El Salvador: Chalatenango militarisieren…
(zas, 23.10.20) Am 22. Oktober tweetete das Südkommando der US-Armee: Southcom-Chef „Admiral Craig Faller traf sich in El Salvador mit der salvadorianischen Verteidigungsführung. El Salvador ist ein wichtiger Sicherheitspartner und ist eine der mehr als 20 Nationen, die mit den USA kooperieren, um die internationalen Antidrogenoperationen zu unterstützen.“ Am 19. Oktober trafen Faller und die ihn begleitende ehemalige US-Botschafterin in El Salvador, Jean Manes, die heute als zivile Liaison im Southcom arbeitet, in Honduras ein, bevor sie nach Guatemala und dann El Salvador weitergingen. Heute beenden sie ihren Zentralamerikabesuch in Costa Rica. Zentrales Thema in allen Treffen mit nationalen Armeeführungen und den jeweiligen US-Botschaftern ist der Drogenkrieg. Wie der dem Südkommando ans Herz gewachsen ist, zeigt sein Tweet anlässlich eines Treffens der US-Delegation mit dem honduranischen Präsidenten Juan Orlando Hernández und der dortigen Fürhung des Sicherheitsapparates aus Anlass des offiziellen Schlusses der US-honduranischen Anti-Drogen-Operation Dominio (April – Oktober 2020): Der „Southcom-Admiral hatte die Ehre, gestern an einem Treffen teilzunehmen und seine Anerkennung für die [Chefs von Staatsanwaltschaft, Polizei und Armee] für ihren Erfolg in der Operation Dominio auszudrücken, ein honduranischer Beitrag zur Unterstützung der verstärkten regionalen Counterdrugs-Operationen“. Der Bruder des Präsidenten sitzt in den USA wegen Drogenhandel, gegen Hernández selbst und andere führende Figuren des De-facto-Regimes ermittelt die US-Justiz wegen des gleichen Delikts.
In El Salvador präsentiert sich dieser „Antidrogenkampf“ so: Die Gemeinden San Fernando, San Ignacio, Nueva Trinidad und Arcatao im nördlichen, an Honduras angrenzenden Departement Chalatenango sind militarisiert. Dies betrifft eine klassische historische Kernzone der ehemaligen Guerilla des FMLN. Begonnen hatte das mit der Covid-19-Epidemie, was damals vom FMLN mit Mühe hingenommen wurde. Heute – die Pandemie ist momentan abgeflacht - ist die Begründung für die andauernde Militarisierung: den Drogenschmuggel unterbinden. Die Bürgermeister der vier Gemeinden wehrten sich in einer Pressekonferenz im Parlament dagegen. Sie erläuterten, wie die Dichtmachung der Grenze für viele Gemeindemitglieder eine Schikane darstelle. Denn eine neue Grenzziehung zwischen Honduras und El Salvador 1992 aufgrund eines Urteils des internationalen Gerichtshofes von Den Haag hatte Äcker und Viehweiden der salvadorianischen Campesinas und Campesinos zum Teil „honduranisiert“ und generell das sozioökonomische Geflecht der Region beeinträchtigt. Es gibt Fälle, in denen die Grenze durch den Hof einer Finca geht. Die Militärs lassen nun, so kritisierten die Gemeindevertreter, die Leute nicht mehr auf ihre Äcker und lähmen die traditionell kleinräumige, jetzt halt binationale Wirtschaftsaktivität.
Präsident Nayib Bukele antwortete auf die gewohnte Weise auf die Kritik der Bürgermeister, die sich zuvor schon erfrecht hatten, von ihm die gesetzlich vorgeschriebene Überweisung aus den laufenden Staatseinnahmen an die Gemeinden zu fordern. Er twitterte am 21. Oktober, zufällig am Tag der Ankunft des „Antidrogen“-Trupps aus den USA: „Dort gibt es keine Grenzübergänge, nur eine grüne Grenze. Man kann sehen, wer für die Drogenhändler und die Schmuggler arbeitet. Bürgermeister, Medien und natürlich gehen sie zu denen, die sie beschützen: das Parlament.“ Im Weitern meinte Bukele: „Entweder sind [die Bürgermeister] schwer von Begriff oder sie sind Teil des Geschäfts dieser Ratten“, also der Narkos. Im gleichen Twitterthread wandte er sich an Verteidigungsminister Merino Monroy: „Verdoppeln Sie die Militärpräsenz an der grünen Grenze [dieser Gemeinden]. Es ist offensichtlich, dass sie Drogen und/oder Schmuggelware transportieren wollen und zudem auf die Unterstützung der lokalen Behörden zählen“.
Die bekannte FMLN-Aktivistin Lorena Peña antwortete in einem Facebook-Clip, entweder warne Bukele die Drogenhändler, statt sie zu verhaften, oder er greife den FMLN an. (San Fernando war oder ist noch tatsächlich als Punkt auf der Drogenroute bekannt. Nur fängt das Regime null Narkos …)
Am gleichen 20. Oktober fasste eine Mitteilung des FMLN Aussagen des Pfarrers von Arcatao, Miguel Ángel Vasquez Hernández, so zusammen: Er „bat die Soldaten, die einfachen Leute der Grenzcomunidades nicht mehr in der praktizierten Weise zu bedrängen und forderte Präsident Bukele zu Beweisen“ für seine per Twitter lancierten Behauptungen auf. „Weiter denunzierte er, dass in den letzten Wochen Personen und Jugendliche der Comunidad Teosinte von den Militärs bedrängt wurden, die ihre Macht gegen die Menschen in diesem Weiler von Arcatao missbraucht haben. Ihm zufolge wird es aus der Pfarrei eine Untersuchung aller Missbräuche (…) geben, denn, so der Padre Miguelito, die Kirche muss immer zu ihrem Volk stehen.“
(Persönliche Bemerkung. Beim Lesen dieser Aussage erschauderte ich: Arcatao, der FMLN, die Basiskirche, die Armee – Erinnerungen an den Krieg in den 80-er Jahren).
Gleichentags antwortete José Alberto Avelar, Bürgermeister von Arcatao, Bukele auf Facebook: «Heute beschuldigte der Präsident mich und die anderen drei Bürgermeister, den Drogenhandel in den Grenzgemeinden zu protegieren. Wenn es ein Verbrechen ist, alle Personen, die abends einen Teller Frijoles mit Tortillas essen, zu schützen, dann werde ich es weiter begehen.»
Der Compa legte Fotos von seinem Nachtessen und der Küche bei: «Dies ist die Villa des Bürgermeisters von Arcatao. Man wird daraus die Millionen ersehen, die ich für die Protektion des Drogenhandels einstreiche. Wenn Sie es nicht glauben, kommen Sie sich überzeugen, meine Tür steht offen, und in meinem Dorf sind wir mit Hilfe Gottes und unserer organisierten Leute frei von Gewalt und Kriminalität, so dass Sie keine Angst haben müssen zu kommen. Hier wird Ihnen niemand etwas antun. Ich fordere den Präsidenten auf, seine Worte zu beweisen. Ich bin stolzes Mitglied des Frente und diene dem Volk.»
Es scheint, dass die Regierung Bukele (unter US-Regie) zu einer weiteren Eskalation gegen den FMLN ansetzt, zu einer sehr gefährlichen. Eine repressive Militärpräsenz in solchen Zonen wie in Chalatenango wird früher oder später auf Gegenwehr stossen. Weniger von Seiten der früheren Guerillas, die viele schon alt und krank sind. Aber es gibt hier eine Erinnerung des Kampfes für Befreiung, die in den Köpfen und Herzen vieler Leute wirkt. Sie nährt eine kollektive Identität, die sich in vielen Selbstorganisationen im Alltag zeigt (mit dem Resultat zum Beispiel eines deutlichen Rückgangs der Gewalt gegen Frauen). Sie ist im Visier.
Diesen Sonntag soll eine Solidaritätskarawane aus der Hauptstadt nach Chalatenango fahren. Eine Initiative von Compas des FMLN. Den Fallers und Bukeles erwächst Widerstand.