Opposition in Nicaragua schließt sich zu Nationaler Koalition zusammen
Bündnis aus traditionellen Rechten, Oligarchie, sozialen Organisationen und Sandinistischen Erneuerern will Präsident Ortega besiegen
Der Beitrag des Öku-Büros ist ebenfalls bei Amerika21 erschienen.
Managua. Sieben nicaraguanische Organisationen haben am Dienstag die "Nationale Koalition" (Coalición Nacional) gegründet. Dominiert wird dieses Bündnis von Kräften der traditionellen Rechten und der Oligarchie.
Es sind dies die "Liberale Verfassungspartei" des unter Korruptionsverdacht stehenden Politikers Arnoldo Alemán, dessen Pakt mit Daniel Ortega diesem im Jahre 2007 zum Wahlerfolg verholfen hatte. Die "Breite Demokratische Front" der Politikerin Violeta Granera, ein Zusammenschluss der "Bewegung für Nicaragua", der "Unabhängigen Liberalen Partei" sowie der bürgerlichen Abspaltung des historischen Sandinismus, dem MRS (Sandinistische Erneuerungsbewegung). Die "Bürgerallianz" hingegen wird von Figuren wie dem Unternehmer und Mitglied der traditionellen Oligarchie Juan Sebastian Chamorro repräsentiert. Eine weitere führende Persönlichkeit ist Azahálea Solís von der "Autonomen Frauenbewegung". Seit 2007 wurde diese zunächst politisch und später auch finanziell durch die USA unterstützt, damit ‒ aus Perspektive der US-Botschaft ‒ sozialistische politische Projekte wie in Venezuela oder in Bolivien nicht auch in Nicaragua Fuß fassen könnten.
Die in den Medien sichtbarsten Vertreter der "Blau-Weißen Nationalen Allianz", die ebenfalls Teil der Koalition ist, sind die oben erwähnte Politikerin Granera sowie Felix Maradiaga. Er war von 1997 bis 2006 ranghoher Mitarbeiter im Verteidigungsministerium in der Regierung Enrique Bolaños. Maradiaga gilt als bestens vernetzt in der Welt des Unternehmertums und mit der politischen Elite der USA. Tätig war er bereits für die der Oligarchenfamilie Coen nahestehende Grupo Coen. Daneben stehen Beratertätigkeiten für Organisationen im Bereich Politik und Wirtschaft, unter anderem die politische US-Stiftung National Democratic Insitute.
Teil der UNAB ist die "Vernetzung sozialer Bewegungen". Sie besteht aus mehr als 60 Gruppen und Organisationen, einschließlich ihrer Netzwerke. Innerhalb dieser Bewegung ist ein in Teilen linker Diskurs gemischt mit liberalen Werten wahrnehmbar. Angesichts ihrer positiven Haltung zum Putsch in Bolivien sowie der engen Kooperation mit der politischen Rechten und der Oligarchie ist unklar, inwiefern sich dieser Zusammenschluss tatsächlich einer linken bzw. demokratischen Politik verpflichtet sieht.
Weitere Mitglieder der Nationalen Koalition sind Parteien wie die der Demokratischen Restauration (PRD), die indigene Partei Yatama sowie die Bauernbewegung um Medardo Mairena.
Nicht beteiligt sind die wichtige Anführerin der Anti-Kanalbewegung, Francisca Ramirez, und die Partei "Bürger für die Freiheit", die bei den letzten Kommunalwahlen Siege in mehreren Landkreisen erringen konnte.
Laut Wilfredo Miranda Aburto vom Oppositionsmedium Confidencial sind die gemeinsamen Anliegen der Nationalen Koalition "die Wiederherstellung politischer Freiheiten, die Freilassung politischer Gefangener und Wahlreformen, die zu freien und transparenten Wahlen führen". Gleichzeitig jedoch stellt sich die Koalition historisch in eine Linie mit Violeta Barrios de Chamorro.
Chamorro hatte mit einer vereinigten Opposition bei den Wahlen 1990 die FSLN besiegt. Der Grund war eine durch den Contra-Krieg und Sanktionen zermürbte Bevölkerung, die Frieden um jeden Preis wollte. Gekennzeichnet war die Politik Chamorros durch harte neoliberale Reformen, Massenentlassungen im öffentlichen Sektor sowie dem Niedergang des Gesundheits- und Bildungssystems. Nach drei Jahren Amtszeit fanden sich 70 Prozent der Nicaraguaner in kritischer Armut wieder, 60 Prozent der aktiven Bevölkerung waren arbeitslos.
Ob es einem solchen politischen Spektrum gelingen kann, bei den Präsidentschaftswahlen im November 2021 zu gewinnen, ist fraglich. Daniel Ortega käme laut Umfragen von M&R Consultores (September 2019) auf einen Stimmanteil zwischen 37,5 Prozent (sichere Stimmen) und 52,5 Prozent, die Oppositionsparteien auf zwischen 3,1 und 11,2 Prozent.
Die mangelnde Zustimmung im Inland versucht die Opposition durch Unterstützung im Ausland auszugleichen. Eine Strategie dabei ist es, durch das Erreichen von Sanktionen die Bevölkerung gegen die Regierung aufzubringen. Beispiel dafür sind die im Dezember verhängten Sanktionen der USA gegen die Erdölgesellschaft Petronic, deren Aufgabe es war, günstige Treibstoffpreise für das Transportwesen sicherzustellen. Auch gegenüber Abgeordneten des Europaparlaments forderte die rechte Opposition vor kurzem, den Sanktionsdruck auf Nicaragua zu erhöhen.
Eine im November 2019 im Bundestag eingebrachte Beschlussempfehlung von Bündnis 90/Die Grünen zum zeitweiligen Ausschluss Nicaraguas aus dem Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union fand indes keine Mehrheit.
Sanktionen, die hierzulande gerne mit dem Verweis auf die Menschenrechtslage und Demokratiedefizite gerechtfertigt werden, stoßen jenseits des rechten Oppositionsspektrums in Nicaragua auf scharfe Ablehnung. Gewerkschaften, Vertreter des Kleinunternehmertums oder der Kommunalbewegung lehnen ausländische Strafmaßnahmen als Verletzung der Souveränität des Landes ab.
In einer Pressemitteilung kritisieren in diesem Zusammenhang sechs bedeutende soziale Organisationen Nicaraguas eine Opposition, "die bereit ist, die nationale Ökonomie zu zerstören, um politische Ziele zu erreichen, ohne dabei die Auswirkungen auf die Bevölkerung zu berücksichtigen". Anstatt zu versuchen, Legitimität durch Handlungen anderer Länder zu gewinnen, sollte sie stattdessen ihren Kampf auf die politische Ebene beschränken, wie dies "in zivilisierten Ländern" üblich sei.