Honduras: Kommt Bewegung in den Prozess im Mordfall Berta Cáceres?
Vorverhandlung gegen Ex-Geschäftsführer der Desa, jedoch unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Weitere Verzögerungen könnten zu seiner Freilassung führen
amerika21
Von Andrea Lammers
Tegucigalpa. Nach mehr als einem Jahr der Unterbrechungen und Verzögerungen scheint die honduranische Justiz nun den Prozess gegen den im Mordfall Berta Cáceres als Auftraggeber beschuldigten ehemaligen Geschäftsführer des Unternehmens Desarollos Energéticos SA (Desa) eiligst vorantreiben zu wollen.
Dies allerdings unter merkwürdigen Bedingungen: Am vergangenen Freitag endete die Vorverhandlung gegen Roberto David Castillo Mejía hinter verschlossenen Türen.
Die Familienangehörigen der am 2.März 2016 ermordeten international bekannten Aktivistin, die Widerstand gegen das Desa-Wasserkraftwerk "Agua Zarca" leistete, waren von der virtuellen Sitzung ebenso ausgeschlossen wie internationale Beobachter, Medien und die allgemeine Öffentlichkeit.
Bertha Zúniga, Cáceres' Tochter und heutige Koordinatorin ihrer Organisation "Rat der Volks- und Indigenenorganisationen von Honduras" (Copinh), berichtete, Richter Carlos Irias de León habe ohne weitere Diskussion einem nicht näher begründeten Antrag der Verteidiger Castillos stattgegeben und sie ausgesperrt.
Das honduranische Büro des Hochkommissariats für Menschenrechte der Vereinten Nationen äußerte sich besorgt und forderte, dass der Prozess transparent und öffentlich ablaufen müsse. Das Internationale Forum für die Menschenrechte in Honduras wies darauf hin, dass die Öffentlichkeit der Verhandlungen nicht nur den Interessen der Opfer, der Gesellschaft und des Rechtsstaates diene, sondern auch die Rechte des Angeklagten schütze.
Richter Irías war erst kurz vor der Verhandlung berufen worden, nachdem der Oberste Gerichtshof am 19.August 2020 beschlossen hatte, die bisherige Richterin Lisseth Vallecillo Banegas im Rahmen eines Programms zur Verfahrensbeschleunigung mit sofortiger Wirkung an ein anderes Gericht zu versetzen.
Victor Fernández, Anwalt der Nebenklage, sieht darin rechtsstaatliche Prinzipien verletzt: Wenn es keine schwerwiegenden Gründe gebe, müsse der Richter, der den Fall kenne, das ganze Verfahren ohne unnötige Vorzögerungen bestreiten.
Die Staatsanwaltschaft beklagte in einer Pressemitteilung nach der Verhandlung, Castillos Verteidiger hätten erneut versucht, das Verfahren zu verzögern, indem sie einen Nichtigkeitsantrag eingebracht hätten. De facto haben sie keinen solchen Antrag gestellt, aber nochmals ihre These dargelegt, dass eine Gutachterin der Anklage Chat-Aufzeichnungen, die Castillos Verbindungen zu den im November 2018 verurteilten Auftragskillern und Mittelsmännern und seinen Anteil im Mordkomplott zeigen, gefälscht habe.
Staatsanwaltschaft und Nebenklage beantragten, die Gutachten der Verteidiger, die diese angebliche Fälschung beweisen sollen, nicht zuzulassen. Richter Irias hat nun bis zum 26. August Zeit, zu entscheiden, ob Anklage gegen Castillo erhoben wird. Am 2. September endet die Frist für dessen dann zweieinhalbjährige Untersuchungshaft. Beginn der Hauptverhandlung könnte im Oktober 2020 sein.
Für die Organisation Copinh, Bertas Kinder Olivia, Bertha, Laura und Salvador Zúniga und mehrere internationale Experten war David Castillo nicht nur, wie von der Staatsanwaltschaft dargestellt, mutmaßlicher direkter Auftraggeber des Mordes an Berta Cáceres, sondern auch Mittelsmann zu Urhebern und Finanziers des Mordkomplottes aus der mächtigen Familie Atala Zablah, den Hauptanteilseignern der Desa. Gegen Castillo läuft ein weiteres Verfahren namens "Der Betrug am Gualcarque", das von der ehemaligen Mission gegen die Straflosigkeit in Honduras und der Sonderstaatsanwaltschaft Ufecic initiiert wurde.
Anwalt Victor Fernández erkärte dazu: "David Castillo repräsentiert ein erfolgreiches Modell des Kapitalismus, eine Person, die ihren Erfolg auf illegale, korrupte und gewalttätige Praktiken aufbaut. Er hat es geschafft, dass ökononisch mächtige Gruppen, wie die Atala, investieren und dann Teil einer kriminellen Dynamik werden, von der wir meinen, dass sie juristisch als Bildung einer kriminiellen Vereinigung anzusehen ist – was rechtlich zu klären wäre. Und jetzt möchte die Verteidigung uns erzählen, dass dieser Herr Opfer des Systems sei." Die Mitglieder der Familie Atala Zablah, die nach Auffassung von Fernández in die Ermordung von Berta Cáceres verstrickt seien, wären sich so sicher gewesen, niemals für ihr Handeln belangt zu werden, dass sie sich um mögliche Spuren in Chats und Telefonaufzeichnungen gar nicht gekümmert hätten.
Gegen den Finanzchef der Desa, Daniel Atala Midence, hat die Cáceres‘ Familie im Mai 2020 Strafanzeige gestellt.