Bergbauinteressen und Konflikte in Honduras

 
Vor allem der Tagebau verursacht nachhaltige Dauerschäden für Mensch und Natur

Vor allem der Tagebau verursacht nachhaltige Dauerschäden für Mensch und Natur

Der Abbau von Edelmetallen hat eine lange Geschichte in dem mittelamerikanischen Land Honduras und beeinflusste auf die eine oder andere Weise die Gesetzgebung und die Politik des Landes. So wurde unter anderem der Standort der Hauptstadt danach ausgerichtet. Dennoch verlor der Bergbau Anfang des 20. Jahrhunderts an Einfluss und Größe, unter anderem aufgrund der Ausrichtung auf den Bananenexport.

Die verstärkte Nachfrage nach Rohstoffen und der damit verbundene Preisanstieg weckten in den vergangenen Jahren erneut die Interessen der extraktivistischen Industrie. Bei den Regierungen, die auf den zivil-militärischen Putsch 2009 folgten, traf dies auf offene Ohren. Diese förderten in den letzten Jahren eine neoliberale Wirtschaftsausrichtung und den Ausverkauf der natürlichen Ressourcen des Landes. So wurden, trotz starker Kritik und Protesten von sozialen und Umweltorganisationen, eine Reihe von Gesetzen und Dekreten verabschiedet, um eine gesetzliche Basis für den Ausverkauf zu schaffen.

Eines der umstrittensten Gesetze ist das im Januar 2013 vom honduranischen Kongress verabschiedete neue Bergbaugesetz. Dieses Gesetz beendete die juristischen Unklarheiten, in denen die wenigen im Land aktiven Bergbauunternehmen operierten. Im Jahr 2006 hatte der oberste Gerichtshof 13 Artikel des Bergbaugesetzes von 1998 für verfassungswidrig erklärt. Zeitgleich wurde ein Moratorium für die Vergabe von neuen Bergbaulizenzen sowie gegen den Tagebau unter Einsatz von Zyanid ausgesprochen. Dieses Moratorium wurde durch das neue Bergbaugesetz aufgehoben.

Damit sind der äußerst umweltschädliche Tagebau und der Einsatz hochgiftiger Substanzen wieder erlaubt. Bei dieser Form des Abbaus werden ganze Berge abgetragen, das Gestein wird zermahlen und mit Wasser und Chemikalien wie Zyanid oder Quecksilber ausgewaschen, um die Edelmetalle aus dem Gestein zu lösen.

"Dieses Gesetz ist ein enormer Rückschritt für die ökologische und soziale Sicherheit in Honduras und ein Spiegel der realen und ökonomischen Mächte, welche die Ziele des Landes bestimmen, gegen den Willen und die wahren Interessen der Mehrheit der Bevölkerung, die eine nachhaltige und gleichberechtigte Entwicklung will." Dies erklärte die nationale Koalition von Umweltverbänden (CNRA). Tatsächlich sind laut einer Meinungsumfrage des Zentrums für Demokratieforschung CESPAD 89 Prozent der honduranischen Bevölkerung gegen den Tagebau.

Weitere Kritikpunkte sind die geringen Steuerabgaben, der unbegrenzte Zugang zu Wasserressourcen und das Fehlen von Sanktionen gegen Unternehmen, die Vorschriften und Gesetze missachten. Zudem enthält das Gesetz eine sogenannte Sicherheitssteuer von zwei Prozent, welche für den weiteren Ausbau und die Ausrüstung staatlicher Sicherheitskräfte verwendet werden soll. Dadurch haben Polizei und Militär direkte Interessen an den Minenaktivitäten und ein Motiv, um gegen Protestbewegungen aus der Bevölkerung vorzugehen. "Der Bergbau wird durch den Staat geschützt. Er gewährt juristische Sicherheit und sorgt für die Remilitarisierung der betroffenen Gebiete", kritisiert Pedro Landa von der CNRA.

Neue und alte Bergbaukonflikte

Durch die Verabschiedung des neuen Bergbaugesetzes entstehen zahlreiche neue Konflikte, befürchten Beobachter. In Honduras sind aktuell 530 Bergbauprojekte genehmigt und weitere 300 warten auf eine Freigabe. Diese Konzessionen umfassen zirka 20 Prozent des landesweiten Territoriums und wurden ohne die Zustimmung oder Information der betroffenen Bevölkerung vergeben.

In den letzten Jahren kam es in verschiedenen Regionen des Landes zu Auseinandersetzungen zwischen Bergbauunternehmen und lokaler Bevölkerung. So zum Beispiel in dem Dorf Nueva Esperanza im Norden des Landes. Dort führte das honduranische Bergbauunternehmen Minerales Victoria gegen den Willen der Bevölkerung Erkundungen durch. Bewohner, welche sich weigerten, ihr Land an die Firma zu verkaufen, wurden durch den bewaffneten Sicherheitsdienst des Unternehmens eingeschüchtert und massiv bedroht. Mehrere Familien mussten aufgrund der Drohungen den Ort verlassen. Am 25. Juli 2013 entführten bewaffnete Mitarbeiter der Firma zwei internationale Menschenrechtsbeobachter der Organisation PROAH.

Im April ist in Azacualpa im Departement Copán ein weiterer Konflikt eskaliert. In der Region betreibt das kanadische Unternehmen Aura Minerals und deren Tochtergesellschaft Minerales de Occidente S.A. eine Goldmine. Anwohner blockierten für 15 Tage den Zugang zu der Mine, nachdem das Unternehmen deren Ausweitung angekündigt und den Dialog mit der Gemeinde beendet hatte. Die Erweiterung würde unter anderem den Friedhof des Dorfes betreffen. Die Blockade wurde schließlich unter Schlagstock und Tränengaseinsatz durch staatliche Sicherheitskräfte geräumt, die Region wurde militarisiert.

Der wohl bekannteste Bergbaukonflikt in Honduras dreht sich um die Mine San Martín im Siriatal. Dort baute die honduranische Gesellschaft Entre Mares, Tochtergesellschaft der kanadischen Goldcorp Inc., von 2000 bis 2007 Gold ab. Aktuell befindet sich die Mine im Stilllegungsprozess. Aufgrund der erstmaligen Anwendung des Tagebaus mit Zyanideinsatz galt die Mine San Martín als Pionierprojekt in Honduras.

Laut Angaben von Umweltschützern wurden für den Goldabbau 50 Millionen Tonnen Gestein bewegt und 750 bis 1200 Liter Wasser pro Minute sowie eine Tonne Zyanid pro Monat verwendet. Die beteiligten Unternehmen, welche aus der Mine Gold im Wert von zirka 257.075.000 US-Dollar förderten, lobten die geringen Kosten, die der Abbau verursachte. Dies ging nicht zuletzt auf Kosten der Umwelt und der lokalen Bevölkerung. Das Siriatal gilt heute als hochgradig kontaminiert.

Die Bewohner und das Umweltkomitee des Siriatals kämpfen seit Jahren für die Dekontamination der Umwelt und eine Entschädigungen für verursachte Gesundheitsschäden. Nach einer Untersuchung des Mediziners Juan Almendarez litten vor der Eröffnung der Mine acht von hundert Personen an Hautkrankheiten, zehn Jahre später sind es 80 von 100. In Blutproben der Bevölkerung wurden hohe Konzentrationen von Blei, Arsen und Quecksilber festgestellt. Neben den Hautkrankheiten beklagen Anwohner Nervenstörungen, Unfruchtbarkeit, Fehlgeburten und Missbildung von Neugeborenen.

Sowohl in Nueva Esperanza als auch in Azacualpa und im Siriatal klagen die Betroffenen die Untätigkeit und Mittäterschaft der honduranischen Behörden an. Diese zeigten bisher wenig Dialogbereitschaft und Willen zu einvernehmlichen Lösungen von Konflikten. Stattdessen werden die Interessen von Unternehmen gegen den Willen der lokalen Bevölkerung immer wieder mit Repression und Gewalt durchgesetzt.

Auf die gravierenden Probleme, die der Bergbau in Honduras verursacht, verweist auch eine im Juni veröffentlichte Studie des Zentralamerikanischen Instituts für Finanzstudien ICEFI. Die Studie betont den konfliktiven Charakter des Bergbaus in Honduras, und nennt folgende Begleitumstände:

 

a) Auseinandersetzungen zwischen Bergbauunternehmen und Dörfern
b) niedrige nationale und lokale Steuerabgaben
c) Umweltprobleme
d) Menschenrechtsverletzungen
e) einen schwachen Rechtsrahmen, der Bergbauunternehmen bevorzugt
f) schwache staatliche Institutionen zur Regulierung extraktivistischer Aktivitäten1

 

So gerieten auch immer wieder Behörden in die Kritik wie das Sekretariat für natürliche Ressourcen (SERNA) und die Direktion zur Förderung des Bergbaus, welche 2013 durch das Institut für Geologie und Bergbau (INHGEOMIN) ersetzt wurde. Mehrfach zeigten Organisationen und Betroffene an, dass die Behörden auch Studien über die Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit verschleierten.

Angesichts des neuen Bergbaugesetzes erklärt die Studie des ICEFI: "Dennoch bleibt die Herausforderung eines Staates, der nicht über einen ausreichend starken institutionellen Apparat verfügt, und in manchen Fällen nicht über den politischen Willen, um sich mit der Reihe von Beschwerden auseinanderzusetzen, welche die Öffnung für neue Unternehmen, gefördert durch die Verabschiedung des neuen Gesetzes, mit sich bringen kann."

Fragwürdige Unterstützung aus Deutschland

Trotz des konfliktiven Charakters, welcher auch vor dem Hintergrund der allgemein schlechten Menschenrechtslage in Honduras eingeordnet werden muss, beteiligen sich auch die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und deutsche Unternehmen an der Unterstützung des Bergbaus in Honduras.

So vermeldet INHGEOMIN auf ihrer Internetseite am 22. Mai die Unterzeichnung eines Vertrages mit den deutschen Unternehmen M&P Geonova und Geo-Expert. Laut INHGEOMIN zielen die Hauptmaßnahmen der Zusammenarbeit auf die Identifikation von Mineralvorkommen mit Fokus auf seltene Erden und Edelmetalle. Durch die wissenschaftliche Forschung, die in ausgewählten Regionen von Honduras erfolgt, soll eine aktuelle Kartierung des nationalen Territoriums und der erforschten Mineralien erstellt werden.2

Der Vorstand von INHGEOMIN, Agapito Rodríguez, erklärte gegenüber der honduranischen Tageszeitung La Tribuna, dass die Initiative von der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) gefördert wird. “Es handelt sich um eine Studie, die über drei Jahre durchgeführt wird, um festzustellen, welche Mineralienarten in Honduras existieren."

Auf eine kleine Anfrage von Abgeordneten der Linkspartei an die Bundesregierung bestreitet diese die Aussagen von INHGEOMIN und der Zeitung La Tribuna: "Eine systematische Kartierung von Vorkommen seltener Erden im Rahmen des Vorhabens wird nicht vorgenommen. Ziel des Projektes ist nachhaltige Entwicklung durch Transfer von Know-how für die umweltfreundliche Erschließung von Vorkommen an Edelmetall. Zu diesem Zweck wird mit Universitäten zusammengearbeitet. In einer ausgewählten Region werden Praxisseminare mit Studierenden durchgeführt, um sie in der umweltfreundlichen Exploration und der Kartierung von Rohstoff Lagerstätten auszubilden. In diesem Zusammenhang werden zu Übungszwecken Kartierungen erstellt."

Die Informationen von INHGEOMIN und die Antworten der Bundesregierung widersprechen sich stark, was die Zielsetzung und Erwartungen des Projektes betreffen. Auch wenn die Bundesregierung erklärt, dass keine weiteren Bergbauprojekte in Folge der GIZ-Maßnahme bekannt sind und keine systematische Bergbaukartierung stattfinden wird, strebt INHGEOMIN nach eigenen Aussagen eindeutig ein anderes Ziel an. Auch wenn die GIZ nicht direkt an einer systematischen Kartierung beteiligt ist, fördert sie dieses Vorhaben jedoch indirekt und schafft durch den Wissenstransfer die Basis für eine Kartierung und damit möglicherweise für weitere Bergbauprojekte, bei denen eine Anwendung von "umweltfreundlichen" Abbaumethoden keineswegs garantiert werden kann.

In ihrer Vorbemerkung erkennt die Bundesregierung die kritische Menschenrechtslage und das Problem von schwachen staatlichen Institutionen in Honduras an. Konkrete Maßnahmen, um etwa die Rechte der lokalen Bevölkerung in Zusammenhang mit Bergbauprojekten zu schützen oder eine vorschriftsmäßige Arbeit staatlicher Institutionen wie SERNA und INHGEOMIN zu garantieren, nennt die Bundesregierung jedoch nicht. Die Antworten auf diese Fragen verweisen nur ausweichend auf den Dialog den die Bundesregierung mit der honduranischen Regierung und zivilgesellschaftlichen Organisationen führt.

Seit dem zivil-militärischen Putsch 2009 hat sich die soziale und politische Krise in Honduras dramatisch verschärft. Die Menschenrechtslage im Land ist gravierend und politische Morde und Repression sind zum Alltag geworden. Dennoch kämpfen Aktivisten, Dörfer und indigene und soziale Organisationen weiterhin mit friedlichen Mitteln für ihre Rechte und Territorien und letztendlich um ihr Überleben.

So erreichten die Bewohner von Nueva Esperanza den Rückzug des Bergbauunternehmens Minerales Victoria und mehrere Landkreise haben sich nach Versammlungen zu bergbaufreien Landkreisen erklärt. Angesichts der aktuellen Entwicklungen in Honduras bezweifeln allerdings viele Organisationen und Gemeinden, dass die Regierung den Entschluss der lokalen Bevölkerungen respektieren wird und stellen sich auf eine weitere Zunahme und Eskalation der Konflikte ein.

 

 


Der Autor arbeitet in Mittelamerika mit indigenen Basisorganisationen und kommunitären Radiosendern. 

Original erschienen auf www.amerika21.de 

Der Artikel wurde in gekürzter Form im aktuellen Rundbrief des Forums für Umwelt und Entwicklung veröffentlicht.

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