Aktivitäten zu Brasilien
Unsere Mitarbeiterin zu Brasilien, Biancka Arruda Miranda, hat 2023 mit vielfältiger Vernetzungsarbeit begonnen. Neben dem Knüpfen von deutschlandweiten Kontakten konnte sie Ende April am ATL – Acampamento Terra Livre (Camp freies Land), der größten Versammlung von Indigenen in Brasília und im September an der Marcha das Mulheres Indigenas (Marsch der Indigenen Frauen) teilnehmen. Im Juli vertrat sie das Ökubüro beim „Gipfel der Völker", parallel zum Gipfel von EU-CELAC (Gemeinschaft der karibischen und lateinamerikanischen Staaten) in Brüssel und beteiligte sich an Aktionen. Zur Situation in Brasilien erschienen drei Artikel:
https://amerika21.de/analyse/263946/camp-der-hoffnung-brasilien
https://amerika21.de/2023/06/264241/brasilien-marco-temporal-gegen-indigene
https://amerika21.de/2023/10/266253/brasilien-senat-fuer-marco-temporal
Film & Gespräch: Vento na Fronteira (The wind blows the border)
Am 14. Dezember zeigten wir in München in Kooperation mit dem Nord-Süd-Forum, Pro Regenwald, der Gesellschaft für bedrohte Völker, Oekom e.V. und Morgen e.V. den brasilianischen Dokumentarfilm „Vento na Fronteira (2022) und diskutierten mit der Regisseurin Marina Weis und Biancka Arruda Miranda über die in dem Film dargestellten gegensätzlichen Sichtweisen auf ländliche „Entwicklung“.
In der Diskussion ging es um den Kampf um die Territorien, eine Konstante in Brasiliens Geschichte seit der Kolonisierung. Das Publikums war sehr interessiert, mehr über die Verflechtungen und die Macht der Agrarindustrie in Brasilien zu erfahren. Die Referent*innen analysierten, wie mächtig das Agrobusiness auch in der Regierung Lulas ist, da es im Parlament die Mehrheit der Abgeordneten stellt. Im Abgeordnetenhaus (Camara dos Deputados) gehören 300 von 513 Parlamentarier*innen der überparteilichen Fraktion der Ruralistas an und im Bundessenat (Senado Federal) sind es 47 von 81 Senator*innen. Aktuell werden mehr als 100 Gesetzentwürfe und Anträge in beiden Häusern des Kongresses behandelt, die die verfassungsmäßige Rechte der Indigene in Frage stellen. Meist geht es bei diesen Vorhaben darum, das Recht auf Ausweisung von indigenem Land einzuschränken. Allein im Jahr 2017 wurden 848 anti-indigene Anträge bearbeitet; von 2015 bis 2017 kam es zu 1.930 Gesetzgebungsinitiativen gegen die Ansprüche indigener Völker.
Während der Regierung von Bolsonaro wurde eine anti-indigene Politik praktiziert: Nicht ein Zentimeter zusätzlich wurde als indigenes Schutzgebiet demarkiert. Während der ersten Lula Regierung waren sechs Territorien ausgewiesen worden. Der Indigenen-Dachverband Apib (Articulacao dos Povos Índigenas doe Brasil) wies darauf hin, dass acht weitere Territorien bereits unterschriftsreif demarkiert seien und auf Vollzug warteten. Demzufolge werden über tausend Territorien von indigenen Völkern beansprucht.
Angesprochen wurde auch die Rolle der transnationalen Unternehmen, die das Agrobusiness finanziell unterstützen. 44 Prozent der Mitglieder des brasilianischen Parlaments waren 2019 Teil der parlamentarischen Interessenvertretung für die brasilianische Agrarindustrie (FPA – Frente Parlamentar Agro), die vom Institut Pensar Agro (IPA) unterstützt wird. Das Institut wiederum wird von mehr als 40 Verbänden finanziert, zu denen laut der Zeitschrift Forbes auch die transnationalen Konzerne Bayer, BASF, BRF, JBS, Syngenta, Bunge und Cargill gehören.