Ein rechter Präsident ohne Programm in El Salvador
Der Amtsantritt des Kandidaten der Oligarchie, Nayib Bukele, stellt die Linke des Landes vor neue Herausforderungen
Von Öku-Büro, erschienen auf Amerika21
San Salvador. Am heutigen 1. Juni tritt der ehemalige Bürgermeister von San Salvador, Nayib Bukele, sein Amt als Präsident von El Salvador an. Bukele, der nach internen Streitigkeiten 2017 aus der linken Nationalen Befreiungsfront Farabundo Martí (Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional, FMLN) ausgeschlossen wurde, war bei den Präsidentschaftswahlen Ende Februar als Kandidat der ultrarechten Partei Große Allianz für nationale Einheit (Gran Alianza por la Unidad Nacional, Gana) angetreten.
Im Jahr 2009 wurde mit Mauricio Funes zum ersten Mal ein Mitglied der FMLN Präsident El Salvadors. 2014 wurde dieses Amt von Salvador Sánchez Cerén, ebenfalls FMLN, übernommen. Trotz einiger Kritik an der Politik der Linksregierung in den vergangenen zehn Jahren betrachten soziale Bewegungen den Politikwechsel mit großer Skepsis. So konnte der neue Präsident in seinem Wahlkampf wenig konkrete Programmpunkte präsentieren. Öffentlichen Debatten ging er aus dem Weg. Lediglich das Thema der Korruptionsbekämpfung und das Vorhaben, einige Wirtschaftsprojekte auf den Weg zu bringen, standen auf seiner Agenda.
Bukele und seine Bewegung "Neue Ideen" (Nuevas Ideas) haben im Parlament keine eigene Basis. Insofern wird dieser auf die Stimmen der rechten und ultrarechten Parteien angewiesen sein. Die Tatsache, dass er sich als Kandidat von Gana, einer Abspaltung der rechten Arena-Partei (Alianza Republicana Nacionalista, Nationalistische Republikanische Allianz), zum Präsidenten wählen ließ, lassen Zweifel an seinem Willen oder Fähigkeit aufkommen, die Korruption effektiv zu bekämpfen.
Beobachter schildern die Gana als ein Sammelbecken der Oligarchie und Bourgeoisie, Demagogen, Kapitalisten, Ex-Militärs und Marionetten der Vereinigten Staaten. Auch Bukele hatte bereits versucht, sich den USA anzubiedern. Bei einem dortigen Besuch zeigte ihm die Regierung von Donald Trump jedoch die kalte Schulter. Lediglich weniger bedeutende Funktionäre der Republikaner waren bereit, sich mit dem angehenden Präsidenten El Salvadors zu treffen. Dieser hatte angekündigt, einen neuen Politikstil mit jüngeren Gesichtern umsetzen zu wollen. Die bisher bekannten Ministerinnen und Minister seiner neuen Administration entspringen jedoch überwiegend den Seilschaften der althergebrachten Oligarchie.
Noch größere Sorgen hingegen bereiten bekanntgewordene Pläne zur Errichtung einer Sonderwirtschaftszone im Südosten El Salvadors. Neben dem Ausbau der Infrastruktur, insbeondere der Häfen und dem Bau eines neuen Flughafens, soll an der Pazifikküste ein riesiges Tourismuszentrum, das Cancún Zentralamerikas, entstehen. Vertreter sozialer Organisationen stehen diesen Plänen jedoch skeptisch gegenüber, da diese keinen Nutzen für die dort lebende Bevölkerung hätten. Profitieren würden nur finanzstarke Investoren respektive die Supermarktketten, die ihre Produkte dann den Touristen verkaufen könnten. Es ist davon auszugehen, dass dieses Projekt nur durch Umsiedlung und Vertreibung der lokalen Bevölkerung realisiert werden kann.
All diese Pläne sind nicht unbedingt neu. Besorgniserregend ist jedoch, dass Bukele bereits angekündigt hat, darauf hinzuarbeiten, dass Projekte, die der wirtschaftlichen Entwicklung dienen, nicht durch Umweltauflagen oder Ähnlichem behindert würden. Weiterhin offen ist die Frage der drohenden Privatisierung der Wasserversorgung. Ein entsprechendes im Parlament eingebrachtes Gesetz liegt nach massiven Protesten der Bevölkerung in der Vergangenheit weiterhin auf Eis. Es wird jedoch erwartet, dass nach der Amtseinführung des neuen Präsidenten das rechte Lager entsprechend Druck für eine rasche Umsetzung der Vorlage ausüben wird.
Allgemein stellt man sich in El Salvador die Frage, wie die neue Führung im Land mit den zu erwartenden Demonstrationen im Land umgehen wird. Ein massives Ansteigen der Repression wird nicht ausgeschlossen. Offen ist weiterhin, wie sich die linke Bewegung angesichts der geänderten politischen Kräfteverhältnisse in dem kleinen mittelamerikanischen Land neu aufstellen wird.
Die FMLN hat unmittelbar nach ihrer Wahlniederlage beschlossen, bei vorgezogenen internen Wahlen am 16. Juni die wichtigsten Posten der Partei auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene neu zu besetzen. Was auf den ersten Blick wie ein positiver Neuanfang gesehen werden kann, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ein recht komplizierter und ambivalenter Prozess mit offenem Ausgang. Denn auch wenn die alte Führung der Partei bei den Wahlen nicht mehr antreten wird, bemängeln Mitglieder der Basis, dass viele der aufgestellten Kandidatinnen und Kandidaten aus dem Dunstkreis der alten Führung entspringen bzw. Söhne oder Töchter einflussreicher Funktionäre sind. Berichtet wird außerdem, dass innerhalb der Partei Druck ausgeübt und für ein konformes Wahlverhalten Vergünstigungen und lukrative Posten in Aussicht gestellt werden.
Angesichts dessen sind innerhalb der sozialen Bewegung Stimmen zu hören, die wenig Hoffnung in den propagierten Erneuerungsprozess der Partei legen und eher dafür plädieren, eine neue Struktur aufzubauen. Andere hingegen setzen darauf, entsprechend der neuen Losung der FLMN "Jetzt ist die Zeit des Territoriums" innerhalb der Partei für Veränderungen zu kämpfen. Dieser Leitsatz will den Mitgliedern vermitteln, dass die Basis in Zukunft wieder mehr Einfluss bekommen soll.
Hoffnung auf ein Wiedererstarkten einer linken Bewegung macht die Tatsache, dass es in El Salvador vergleichsweise viele Gruppen mit einem ausgeprägten linken Bewusstsein sowie verschiedene Erfahrungen der sozialen Organisation und politischen Praxis gibt. Allerdings wird bei Gesprächen vor Ort häufig auch die selbstkritische Einschätzung vertreten, dass diese verschiedenen Gruppen allzu oft verstreut arbeiten und nicht immer an einem Strang ziehen.
Entscheidend für die Neuetablierung eines gemeinsamen linken Projektes wird dabei sein, Eitelkeiten von Einzelpersonen bzw. Gruppen zu überwinden sowie unterschiedliche ideologische Positionen so zu klären, dass eine konstruktive Zusammenarbeit in den entscheidenden Fragen des Landes möglich wird.