Landkonflikte in Honduras: Garífuna-Ansiedlung gewaltsam geräumt
Von Andrea Lammers
amerika21
Punta Gorda, Roatán. Schwerbewaffnete Polizisten und Soldaten haben am Mittag des 7. November gewaltsam ein Landstück mit einfachen Holzhäusern und Zelten in der afro-indigenen Garífuna-Gemeinde Punta Gorda auf der honduranischen Karibikinsel Roatán geräumt.
Mindestens 15 Personen wurden verletzt, alle ihre Habseligkeiten zerstört und niedergebrannt.
Die Garífuna-Aktivist:innen hatten das Terrain am Ortsrand ihrer Gemeinde seit dem 3. September in Besitz genommen, da es zum angestammten Land der Garífuna gehört, das weder verpachtet, noch verkauft werden kann. Ihre Landrückgewinnung nannten sie "Wagaira Le" (Das ist unser Dorf). Das Grundstück war mit Unterstützung der örtlichen Behörden widerrechtlich an eine Privatperson veräußert worden.
Im Zuge der Räumung wurden sechs Aktivist:innen festgenommen, darunter die lokale Koordinatorin der Garífuna-Organisation Ofraneh, Melissa Martínez. Nach ihrer Freilassung am folgenden Tag droht ihnen nun ein Prozess wegen widerrechtlicher Aneignung von Land in einem besonders schweren Fall, ein Delikt, das mit einem bis zu sechs Jahren Gefängnis bestraft werden kann.
Die Bewohner:innen von Wagaira Le waren seit September immer wieder bedroht und in den lokalen Medien systematisch diffamiert worden. Ofraneh hatte bereits am frühen Morgen des 7. November vor einer bevorstehenden Räumung gewarnt, die Meldung wurde rasch verbreitet und auch an Regierungsstellen weitergegeben.
Präsidentin Xiomara Castro verurteilte den Vorfall im Nachhinein, betonte aber auch, von der Räumung nichts gewusst zu haben. Beobachter:innen sind überzeugt, dass es sich um eine von langer Hand geplante Aktion handelte. Unter anderem sei die Richterin, die den Räumungsbefehl ausstellte, extra mit einem Privatjet auf die Insel geflogen worden.
Der Kongress setzte eine Kommission ein, die binnen 60 Tage einen Bericht über die Vorfälle erstellen soll. Ofraneh und die Aktivist:innen von Wagaira Le fordern indes die Einstellung des Verfahrens, eine offizielle Anerkennung ihrer angestammten Landrechte und Sicherheitsgarantien für die von der Räumung betroffenen Personen.
Das Hochkommissariat für Menschenrechte der Vereinten Nationen (OHCHR) in Honduras verurteilte die exzessive Gewaltanwendung und die Kriminalisierung der sechs Garifuna aus Punta Gorda. Sie dürfen sich unter anderem dem Gebiet von Wagaira Le nicht mehr nähern. Isabel Albaladejo, Vertreterin des OHCHR, kritisierte: "Die durch diese Art von Zwangsmaßnahmen auferlegten Beschränkungen haben eine abschreckende Wirkung auf die Gemeinschaften und wirken sich direkt auf die Prozesse der Verteidigung von Land, Territorium und Umwelt aus."
Punta Gorda ist die erste Garífuna-Gemeinde in ganz Zentralamerika. Sie wurde vor 225 Jahren, weit vor dem honduranischen Staat, gegründet.