weg gefunden, durch den Kauf von Willensbekundungen und Wählerstimmen Machtanteile zu erhalten und Privilegien zu sichern. Die Entscheidung der Abgeordneten Jorge Calix und Beatriz Valle, den Versuch anzuführen, sich selbst zu Vorsitzenden des neuen Kongresses zu wählen, ist als "parlamentarischer Staatsstreich" zu werten.
Angesichts dieser Situation haben sowohl die Übergangskommission als auch verschiedene Organisationen der sozialen Bewegungen, darunter die Konvergenz gegen den Kontinuismus, den "Putsch" zurückgewiesen, ihre Unterstützung für die designierte Präsidentin Castro bekräftigt und die Bevölkerung aufgerufen, sich den Protesten gegen diesen neuen Angriff auf die Demokratie und zur Verteidigung des an der Wahlurne zum Ausdruck gebrachten Volkswillens anzuschließen.
"Wir wollen nicht mehr zu den Praktiken zurückkehren, die in den letzten Jahren angewandt worden sind. Die Politiker, die die Flagge des Kampfes geopfert haben, müssen vor Gericht gestellt werden. Sie haben sich heute wie Judas für ein paar Münzen verkauft", schimpfte die gewählte Präsidentin.
Wir werden ihnen zeigen", betonte Castro, "dass das Volk jetzt eine anständige Politik will, dass wir dafür kämpfen werden, dass die großen Mehrheiten respektiert werden. Niemand, der an der Seite des Volkes gegangen ist, der den Schmerz des Volkes fühlt, niemand, der das Blut gespürt hat, das in unserem Land vergossen wurde, kann sich mit Diktatoren verbünden.“
Zum Abschluss ihrer Rede am Vorabend der neuen Parlamentssitzung an diesem Sonntag, in der der Staatsstreich gegen den Willen des Volkes und der Demokratie gebilligt wurde, bekräftigte Xiomara Castro ihr Engagement für die Neugründung von Honduras.
Gleichzeitig ernannten die Abgeordneten von Libre und der Partei Salvador de Honduras (PSH) das Parlamentspräsidium ernannt, mit dem sie sich an die Vereinbarungen des politischen Bündnisses halten, das aus den Präsidentschaftwahlen im November 2021 als Sieger hervorgegangen ist. Die gewählte Präsidentin versicherte, dass sie nur dieses Präsidium anerkennen werde.
"Heute sage ich Ihnen, dass ich Sie nicht im Stich lassen werde. Es gibt viel zu tun, aber heute fangen wir an und wir werden mit einem festen Schritt vorwärts gehen, um eine echte Demokratie zu haben. Mit vereinten Kräften werden wir gewinnen", schloss die designierte Präsidentin.
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Quelle: Rel UITA http://www.rel-uita.org/honduras/nadie-que-sienta-el-dolor-del-pueblo-puede-unirse-con-dictadores/
(zas, 22.1.22) Gestern liess sich der Generalstab der Streitkräfte zum aktuellen Destabilisierungsszenario (s. Der Verrat hat begonnen) vernehmen. In Punkt 2 seines Communiqués versichert er, «die Vereidigung […] der Bürgerin Xiomara Castro Sarmiento am kommenden 27. Januar 2022 gemäss […] der Verfassung zu garantieren.» Punkt 3 lautet: «Die honduranische Armee, Garantin des Gesetzes, ruft die gewählten Behörden, die staatlichen Funktionäre und allgemein die Bevölkerung dazu auf, die Achtung der Verfassungsinhalte weiter zu bewahren.» Punkt 4 mahnt die Bevölkerung zu «zivilisiertem» Verhalten auf, Punkt 5 betont den «uneingeschränkten Respekt» der Armee als Teil des Staates für das Gesetz.
Mit anderen Worten: Xiomara Castro wird vereidigt werden. Deshalb wohl begrüsste die angehende Präsidentin diese Wortmeldung. Das Problem aber: Es ist schlicht nicht die Aufgabe der Armee, die Vereidigung zu garantieren, noch weniger, «die gewählten Behörden» zu Verfassungstreue anzuhalten. Im Prinzip handelt es sich um ein interventionistisches Statement mit zwei Aussagen: Die Form der Demokratie wird (vorerst) beibehalten, samt drohendem Unterton für den Fall der Nicht-Befolgung der Ermahnungen. Das reiht sich ein in das Vorhaben der US-Administration, aber auch der rechten Landeselite, die Regierung von Xiomara Castro gefügig zu machen. Das Ziel: Eine machtlose Präsidentin, die formal regiert, aber nur mit dem Plazet der faktischen Mächten agieren kann. In dieses Konzept passt auch das Vorgehen der abgewählten Oligarchie und Narcos: Der Sieg von Xiomara wird anerkannt, gleichzeitig hat das alte Parlament in seiner letzten Session Gesetze erlassen, die die Straffreiheit der Mächtigen für vier Jahre festigen und gleichzeitig neue Raubzüge per Staatsaufträge für Grossprojekte in Stein hauen sollen. Also Verhinderung von Libre-Kerninhalten im Wahlkampf. Nicht vergebens rufen Libre und Xiomara Castro zur Mobilisierung ab heute vor dem Parlament auf. Poder popular gegen Machtkalküle – das ist die Wette.
Quelle: http://zas-correos.blogspot.com/2022/01/honduras-zum-kalkul-der-armee.html
Honduras: Der Verrat hat begonnen
Am 27. dieses Monats soll Xiomara als Präsidentin von Honduras vereidigt werden. Ende November wählte eine grosse Mehrheit die Parteienkoalition um Libre, deren Kandidatin Xiomara war, und setzte damit einen Schlussstrich unter die kriminellen, durch den von den USA mitgetragenen Armeeputsch von 2009 gegen die linke Regierung unter Mel Zelaya ausgelösten Regimes. Dass die bisherige Diktatur jetzt den Wahlsieg von Xiomara schluckte, hatte einerseits mit ihrem krassen Vorsprung auf den Regimekandidaten und ihrer klaren Popularität, sprich der Entschlossenheit vieler Menschen, «jetzt oder nie» die Diktatur zu beenden, zu tun, andererseits mit den Interessen Washingtons, das dieses Mal nicht bereit war, einen blutigen Wahlbetrug gutzuheissen abzudecken (s. dazu Honduranische Träume von Dana Frank).
Gestern nun der erste konterrevolutionäre Paukenschlag. 20 der 50 Abgeordneten von Libre gaben im frisch gewählten Parlament gaben ihre Stimme für den neuen (provisorischen) Parlamentspräsidenten zugunsten eines ihrer Mitglieder ab, mit der Begründung, als stärkste Partei müsse Libre den Präsidenten stellen und nicht die in den Wahlen alliierte Partei des rechts-zentristischen Salvador Nasralla (10 % der Stimmen im November). Hintergrund: In den Koalitionsverhandlungen war der Partei Nasrallas bei einem Sieg von Libre mit Xiomara und im Parlament der Parlamentsvorsitz zugesichert worden. Xiomara und ihr Gatte, der 2009 gestürzte Präsident und heutige Chef von Libre, wollten sich an diese Vereinbarung halten, eingedenk des Umstandes, dass es gegen das diktatorische Regime einer breiten Allianz bedurfte.
Im Parlament kam es bei der Vereidigung des von der Rechten mit den 20 Stimmen der Abtrünnigen gewählten Parlamentspräsidenten Jorge Cálix (Libre) zu einer Schlägerei zwischen Libre-Abgeordneten. Schon vorher sprach Libre in einem Communiqué von «einem konterrevolutionären Verrat an der Partei und am honduranischen Volk, das die Narkodiktadur des Partido Nacional am 28. November besiegt hat, einem Verrat am politischen Projekt der Neugründung der Heimat, begangen mit dem Versuch, morgen den Plan der vom [abtretenden Präsidenten] geleiteten korrupten Elite». Xiomara Castro hatte ihrerseits angekündigt, sich von keinem Verräter vereidigen zu lassen. Sie wird den Amtseid vor einer Richterin und wahrscheinlich zehntausenden von Menschen im Sportstadion ablegen.
Libre setzt also auf die Mobilisierung. Nur so lässt sich in den Augen der AktivistInnen die angelaufene Restauration bekämpfen. Mit der Spaltung jetzt hat Libre rein institutionell nur noch geringe Chancen, reale Veränderungen anzustossen.
Interessanterweise hat US-Vizepräsidentin Kamala Harris laut einer Mitteilung von Libre-Mitgliedern ihre Präsenz an der Vereidigung von Xiomara Castro wegen der unsicheren Lage in Frage gestellt. Die Frage stellt sich, ob dabei neben Sicherheitsbedenken auch die Absicht mitspielt, eine Regierung Xiomara Castro noch weiter zu schwächen und damit gefügig zu machen. Wäre dem so, dürfte das eher ein Eigentor werden: aus Libre ist schon zu hören, dass Xi Jing Ping bestimmt teilnehmen werde.
Über Jorge Cálix, den provisorischen Parlamentspräsidenten, ist Schlechtes zu hören. Ein honduranischer Compañero sagte, seine Familie sei seit langem in undurchsichtige Geschäfte mit Leuten der abtretenden Regierungspartei verwickelt, selber habe er sich als Anhänger des salvadorianischen Präsidenten Nayib Bukele profiliert. Mit dieser Präferenz ist er allerdings nicht allein in Libre, auch Personen aus der Entourage von Xiomara Castro ticken in diese Richtung. Immerhin hat Libre – in der Tradition des Strassenwiderstands gegen den Putsch als Frente Nacional de Resistencia Popular und danach als Libre gegen die Wahlfälschungen – jetzt den Kampf aufgenommen.
Quelle: http://zas-correos.blogspot.com/2022/01/honduras-der-verrat-hat-begonnen.html