Honduras: Präsident Hernández nach US-Anklage gegen Ex-Polizeichef unter Druck
Bruder des Präsidenten bereits wegen Drogenhandels verurteilt. Ehemaliger Polizeichef in mehrere illegale Aktivitäten verstrickt
Von Andrea Lammers, amerika21
Tegucigalpa/New York. Eine Anklage der New Yorker Staatsanwaltschaft gegen den ehemaligen Polizeichef von Honduras, Juan Carlos "El Tigre" Bonilla Valladares, wegen Verschwörung zum Drogenhandel, Mord und illegalen Waffenbesitz könnte den honduranischen Präsidenten, Juan Orlando Hernández, weiter in Bedrängnis bringen. Im Oktober 2019 war bereits sein Bruder, Juan Antonio "Tony" Hernández, von einem New Yorker Gericht wegen jahrelanger Zusammenarbeit mit Drogenkartellen verurteilt worden. Auch der Präsident selbst, nach Informationen des US-Justizministeriums im Prozess "Mitverschwörer 4" genannt, habe mehrere Millionen US-Dollar Wahlkampfhilfe aus dem Drogentransport erhalten. Bonilla hingegen soll seine Position als hochrangiger Polizeioffizier genutzt haben, um Kokaintransporte durch Honduras Richtung Norden schützen zu lassen. Zudem sei er laut Staatsanwalt Geoffrey S. Berman für einen Mord an einem mit den Hernández-Brüder rivalisierenden Drogenboss verantwortlich. "Tony" Hernández soll ihn damit beauftragt haben.
Präsident Hernández hatte 2019 alle Vorwürfe und seine Rolle als Mitverschwörer bestritten. Mit der Anklage gegen Bonilla zieht die US-Justiz nun die Schlinge um seinen Hals noch ein wenig enger. Im Gegensatz zu 2019 rechnet jedoch in Honduras offensichtlich niemand mit einem unmittelbar bevorstehenden Rücktritt des Präsidenten. Vielmehr werden Szenarien diskutiert, die von Ermittlungen gegen ihn nach Ende seiner Amtszeit ausgehen. Regulär wäre dies Anfang 2022. Er könnte sich dann durch einen Sitz im zentralamerikanischem Parlament Immunität sichern. Es gibt aber auch Spekulationen, Hernández wolle seine vom Militär und den USA gestützte Macht in einer dritten, dann verfassungswidrigen Amtszeit weiter behaupten.
"El Tigre" Bonillas Ernennung zum Chef der honduranischen Polizei im Jahr 2012 hatte damals für scharfe Kritik gesorgt, da ihm Beziehungen zu Todesschwadronen und "soziale Säuberungen" wie außergerichtliche Hinrichtungen von Bandenmitgliedern vorgeworfen wurden. Ein interner Bericht der damaligen Polizeikommissarin, Maria Luisa Borjas, hatte mehrere solcher Fälle ans Licht gebracht und war damals auch von der Nachrichtenagentur AP aufgegriffen worden. Dies hatte eine Kontroverse über die Verwendung von US-Staatsgeldern für den honduranischen Sicherheitsapparat ausgelöst.
Bonilla musste 2013 seinen Posten aufgeben, da er nach dem Auftragsmord an einem rivalisierenden Drogenboss nicht mehr zu halten war. Er wurde anschließend in diplomatischer Mission nach Kolumbien entsandt, wo er die dortigen Drogengeschäfte von "Tony" Hérnandez tatkräftig unterstützt haben soll. 2016 legte ihm der bis heute amtierende Sicherheitsminister, General Pacheco, nahe, in den Ruhestand zu gehen. Dem Minister werden ebenfalls Verbindungen zu Drogenkartellen nachgesagt.
Bonilla bestritt nun in einem fast einstündigen Telefongespräch mit einem lokalen Fernsehsender sämtliche Punkte der New Yorker Anklage. Er betonte mehrfach seine jahrelang guten Beziehungen zur US-amerikanischen Drug Enforcement Administration (DEA). Auf Nachfragen antwortete er, da er sich nichts vorzuwerfen habe, könne er sich "wo auch immer" furchtlos der Justiz stellen. Seither rätseln die honduranischen Medien über seinen Aufenthaltsort.
In Tegucigalpa kündigte die Staatsanwaltschaft indes ein Verfahren gegen Bonilla wegen Geldwäsche an. Dies könnte möglicherweise eine Auslieferung in die USA verhindern. Ex-Kommissarin Borjas riet Bonilla, sich dennoch den US-Behörden zu stellen, um die Gefahr für sein Leben zu minimieren, die ihm in Honduras – auch im Gefängnis – drohe.