Agrarreform oder Repression gegen Kleinbauern in Honduras?
Präsidentin verkündet einschneidende Maßnahmen im Agrarsektor. Unternehmer unterstützen sie. Staatliche Kommission soll Eigentumskonflikte lösen. Bauernverbände befürchten Räumungen
Von Andrea Lammers
Tegucigalpa. Die honduranische Regierung will nach eigenen Angaben "Sicherheit und Ordnung" im Agrarsektor schaffen. Darüber, was das für indigene Gemeinschaften, Kleinbauern und Kooperativen bedeutet, ist nun eine heftige Kontroverse entflammt.
Am 6. Juni wurden alle Radio- und Fernsehsender in Honduras verpflichtet, sich zu einer sogenannten "cadena nacional" zusammenzuschalten. Begleitet von Mitgliedern des Nationalen Verteidigungs- und Sicherheitsrates trat Präsidentin Xiomara Castro vor die Mikrofone. Sie verkündete einschneidende Maßnahmen im Agrarsektor: Eine Kommission, in der ausschließlich staatliche Institutionen vertreten sind, soll Rechtssicherheit für Agrarunternehmen und Zugangsmöglichkeiten zu Land für Kleinbauern herstellen. Eigentumstitel für landwirtschaftliche Grundstücke sollen überprüft werden.
Reformen der Agrargesetzgebung sollen auf den Weg gebracht und Eigentumstitel für landwirtschaftliche Grundstücke von der staatlichen Kommission unter Vorsitz des Nationalen Agrarinstitutes INA überprüft werden. Einerseits sollen damit formal legale Landtitel, die jedoch von Unternehmen und Privatpersonen auf irregulären Wegen erworben wurden, annulliert werden können. Andererseits kündigte Castro sofortige Räumungen von insgesamt 36.000 Manzanas (etwa 25 Quadratkilometern) Land an, die von Unternehmen und Privatpersonen beansprucht, aber von anderen bewohnt und bebaut werden. Priorität hätten dabei, so die Präsidentin, "besetzte" Ölpalmen-, Zuckerrohr- und Bananenplantagen sowie weitere produktive landwirtschaftliche Flächen.
Ausgenommen sind vorläufig 13 Kooperativen im Aguán-Tal, die sich seit Februar 2022 im Dialog mit der Regierung befinden. Für alle anderen soll das unter Castros Vorgänger Juan Orlando Hernández reformierte und verschärfte Strafrecht gegen Besetzungen und "gewaltsame Vertreibung" der Eigentümer:innen ab sofort konsequent und hart angewendet werden.
Der Unternehmerverband Cohep äußerte sich positiv zu den Plänen der Präsidentin. Menschenrechtsorganisationen, Bauern- und indigene Organisationen zeigten sich alarmiert.
Bisher wurde das Strafrecht in Agrarkonflikten in erster Linie angewendet, um Leitungspersonen bäuerlicher und indigener Gemeinschaften zu kriminalisieren. Zudem haben Drohungen, Verfolgung – auch mit Drohnen – und teils tödliche Attacken gegen die Verteidiger:innen von Landrechten gerade auch in der Region Bajo Aguan in den letzten Monaten stark zugenommen.
"Es mag sein, dass Xiomara Castro auch positive Absichten hegt," sagte die Leiterin der Volksorganisationen des Bajo Aguán (Copa), Esly Banegas, gegenüber amerika21: "Hauptsächlich geht es ihr aber wohl darum, die erhitzten Gemüter der Unternehmer:innen zu beruhigen und sich mit ihnen gut zu stellen."
Die Großgrundbesitzer:innen müssten zwar theoretisch die Rechtmäßigkeit ihres Eigentums nachweisen. In der Praxis werde dies aber auch weiterhin nicht passieren, so Banegas. In der Tat gebe es auch kriminelle, bewaffnete Gruppen gegen die Räumungen angebracht wären. "Bevor das geschieht, werden Staatsanwälte und Richter aber weiter gegen Bauern und Bäuerinnen vorgehen, wie sie das immer getan haben. Die Strukturen des Narcostaates sind bei uns weiterhin intakt."
Die ersten Auswirkungen der Ankündigung von Präsidentin Castro sind derzeit an der Küste des Departements Colón spürbar.
Wie die Garífuna-Organisation Ofraneh berichtet, tauchten am 14. Juni Vertreter:innen des Nationalen Agrarinstituts, der Polizei und der Militärpolizei an acht Orten im Munizip Trujillo auf, die von Garífuna bewohnt, aber von Privatleuten beansprucht werden. Dem Vernehmen nach wurden Inspektionen durchgeführt, um Räumungen vorzubereiten.