Honduras wirft Mission gegen Korruption aus dem Land
Internationale Gruppe Maccih muss Arbeit einstellen. Aktivisten und Experten fürchten schwere Konsequenzen für Rechtsstaat
Von Andrea Lammers, amerika21
Tegucigalpa. Die Arbeit der Internationalen Unterstützungsmission gegen Korruption und Straflosigkeit in Honduras (Misión de Apoyo Contra la Corrupción y la Impunidad de Honduras, Maccih) endete am Sonntag, ohne dass sich die Regierung des mittelamerikanischen Landes und internationale Akteure über ein Fortbestehen einigen konnten. Die honduranische Regierung unter Präsident Juan Orlando Hérnandez wollte das Mandat der Mission nicht um weitere vier Jahre verlängern.
Das Generalsekretariat der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und die honduranische Regierung hatten seit Ende Dezember in Washington und Tegucigalpa hinter verschlossenen Türen verhandelt. Hauptstreitpunkt war offensichtlich die Möglichkeit gemeinsamer Ermittlungen mit der honduranischen Sonderstaatsanwaltschaft gegen Straflosigkeit und Korruption (Unidad Fiscal Especial Contra la Impunidad de la Corrupción, Ufecic). Die effiziente Zusammenarbeit mit den Teams dieses neu eingerichteten Gremiums hatte der ursprünglich recht zahnlosen Maccih in den vergangenen zwei Jahren einigen Biss verliehen.
Die Vorsitzende der oppositionellen Antikorruptionspartei (Partido Anticorrupción, Pac) und Stadträtin von San Pedro Sula, Fátima Mena, betonte gegenüber amerika21, das Ende der Maccih sei die wenig überraschende Entscheidung einer Regierung, die die Korrupten schütze und Teil der gleichen Machtstrukturen sei. "Der Dissens rührt daher, dass sie die Ufecic ebenso zerschlagen wollen wie den Circuito Anticorrupción, ein spezialisiertes Gericht, das unabhängig genug ist, um in diesem Land Urteile gegen die Korrupten zu fällen."
Das honduranische Außenministerium argumentierte in einer Pressemitteilung, in Honduras habe es viel Kritik an der Maccih aus Wirtschaft und Gesellschaft gegeben: Einige Funktionäre der Maccih hätten ihre Kompetenzen überschritten. Zudem habe die Mission sich in verfassungsmäßige und gesetzliche Befugnisse des Staates eingemischt und die Unabhängigkeit des Handelns der staatlichen Institutionen untergraben.
Die OAS wies die Verantwortung für das Scheitern der Verhandlungen der honduranischen Regierung zu und kritisierte, das Ende der Maccih sei "ein negativer Schritt im Kampf gegen Korruption und Straflosigkeit”. Der frühere Sprecher der Maccih, Perus ehemaliger Premier und Justizminister Juan Francisco, konstatierte hingegen: "Die Schließung der Maccih wird unheilvolle Konsequenzen haben. Eine laue Pressemitteilung kann nicht über die Unfähigkeit des Generalsekretariats der OAS in den obskuren Verhandlungen hinwegtäuschen. Hier geht es nicht um Honduras, sondern um dessen Stimme für den Generalsekretär [Luis Almagro] der OAS am 20. März.”
Verschiedene Sektoren der honduranischen Zivilgesellschaft, darunter die Koalition zur Verteidigung der Maccih, die Plattform zur Verteidigung des öffentlichen Gesundheits- und Bildungswesens sowie Teile des Unternehmerverbandes Cohep riefen für den vergangenen Sonntag zu einem Protestmarsch für die Fortsetzung der Mission auf. Der Unternehmerverband hatte sich im Vorfeld der Entscheidung gespalten gezeigt, einige Unternehmer fürchten offenbar, dass die ungebremst grassierende Korruption Investoren eher abschrecken könnte.
Kriminalfälle, die auch von der Maccih aufgedeckt wurden, zeigen jedoch, wie Unternehmen von der massiven Straflosigkeit bei Vergehen im Bereich der Umwelt- und Menschenrechte profitieren oder in der Grauzone legaler und illegaler Machenschaften im "Narcostaat” Honduras operieren.
Der Direktor des honduranischen Sozialforschungsinstituts Cespad, Gustavo Irías, twitterte: "Eine zentrale Lektion in Bezug auf die Maccih ist, dass nichts möglich sein wird, solange die korrupten Netzwerke an den Schalthebeln der Macht sitzen. Das Problem ist politisch, sie müssen durch organisierten sozialen Druck von der Macht vertrieben werden.”
Die Maccih war 2016 nach massiven Protesten der honduranischen Bevölkerung gegen einen 350-Millionen-Dollar-Betrug mit Geldern aus der Sozialversicherung IHSS gegründet worden. Seither wurde sie immer wieder massiv attackiert, auch aus dem honduranischen Kongress heraus. Die Mission hatte gemeinsam mit der honduranischen Sonderstaatsanwaltschaft ein weitverzweigtes Korruptionsnetz aufgedeckt, in das über 60 Abgeordnete, einschließlich des Kongresspräsidenten Mauricio Oliva, verwickelt sind. Sie sollen öffentliche Mittel in die Kassen dubioser Nichtregierungsorganisationen umgeleitet haben. Angesichts der schweren und gut begründeten Vorwürfe erließ die Kongressmehrheit der Nationalen Partei (Partdo Nacional, PN) mit einigen Alliierten aus kleinen Parteien 2018 ein Immunitätsgesetz, das Abgeordnete vor jeglicher Strafverfolgung schützt und die Beweismittel der Maccih und der honduranischen Staatsanwaltschaft an den Obersten Rechnungshof übergibt.
Das "Netz der Abgeordneten" war einer von vierzehn Fällen, in denen Maccih und Ufecic erfolgreich ermitteln konnten. Auch wenn sie noch nicht an die Mächtigen im Staat heranreichten, so galten einige Fälle doch als wichtig, um zumindest an der Spitze des Eisbergs von Korruption und Straflosigkeit in Honduras zu kratzen. Beispiel sind der "Betrug am Gualcarque" über die kriminellen Machenschaften in Bezug auf das Wasserkraftwerk "Agua Zarca" und das Unternehmen Desa, "Patuca III" über die Veruntreuung von Geldern in Zusammenhang mit dem Bau des gleichnamigen Staudamms, illegale Wahlkampffinanzierung zugunsten der PN und mehrere Fälle von Veruntreuung und Unterschlagung von Staatsgeldern.