Honduras: "Wider das Vergessen! Lebend wollen wir sie zurück!"

Mitglieder der Garífunaorganisation Ofraneh protestierten vor dem Sitz der ermittelnden Polizei in San Pedro Sula
Mitglieder der Garífunaorganisation Ofraneh protestierten vor dem Sitz der ermittelnden Polizei in San Pedro Sula, Quelle: Honduras Solidarity Network

Garífuna fordern unabhängige Untersuchungskommission

Von Giorgio Trucchi
amerika21

Übersetzung: Ökubüro München
Sechs Monate nach dem gewaltsamen Verschwindenlassen von vier afro-indigenen Garífuna und einer weiteren Person in der Gemeinde Triunfo de la Cruz an der honduranischen Karibikküste fordern Familienangehörige und die Garífuna-Organisation (Ofraneh) eine unabhängige Untersuchungskommission. Sie soll den Namen Sunla (Garífuna für "Es reicht!") tragen. Die Kommission soll das tun, was der Staat bisher in keiner Weise geleistet hat: Die betroffenen Familien, Gemeindemitglieder und die Organisation Ofraneh mit ihrem Wissen, ihren Belangen und Rechten einbeziehen und das Verbrechen mit Hilfe von Spezialist:innen verschiedener Fachgebiete nach wissenschaftlichen Kriterien aufklären.

Am 18. Januar sind sechs Monate vergangen seit vier Aktivisten der Garífuna-Gemeinde Triunfo de la Cruz gewaltsam verschwinden gelassen wurden, darunter der Gemeinderatsvorsitzende, Alberth Sneider Centeno, und eine fünfte Person.

Am 18. Juli letzten Jahres drangen schwer bewaffnete Männer in Uniformen der Ermittlungspolizei DPI in die Gemeinde ein. Außer Centeno verschleppten die Uniformierten auch Milton Martínez, Suami Mejía und Gerardo Róchez aus ihren Häusern.

Die vier sind Mitglieder der Organización Fraternal Negra Hondureña (Ofraneh) und des Komitees zur Verteidigung der Landrechte von Triunfo de la Cruz. Junior Juárez, die weitere Person, die entführt wurde und seither verschwunden ist, war zu Besuch in der Gemeinde.

Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte forderte die honduranische Regierung auf, umgehend alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um den Verbleib der jungen Männer zu ermitteln und einen vollständigen und detaillierten Bericht über die Umsetzung aller in dem Beschluss geforderten Maßnahmen abzugeben. Zudem müsse das Recht auf Leben und Unversehrtheit der Bewohner:innen der Gemeinden Triunfo de la Cruz und Punta Piedra geschützt werden.

Der UN-Ausschuss gegen das Verschwindenlassen verlangte seinerseits von den honduranischen Behörden, "eine umfassende Strategie zu entwickeln, die einen Aktionsplan für die erschöpfende und sofortige Suche und unparteiische Untersuchung des Verschwindenlassens beinhaltet".

Am 27. November schickten 57 Abgeordnete einen Brief an Präsident Juan Orlando Hernández und weitere staatliche Stellen, in dem sie forderten, dass die jungen Garífuna sofort lebend zurückgebracht werden.

Sie verlangten auch die Einhaltung des Beschlusses des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der 2015 den Staat Honduras dazu verurteilt hatte, den Gemeinden Triunfo de la Cruz und Punta Piedra die Gebiete zurückzugeben, die ihnen durch die Ausweitung von Monokulturplantagen und den Bau von Tourismus-Großprojekten widerrechtlich genommen wurden.

Sechs Monate später gibt es praktisch keinerlei Ergebnisse, während sich in Honduras Fälle von gewaltsamem Verschwindenlassen häufen. Laut dem Komitee der Familienangehörigen von Verhaftet-Verschwundenen in Honduras (Comité de Familiares de Detenidos Desaparecidos en Honduras – Cofadeh) wurden während der Zeit der Aussetzung der verfassungsmäßigen Garantien aufgrund der Covid-19-Pandemie mindestens 16 Fälle bekannt.

Straflosigkeit und Verachtung

"Der Staat Honduras versäumt es weiterhin, zuverlässige und wahrheitsgemäße Informationen über den Verbleib unserer Genossen zu liefern. Die Berichte, die er vorgelegt hat, sind lächerlich. Sie zeigen nicht nur das Desinteresse der Behörden an dieser Barbarei, sondern auch ihre Mitschuld und Verantwortung", sagte Miriam Miranda, Koordinatorin von Ofraneh, gegenüber La Rel.

Bei einer Protestaktion vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft in Tegucigalpa prangerte die Garífuna-Organisation am Montag, 18.Januar "die Verachtung, den Rassismus und den völkermörderischen Plan der derzeitigen Narco-Regierung gegen das Volk der Garífuna" an.

Mindestens 40 Mitglieder der Garífuna-Gemeinden wurden in den letzten zwei Jahren ermordet. Eine weitere große Zahl musste ihre Gemeinschaften aufgrund von Bedrohungen, Kriminalisierung und Verfolgung verlassen.

Hunderte von Garífuna haben sich auch den Karawanen angeschlossen, die immer wieder in USA aufbrechen, auf der Flucht vor Elend, Gewalt, der Klimakrise und fehlenden Zukunftsperspektiven.

Staatliche Komplizenschaft

"Der Staat betreibt in Absprache mit dem großen nationalen und transnationalen Kapital eine Politik, die dazu führt, dass indigene Völker ausgerottet, ihre Territorien übernommen und die Gemeingüter geplündert werden. Das Verschwindenlassen unserer Genossen passt genau zu diesem Plan der systematischen Gewalt und der Entleerung der Territorien. Wir werden nicht locker lassen, bis wir die Wahrheit kennen und die Verantwortlichen bestraft sehen", betont Miriam Miranda.

Deshalb fordert Ofraneh die Einrichtung eines unabhängigen Untersuchungs- und Suchkomitees, um den Verbleib der jungen Aktivisten zu ermitteln, die Verantwortlichen der Justiz zu übergeben und den Familien Aufmerksamkeit und Unterstützung zukommen zu lassen.

"Wir haben das Recht, auf unserem Land zu bleiben, unsere Kultur zu entwickeln und eine bessere Zukunft aufzubauen", schließt die Garífuna-Frontfrau.

Weitere Informationen:

https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-journal/honduras-es-fehlt-jede-spur
https://www.theguardian.com/global-development/2020/jul/23/garifuna-honduras-abducted-men-land-rights

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