El Salvador: Schweigen ist Gold
Von Kathrin Zeiske.
Aus: Jungle World Nr. 14, 7. April 2011
Die »Vereitelung von Gewinnchancen« kann Anlass für einen Prozess sein. Das kanadische Minenunternehmen Pacific Rim und die US-amerikanische Commerce Group wollen El Salvador verklagen, um sich Schürfrechte für den Goldabbau zu verschaffen. Möglich ist dies vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID), das für die Weltbank die Einhaltung der Freihandelsverträge garantiert.
Das ICSID hat einen solchen Prozess Ende März zunächst wegen Verfahrensfehlern verschoben. Doch der Goldpreis steigt angesichts internationaler Wirtschaftskrisen, und in El Salvador wurden knapp 100 Anträge auf Schürfrechte gestellt. Ausländische Unternehmen nutzen nicht nur juristische Möglichkeiten, sie finanzieren auch die Gegner der Umweltschützer. Im Bundesstaat Las Cabañas sind insbesondere die Mitarbeiter des kommunalen Radio Victoria bedroht, das die sozialen Kämpfe gegen den Bergbau im Land initiiert hat.
»Anfangs gingen nur Musik und Einladungen zu Gemeindefesten über den Äther«, berichtet Oscar Beltran, der wie seine Kollegen als Jugendlicher im Radio Victoria anfing. »Erst später begannen wir, Nachrichtenprogramme sowie inhaltliche Beiträge zu Menschenrechten, Umweltschutz und Gender auszustrahlen.« Doch ein politisches Projekt war das Radio der Gemeinde Santa Martha immer schon, es wurde von ein paar tausend Flüchtlingen gegründet, die noch während des Bürgerkriegs aus dem angrenzenden Honduras zurückkehrten. Sehr zum Missfallen des Flüchtlingsrats der Vereinten Nationen (UNHCR) und der salvadorianischen Regierung wollten sie ihre Angehörigen in der Guerilla unterstützen.
»Nach Abschluss der Friedensverträge 1991 galt ein Gemeinderadio als erstrebenswertes Projekt, um Informationen jenseits der regierungstreuen Medien zu liefern«, sagt Beltran. Schon bald jedoch rückte eine andere Thematik in den Vordergrund. »Der Goldabbau des kanadischen Unternehmens Pacific Rim in der Mine El Dorado beanspruchte große Wassermengen, die auf den Feldern fehlten. Gleichzeitig wurden Abwässer mit hochgiftigen Substanzen wie Zyanid in die Flüsse geleitet, die immer mehr unerklärliche Krankheiten verursachten.«
Das junge Team von Radio Victoria betrieb investigativen Journalismus und startete eine Aufklärungskampagne. »Wir hatten uns nie zuvor mit dem Goldabbau und den dadurch verursachten Gesundheits- und Umweltschäden auseinandergesetzt«, erzählt Beltran. »Jetzt besuchten wir Guatemala und Honduras, um uns von den zivilgesellschaftlichen Organisationen dort zeigen zu lassen, welche ökologischen Desaster der Bergbau in der Region schon verursacht hatte. Wenn man bedenkt, dass ausländische Unternehmen mittlerweile für 75 Prozent der Fläche El Salvadors Konzessionen erwerben wollen, kann bei einem so kleinen Land nur mit verheerenden Folgen gerechnet werden.«
Doch auch Pacific Rim blieb nicht untätig und begann, in einer Gegenkampagne den angeblich »Grünen Bergbau« in Las Cabañas zu proklamieren. »Das Unternehmen kaufte Lehrer und Pfarrer mit ›Geschenken‹ und bezuschusste großzügig infrastrukturelle Maßnahmen und Festivitäten der Gemeinden«, erklärt Elvis Zavala, verantwortlich für die Produktion des Radios. Die meisten Gemeinden werden von der ultrarechten Nationalrepublikanischen Allianz (Arena) regiert. »Selbst Radio Victoria wurden horrende Summen für eine positive Berichterstattung über Pacific Rim geboten. Doch das kam für uns nicht in Frage. Im Gegenteil, es gelang uns, die Kampagne gegen Bergbau über das Netzwerk kommunaler Radios Arpas auf eine landesweite Ebene zu bringen.« Ein Bündnis gegen den Bergbau sorgte dafür, dass das Thema im Präsidentschaftswahlkampf 2009 diskutiert wurde. Mauricio Funes, der Kandidat der linken Nationalen Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN), versprach, die Schürfrechte der im Land operierenden Bergbaufirmen nicht zu verlängern und keine langfristigen Verträge zu schließen.
»Als soziale Bewegung ist es uns tatsächlich gelungen, den Bergbau zu stoppen«, konstatiert Zavala stolz. Denn Funes und der FMLN gewannen die Präsidentschaftswahlen und hielten bislang das Wahlversprechen. Doch Pacific Rim gab sich nicht geschlagen und fusionierte mit der Commerce Group, um El Salvador auf der Basis des Freihandelsabkommens zwischen den USA, Zentralamerika und der Dominikanischen Republik (Cafta-DR) zu verklagen. Beide Unternehmen fordern insgesamt 170 Millionen Dollar, denn die zu erwartenden Gewinne steigen Jahr für Jahr. Der Preis der Feinunze Gold (31 Gramm) ist seit 2005 von 400 auf 1 300 Dollar gestiegen. Die geforderte Summe ist viermal so hoch wie die für dieses Jahr von der Regierung geplanten Investitionen in die Landwirtschaft.
Doch nicht nur die Drohung mit Schadenersatzforderungen soll die Gegner der Bergbauunternehmen einschüchtern. In Las Cabañas, das von der Arena dominiert wird, brach nach dem Wahlsieg des FMLN eine Welle der Gewalt gegen die Radiomacher und andere Umweltschützer los, die bis heute kein Ende gefunden hat. Im Sommer 2009 wurden Marcelo Rivera, Ramiro Rivera und die schwangere Dora Alicia Sorto ermordet. Der ebenfalls im Umweltschutz engagierte Pater Luis Quintanilla entkam nur knapp einem Attentat.
»Es handelte sich dabei eindeutig um politische Morde, die klar im Zusammenhang mit Pacific Rim stehen. Die Vertuschung von Untersuchungsergebnissen legen eine Komplizenschaft zwischen Lokalregierung und Unternehmen nahe«, sagt Oscar Beltran. Auch die Sprecher von Radio Victoria erhielten Morddrohungen, Bewaffnete wurden bei ihren Häusern gesehen. Eine Nachrichtensprecherin, Isabel Gámez, hält sich seitdem mit Unterstützung der Stiftung für Politisch Verfolgte in Hamburg auf.
Ihre Kollegen haben mittlerweile Polizeischutz, trotzdem erhielten sie dieses Jahr erneut Drohbriefe. Sie sollten endlich ein großzügiges Schweigegeld für die Radiostation annehmen, sonst werde man sie alle umbringen. »Allen Morden sind Drohbriefen vorausgegangen«, konstatiert Elvis Zavala düster. »Die Straflosigkeit bleibt, und wir haben gesehen, dass die Drohungen ernst gemeint sind.«
Auch auf nationaler Ebene sehen in El Salvador die Zukunftsaussichten nicht rosig aus. Dieses Jahr wird über ein Freihandelsabkommen zwischen El Salvador und Kanada verhandelt, immerhin die Hälfte aller Minenunternehmen der Welt stammen aus dem nordamerikanischen Land. Währenddessen steht ein von Funes angekündigtes restriktives Bergbaugesetz, das dem anstehenden Ausverkauf von Ressourcen entgegenwirken könnte, weiter aus.