Projekttage und Workshops mit Schüler*innen sind ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit. Zum einen bieten wir immer wieder Aktivitäten mit Gäst*innen aus Lateinamerika an. 2023 waren dies zum Beispiel Schuldoppelstunden zu Privatstädten in Honduras und zum Gewaltsamen Verschwindenlassen in Mexiko (siehe dazu die Berichte zu den jeweiligen Ländern). Zum anderen entwickeln wir jedoch auch permanente Angebote für verschiedene Schultypen und Jahrgangsstufen, die von unseren Mitarbeitenden selbst in Absprache mit den Lehrkräften gestaltet werden. Zwei davon, die wir 2023 zum ersten Mal umgesetzt haben, stellen wir hier vor.
Projekttag für Gymnasien: Auswirkungen der Drogenproduktion am Beispiel Kolumbien
Anfang Dezember 2023 diskutierte unser Kolumbien-Referent Alejandro Pacheco mit 39 Schüler*innen aus Spanisch-Leistungskursen und drei Lehrkräften des Münchner Michaeli-Gymnasiums die Probleme entlang der Heroin- und Kokainproduktionskette.
Der Projekttag hat zum Ziel, Schüler*innen der Oberstufe am Beispiel Kolumbiens über die Gefahren der Drogenproduktion zu sensibilisieren und sie über den Ursprung und die ökonomischen, sozialen, politischen und kulturellen Folgen zu unterrichten. Wir wollen zudem das Bewusstsein für das Problem der Klischees (Kolumbien = Drogenkartelle) schärfen und die Bedeutung des Koka-Blattes und anderer Pflanzen für die indigenen Gemeinschaften sichtbar machen. Auf diese Weise versuchen wir, den Schüler*innen näherzubringen, wie wichtig die Suche nach Frieden und die Achtung der Menschenrechte in den Ländern ist, die an der Drogenproduktion beteiligt sind.
Nach einem spielerischen Einstieg folgte ein einführender Vortrag mit Informationen über Kolumbien. Anschließend wurden die Probleme der Drogenproduktion für Mensch und Natur anhand von Videos und Fotos erörtert. Der Informationsblock endete mit einer Darstellung der "Narcokultur". Danach analysierten die Schüler*innen in Arbeitsgruppen die Lieferketten von Kokain und Heroin. Inder Gruppenarbeit diskutierten sie über das Netz, das sich rund um den Globus um die Produktion von Kokain bildet, über Distribution/Verteilung/Export des Produktes und vor allem welche Probleme dadurch vor Ort und unter den Konsumierenden entstehen. Dazu gehörten gesundheitliche und soziale Aspekte, gewaltsame Vertreibung, Umweltschäden zum Beispiel durch Chemikalieneinsatz, Konflikte, Gewalt und Korruption.
Abschließend beantwortete unser Kolumbienreferent Fragen aus der Gruppenarbeit und öffnete den Raum für eine Diskussion über die Handlungsmöglichkeiten im eigenen Umfeld.
Die Schüler*innen bewerteten unter anderem die folgenden Punkte sehr positiv: Videos, Fotos und Karten, Kokablätter sehen und anfassen zu können und über ihre traditionelle Bedeutung abseits der Kokainproduktion zu lernen, Interaktivität, die Spracherfahrung auf Spanisch, informative Statistiken, Informationen über die Umweltfolgen der Kokainproduktion, Diskussion über Klischees und „Narcokultur“. Neu waren für sie Informationen über miteinander verwobene Konflikte (Kohle, Drogen, Staudämme, Umsiedlungen, Vertreibung, Korruption, Umweltprobleme). Ein Perspektivwechsel stellte sich in Bezug auf kulturelle Narco-Codes zum Beispiel in der Musik ein, hier rückte die Problematik der kulturellen Normalisierung von Gewalt in den Vordergrund.
Die Schüler*innen präsentierten unter anderem folgende Handlungsmöglichkeiten: Selbst keine Drogen zu konsumieren und sich mit dem neuen Wissen im Freundeskreis einzubringen. Im Bereich politischer Lösungen diskutierten sie kontrovers über repressive versus präventive Drogenpolitik, die möglichen Auswirkungen der Legalisierung illegaler Drogen für die produzierenden Gesellschaften sowie den Sinn und die Schwierigkeiten verschärfter Zoll- und Grenzkontrollen.
Motiviert durch den Projekttag entwickelte einige Teilnehmende in Eigeninitiative unter Anleitung unserer Mexikoreferentin Patricia Rendón, die auch Radiomacherin ist, eine einstündige Radiosendung zum Thema, die von Radio Lora München ausgestrahlt wurde .
Workshop für Mittelschulen: Klimakrise, Klimawandel, Klimagerechtigkeit
Im Dezember gaben wir zwei Workshops für 9. Klassen der Privaten Evangelischen Mittelschule Lukas in München. In diesen Schuldoppelstunden ging es darum, wie Klimawandel, Klimakrise und Klimagerechtigkeit miteinander verflochten sind. Ein Ziel war, die Jugendlichen für die (ungleichen) Machtverhältnisse zwischen den Ländern aus dem Globalen Norden und Süden und deren Folgen in Bezug auf den Klimawandel zu sensibilisieren. Mit interaktiven Methoden wurde über die Begrifflichkeit reflektiert, Übungen zu den Themen Positionierung bezüglich des Klimawandels und Privilegien durchgeführt und über Handlungsoptionen nachgedacht, um Klimakrise und Klimaungerechtigkeit zumindest zu verringern.
In Gruppenarbeit und im Plenum verwendeten die beiden Workshop-Leiter*innen Biancka Arruda Miranda und Ayana Dias da Silva Möhr verschiedene Materialien, u.a. die Weltkarte „Perspektiven Wechseln“, ein Video zum Thema Fast Fashion und die Folgen im Globalen Süden sowie einen Privilegien-Test. Anhand der Weltkarte „Perspektiven Wechseln“ konnten die Jugendlichen feststellen, wie verzerrt die gewohnte Darstellung ist. Sie waren überrascht, wie klein Europa in realen Proportionen erscheint. Die Weltkarte diente auch als Ausgangspunkt, um Begriffe wie Entwicklung, Globaler Norden und Süden zu klären.
„Klimagerechtigkeit“ erwies sich als schwieriger Begriff für die Schüler*innen. Deswegen tauschten sie sich zunächst über Gerechtigkeit aus. Danach bekamen sie die Aufgabe sich bezüglich der Frage "Habe ich einen Einfluss auf den Klimawandel?" zu positionieren. In einer Klasse positionierte sich die Mehrheit in der Mitte und die meisten Schüler*innen benannten ihr Konsumverhalten als einen Einflussfaktor. Sie reflektierten auch, ob man als Kollektiv etwas ändern kann. In der anderen Klasse glaubte die Mehrheit, keinen Einfluss auf den Klimawandel zu haben. Der Grund sei, dass man als Individuum keinen Unterschied mache und kaum etwas bewegen könne. Einige Schüler*innen waren damit nicht einverstanden und es entstand eine lebhafte Diskussion.
Eine weitere Übung war zu reflektieren, ob Fliegen ein Klimakiller ist. Der Unterschied zwischen dem Flugzeug und anderen Verkehrsmitteln für den Klimawandel wurde am CO2 Anstoß gemessen und alternative Arten der Mobilität diskutiert. Das nächste Thema war die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Die Jugendlichen tauschten sich aus und stellten fest: Es gab weniger Produkte im Supermarkt, weil es schwieriger war, Lebensmittel zu transportieren (Lieferketten), und daher die Preise stiegen. Flüge wurden abgesagt, daher gab es weniger Luftverschmutzung. Venedig wurde als Beispiel verwendet, wie Tiere während der Pandemie dorthin zurückkehrten, weil das Wasser aufgrund des geringeren Bootsverkehrs sauberer war.
Anschließend zeigten wir einen kurzen Film zum Thema Fast Fashion. Die Schüler*innen waren beeindruckt von der Menge an Textilmüll, der durch den im Globalen Norden verursachten Fast Fashion-Markt erzeugt wird, und welche Folgen für Menschen, Umwelt und Wirtschaft dadurch in Ländern des Globalen Südens wie Ghana entstehen. Sie überprüften die Etiketten ihrer Kleidung, um zu erfahren, aus welchen Ländern sie stammt, und stellten fest, dass keine von ihnen in Deutschland beziehungsweise Europa hergestellt wurde. Alternativen wie der Kauf von Second Hand Kleidung wurden diskutiert. Anschließend wurde die Frage gestellt, ob Klima-Aktivismus zur Lösung beiträgt. In beiden Klassen war die Mehrheit mit dem Begriff vertraut und kannte Greta Thunberg. Die meisten waren aber mit bestimmten Aktionsformen nicht einverstanden oder konnten sie nicht verstehen.
Zum Abschluss gab es einen Test zum Thema „Privilegien“. Nach einigen Reflexionen stellten die Schüler*innen gemeinsam fest, dass der Globale Norden Wohlstand, politische Freiheit und wirtschaftliche Entwicklung auf Kosten des Globalen Südens erreicht. Sie benannten Ungleichheit und die dadurch bedingten Abhängigkeitsverhältnisse.