Nicaragua
Länderteil
Das Jahr 2021 stand in Nicaragua vollständig im Zeichen der Präsidentschaftswahlen im November. Entschieden war die Wahl aber schon im Sommer, als die Regierung innerhalb weniger Wochen die meisten prominenten Oppositionspolitiker*innen, einige Medienschaffende und zum Schluss auch die Vorsitzenden des Unternehmerverbandes verhaftete und die entscheidenden Oppositionsparteien von der Wahl ausschloss. Die Bedingungen der Wahl am 7. November 2021 mit dem haushohen Wahlsieg der FSLN und der Wiederwahl des Präsidentenpaares Daniel Ortega und Rosario Murillo stießen auf breite internationale Ablehnung. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) sprachen der Wahl die demokratische Legitimität ab, worauf die nicaraguanische Regierung ihren Austritt aus der OAS bekannt gab. Im Land selbst verschärfte sich die Repression ständig.
Sowohl die Regierung als auch die Opposition machten dort weiter, wo sie im Jahr davor geendet hatten. Die Regierung verfolgte zielstrebig gesetzgeberische Aktivitäten zur Vorbereitung des geplanten Wahlsieges und die Opposition mühte sich weiter die angestrebte „nationale Einheit“ zu erreichen.
Wahlvorbereitungen der Regierung Ortega – neue Gesetze
Das wichtigste Gesetz zur Vorbereitung des Wahlsieges, das Gesetz 1055, war schon im Dezember 2020 verabschiedet worden. Darin waren viele neue Gründe festgelegt worden, wegen derer Nicaraguaner*innen nicht gewählt werden können.(1) Damit war die Grundlage gelegt. Im Januar 2021 ging es dann an die Feinarbeit. Das Parlament reformierte mit den Stimmen der FSLN die Strafprozessordnung. In dieser war bisher festgelegt, dass die Zeitspanne zwischen der Verhaftung und der Anklageerhebung maximal 48 Stunden betragen darf. Diese Frist wurde auf 90 Tage verlängert.(2) Das bedeutete im Klartext, dass die Justiz ab sofort jederzeit Verdächtige für drei Monate „legal“ aus dem Verkehr ziehen konnte. Im April 2021 brachte die FSLN dann noch eine Reform des Wahlgesetzes auf den Weg. Wer sich bei der Ankündigung dieses Vorhabens hoffnungsvoll an eine Resolution der OAS vom Oktober 2020 erinnerte, in der die nicaraguanische Regierung aufgefordert worden war, bis zum Mai 2021 die Voraussetzungen für die Abhaltung „freier und gerechter Wahlen“ zu schaffen, der lag komplett falsch. Bei der Reform ging es nicht um die Installation einer unabhängigen Wahlbeobachtung, sondern darum, die neuen repressiven Gesetze, wie das Gesetz 1055, auch im Wahlgesetz zu verankern.(3) Daneben hat die Reform aber auch eine wichtige und sehr progressive Komponente. Es schreibt bei der Aufstellung der Kandidat*innen auf allen Ebenen die zahlenmäßige Gleichstellung der Geschlechter vor.
Die Opposition sucht die Einheit und findet viele potentielle Präsidentschaftskandidatinnen
Während die Regierung sich offensichtlich sehr konzentriert auf die Wahlen vorbereitete, zeigte die Opposition ein Bild der Unentschlossenheit und Uneinigkeit. Zwar begann im Januar 2021 eine Gruppe der Opposition zu untersuchen, wie man denn zu einer Allianz gegen Ortega gelangen könnte. Dieser neue Versuch verlief aber genau wie die vorhergehenden, es ging nichts voran. Die beteiligten politischen Parteien und Organisationen(4) waren sich zwar in zwei Dingen einig, diese waren aber unvereinbar. Sie wollten Ortega und die FSLN bei den Wahlen zwar besiegen, aber von diesem Sieg wollte jede selbst so viel wie möglich profitieren. Die politischen Aussagen beschränkten sich darauf, dass das Land demokratische Wahlen brauche, was absolut richtig ist. Aber welche Politik das Land denn nach einem möglichen Wahlsieg der Opposition zu erwarten habe, das erfuhr das Land nicht. Stattdessen wurde die politische Arena der Opposition von der Suche nach einem Kandidaten oder einer Kandidatin für das Präsidentenamt beherrscht. Eine Parteienallianz gegen die FSLN war nicht in Sicht. Dafür gab es aber elf Namen von Bewerber*innen für die Präsidentschaftskandidatur – für die sich die Bezeichnung Präkandidat*innen fand und deren Wahlchancen in den Medien eifrig diskutiert wurden.
Bezeichnend für die politische Kultur in der nicaraguanischen Opposition ist, dass die Kandidatin, der man am ehesten einen Erfolg gegen Daniel Ortega zutraute, nirgends politisch angebunden war und damit auch keinerlei politische Erfahrung hatte: Cristiana Chamorro. Als Mitherausgeberin von La Prensa, der bedeutendsten Zeitung Nicaraguas, bestand ihre wichtigste Qualifikation für die Präsidentschaftskandidatur in ihrer Herkunft. Sie ist die Tochter von Violeta Chamorro, die bei den Präsidentschaftswahlen 1990 Daniel Ortega besiegt hatte. Und so erhoffte sich die Opposition, dass die Tochter es ihrer Mutter nachmachen würde.
Als ihre Hauptkonkurrenten galten die beiden Politiker Félix Maradiaga und Juan Sebastián Chamorro. Die Laufbahnen beider Politiker ähneln sich sehr. Beide begannen ihre politische Karriere in der letzten rechten Regierung unter Enrique Bolaños vor 2007. Félix Maradiaga war damals Secretario General im Verteidigungsministerium, während Juan Sebastián Chamorro verschiedene Ämter innehatte und es bis zum Vizefinanzminister brachte. Auch in den letzten Jahren hatten sie recht ähnliche Posten. Maradiaga wurde 2017 Direktor des Instituto de Estudios Estratégicos y Políticas Públicas (IEEPP) und Chamorro leitete die Fundación Nicaragüense para el Desarrollo Económico y Social (FUNIDES). Größere politische Prominenz gewannen beide erstmals während der politischen Proteste im Jahr 2018. Juan Sebastián Chamorro war Mitglied der Verhandlungskommission im Nationalen Dialog.
Diese politische Situation – eine uneinige Opposition mit wenig überzeugenden Kandidat*innen – spiegelt sich deutlich in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts CID Gallup aus dem Februar 2021 wider.(5) Einzelne Gruppen der Opposition kommen in der Umfrage maximal auf 4 Prozent, die FSLN dagegen auf 25 %. Vor allem aber zeigen 62 % der Befragten Sympathie für gar keine Partei.
Beginn des Wahlprozesses
Als der Oberste Wahlrat Anfang Mai den Terminplan für den Wahlprozess bis zum Wahltag am 7. November bekannt gab, war die Opposition völlig unvorbereitet. Auch hektische Verhandlungen zwischen den beiden Parteien PRD und CxL brachten keine Allianz zustande. Endgültig besiegelt wurde die Wahl für die Opposition dann in den nächsten Wochen, als der Oberste Wahlrat diese beiden Oppositionsparteien von der Wahl ausschloss und das Land von einer beispiellosen Verhaftungswelle überrollt wurde.
Wahlausschluss der Parteien PRD und CxL
Am 18. Mai 2021 gab der oberste Wahlrat CSE bekannt, dass er der PRD die Rechtspersönlichkeit entzogen habe.(6) Der CSE gab damit einem Antrag statt, den eine Gruppe von elf evangelikalen Geistlichen gestellt hatte. Begründet hatten sie ihren Antrag mit der Behauptung, sie „fühlten sich verletzt durch die Handlungen der Parteiführung“ der PRD. Diese suche Allianzen mit „Personen, die sich allen christlichen Grundsätzen widersetzen“.
Am 6. August wurde dann auch noch die letzte verbliebene echte Oppositionspartei, die CxL, von der Wahl ausgeschlossen.(7) Dabei konnte sich der CSE wieder auf Unterstützung aus dem rechten Lager verlassen. Die PLC(8) hatte den Wahlausschluss der Konkurrenz CxL beim Obersten Wahlrat beantragt; zum einen, weil die Parteivorsitzende Kitty Monterrey die doppelte Staatsbürgerschaft (Nicaragua/USA) besitzt, was gegen das Wahlgesetz verstoße, und zum anderen, weil die Partei CxL immer wieder das Gesetz 1055 missachte. Zur Staatsbürgerschaft der Parteivorsitzenden steht in dem von der PLC angeführten Artikel 49 Absatz 6, dass die „gesetzliche Vertreter*in“ einer Partei „Nicaraguaner*in sein muss“.(9) Der CSE stellte daraufhin innerhalb von wenigen Stunden fest, dass es bei der Ausstellung des Ausweises von Kitty Monterrey Unregelmäßigkeiten gegeben hätte, entzog ihr den Ausweis und schloss die Partei CxL von der Wahl aus. Das bedeutete, dass nur noch die Parteien zur Wahl zugelassen waren, die sich schon seit Jahren mit der FSLN arrangiert haben.
Die Details dieser beiden Wahlausschlüsse zeigen überdeutlich, dass der Oberste Wahlrat und das ganze Wahlsystem in Nicaragua grundlegend reformiert werden müssten.
Ein beispiellose Verhaftungswelle überrollt das Land
Zum Zeitpunkt des Wahlausschlusses der CxL Anfang August war die politische Aufmerksamkeit in Nicaragua schon mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Seit Juni waren politische Verhaftungen fast an der Tagesordnung. Begonnen hat es am 2. Juni, als plötzlich die „Präkandidatin“ Cristiana Chamorro verhaftet wurde. Bis Ende Juni war die Zahl der Verhafteten auf 19 gestiegen, bis Ende Juli auf 29. Am Wahltag, dem 7. November, waren 40 Oppositionelle, Politiker*innen und Medienschaffende neu in Haft. Alle wurden nach der neuen Strafprozessordnung für die maximal möglichen 90 Tage in Untersuchungshaft genommen. Und bei fast allen wurde untersucht, ob sie gegen das neue Gesetz 1055 verstoßen hatten. Es wurde ihnen „Verschwörung zur Untergrabung der nationalen Integrität“ vorgeworfen. Mehr ins Detail gingen die Kommuniqués der Justiz nicht. Man kann nur vermuten, dass sich der Verdacht auf den einzigen konkreten Teil dieses Gesetzes 1055, den Artikel 1, bezog, der diejenigen mit Strafe bedroht, die „die Verhängung von Sanktionen gegen den Staat Nicaragua und seine Bürger fordern, verherrlichen und beklatschen.“(10) Es muss hier ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass Verstöße gegen das Gesetz 1055 nur dazu führen, dass Schuldige „nicht gewählt werden können“. Da drängt sich sehr der Verdacht auf, dass die Verhaftungen mit der anstehenden Wahl zu tun haben könnten. In einigen Fällen wird bei den Verhafteten auch ein Verstoß gegen das Gesetz 977, das heißt der Verdacht auf Geldwäsche untersucht. Dies ist vor allem der Fall bei Cristiana Chamorro in ihrer Funktion als Vorsitzenden der Stiftung “Violeta Barrios de Chamorro para la Reconciliación y la Democracia”. Im August wird sie schließlich auch wegen Unterschlagung angeklagt.(11) Auch dem Präkanditaten Juan Sebastián Chamorro wird Geldwäsche vorgeworfen, und zwar im Zusammenhang mit der Stiftung FUNIDES. Beide Beschuldigten bestritten die Vorwürfe.
Wer sind die 40 Verhafteten?
Die meisten Verhafteten waren Politiker*innen. Neben den zwei schon erwähnten Präkandidat*innen Cristiana Chamorro und Juan Sebastián Chamorro wurden noch fünf weitere Präkandidaten verhaftet. Unter den sonstigen Politiker*innen waren sechs Mitglieder der MRS. Damit wurde praktisch die gesamte Parteispitze des Movimiento Renovador Sandinista, dieser ehemaligen Abspaltung der FSLN, inhaftiert. Dabei ist diese Partei, die im letzten Jahr ihren Namen in Unamos geändert hat, aktuell völlig bedeutungslos. Neben Politiker*innen sind auch Medienschaffende, Aktivisten der Protestbewegung von 2018 und der Bauernbewegung verhaftet worden. Auch nach Personen wie Sergio Ramirez, der seit Jahren außerhalb des Landes lebt, wurde ostentativ gefahndet. Und eine ganze Reihe von Prominenten der Opposition konnten sich der drohenden Verhaftung gerade noch durch die Flucht ins Exil entziehen, wie zum Beispiel der Herausgeber der Zeitung Confidencial, Carlos Fernando Chamorro, und die ehemalige Sandinistin Mónica Baltodano. Auch die Vorsitzende der CxL, Kitty Monterrey, war wohl gut beraten, sofort nach dem Wahlausschluss der CxL das Land zu verlassen. Kurz vor der Wahl wurden dann noch der Präsident und der Vizepräsident des Unternehmerverbandes COSEP festgenommen. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Verhafteten den gesamten Teil der Bevölkerung repräsentierten, der dem Sandinismus kritisch bis ablehnend gegenüber steht. Ausgenommen davon war nur die katholische Kirche.
Schließungen von NGOs und Angriffe auf die Presse
Die geschilderten Verhaftungen waren aber nur der Gipfel der Repression. Denn in den Monaten vor der Wahl berichteten die Medien immer wieder von Angriffen auf kritische Aktivist*innen, auf Medien und Nichtregierungsorganisationen. Mindestens 26 NGOs wurde im Laufe des Jahres 2021 die Rechtsfähigkeit entzogen. Ein Hauptangriffsziel der Regierung war die Zeitung La Prensa. Nachdem schon einmal für mehr als ein Jahr die Printversion der Zeitung verhindert worden war, wurde im August wieder die Zollfreigabe der importierten Materialien für den Druck nicht genehmigt. Außerdem verhaftete die Polizei den Geschäftsführer der Zeitung und warf ihm Zollbetrug und Geldwäsche vor.(12) Seither erscheint La Prensa wieder nur noch als Online-Zeitung.
Internationale Reaktionen - neue Sanktionen
Wie in den vergangenen Jahren wurde auf verschiedenen Ebenen versucht, auf die nicaraguanische Regierung einzuwirken. Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (CIDH) forderte Schutzmaßnahmen für politische Gefangene, ihre Angehörigen und Menschenrechtsverteidiger*innen, der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (Corte IDH) lud die nicaraguanische Regierung zur Anhörung vor, die OAS verurteilte die Verhaftungen und forderte die sofortige Freilassung(13) – die Regierung Ortega reagierte nicht einmal. Verschiedene Länder verhängten Sanktionen gegen Personen aus dem Umkreis des Präsidentenpaares Ortega / Murillo: die USA, Kanada, die EU und die Schweiz. Spanien versuchte mit Nicaragua ins Gespräch zu kommen, erreichte aber nur, dass es wüst beschimpft wurde.(14)
Die Wahlen am 7. November 2021
Unter den bisher geschilderten Begleitumständen wählten die Nicaraguaner*innen am 7. November 2021 den Präsidenten und die Abgeordneten der Nationalversammlung. Das Ergebnis konnte niemanden überraschen. Mit 75,87 % wurde Daniel Ortega zum vierten Mal in Folge zum Präsidenten gewählt. Gewählte Vizepräsidentin wird wieder seine Ehefrau Rosario Murillo. Von den 91 Sitzen in der Nationalversammlung hat die FSLN 75 gewonnen. Die größte Oppositionspartei bleibt die PLC mit 10 Sitzen. Die restlichen vier Parteien gewannen jeweils ein oder zwei Sitze.(15) Bezweifelt wurde vor allem die vom Obersten Wahlrat veröffentlichte Wahlbeteiligung von 65.26 %. Nachdem aber wie schon bei den beiden vergangenen Wahlen die Regierung eine unabhängige Wahlbeobachtung abgelehnt hatte, ist es kaum möglich, das veröffentlichte Wahlergebnis zahlenmäßig kritisch zu beurteilen. In Nicaragua selbst gibt es die Organisation Urnas Abiertas, die eine inoffizielle, heimliche Wahlbeobachtung gemacht hat und die Wahlbeteiligung nur auf 18.5 % schätzt.(16) Ob dieser geringe Wert der Wahrheit näher kommt, ist kaum zu beurteilen. Er zeigt vor allem, wie unterschiedlich die verschiedenen Akteure in Nicaragua gleiche Ereignisse wahrnehmen.
Weitere Sanktionen nach der Wahl
Die Wahl wurde weltweit kritisiert und wie zu erwarten war, reagierten einige Länder mit neuen und schärferen Sanktionen. Am gravierendsten für Nicaragua könnte die Verabschiedung des Gesetzes RENACER in den USA werden.(17) Dieses Gesetz geht noch viel weiter als der sogenannte Nica Act. Es schafft die gesetzliche Möglichkeit für die US-Regierung, Nicaraguas Finanzierung durch internationale Organisationen weiter zu erschweren und will sogar Nicaraguas Mitgliedschaft am Freihandelsabkommen DR CAFTA „überprüfen“. Was ein Ausscheiden aus DR CAFTA für die Wirtschaft Nicaraguas bedeuten würde, kann man erahnen, wenn man bedenkt, dass ungefähr die Hälfte aller Exporte Nicaraguas in die USA gehen.(18)
Reaktion der OAS
Am 12. November, nur ein paar Tage nach der Wahl in Nicaragua, fand die Generalversammlung der OAS 2021 statt. Dort stand auch die Situation in Nicaragua auf der Tagesordnung. Mit großer Mehrheit (25 dafür, 1 (Nicaragua) dagegen und 7 Enthaltungen) wurde eine Resolution angenommen, deren Kernsatz besagt, dass die Wahlen vom 7. November 2021 „nicht frei, fair und transparent waren und keine demokratische Legitimität besitzen“.(19) Als Reaktion darauf erklärte Nicaragua am 19. November seinen Austritt aus der OAS.(20)
Annäherung an China
Kurze Zeit später gab Nicaragua eine politische Umorientierung bekannt, die sicher mit der zunehmenden politischen Isolierung des Landes in Lateinamerika zu tun hat. Am 9. Dezember 2021 brach Nicaragua die Beziehungen zu Taiwan ab und nahm einen Tag später diplomatische Beziehungen mit der Volksrepublik China auf.(21) Was dies für die Zukunft Nicaraguas bedeutet, ist im Augenblick nicht abzuschätzen. Sicher scheint nur zu sein, dass der Schritt gut vorbereitet war. So hat China Nicaragua inzwischen eine Million Impfdosen Sinopharm gespendet und die beiden Länder haben verschiedene Kooperationsabkommen unterschrieben, zum Beispiel ist Nicaragua inzwischen der globalen chinesischen Infrastrukturinitiative der Neuen Seidenstraße beigetreten.(22)
Wie geht es weiter?
Während im außenpolitischen Bereich vieles in der Schwebe zu sein scheint, sieht es in der Innenpolitik eher düster aus. So haben manche gehofft, das neue Jahr könnte nach den Wahlen irgendwie zu Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition führen. Danach sieht es aber nicht aus, denn inzwischen ist bekannt, dass die Gerichtsverhandlungen gegen die politischen Häftlinge des Jahres 2021 beginnen werden. Am 31. Januar 2022 veröffentlichte die Generalstaatsanwaltschaft ein Kommuniqué, das bekannt gibt, dass einen Tag später, am 1. Februar, unter „strikter Einhaltung der Verfassung“ „mündliche und öffentliche Gerichtsverhandlungen“ stattfinden werden.(23) Das Dokument zählt die Vergehen auf, die den Angeklagten vorgeworfen werden, und setzt mit dem bemerkenswerten Satz fort: „Diese Kriminellen und Straftäter sind erneut straffällig geworden, haben die Rechte des nicaraguanischen Volkes und der Gesellschaft angegriffen und den Frieden und die Sicherheit gefährdet.“ Hat diese Generalstaatsanwaltschaft etwa noch nie etwas von der Unschuldsvermutung, festgelegt in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, Art. 11 Abs. 1, gehört? Auf ein rechtsstaatliches Verfahren kann man also kaum hoffen.
(1) Mehr dazu: Siehe den Jahresbericht zu Nicaragua 2020. https://www.oeku-buero.de/jahresbericht-2020/articles/nicaragua-3317.html
(2) Ley N°. 1060, aprobada el 2 de febrero de 2021 http://legislacion.asamblea.gob.ni/Normaweb.nsf/($All)/49C912ED7DDE58CE062586760053C890?OpenDocument
(3) Ley N°. 1070, aprobada el 4 de mayo de 2021 http://legislacion.asamblea.gob.ni/Normaweb.nsf/9e314815a08d4a6206257265005d21f9/4fca1b711015f9af062586ce00762351?OpenDocument
(4) Die liberale Partei Ciudadanos por la Libertad (CxL), Partido Restauración Democrática (PRD) – eine evangelikale Partei, Fuerza Democrática Nicaragüense (FDN) – eine Partei, die aus der ehemaligen Contra hervorgegangen ist, Yatama – indigene Partei von der Atlantikküste, die Organisationen Alianza Cívica und Unidad Nacional Azul y Blanco (UNAB) – beide aus den Protesten 2018 hervor gegangen, und die Bauernbewegung Movimiento Campesino
(5) https://www.confidencial.com.ni/politica/cid-gallup-62-no-simpatiza-con-ningun-partido-politico-fsln-tiene-un-25/
(6) https://www.cse.gob.ni/sites/default/files/documentos/cancelacion_prd.pdf
(7) https://www.cse.gob.ni/sites/default/files/documentos/cancelacion_cxl.pdf
(8) Partido Liberal Constitucionalista (PLC), liberale Partei, einst die Partei Arnoldo Alemáns
(9) http://digesto.asamblea.gob.ni/consultas/util/pdf.php?type=rdd&rdd=KrOO9fEc9lE%3D
(10) Ley Nº. 1055, Ley de Defensa de los Derechos del Pueblo a la Independencia, la Soberanía y Autodeterminación para la Paz http://digesto.asamblea.gob.ni/consultas/util/pdf.php?type=rdd&rdd=94OTnl0sPuw%3D
(11) https://www.el19digital.com/articulos/ver/titulo:119860-conoce-el-ultimo-comunicado-del-ministerio-publico-de-nicaragua
(12) https://www.el19digital.com/articulos/ver/titulo:119563-comunicado-no-58-del-ministerio-publico-de-nicaragua
(13) https://scm.oas.org/doc_public/spanish/hist_21/cp44215s03.docx
(14) Carta del Ministerio de Relaciones Exteriores de Nicaragua a la Canciller de España, 26 de Junio 2021 https://www.el19digital.com/articulos/ver/titulo:117668-carta-del-ministerio-de-relaciones-exteriores-de-nicaragua-a-la-canciller-de-espana
(15) https://twitter.com/cse_nicaragua/status/1458489115129810948 und https://www.laprensani.com/2021/11/08/politica/2907196-ortega-se-asigna-75-diputados-en-la-asamblea-nacional-de-un-total-de-90-escanos
(16) https://urnasabiertas.com/wp-content/uploads/2021/11/Corte-2-UA-Jornada-de-votacion-7N.docx.pdf
(17) Reinforcing Nicaragua’s Adherence to Conditions for Electoral Reform Act of 2021 https://www.govinfo.gov/content/pkg/COMPS-16561/pdf/COMPS-16561.pdf
(18) Exporte im Jahr 2021 https://www.cetrex.gob.ni/Portalestadistico/reports/PDF
(19) La situación de Nicaragua https://scm.oas.org/doc_public/spanish/hist_21/ag08412s07.docx
(20) https://www.el19digital.com/articulos/ver/titulo:122970-nicaragua-denuncia-carta-de-la-oea-y-ratifica-posicion-digna-y-soberana
(21) https://www.el19digital.com/articulos/ver/titulo:123654-nicaragua-reconoce-a-larepublica-popular-china-como-unico-gobierno-legitimo
(22) https://www.laprensani.com/2022/01/10/politica/2934877-ortega-murillo-y-su-hijo-laureano-se-reunen-con-una-delegacion-de-china-previo-a-la-toma-de-posesion
(23) https://www.el19digital.com/articulos/ver/titulo:124910-comunicado-001-2022-del-ministerio-publico-de-nicaragua
Aktivitäten zu Nicaragua
17.04.21: 22. Zentralamerikatag der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern: Zentralamerika – wie weiter? Corona-Krise, Hurrikans und Wahljahr, Onlineseminar
Wie jedes Jahr beteiligte sich das Öku-Büro auch bei der Organisation und Durchführung des 22. Zentralamerikatags der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern mit dem Thema Zentralamerika – wie weiter? Corona-Krise, Hurrikans und Wahljahr. Aufgrund der pandemischen Situation fand die Veranstaltung als Onlineseminar statt. Nach der Begrüßung durch eine Mitarbeiterin von MissionEineWelt gab unser Nicaragua- und El Salvador-Referent einen Überblick über die Situationen und Herausforderungen in Nicaragua, El Salvador, Honduras und Costa Rica. In der Workshopphase vertiefte dann Enrique Picado von unserer Partnerorganisation Movimiento Comunal Nicaragüense diese Thematik bezogen auf Nicaragua. Die beiden Vorträge stehen auf dem YouTube-Kanal von MissionEineWelt zum Nachhören und -sehen bereit.(1)
21.10.2021 Der Kampf gegen den Klimawandel als kommunitäre Praxis, Onlineveranstaltung
Gemeinsam mit dem Movimiento Comunal Nicaragüense (MCN) und unterstützt durch eine Förderung der Schmitz-Stiftungen haben wir von Februar bis August 2021 ein Projekt zur „Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegen den Klimawandel in 15 Gemeinden“ im Departement Matagalpa/Nicaragua durchgeführt. Auf der Veranstaltung berichteten Mitglieder des MCN darüber, wie ländliche Gemeinden sich gegen die negativen Auswirkungen des Klimawandels zur Wehr setzen können und dabei selbst einen integralen Beitrag zum Umweltschutz auf kommunaler Ebene leisten. Die Anstrengungen lokaler Organisationen zeigen im Kleinen auf, wie nachhaltige ländliche Entwicklung zum Klimaschutz beitragen kann.
Projektförderung in Nicaragua: Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegen den Klimawandel in 15 Gemeinden von San Ramón, Esquipulas und San Dionisio im Departement Matagalpa
Im Jahr 2021 führten wir gemeinsam mit unserer Partnerorganisation Movimiento Comunal Nicaragüense (MCN) das Projekt „Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegen den Klimawandel in 15 Gemeinden von San Ramón, Esquipulas und San Dionisio im Departement Matagalpa“ durch. Finanziert wurde das Projekt mit einem Volumen von rund 12.000 € durch einen Antrag bei dem Kleinprojektfonds der Schmitz-Stiftungen. Der dafür notwendige Eigenanteil von 25 Prozent wurde durch Spenden gedeckt.
Ziel des Projektes war es, in drei Landkreisen im Departement Matagalpa/Nicaragua die lokalen Kapazitäten für ein umfassendes Risikomanagement bezogen auf den Klimawandel zu verbessern.
Das Projekt bestand aus mehreren Komponenten. So wurden zum einen auf Landkreisebene und in den Gemeinden Schulungen zu Risikomanagement, Umweltpraktiken und Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel durchgeführt. Im Zuge dieser Aktivitäten gründeten sich in den 15 Projekt-Gemeinden kommunale Katastrophenschutzkomitees.
Daneben wurden Informationsveranstaltungen mit Schüler*innen der 5. und 6. Klasse durchgeführt. Im Zuge dessen bildeten die Schüler*innen sechs Umweltbrigaden, die sich dem Einrichten von sechs Baumschulen widmeten. In diesen wurden jeweils 1000 Bäume angezogen und am Ende des Projektes verteilt und angepflanzt.
Ein weiterer Teil des Projektes war, das Klimaüberwachungsnetzwerk zu stärken und zu überwachen. Im Klimaüberwachungsnetzwerk führen Ehrenamtliche täglich Wetteraufzeichnungen durch. Diese stellen sie dann unter anderem Insti-tutionen wie dem Centro Humboldt zur Verfügung. Dadurch gelingt es, genauere Vorhersagen über erwartete Niederschlagsmengen sowie über den idealen Tag der Aussaat zu treffen. Dies hilft den Kleinbäuer*innen, ihr Anbauverhalten besser an die sich ändernden klimatischen Bedingungen anzupassen. Im Rahmen des Projektes wurden drei Schulungsveranstaltungen für das Klimaüberwachungsnetzwerk durch-geführt sowie neue Regenmessgeräte angeschafft. Konzipiert und durchgeführt wurde das Projekt von den Mitgliedern und Mitarbeitenden des MCN selbst. Wir vom Öku-Büro übernahmen administrative Tätigkeiten, wie die Antragstellung und Projektabwicklung hier in Deutschland.
(1) https://mission-einewelt.de/zentralamerikatag-2021/ Projektförderung in Nicaragua: Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegen den Klimawandel in 15 Gemeinden von San Ramón, Esquipulas und San Dionisio im Departement Matagalpa