Mutmaßlicher Drahtzieher für den Mord an Berta Cáceres kommt vor Gericht
Chef des Staudammunternehmens DESA verhaftet – mächtige weitere Auftraggeber immer noch frei
TEGUCIGALPA (oekubuero – 12.3.2018). Gegen einen der mutmaßlichen Auftraggeber*innen des Mordes an Berta Cáceres, den Präsidenten des Unternehmens Desarollos Energéticos S.A. (DESA), Roberto David Castillo Mejía wird Anklage erhoben. Das entschied ein Gericht in Honduras’ Hauptstadt Tegucigalpa nach 20-stündiger Verhandlung am Freitag, 9. März 2018. Die DESA war bis zum Sommer 2017 Vertragspartnerin des Siemens Joint Ventures Voith Hydro aus Heidenheim für das Wasserkraftwerk Agua Zarca. David Castillo, Absolvent der West Point Militärakademie in den USA und vormals Geheimdienstoffizier der honduranischen Streitkräfte, wurde just am 2. März 2018, dem zweiten Jahrestag des Mordes an Berta Cáceres und versuchten Mordes an Gustavo Castro, festgenommen, als er vom Flughafen San Pedro Sula aus das Land verlassen wollte. Der Antrag der Nebenklage gegen Castillo auch wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung zu ermitteln, wurde abgewiesen. Auch die Anti-Korruptionsmission der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), MACCIH hatte bereits versucht in diese Richtung zu ermitteln, scheiterte aber bisher offenbar am eigenen schwachen Mandat, der mangelnden Unterstützung durch die honduranischen Behörden und die OAS-Führung.
Fakten sind seit 2016 bekannt
Castillo ist der neunte Beschuldigte im Mordfall Cáceres. Die weiteren sind der Manager für Umwelt und Soziales der DESA, Sergio Ramón Rodriguez, der frühere Sicherheitschef der DESA und ehemalige Militär, Douglas Geovanny Bustillo, der zum Tatzeitpunkt aktive Mayor der honduranischen Streitkräfte und Ausbilder der Militärpolizei, Mariano Diaz Chávez sowie die mutmaßlichen Auftragsmörder. Zwei von ihnen sind ebenfalls ehemalige Militärs. Die Anzeige der Staatsanwaltschaft vom 1. März 2018 bezieht sich vor allem auf Auswertungen von Telefongesprächen und der Kommunikation einer im Oktober 2015 gegründeten WhatsApp-Gruppe zur Vorbereitung des Mordes. Aus dem Schriftsatz selbst geht hervor, dass die entscheidenden kriminaltechnischen Untersuchungen nach der Beschlagnahme der Beweismittel im Mai 2016 getätigt wurden. Sonderermittler*innen der Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft wissen also seit mindestens anderthalb Jahren, wer als Auftraggeber in das Mordkomplott verwickelt war.
Klarer Bezug zu den Interessen der DESA
Die Prozesse gegen die mutmaßlichen materiellen Täter beginnen demnächst. Ein Ermittler und ein Polizeibeamter, die versucht haben, die Untersuchungen in eine andere Richtung zu lenken (Mord aus Eifersucht oder internen Streitigkeiten bei COPINH) sitzen ebenfalls in Haft. Der Schriftsatz der Staatsanwaltschaft gegen Castillo nimmt klar Bezug auf die finanziellen Verluste der DESA aufgrund des Protestes gegen „Agua Zarca“ durch die betroffenen Lenca-Gemeinden, Berta und ihre Organisation COPINH. Kenner*innen der Materie sprechen von zwei weiteren Auftraggebern des Mordes an Berta neben Castillo. Dieser stellte laut Staatsanwaltschaft Logistik und Finanzen für den Mord bereit.
Im Laufe seiner Karriere war Castillo zwei Mal durch Verurteilungen zu Geldstrafen aufgefallen: Einmal weil er illegalerweise doppelt Gehalt bezog, einerseits von der honduranischen Armee und andererseits von der staatlichen Energiegesellschaft ENEE, wo er als Controlling-Koordinator arbeitete. Die zweite Verurteilung durch den Rechnungshof erfolgte weil Castillo den Streitkräften 2007 und 2008 überteuertes Equipment einer seiner Firmen verkauft hatte. Der Elektroingenieur Castillo war auch Präsident des in Panamá registrierten Unternehmens Potencia y Energía de Mesoamérica S.A. (PEMSA), dem ein Teil der DESA-Aktionen gehört. Den anderen Teil hält „Inversiones Las Jacarandas“ der Familie Atala Zablah, die ebenfalls in den Strukturen der DESA repräsentiert sind.
Eine der mächtigsten und reichsten Familien in Honduras
Laut COPINH wurde Castillo zur Vorverhandlung von vier eigenen Anwälten, zwei Anwälten der DESA und einem weiteren DESA-Funktionär begleitet. Die DESA selbst bestreitet weiter jeglichen Zusammenhang mit dem Mord und sieht sich als Opfer einer Schmutzkampagne und Verschwörung internationaler NGO. Nach Recherchen u.a. von Global Witness wurden und werden die Geschicke des Unternehmens von Mitgliedern einer der mächtigsten und reichsten Familien aus Honduras gelenkt, die beste Verbindungen in Politik und Militär unterhalten. DESA-Vizepräsident ist demzufolge Jacobo Nicolás Atala Zablah, Chef der honduranischen BAC Bank. Im Aufsichtsrat sitzt José Eduardo Atala Zablah. Er war bis 2017 Vorsitzender der US-Honduranischen Handelskammer, zudem ehemaliger Direktor der Zentralamerikanischen Bank für Ökonomische Integration BCIE, einem Hauptinvestor von „Agua Zarca“. Daniel Atala Midence ist Finanzvorstand der DESA. Der ehemalige Innen- und Justizminister Roberto Pacheco Reyes fungiert als Prokurist.
Verwicklungen mit organisiertem Verbrechen
Pacheco gilt als enger Bündnispartner Castillos, der wiederum ebenfalls in weitere Geschäfte mit Großprojekten für erneuerbare Energie verwickelt ist. So ist Castillo laut Recherchen der Internetplattform pasosdeanimalgrande Teilhaber an dem Solarunternehmen PRODERSSA, das unlängst im Zuge von Beschlagnahmungen mit dem Drogenkartell der Familie Rivera Maradiaga in Verbindung gebracht wurde, den so genannten „Cachiros“, die in den USA vor Gericht stehen. Millionen Euros Finanzierung für das Solarprojekt „Agua Fria“, an dem PRODERSSA beteiligt ist (bzw. war, bevor das Unternehmen offenbar in der US-amerikanischen Upower Group aufging), kamen wiederum von einer europäischen Entwicklungsbank, der norwegischen GIEK.
Quellen:
https://copinhonduras.blogspot.de/2018/03/concluyo-la-audiencia-inicial-contra.html
https://www.theguardian.com/world/2017/jun/04/honduras-dam-activist-berta-caceres
Exzellenter Kommentar in der New York Times:
https://www.nytimes.com/2018/03/13/opinion/honduras-corruption-berta-caceres.html
Zwei Zitate:
"Far less clear is whether the arrest represents a fundamental change in Honduras or merely the sacrifice of a scapegoat in a case that got too big."
"Mr. Hernández (der honduranische Präsident) may not be directly involved in the murder of Ms. Cáceres. But for the United States to demand that her murder be solved while cynically enabling the corrupt politics behind it makes it more likely that hers will not be the last killing."