Oscar Romero - Ein Heiliger ohne Gerechtigkeit ?
Weggefährt_innen und Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Haltung von Staat und Kirchenoberen angesichts der Seligsprechung Oscar Romeros
Oscar Romeros ehemaliger Sekretär, Jaime Garcia von der Gruppe Convergencia Oscar Romero betonte am 19. Mai 2015 gegenüber dem Ökumenischen Büro:
„Es ist für uns eine große Herausforderung Monseñor Romero als Heiligen zu haben um weiter für Wahrheit und Gerechtigkeit zu kämpfen. Denn wir haben Tausende von Opfern, die unsichtbar gemacht werden. Tausende von Müttern, die bei den Gedenkveranstaltungen jedes Jahr wieder anfangen zu weinen. Und wir sehen die Gefahr, dass die Kirche aus Monseñor Romero ökonomischen Nutzen ziehen will. Denn mit diesem Heiligen kann die Kirche große Mengen Almosen, sogar von den Armen, einnehmen. Sie verkauft Romero-T-Shirts, -Hüte und -Briefmarken. An der Aufklärung des Mordes ist sie schon lange nicht mehr interessiert. Romero wird für die Kirche ein großes Geschäft sein und sie werden ihn zu einem ,Heiligen light' machen. Die eigentliche Botschaft von Monseñor Romero wollen sie nicht hören.“
Deshalb planen kirchlichen Basisgruppen, Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften zwei Parallelveranstaltungen zur offiziellen Feier in San Salvador: Am heutigen 21. Mai startet ein Demonstrationszug in der Nähe der US-Amerikanischen Botschaft und endet bei der Generalstaatsanwaltschaft der Republik. Die Demonstrant_innen werden fordern, den Fall von Oscar Romero wieder aufzunehmen und die Auftraggeber und Finanziers des Mordes endlich zu bestrafen. Vom 22. Mai auf den 23. Mai folgen eine Nachtwache und ein alternatives Fest von und mit allen, die sich bei den offiziellen Veranstaltungen ausgeschlossen sehen. Eingeladen sind, so die Convergencia Romero, auch zahlreiche Jugendorganisationen.
Streetart statt kommerziellem Heiligenkitsch
Eine Gruppe von Jugendlichen bemalt derzeit zahlreiche Wände in den armen und marginalisierten Stadtvierteln San Salvadors mit dem Bild Oscar Romeros und will so ein Zeichen gegen seine kommerzielle und nationalistische Vereinnahmung setzen.
Am Tag vor seiner Ermordung hatte Romero in einer Predigt ausgerufen: „In Gottes Namen, im Namen dieses leidenden Volkes, dessen Wehklagen an jedem noch stürmischeren Tag zum Himmel schreien, flehe ich euch an, fordere ich euch auf, befehle ich euch, dass diese Repression aufhört.“ Romero hatte sich bereits im Februar 1980 deutlich gegen die Militärhilfe der USA für El Salvador ausgesprochen. Jeden Sonntag listete er von neuem die Opfer der politischen Gewalt in seinen Predigten auf. Das brachte ihm Todesdrohungen ein und bereits am 10. März 1980 einen Attentatsversuch mit Sprengladungen in der Kathedrale von San Salvador.
Mit dem Mord an Monseñor Romero verschärfte sich der interne bewaffnete Konflikt in dem kleinen zentralamerikanischen Land weiter. In den folgenden zwölf Jahren kostete er über 75.000 Menschen das Leben. Darunter befanden sich zahlreiche Zivilist_innen, die teils in großen Massakern überwiegend vom Militär ermordet wurden. Die mit dem Ende des Bürgerkrieges 1992 von den Vereinen Nationen eingesetzte Wahrheitskommission stellte fest, dass der kurz zuvor verstorbene Major des militärischen Geheimdienstes von El Salvador, Roberto D'Aubuisson, für den Mord an Monsenor Romero unmittelbar verantwortlich war. Wenige Tage nach dem Erscheinen des Berichtes wurde eine Generalamnestie für die Menschenrechtsverbrechen im Bürgerkrieg verkündet.
Dieses 1993 erlassene Amnestiegesetz blockierte sieben Jahre lang jegliche Ermittlungen im Fall Romero bis der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte im April 2000 urteilte, das Gesetz widerspreche internationalen Normen und der Staat El Salvador sei mithin verpflichtet, umfassend zu ermitteln, die Täter vor Gericht zu stellen und die Opfer zu entschädigen.
Ombudsmann verlangt Wiederaufnahme des Falles
Erst 2009 erkannte der Staat unter der damaligen Mitte-Links-Regierung von Mauricio Funes seine zuvor stets geleugnete Verantwortung an und es folgten eine förmliche Bitte um Verzeihung und einige symbolische Akte wie die Benennung des internationalen Flughafens von San Salvador nach Monseñor Romero. Allerdings besteht das Amnestiegesetz weiter und trotz des Urteils des Interamerikanischen Gerichtshofes wagt bisher kein Staatsanwalt und kein Richter in Fällen wie dem von Monsenor Romero, der die mächtige Oligarchie im Lande und das Militär tangiert, tätig zu werden.
El Salvadors Ombudsmann für Menschenrechte David Morales kündigte im März 2015 an, er werde um eine neuerliche Intervention des Interamerikanischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Fall Romeros und anderer wichtiger Präzedenzfälle bitten. „Vergeben und Vergessen sind nicht akzeptabel“, betonte Morales gegenüber der salvadorianischen Presse: „Die Straflosigkeit ist eine klare Verletzung der Menschenrechte und El Salvador ist geradezu eine Bühne für die Straflosigkeit.“
Das vollständige Interview mit Oscar Romeros ehemaligem Sekretär, Jaime Garcia
erscheint bei amerika21 ( https://amerika21.de )