Klimasolidarität, Unternehmen und Menschenrechte
Was haben Klimasolidarität, Unternehmen und Menschenrechte miteinander zu tun? Durch unsere Zusammenarbeit mit Basisorganisationen in Lateinamerika wird uns immer wieder vor Augen geführt, dass soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte und ökologische Probleme in einem engen Zusammenhang stehen. Kleinbäuerliche und indigene Gemeinden erfahren tagtäglich, dass die Zerstörung von Ökosystemen, als deren Teil sie sich begreifen, auch ihre unmittelbaren Lebensgrundlagen gefährdet oder gar zerstört. Oft ist dieses menschliche Handeln nicht Gedankenlosigkeit geschuldet, sondern folgt einer wirtschaftlichen Logik mit konkreten materiellen Interessen.
Die negativen Folgen des wirtschaftlichen Fortschritts werden meist auf schwächere Gruppen ausgelagert, sie werden externalisiert. Dies führt regelmäßig zu sozialen Konflikten. In unseren Schwerpunktländern gibt es meist keine Möglichkeiten, diese innerhalb eines demokratischen beziehungsweise rechtsstaatlichen Rahmens auszutragen, der mehr ist als nur Fassade. Stattdessen kommt es häufig zu Manipulationen, Kriminalisierung, Bedrohungen, Gewalt oder, im schlimmsten Falle, auch zu Morden an Aktivist*innen, die ihre Lebensgrundlagen vor der Zerstörung durch Großprojekte oder Investitionen schützen wollen. Oftmals sind bei diesen Projekten auch Unternehmen und Kapital aus Deutschland und Europa involviert. Bekannte Fälle, bei denen wir von Partnerorganisationen in den letzten Jahren um Unterstützung gebeten wurden, waren zum Beispiel die Windparks in Oaxaca in Mexiko, Kohleminen in Kolumbien, die Wasserkraftwerke Agua Zarca und Pajuiles und der Abbau von Eisenerz in Guapinol in Honduras oder der Kampf gegen den metallischen Bergbau in El Salvador. Diese Beispiele zeigen, dass für Menschenrechtsverletzungen nicht alleine Staaten verantwortlich sind, sondern diese auch mit den Interessen und dem Handeln von Unternehmen in Verbindung stehen. Folglich ist heute ein wichtiger Teil der Arbeit unseres Büros, auf das Ungleichgewicht von Unternehmensrechten gegenüber Menschenrechten hinzuweisen. So prangern wir hier in Deutschland, zum Teil direkt bei den Unternehmen selbst, die von diesen zu verantwortenden Menschenrechtsverletzungen an. Darüber hinaus unterstützt unser Arbeitskreis Binding Treaty Initiativen, die einen Vertrag auf Ebene der Vereinen Nationen fordern, der transnationale Unternehmen dazu verpflichtet, bei allen ihren Aktivitäten die Menschenrechte zu respektieren und zu garantieren.
Unsere Mexiko-Referentin nahm Ende des Jahres an der „Toxi-Tour“ teil. Bei dieser Karawane von El Salto im Bundesstaat Guadalajara bis nach Coatzacoalcos an der Golfküste in Veracruz wurden die sozialen, gesundheitlichen und ökologischen Schäden, die durch transnationale Unternehmen in Mexiko verursacht werden, sichtbar gemacht.
Klimasolidarität
Ein weiteres von Menschen verursachtes und mit zahlreichen Menschenrechtsverletzungen verbundenes ökologisches Problem ist der Klimawandel. Bei unseren Solidaritätsreisen nach El Salvador und Nicaragua und im Dialog mit Gästen aus Honduras konnten wir aus erster Hand erfahren, wie dieser das Leben und Überleben vor allem der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern und der afroindigenen Garífuna gefährdet.
Deshalb räumten wir 2019 dem Klimawandel in unserer Arbeit einen besonderen Stellenwert ein. Ausgehend von unserem Ansatz, die Stimmen von Menschen aus dem Globalen Süden hierzulande hörbarer zu machen, stellen wir unsere Arbeit unter das Stichwort Klimasolidarität. Unsere gemeinsame Analyse ist, dass bezogen auf den Klimawandel am Anfang wie am Ende der Ursachen- und Wirkungskette Menschenrechtsverletzungen stehen.
Der Begriff Solidarität weist darauf hin, dass dieses Problem nur gelöst werden kann, wenn Machtfragen gestellt werden und sich die Menschheit auf Augenhöhe begegnet. So kann es nicht sein, dass die den Klimawandel verursachenden Länder gleichzeitig diejenigen sind, die der Welt in neokolonialer Manier vermeintliche Lösungen diktieren. Besonders kritisch sehen wir Ansätze, die lediglich darauf abzielen, durch einen grünen Kapitalismus den Ausstoß von CO2 zu reduzieren beziehungsweise zu verlagern. Um alternative Perspektiven und Initiativen des Südens, aber auch des Nordens, bekannter zu machen, riefen wir 2019 die Webseite klimasolidaritaet.de ins Leben. Unsere Referent*innenrundreise stellte die Perspektive von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern aus El Salvador und Nicaragua auf den Klimawandel und seine Folgen in den Mittelpunkt. Durch Spenden konnten wir in El Salvador und Nicaragua außerdem lokale Initiativen zu Umwelt- und Klimaschutz unterstützen.
12. - 31. Oktober: Referent*innenrundreise Klimawandel: Ursachen und Lösungsansätze in El Salvador und Nicaragua. Entwicklung jenseits von Wachstum und Weltmarkt
Im Oktober fand unsere Referent*innenrundreise „Klimawandel: Ursachen und Lösungsansätze in El Salvador und Nicaragua. Entwicklung jenseits von Wachstum und Weltmarkt“ statt. Als Expert*innen haben wir aus Nicaragua Janett Castillo vom Movimiento Comunal Nicaragüense in der Region Matagalpa (MCN, Nicaraguanische Kommunalbewegung) und aus El Salvador José Guevara von MOVIAC / ACUDESBAL (Bewegung der Opfer des Klimawandels und der Unternehmen / Vereinigung der Gemeinden für wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt der Region Bajo Lempa) eingeladen.
Im Rahmen der Rundreise fanden acht Diskussionsveranstaltungen in den Städten Tübingen, Heidelberg, Wuppertal, Greifswald, Hamburg, Kiel, Merzig (Saar) und Frankfurt statt. In München und Wuppertal gestalteten wir mit den beiden Referent*innen und Kooperationspartner*innen vertiefende Tagesseminare. Auf dem Plan standen weiterhin Hintergrundgespräche mit Expert*innen und Medienvertreter*innen sowie Schulbesuche in Augsburg und Kiel.
Unsere Gäste berichteten darüber, wie ein auf Export und Wachstum basiertes Wirtschaftsmodell die ökologische Krise und den Klimawandel in Zentralamerika verursacht beziehungsweise verschärft haben. José Guevara zeigte zunächst anhand von Daten international anerkannter Expert*innen, dass der Klimawandel sowie der menschliche Einfluss auf dieses Phänomen eine nicht zu leugnende Tatsache darstellen. Laut Ansicht von MOVIAC sei der Klimawandel an sich jedoch lediglich ein Symptom eines viel tiefer sitzenden Problems. Dieses sei in erster Linie die Art und Weise, wie sich der Mensch zur Natur positioniert. Konkret finde dieses Mensch-Natur-Verhältnis seinen Ausdruck in einem Wirtschaftssystem, das auf unbegrenztem Wachstum und der Ausbeutung begrenzter Ressourcen basiert. Folgen dieses Wirtschaftssystems seien neben Klimawandel und Umweltzerstörung auch Konflikte innerhalb von und zwischen Gesellschaften, die bis hin zu Kriegen führten. Als Beispiele dafür nannte Guevara die Angriffe auf Venezuela, Irak, Libyen oder Iran.
Janett Castillo legte in ihrer Präsentation den Schwerpunkt auf die Aktivitäten ihrer Organisation in Nicaragua. Sie erklärte, wie das Movimiento Comunal Nicaragüense gemeinsam mit den Kleinbäuerinnen und Kleinbauern am Aufbau einer diversifizierten nachhaltigen und ökologischen Landwirtschaft arbeitet. Diese diene dazu, die Landwirtschaft resistenter gegen den Klimawandel zu machen. Gleichzeitig trügen die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern zum Umwelt- und Klimaschutz bei, da Böden durch organischen Dünger aufgewertet würden. Es werden schattenspendende Bäume gepflanzt, anstatt Brandrodung zu betreiben. Gleichzeitig werden die Produzent*innen unabhängiger von Weltmarktpreisen, weil es zunächst darum geht, die Ernährung der Familie durch die angebauten Produkte sicherzustellen. Überschüsse hingegen werden auf lokalen Märkten verkauft und eher nicht exportiert. Eine ausführlichere Beschreibung dieses Modells findet sich auf unserer Website klimasolidaritaet.de.(1)
Gleichzeitig wies Janett Castillo jedoch auch darauf hin, dass es wichtig sei, Forderungen an die Politik zu stellen, damit diese die Rahmenbedingungen schafft, um den Klimawandel zu stoppen. So wie ihre Organisation in Nicaragua in internationalen Netzwerken engagiert sei, wäre es auch wichtig, dass hierzulande die Klimaschutzbewegung weiter an Kraft gewinnt.
Spannend war die jeweils auf die Vorträge folgende Diskussion. Festgestellt wurde, dass es sowohl bei den Bewegungen in Zentralamerika als auch in Europa eine weitgehende Übereinstimmung in der Analyse hinsichtlich der Ursachen für den Klimawandel gibt. Allerdings sei es wichtig, mehr über die verschiedenen Perspektiven und Lösungsansätze in Nord und Süd zu erfahren und besser auf Ebene der Basisbewegungen international zusammenzuarbeiten. Es herrschte weitgehend die Meinung vor, dass die Verantwortung für eine lebenswerte Zukunft der Menschheit bei jedem einzelnen liegt, es jedoch ohne umfassende Regelungen und Initiativen auf Ebene der nationalen und internationalen Politik keine nachhaltigen Lösungen geben wird.
Das Konzept der Klimasolidarität wurde mit Interesse aufgenommen, obwohl es noch ein weiter Weg sei, bis sich Norden und Süden wirklich auf Augenhöhe begegnen könnten. Um an diesem Ziel weiterzuarbeiten, tauschten zahlreiche Besucher*innen Kontakte mit unseren Referent*innen aus. Bei einigen bestand Interesse, die Organisationen und Initiativen unserer Gäste in Nicaragua und El Salvador vor Ort kennenzulernen. Im Ökumenischen Büro arbeiten wir daran, dieses Interesse zu unterstützen.
#ToxiTour-Mexiko
Vom 02. bis 11. Dezember 2019 nahm unsere Mexiko-Referentin zusammen mit einer internationalen Karawane an der so genannten ToxiTour-Mexiko teil. Die Nationale Versammlung der Umweltgeschädigten (Asamblea Nacional de Afectados Ambientales, ANAA) aus Mexiko organisierte zusammen mit dem Transnationalen Institut (TNI) aus Amsterdam die ToxiTour-Mexiko. Eingeladen waren Aktivist*innen, Wissenschaftler*innen und Politiker*innen aus Mexiko, Ecuador, Argentinien, der EU und den USA. Von El Salto im Bundesstaat Guadalajara aus bis Coatzacoalcos an der Golfküste in Veracruz reisten sie zusammen vom Westen in den Osten über 1.300 km durch Mexiko.
Die Tour hatte mehrere Ziele: 1) Die gravierende Umweltzerstörung in Mexiko kennenzulernen, mit eigenen Augen zu sehen und die Beweise zu dokumentieren. 2) Die us-amerikanischen, kanadischen, deutschen, französischen, spanischen und mexikanischen Unternehmen und die Schäden anzuprangern, die diese im Rahmen der Handelsabkommen, die Mexiko mit den Vereinigten Staaten, Kanada und der Europäischen Union abgeschlossen hat, anrichten. 3) Diese Situation bekannt zu machen, Akteur*innen der Zivilgesellschaft zu vernetzen und internationale Solidarität zu schaffen.
An den sechs Stationen der Karawane beobachtete die internationale Gruppe die jeweiligen Umwelt- und Gesundheitsprobleme vor Ort. In El Salto, Jalisco, waren wir am Fluss Santiago, wo industrielle Chemikalien und Abwässer das Flusswasser verschmutzen und das Leben in der Umgebung vergiften. Die ansässigen Bewohner*innen leiden unter Krebserkrankungen, chronischer Niereninsuffizienz und anderen gravierenden Krankheiten. In Dolores Hidalgo, Guanajuato, ist es die exzessive Ausbeutung der Grundwasservorkommen, die sehr hohe Anteile an Arsen und Fluoriden aufweisen und dadurch die Gesundheit der Bewohner gefährden. In Apaxco im Bundesstaat Mexiko ist die Landschaft staubig, grau und stinkend. Grund dafür sind sechs Zementfabriken, mehrere Tagebaubetriebe, fünf mit Heizöl betriebene Wärmekraftwerke, verschiedene Gas- und Dampf-Kombikraftwerke, eine Erdölraffinerie, die chemische Industrie sowie die Abwässer aus Mexiko-Stadt ein ökologisches Desaster.
In Tlaxcala und Puebla im Zentrum Mexikos besichtigte die Gruppe den Fluss Atoyac und seine Nebenflüsse. Aufgrund unkontrollierter industrieller Abwässer sind die Gewässer tot. Diese Region ist vor allem wegen ihrer Konzentration von Automobilkonzernen bekannt. Volkswagen und andere internationale Unternehmen haben dort ihre Endmontage oder produzieren Autoteile. Weitere Industriegebiete in dieser Region sind geplant. Dagegen leisten mehrere Kollektive und soziale Bewegungen, die wir auf der Karawane kennenlernten, Widerstand.
Die letzte Station der Karawane war das Hauptgebiet der mexikanischen Erdölförderung. Die Stadt Coatzacoalcos in Veracruz hat tropisches Klima. Die Palmen, die Luftfeuchtigkeit und die hohen Temperaturen kontrastieren mit den grauen Wolken. Der Nebel in Coatzacoalcos entsteht bei der Abkühlung der dort hergestellten Petrolkoks. Die giftigen Wolken verschmutzen das Erdreich und das Wasser und verursachen Krankheiten unter der Bevölkerung. Und als ob das alleine nicht schon ein sehr großes Problem wäre, spielt die Gewalt gegen Personen eine bedrohliche Rolle. Die Bewohner*innen verlassen nachts aus Angst nicht ihr Haus. Auf der Straße sieht man nur schwer bewaffnete Polizist*innen oder obdachlose Migrant*innen, die auf dem Weg in die USA sind.
Viele dieser Informationen erhielten die Teilnehmer*innen der Tour aus erster Hand. In den besuchten Orten erzählten uns die Personen vor Ort im Tour-Bus von den Problematiken und Herausforderungen, mit denen sie jeden Tag konfrontiert sind. Viele von ihnen bezeichneten ihren Wohnort als Schlachthöfe. Am Ende der Tour stellten wir den Medien und dem mexikanischen Umweltminister Victor Manuel Toledo in Mexiko-Stadt vor, was wir gesehen und gelernt hatten. Die Vertreter*innen der besuchten Orte forderten, dass das Sekretariat der mexikanischen Regierung für Umwelt und natürliche Ressourcen (Secretaría de Medio Ambiente y Recursos Naturales, SEMARNAT) ihre Gebiete als Umwelt-Notfallzonen deklariert.
Als Nachbereitung der ToxiTour-Mexiko wird die deutsche Delegation – bestehend aus Vertreter*innen von México via Berlín e. V., dem Zentrum für Entwicklungsbezogene Bildung in Stuttgart und dem Ökumenischen Büro München – im Jahr 2020 mit Betroffenen eine Rundreise durch Deutschland organisieren. Die Menschen hier sollen für die diversen Ursachen der Umweltzerstörung in Mexiko und die Zusammenhänge mit deutschen Unternehmen sensibilisiert werden. Außerdem wollen wir deutlich machen, dass es nicht ausreicht, die Gesetze und Vorschriften des Landes, in dem die Unternehmen ansässig sind, zu respektieren. Es muss unbedingt sichergestellt werden, dass die Tätigkeiten deutscher Unternehmen nicht zur Verletzung von Menschenrechte oder zur Zerstörung der Umwelt in Mexiko beitragen. Deshalb sollten sowohl die Institutionen als auch die Zivilgesellschaft die Aktivitäten deutscher Unternehmen im Ausland überwachen um sicherzustellen, dass sie Menschenrechte respektieren, und rechtliche Schritte einleiten, wenn sie dagegen verstoßen. Dazu will das Öku-Büro beitragen.
Plattform klimasolidaritaet.de
In den letzten Jahren haben immer mehr Menschen, allen voran Jugendliche, ihre Sorge über den Klimawandel und seine Folgen zum Ausdruck gebracht. Das Engagement gegen Klimawandel ist inzwischen zu einem Trend geworden, vor allem in Politik und Werbung. Die Slogans stammen aber oftmals von politischen Kräften und Konzernen, deren Interessen und langjähriges Handeln dafür verantwortlich sind, dass die Klimakrise entstanden ist.
Wir wollten darlegen, dass hier eine globale Krise, die alle Menschen betrifft, wieder einmal verkürzt und nur aus europäischer Sicht dargestellt und oft instrumentalisiert wird. Zudem wollten wir aufzeigen, dass die Ursachen des Klimawandels integral und mehrdimensional betrachtet werden müssen. Wir wollen den Blick auf Umweltbelastungen lenken, die durch unseren hohen Energieverbrauch und die Entsorgung unserer ständig wachsenden Konsummüllberge entstehen. Und wir wollen ins Bewusstsein rufen, wie stark bereits im Vorfeld von Industrie- und Konsumgüterproduktion durch massiven Raubbau Natur- und Lebensräume unwiederbringlich zerstört werden und das Klima geschädigt wird. Unsere Kernaussage ist, dass vor all diesen Problemen die Zerstörung staatlicher Sicherheit und von Institutionen aufgrund von Korruption und der Unterdrückung der Bevölkerung den Boden dafür bereiten, um die Lebensgrundlage künftiger Generationen zu zerstören. Hierfür sammelten wir Beispiele aus einigen Ländern Lateinamerikas.
Wesentlich war für uns, den einzelnen niedrigschwellige Handlungsalternativen aufzuzeigen und Beispiele zu sammeln, wie man den persönlichen Bedarf an Energie, Lebensmitteln und anderem Konsum decken kann, ohne dass andere dafür die Rechnung zahlen. Hierfür wollten wir ausschließlich solidarische Initiativen vorstellen, die regional und nachhaltig produzieren.
Daneben war unser Ziel, solidarische Initiativen in Lateinamerika vorzustellen und ihnen Raum zu geben, die Folgen des Klimawandels für ihre Mitglieder aufzuzeigen und ihre Ideen und ihren Umgang mit den Herausforderungen durch den Klimawandel zu lesen und zu hören.
In einem ersten Schritt haben wir mehrere Initiativen, die die genannten Kriterien erfüllen, gebeten, sich mit einer Videobotschaft vorzustellen. Die Suche nach Videobotschaften lokaler Initiativen aus München und Umgebung gestaltete sich sehr schwierig. Bei vielen fehlte es an Zeit oder Bereitschaft. Wieder anderen fehlten die technischen Voraussetzungen, sodass wir die Videos aufgenommen und anschließend zusammen mit den Videos aus Lateinamerika für die Webseite und youtube geschnitten haben. Parallel dazu bekamen wir von kompetenten Partnerorganisationen, wie der Christlichen Initiative Romero, der Arbeitsgruppe Schweiz Kolumbien (ASK) und amazonia, wissenschaftlich fundierte Übersichten zu den Auswirkungen unseres Konsums von Kohle, Erdöl und Produkten aus der industriellen Landwirtschaft in den Ländern Lateinamerikas. Die Texte wurden von uns redigiert und für die Zielgruppe aufbereitet. Anschließend entwickelten wir ein Konzept für die Kommunikation über unterschiedliche Kanäle, um die Zielgruppe zu erreichen. Als Oberbegriff unserer Botschaft wählten wir “Klimasolidarität”. Unter der Adresse www.klimasolidaritaet.de wurde eine ansprechende Webseite erstellt, auf der die Informationstexte mit aussagekräftigen Bildern und die Videos ansprechend präsentiert werden konnten. Zusätzlich zur Webseite wurde eine Postkarte gestaltet und mit einer Auflage von 5.000 Stück gedruckt und verbreitet. Sowohl die Videos als auch die Bilder und Postkartenmotive wurden in einer social-media Kampagne über Facebook und youtube breit gestreut. Als Unterstützer konnten wir Protect the Planet und das Referat für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt München gewinnen. Die Webseite www.klimasolidaritaet.de wurde mehrfach verlinkt und über das Projekt wurde in verschiedenen Medien berichtet. Seit November hat die Seite bereits über 2.000 Besucher*innen pro Monat.
Arbeitskreis Binding Treaty
Dieses Jahr verwandelten wir unsere Anliegen in Aktionen. Wir bauten unseren Arbeitskreis zum Thema Binding Treaty auf mit dem Wunsch, die Straflosigkeit von Unternehmen und Konzernen zu beenden. Dafür luden und laden wir verschiedene Interessent*innen ein, sich in dem Arbeitskreis Binding Treaty des Ökumenischen Büros für Frieden und Gerechtigkeit zu engagieren.
Für uns ist es wichtig zu verstehen, warum Unternehmen und Konzerne im Fall von Menschenrechtsverletzungen nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Es klingt absurd, aber es ist so: Einzelpersonen, Vereine, Regierungen und sogar Staaten können vor verschiedenen Justizinstanzen verklagt werden. Es gibt Strafgerichte, Menschenrechtsgerichte, Schiedsgerichte. Aber es gibt keine einzige Instanz, vor der Unternehmen und Konzerne wegen Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft gezogen werden können.
Juristisch gesehen können nur Staaten für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht werden. Die Praxis sieht anders aus: Oft werden Aktivist*innen und soziale Kämpfer*innen verfolgt, inhaftiert, gefoltert, vertrieben und sogar ermordet, weil sie mit der legitimen Verteidigung ihrer Rechte die Pläne von Unternehmen und Konzernen durchkreuzen. Diese Unternehmen können lokale Akteure sein oder auch sogenannte global players, die für die Durchsetzung ihrer Interessen im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen gehen – entweder mit der direkten Unterstützung oder zumindest der Komplizenschaft staatlicher Autoritäten. Um sich dagegen zu wehren, bleibt bis jetzt nur der öffentliche Protest. Dies soll sich ändern!
Seit einiger Zeit kämpft eine internationale Allianz aus Hunderten von Organisationen, Kollektiven und Gruppen für ein effektives Instrument, um diese Situation zu verändern. In Genf bei der UNO wird gerade ein verbindlicher Vertrag zur Durchsetzung von Menschenrechten in der Wirtschaft, der Binding Treaty, diskutiert. Leider torpedieren große Industrienationen darunter Deutschland diesen Prozess.
Mit unserem AK wollen wir uns über die neuesten Entwicklungen im Binding Treaty-Prozess informieren, unseren Protest gegen die Haltung der Bundesregierung bekannt machen, uns vernetzen, Infoveranstaltungen und Aktionen planen und mitmachen. Und natürlich wollen wir, dass du mitmachst!
Rechte für Menschen – Regeln für Konzerne!
Der Wunsch, Unternehmen mögen freiwillig dafür Sorge tragen, dass Menschenrechte entlang ihrer gesamten Produktions- und Lieferkette eingehalten werden, hat sich nicht erfüllt. Nun soll ein verbindliches Abkommen über Wirtschaft und Menschenrechte, der UN Binding Treaty, transnationale Unternehmen weltweit zur Verantwortung ziehen. Im Oktober 2019 wurde dieses Abkommen in einer Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen in Genf verhandelt. NGO und soziale Bewegungen mobilisierten für eine weltweite Kampagne, um ihre Forderungen einzubringen.
Wie verhalten sich Deutschland und die EU bei den Treaty-Verhandlungen? Wer zieht im Hintergrund die Fäden, welche wirtschaftlichen Interessen stehen dahinter? Was unternimmt die Zivilgesellschaft, um die Straflosigkeit der Unternehmen zu stoppen? Setzen wir womöglich zu hohe Erwartungen in dieses Abkommen? Wie können wir auch in München solidarisch sein und aktiv werden? Am 26. September diskutierten wir darüber mit unseren Referent*innen Raffaele Morgantini und Andrea Behm.
Raffaele Morgantini vom Centre Europe Tiers-Monde (CETIM) koordiniert in Genf die weltweite zivilgesellschaftliche Binding-Treaty-Kampagne. Er gab aus erster Hand Einblicke in die Binding-Treaty-Verhandlungen und die Forderungen der Global Campaign to Reclaim Peoples Sovereignty, Dismantle CorporatePower and Stop Impunity. Andrea Behm, Mitglied bei Attac München und Rechtsanwältin für internationales Strafrecht und Menschenrechte, erklärte in kurzen Worten den UN Binding Treaty und reflektierte die Rolle der deutschen Politik. Die Aktivist*innen von FIAN zeigten anhand eines Beispieles aus der Praxis, wie Unternehmen Menschenrechte systematisch verletzen und wie dagegen Widerstand geleistet werden kann.
Klimacamp am Chiemsee
Am 27. September hielten wir zwei Workshops beim Klimacamp am Chiemsee. Vormittags präsentierte und diskutierte unser Referent Raffaele Morgantini (CETIM) mit uns über das Thema „Straffreiheit für internationale Konzerne stoppen“. Nachmittags referierten unsere Honduras- und Nicaraguareferent*innen über „Klimasolidarität – Die Kämpfe von Basisbewegungen in Zentralamerika“ und zusammen mit den Anwesenden reflektierten sie, was diese Themen mit uns zu tun haben.
Vom 25. bis 29. September fanden im Rahmen des Klimacamps weitere sehr interessante Workshops und Veranstaltungen statt.(2)
Hauptversammlungen
Siemens: „Grüne“ Energie zu Lasten von Menschenrechten
Zur Hauptversammlung der Siemens AG kritisierten Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen unzureichendes Engagement bei menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten. Die Nichtregierungsorganisationen bemängelten Rechtsverstöße und Unstimmigkeiten bei einer Reihe von Projekten für erneuerbare Energien, an denen Siemens direkt oder indirekt beteiligt ist.
Kolumbien: Menschenrechtsverletzungen durch Staudammprojekte
Siemens belieferte die in Korruptionsskandale verwickelten Wasserkraftwerke Hidrosogamoso und Hidroituango in Kolumbien. Beide Projekte wurden in Regionen geplant und umgesetzt, die sehr stark vom bewaffneten Konflikt betroffen sind. „Trotz der Proteste von Angehörigen und Menschenrechtsorganisationen wurden in beiden Fällen Massengräber überschwemmt“, klagte unser Kolumbien-Referent. „In Fällen von Morden und gewaltsamen Verschwindenlassen können die sterblichen Überreste, nach denen Familien bis heute suchen, nicht mehr gefunden werden.“ Morde an und Drohungen gegen Staudammkritiker*innen sind seit Jahren bekannt. So wurden allein 2018 drei Mitglieder der Organisation Ríos Vivos und drei ihrer Familienangehörigen ermordet. Nach schweren Regenfällen und Erdrutschen im Mai 2018 an der Baustelle von Hidroituango mussten etwa 24.000 Menschen evakuiert werden, da ein Dammbruch drohte.(3)
Mexiko: Windparks zerstören landwirtschaftliche Nutzflächen
Beim Bau von Windkraftanlagen in Mexiko, an denen Siemens Gamesa beteiligt ist, werden die notwendigen Konsultationen der indigenen Bevölkerung nur unzureichend umgesetzt. Die Betroffenen erhalten nur unvollständige Informationen oder werden teilweise mit Gewalt unter Druck gesetzt, bereits genehmigte Projekte werden willkürlich vergrößert. Geplant sind neue Windparks auf Gemeindeflächen, auf denen Palmenfasern für wirtschaftliche und handwerkliche Aktivitäten produziert werden. „Dort gibt es bereits Windparks, die den freien Transit der Bewohner*innen auf dem von der Polizei bewachten Gelände einschränken“, kritisierte unsere Mexiko-Referentin. „Die neuen Windparks würden weitere 1.589 Hektar des Gebietes zerstören.“(4)
Auch unsere Honduras-Referentin hielt eine Rede bei der Siemens Hauptversammlung. Der Inhalt der Rede und die Antwort des Siemens-Vorstands sind im Kapitel Honduras Aktivitäten nachzulesen.
Münchener Rück AG (Munich Re)
Es ist nicht das erste Mal, dass Munich Re wegen eines Staudammprojektes in Schwierigkeiten geraten ist. Trotz massiver Kritik von Umwelt- und Menschenrechtsgruppen hatte der Konzern einen Teil der Rückversicherung für den Staudamm Hidroituango in Kolumbien übernommen. „Als Konzern, der sich den Global-Compact-Prinzipien der Vereinten Nationen angeschlossen hat, sollte sich Munich Re für zügige Entschädigungen einsetzen. In Zukunft sollte der Konzern keine Großstaudämme mehr rückversichern.“ forderte unser Kolumbien-Referent.
Man weiß, dass der Projektbetreiber seit 2015 über erste Hindernisse wie Korruptionsskandale und Bauprobleme stolpert. Ende April 2018 wurde durch einen Erdrutsch einer der Entlastungstunnel an der Staumauer verstopft und am Folgetag durch den Druck des aufgestauten Wassers wieder frei gespült. Eine riesige, unkontrollierte Flutwelle entstand. Sie riss eine Brücke sowie die Hütten der Goldwäscher*innen an beiden Ufern mit sich und zerstörte das Dorf Puerto Valdivia. Munich Re verbucht den Fall im Geschäftsbericht als größte Einzelschaden und muss laut eigenen Angaben eine dreistellige Millionensumme. Die Arbeit des Reputationsrisikosteuerungs-Komitees hat unser Kollege in Frage gestellt. Zu dem Fall hat die Firma geantwortet, dass das Projekt im Rahmen eines Portfolios gesichert wurde und es wichtig ist, dass die Transaktion sich gelohnt hat. Zu den bestehenden Dammbruch-Risiken meinte der Vorstand, dass letztendlich gültige oder fällige abschließende Schadenhöhe zu diesem Zeitpunkt nicht festgestellt werden könnten. Zum Thema Betroffenen hat der Vorstand geschwiegen. Das heißt, nur Gewinn ist wichtig.(5)
Nach einem erfolglosen Versuch, einen persönlichen Termin mit dem Vorstand von Munich Re zu bekommen, erhielten wir lediglich wieder eine nichtssagende Antwort: „Es handelt sich bei Hidroituango jedoch um ein noch laufendes Verfahren, bei dem eine abschließende Klärung aussteht. Es ist uns daher leider nicht möglich, über Einzelheiten zu diesem Fall zu sprechen“.
(1) https://klimasolidaritaet.de/anpassungAnDenKlimawandel
(2) Ein Blick ins Programm lohnt sich:klimacamp-chiemsee.de/programm/
(3) Die Rede unseres Kolumbien-Referenten zu diesem Thema ist abrufbar unter:https://www.kritischeaktionaere.de/siemens/rede-alejandro-pacheco-zapata-deutsch/.
(4) Die Rede unserer Mexiko-Referentin zum Thema Windkraftanlagen in Mexiko ist abrufbar unter: https://www.kritischeaktionaere.de/siemens/rede-von-cristina-valdivia-3/
(5) Die Rede unseres Kollegen ist hier abrufbar: https://www.kritischeaktionaere.de/munich_re/die-katastrophe-am-staudamm-hidroituango-ist-ihr-groesster-einzelschaden-rede-von-alejando-pacheco