UPDATE 1 zur Situation in Nicaragua: Weitere Proteste nach Rücknahme der Reformen
Von Öku-Büro, München. 24.4.2018
Wie bereits auch verschiedene deutsche Medien berichten, hat der Präsident Nicaraguas Daniel Ortega die umstrittenen Reformen der Rentenkassen zurückgenommen. Die trotzdem anhaltenden Proteste zeigen jedoch, dass die Gründe für den Unmut der Bevölkerung weitaus tiefer liegen.
Zentraler Punkt des Widerstandes ist weiterhin die polytechnische Universität (UPOLI). Student*innengruppen und deren Unterstützer*innen haben sich dort verbarrikadiert. Versuche der Polizei das Gelände zu stürmen blieben bisher erfolglos. In einem Gespräch mit der Presse beklagten die Student*innen am gestrigen Montag jedoch mindestens zwei weitere Todesopfer. Diese seien durch Schüsse bei Angriffen der Polizei ums Leben gekommen. Des Weiteren gibt es eine nicht näher genannte Anzahl von Verletzen.
In der Nacht auf Sonntag kam in der Stadt Bluefields ebenfalls ein Reporter durch Schussverletzungen ums Leben, während dieser live auf Facebook von den dort stattfindenden Protesten berichtete.
Anwohner verhindern Plünderungen
Thema am Wochenende waren auch die an vielen Punkten stattfindenden Plünderungen. Von Seiten der Protestierenden wurden zum Teil Gruppen von Sandinist*innen für diese verantwortlich gemacht, während die Regierung und deren Organe rechte Aufwiegler beschuldigen. Es kann jedoch auch gut sein, dass gewöhnliche Kriminelle die Gunst der Stunde nutzen wollen, um an Konsumgüter oder Lebensmittel zu gelangen. Andere Berichte des Fernsehsenders 100%Noticas zeigen wiederum, wie Anwohner sich organisieren und sich schützend vor den Läden ihrer Stadtviertel positionieren. Die Student*innen der UPOLI wiederum distanzieren sich in mehreren Statements klar von den Plünderungen.
Zweifelhaftes Dialogangebot und Forderungen nach Rücktritt
Ortega selbst hofft die Krise durch einen angekündigten Dialog mit dem Unternehmerverband COSEP unter Aufsicht der katholischen Kirche lösen zu können. Der Unternehmerverband selbst fordert jedoch auch die Teilnahme der Student*innen. Von diesen wie auch von weiten Teilen der Zivilgesellschaft wird die Rolle des COSEP jedoch kritisch bis ablehnen betrachtet. So sind gewisse Eigeninteressen des Unternehmerverbandes offensichtlich. Stattdessen wird ein Dialog über die Zukunft Nicaraguas unter einer breiten Beteiligung der Zivilgesellschaftlich eingefordert. Angesichts der brutalen Repression der vergangenen Tage mehren sich jedoch auch die Stimmen, die einen Rücktritt des Präsidenten und seiner Gattin fordern.
Größte Demonstration seit mehr als 10 Jahren
Am gestrigen Montag dann starteten in der Hauptstand Managua mehrere Demonstrationszüge in Richtung der UPOLI, um die dort verbarrikadierten Student*innen zu unterstützen. Ohne eine genaue Zahl zu nennen, handelte es sich dabei laut Zeitungsberichten um die größte Demonstration Nicaraguas der vergangenen zehn Jahre.