Honduras bremst Privatstädte aus
Kongress annulliert einstimmig Gesetz über Sonderzonen für Arbeit und Entwicklung. ZEDE Próspera beansprucht 50-jährigen Bestandsschutz und droht mit internationalem Schiedsverfahren
Von Andrea Lammers
amerika21
Tegucigalpa. Die Träume libertärer internationaler Investor:innen, staatsfreie Privatstädte aufzubauen, haben in Honduras einen herben Rückschlag erfahren. Alle 128 Abgeordneten des Kongresses beschlossen das 2013 unter der Regierung von Juan Orlando Hernández (JOH) verabschiedete Gesetz über die Sonderzonen für Arbeit und wirtschaftliche Entwicklung (ZEDE) aufzuheben.
Das ZEDE-Gesetz und weitere Regularien aus den Jahren 2014 und 2021 "verletzte das Staatsgebiet, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Republik, verdrängte die Souveränität des Volkes und riss die drei Gewalten des Staates an sich, indem exklusive Institutionen für private Zonen und private Unternehmen geschaffen und einer Gruppe von Personen zum Nachteil aller Honduraner Privilegien gewährt wurden." Das ZEDE-Regime sei mit Befugnissen ausgestattet, die verfassungsmäßig einzig der Exekutive und der Legislative zustehen. Außerdem werde in den ZEDE das honduranische Rechtssystem durch Rechtssysteme anderer Staaten ersetzt, was ebenfalls der honduranischen Verfassung widerspreche, so der am 21. April im Amtsblatt veröffentlichte Aufhebungsbeschluss (im Anhang) .
Die ideologische Basis der ZEDE als halbautonome "Privatstädte" beruht auf rechtslibertärem Gedankengut, gemäß dem Grundsatz, Gesellschaft lasse sich besser über Marktkräfte organisieren denn über demokratische Teilhabe.
In Honduras existieren mittlerweile drei ZEDE: Die Vorreiterin ZEDE Próspera auf der Karibikinsel Roatán, mit einem Ableger nahe dem Hafen der Küstenstadt La Ceiba; Morazán City im Industriegürtel der Weltmarktfabriken nahe der Großstadt San Pedro Sula; und die auf Agrarexport spezialisierte ZEDE Orquídea im Süden des Landes unweit der Grenze zu Nicaragua.
Die Betroffenen haben nun zwei Wochen Zeit, ihre Einwände bei der Verfassungskammer des Obersten Gerichtshofes vorzubringen, die noch mit einer Mehrheit von Getreuen der JOH-Regierung besetzt ist. Sie kann vom Parlament Modifikationen verlangen.
Außerdem muss der Beschluss des Kongresses in der neuen Legislaturperiode, die im Januar 2023 beginnt, von mindestens 96 Abgeordneten ratifiziert werden, um endgültig in Kraft zu treten.
Beobachter:innen hatten erwartet, dass dieses Prozedere nur für die Rücknahme der illegalen Verfassungsänderungen zugunsten der ZEDE gelten würde, nicht aber für die Aufhebung der Gesetze selbst.
Immerhin sei nun klar, dass potentielle neue Investor:innen ab sofort wissen, dass sie keine Klagen wegen entgangener Gewinne etc. mehr anstrengen können, sagte die honduranische Juristin Andrea Nuila gegenüber amerika21. Erstaunlich sei allerdings, dass der Kongress keine Übergangsbestimmungen, keine Überprüfung bestehender Verträge, nichts zur Kontrolle und Rechenschaftspflicht des immer noch völlig intransparenten ZEDE-Aufsichtsgremiums CAMP beschlossen habe.
Im Amtsblatt ist zu lesen "dass der Widerruf von Bestimmungen, Verträgen, Konzessionen usw., die mit den ZEDE in Verbindung stehen ... keinerlei Entschädigung für natürliche Personen, Unternehmen und Investoren nach sich zieht. Denn keine natürliche Person, kein Unternehmen und kein Investor hat das Recht, Anspruch aus einem illegalen Geschäft abzuleiten, das durch diesen exzessiven Verstoß gegen unsere Verfassung, gegen die Souveränität und die Würde aller Honduraner stammt."
ZEDE Próspera, die ihren Unternehmenssitz in Delaware, USA hat, sieht das anders. Am 21.April kündigte sie in einer Pressemitteilung an, weiterzumachen. Man sei weiterhin durch die honduranische Verfassung geschützt, beanspruche 50-jährige Bestandsgarantie und sei durch das Freihandelsabkommen CAFTA-DR sowie durch ein bilaterales Investitionsschutzabkommen zwischen Honduras und den USA gut abgesichert.
ZEDE Próspera verwies auf ein 20-seitiges Gutachten des Londoner Anwalts Alejandro Escobar, der unter anderem zahlreiche Schiedsgerichtsverfahren als Präzedenzfälle aufführt.
Bereits im Februar gab es Drohungen, dem honduranischen Staat könne ein Schaden von 1,3 Milliarden US-Dollar entstehen.
Kurz vor der Kongresssitzung kündigte ZEDE Próspera an, auf Roatán weiter bauen und weitere 60 Millionen US-Dollar investieren zu wollen. Bisher ist dort dem Augenschein nach noch nicht allzu viel passiert. Allerdings ist das E-Citizen-Programm angelaufen und am 7. April kündigte ZEDE Próspera an, dass Bitcoin und andere Kryptowährungen in ihrem Zuständigkeitsbereich als gesetzliches Zahlungsmittel gelten.
Im Mai will die speziell für die Geldgeschäfte der ZEDE in Honduras gegründete Seshat-Bank ihren Betrieb aufnehmen.
Kongresspräsident Luis Redondo von der Mitte-Rechtspartei Salvador de Honduras bezeichnete indes die Unternehmer:innen, die ZEDE vorantreiben, bei einer Pressekonferenz am 21. April als "Verbrecher".
Rodolfo Pastor, Staatssekretär im Präsidialamt von Xiomara Castro von der Links-Partei Libre kündigte am 22. April an, die Regierung werde Verhandlungen mit den Betreiber:innen der bestehenden ZEDE zum Schutz ihrer Investitionen aufnehmen.