Tournee mit Rapperinnen aus Kolumbien und Mexiko
Rap ist ein Musikstil, der von fremdenfeindlichem und homophobem Machismo geprägt ist. Aber er ist auch ein Stil mit einem ganz besonderen und eingängigen Rhythmus, mit dem auch Botschaften des Friedens, der Vielfalt und der Gleichheit vermittelt werden können. „Deshalb arbeiten wir mit Rap und Hip-Hop, um unsere Gemeinden zu verändern“, so Diana Avella aus Kolumbien. „Die Musikindustrie macht die Körper der Frauen zu Objekten. Das hat nicht nur mit Musik zu tun, sondern auch mit einem patriarchalischen System und einem strukturellen Problem des Kapitalismus“, ergänzt Audry Funk aus Mexiko.
Kreativer Widerstand aus der Hip-Hop Szene
Erstmals lud das Ökubüro 2022 zwei Vertreterinnen des feministischen Hip-Hop aus Lateinamerika ein, um den gemeinsamen Kampf für Frauenrechte zu thematisieren. Wir bekamen die Unterstützung des Kulturreferats der Landeshauptstadt München und arbeiteten eng mit der Abteilung Internationales und Urbane Kulturen sowie mit zahlreichen Organisationen, Gruppen, Initiativen und Einzelpersonen aus München und sechs weiteren Städten in Deutschland zusammen.
Audry Funk und Diana Avella sind politisch aktiv, sie sind Hip-Hop Künstlerinnen, Feministinnen und Referentinnen für Themen wie Frauenrechte und Diversität. Sie sind auch Migrantinnen, wie die Koordinator*innen des Projektes, die Mexiko-Referentin und der Kolumbien-Referent des Ökubüros. So kam unsere „Abya Yala RapToure“ zustande, eine Deutschlandtournee mit Musik, Vorträgen, Diskussionen und Workshops. Ein internationaler Austausch, der neue Perspektiven schaffte, sowohl für das Publikum als auch für uns als Organisator*innen und für die beiden Künstlerinnen.
In Germering gaben Audry und Diana einen Workshop an der Kerschensteiner Schule. 19 Mädchen im Alter zwischen 14 und 16 Jahren nahmen sehr aktiv teil. Sie tauschten sich mit Diana und Audry über die Verstöße und Übergriffe aus, denen sie als Mädchen ausgesetzt sind. Es war für uns als Münchner Organisator*innen überraschend, welche Probleme die Mädchen hier in Deutschland erlebt haben. Am Ende schrieben und rappten sie mit Hilfe von Diana und Audry und begleitet von DJ Pkz aus Bogotá einen Vers über ihre Erfahrungen und Wünsche. „Ich fühle mich empowert. Die Diskussion zeigte mir, dass ich nicht alleine bin und dass wir zusammen als Mädchen und Frauen gegen die Macho-Gesellschaft kämpfen müssen“, sagte eine Teilnehmerin des Workshops.(1)
Im Milla Club in München teilten Diana und Audry den Stage mit der Rapperin Kokonelle aus Burkina Faso und mit dem DJ Jabbar aus München. Vor rund 100 Zuhörer*innen sangen Audry und Diana nicht nur, sondern erzählten auch ihre Geschichte und über die Situation der Frauen in Kolumbien und Mexiko.
In einem Workshop im Bellevue di Monaco vertieften Audry und Diana die Grundthemen der Tournee. Taiga Trece, eine Rapperin aus München, brachte ihre Erfahrung als Leiterin von Workshops zur Stärkung von Frauen und Mädchen durch Rap in Deutschland und Mexiko ein und moderierte. Wir diskutierten über die sozialen und politischen Forderungen der Frauen und FLINTA* im globalen Süden, um die Zusammenhänge zwischen Kultur, Diversität und nachhaltiger Entwicklung zu veranschaulichen und zur Suche nach Lösungen zu ermutigen.
Es kann das Leben kosten, als Frau geboren zu sein Audry betonte, dass Kolumbien und Mexiko in weiten Teilen das gleiche soziale Gefüge haben. In Mexiko werden jeden Tag 12 Frauen ermordet, und das darf nicht als normal empfunden werden. Beide Länder werden von einem Narcostaat regiert. Es kann eine das Leben kosten, Journalistin zu sein, sich für die Rechte der Frauen einzusetzen oder einfach als Frau geboren zu sein. „Irgendwann gab es eine Verfolgung durch den Drogenstaat, und deshalb bin ich ausgewandert. Ich hatte Angst, dass mir oder meiner Familie etwas zustoßen könnte“, erzählte Audry.
Diana präsentierte im Workshop unter anderem das Lied Militares der Gruppe Reincidentes BTA, das von der Vergewaltigung eines Mädchens durch sieben Soldaten handelt.(2)
Sie erläuterte, wie Frauen in Konflikten in Ländern wie Kolumbien und Mexiko zur Kriegsbeute oder zum Kriegsobjekt werden: „Wenn eine Frau geschändet wird, wird die Gemeinschaft geschändet, werden die Männer (Krieger) dieser Gemeinschaft geschändet. Und wenn sie ihre Kinder verletzen, verletzen sie direkt die Frauen.“
Die Teilnehmer*innen diskutierten zusammen mit Audry und Diana über die Rolle von Kultur als Instrument der politischen Bildung. Audry und Diana stellten einige ihrer Erfahrungen mit Workshops in Stadtvierteln und Einrichtungen vor, die sich an ganz bestimmte Zielgruppen richteten, zum Beispiel an Konfliktopfer, vergewaltigte Frauen und junge Mädchen in Schulen. „Durch Hip-Hop ist es uns gelungen, sehr sensible Themen in die Schulen und Nachbarschaften zu bringen. Wir konnten unter anderem über Frauenmorde, Führungsqualitäten und Friedensbildung sprechen“, so Diana. „Es ist notwendig, diese Aktivitäten in internationale Räume wie diesen hier zu tragen. Deshalb bin ich sehr dankbar für diese Einladung und dafür, dass ich hier in Deutschland Bildung mit Hip-Hop verbinden kann“, so Audry weiter.
Eine Welt, in der viele Welten koexistieren
Taiga Trece betonte die Notwendigkeit, derartige Prozesse und Aktivismen, die aus der Hip-Hop Community hervorgehen, zu stärken. Wichtig dabei sind Diversität und Intersektionalität. Audry Funk: „Politisches Denken muss eindeutig intersektional sein, in dem Wissen, dass die Welt vielfältig ist und wir deshalb in dieser Welt mit so vielen Welten koexistieren.“ Nach einer Diskussionsrunde wurde vorgeschlagen, Multiplikator*inneneffekte durch die Förderung von Inklusion und Vielfalt in feministischen Bewegungen und in allen Arten von Aktivismus durch Veranstaltungen und Kampagnen zu erzielen. Als erste konkrete Maßnahme wurde die kolumbianische trans*Aktivistin Mariposa auf das Abschlusspodium der RapToure eingeladen.
Die Diskussion über Handlungsmöglichkeiten drehte sich vor allem auch um die Produktion und die Weitergabe von Wissen. „Das Wissen, das in Workshops in nicht-akademischen Räumen erarbeitet wird, kann zum Beispiel durch Zertifikate von Organisationen im Ausland validiert werden. Außerdem sollten Diskussionen und ein Wissensaustausch Süd-Nord-Süd angeregt werden“, fassten die Teilnehmenden zusammen. Im Anschluss an das Seminar wurde weiter Musik gemacht und im informellen Rahmen über die Möglichkeiten des Austauschs, der Zusammenarbeit und der gegenseitigen schwesterlichen Unterstützung (sorority) zwischen Lateinamerika und Deutschland auf der Ebene der Basisorganisationen (Vereine, Kollektive, Initiativen) diskutiert.(3)
Audry und Diana besuchten auch das berühmte Tonstudio 58Beats und tauschten sich mit Künstler*innen und Kollektiven aus München aus. Anschließend gingen wir auf Tour – mit zwei Veranstaltungen in Hamburg und je einer in Berlin, Frankfurt, Erfurt, Leipzig und Hannover. Die koordinierenden Organisationen oder Kollektive in den verschiedenen Städten organisierten insgesamt sieben Gespräche und Vorträge mit einem musikalischen Abschluss. In mehreren Städten gab es dazu Treffen mit politischen Persönlichkeiten.(4)
Für uns war es sehr bereichernd, aus den Erfahrungen von Diana und Audry zu lernen, wie sie Hip-Hop & Poetry als bildungspolitisches Instrument einsetzen. Bekräftigt wurde diese Lernerfahrung mit einem Workshop „Schulprojekt in Bogotá zum Bericht der Wahrheitskommission. Passen Hip-Hop und die entwicklungspolitische Bildungsarbeit zusammen?“. Der Workshop wurde von Juan Diego Pacheco, dem Sohn von Diana Avella, auch bekannt als DJ pkz, geleitet. Als 14-jähriger kolumbianischer Schüler leitete er an seiner Schule La Palestina in Bogotá ein Projekt für die Verbreitung und Analyse des Berichts der kolumbianischen Wahrheitskommission. Er entwickelte ein Konzept, um die Ergebnisse des Berichts mit kolumbianischer Rap-Musik zu verbinden.
Ein großes Dankeschön geht an Patricia Müller vom Kulturreferat für die wichtige Unterstützung auch in der konzeptionellen Arbeit, an das Projekt Wor(l)d Connects und das Studio 58Beats, an Taiga13, an Raphael für die Übersetzung, an Waseem, Kokonelle und DJ Jabber für die Unterstützung für das Konzert, an den Germeringer Stadtrat Johannes Landendinger für die Koordinierung mit der Schule und an unsere Nachbarinnen, das Atelier und Ausbildungsprojekt La Silhouette, für die tollen Kostüme für den Auftritt unserer Gäste. Genauso vielen Dank an alle Kollektive, Gruppen und Personen, die die RapToure unterstützt haben.
(1) Ausschnitte aus dem Workshop:
https://www.instagram.com/p/CltVd1voPpe/
https://www.instagram.com/p/CltVkT_KDQd/
(2) https://www.youtube.com/watch?v=g2eWb-PvIkQ
(3) Radiobeiträge von der Tournee:
https://www.radio-frei.de/?iid=1&ksubmit_show=sendung&kunixtime=1671904800
https://www.latinotopia.net/novedades/audry-funk-y-diana-avella-hip-hop-comprometido-de-gira-en-alemania/
Contacto Latinoamérica im Radio RheinWelle 92,5 FM Wiesbaden in Kooperation mit Rohkomm Frankfurt
https://www.youtube.com/live/rzqTl5Xcndo?feature=share&t=3344
(4) Medieninterviews:
https://www.latinotopia.net/novedades/audry-funk-y-diana-avella-hip-hop-comprometido-de-gira-en-alemania,
Austausch mit Hip-Hop Künstler*innen und mit den Organisationen, die an der Tour teilnahmen.