Honduras: Eskalierende Gewalt, Rassismus und Straflosigkeit
Erneut Morde an afro-indigenen Aktivisten. Gewalt gegen Bewohner von Masca soll im Zusammenhang mit geplanter Arbeits- und Wirtschaftszone stehen. Gesetzesprojekt "zur Befragung" umstritten
Von Daniela Dreißig
amerika21
Dublin/San Pedro Sula. Im neuen globalen Bericht der Organisation Frontline Defenders zur Situation der Menschenrechtsverteidiger sind 31 Morde an honduranischen Aktivisten dokumentiert. Demnach hat sich die Zahl im Vergleich zum Vorjahr vervierfacht. Das zentralamerikanische Land liegt damit weltweit an dritter Stelle nach Kolumbien und den Philippinen.
In dem Bericht sind die jüngsten Mordfälle an den Afro-Indigenen noch nicht aufgeführt, die sich Ende Dezember ereigneten. So verstarb Ignacia López Martínez aus der Gemeinde Masca im nördlichen Departamento Cortés letzte Woche an den Schussverletzungen, die ihr von Unbekannten am 28. Dezember 2019 zugefügt wurden. Auf das Haus ihrer Schwester, einem führenden Mitglied der Garífuna-Organisation Ofraneh, Amada López Martínez, wurde bereits am 12. Dezember geschossen. Dazu kommen der Mord an Santos Felipe Escobar García, Angehöriger der indigenen Pech in Santa Maria de Carbón im Departamento Olancho, der am 3. Januar 2020 tot aufgefunden wurde und der an dem indigenen Tolupan Efraín Martínez Martínez aus der Region Montaña de la Flor im Departamento Francisco Morazan. Sein Leichnam wurde am 29. Dezember gefunden. Escobar und Martínez waren führende Gemeindemitglieder und wurden von ihren Familien Ende Dezember 2019 als verschwunden gemeldet.
Martín Fernández, Koordinator und Anwalt der Menschenrechtsorganisation "Breite Bewegung für Würde und Gerechtigkeit" (Movimiento Amplio por la Dignidad y la Justicia), erklärte, dass die indigenen Gruppen am meisten von der Plünderung ihrer Gemeingüter betroffen seien, dazu komme, dass private Unternehmen in Komplizenschaft mit dem Staat agierten. So sei auch der Umweltaktivist Milgen Soto aus der Gemeinde San Francisco de Locomapa im September 2019 ermordet worden (amerika21 berichtete). Im Februar 2019 sind Salomón und Samael Matute ebenfalls in San Francisco de Locomapa getötet worden. Die Familienangehörigen mussten aus Furcht vor weiterer Gewalt ihre Gemeinde verlassen. Gegenüber amerika21 berichtete Fernández, dass die Täter identifiziert seien. Es habe zwar Durchsuchungen gegeben, sie seien jedoch nach wie vor auf freiem Fuß. In all diesen Fällen sei die Straflosigkeit der Hauptverbündete dieser Verbrechen. Seit mehreren Jahren wehren sich die Tolupanes gegen Bergbau- und Abholzungsprojekte auf ihrem Territorium.
Zu den Attacken gegen die Bewohner von Masca äußerte Ofraneh, dass sie im Zusammenhang mit einer geplanten Arbeits- und Wirtschaftszone (ZEDE) in der Region stünden. Die verbleibenden Bewohner von Masca sollten vertrieben werden. Der jüngsten Gewaltwelle voran gegangen waren die Morde an Oscar Guerrero Centeno im Oktober und an Mirna Suazo Martínez im September 2019, beide Bewohner von Masca und Aktivisten der Organisation. In einem Kommuniqué erklärt Ofraneh, dass das Institut für Landwirtschaft Besitztitel für Ländereien an Dritte vergeben habe, die zu den Garífuna-Gemeinden gehörten. Hier komme es zu Überschneidungen der Vergabe durch die Landkreisverwaltung und den Instituten für Landwirtschaft und Eigentum. Dazu komme ein fest verankerter Rassismus, der trotz Schulungen des Personals der Generalstaatsanwaltschaft und des Justizsektors fortbestehe. Sie setzten die Konventionen und Abkommen, die die Rechte der indigenen Völker betreffen, nicht um.
Auch die aktuelle Diskussion im Kongress um das "Gesetz zur Befragung" der indigenen Völker spiegle dies wieder. Die Abgeordnete der Partei Libre, Olivia Zúniga Cáceres, Tochter der ermordeten indigenen Menschenrechtsaktivistin Berta Cáceres, führte aus, dass das Gesetz die Übergabe indigener Territorien an das Wirtschaftsmodell der Ausplünderung natürlicher Ressourcen bedeute. Es würden ausschließlich die Interessen der honduranischen und transnationalen Unternehmen berücksichtigt. Miriam Miranda, Koordinatorin von Ofraneh, kritisiert, dass die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation verletzt werde, zudem würden die Empfehlungen der UN-Sonderberichterstatterin für indigene Völker ignoriert. Die ILO-Konvention schreibt bei Projekten auf indigenem Land eine freie, vorherige und informative Befragung der Gemeinden fest. Diese muss noch vor Planung und Baubeginn erfolgt sein. Darüber hinaus haben die Indigenen das Recht, sich dagegen auszusprechen. In diesem Fall dürften die Projekte nicht realisiert werden.
Honduras als geopolitischer Verbündeter der USA ist seit dem Militärputsch im Jahr 2009 für Frauen, Anwälte, Journalisten, Menschenrechts- und Umweltverteidiger eines der gefährlichsten Länder der Welt.
Die Mordrate hat indes nicht nur an den Menschenrechtsverteidigern zugenommen: Die honduranische Polizei hat im letzten Jahr 3.992 Morde dokumentiert, dazu zählten die Behörden auch die 281 Menschen, die in 70 Massakern getötet wurden.
Als Folge der Gewalt, Armut und Korruption sind im letzten Jahr Zehntausende in Richtung USA geflohen. In den Morgenstunden des 15. Januar hat sich erneut eine Karawane aus circa 500 Honduranern formiert, die zu Fuß von San Pedro Sula in Richtung guatemaltekische Grenze aufgebrochen ist, um über Mexiko in die USA zu gelangen.