Mexiko
Länderbericht
In Mexiko fanden 2018 die umfangreichsten Wahlen seiner Geschichte statt, denn es wurden nicht nur ein neuer Präsident, sondern in 30 der 32 Bundesstaaten der Republik auch Abgeordnete, Senator*innen und lokale Gouverneur*innen gewählt. Andrés Manuel López Obrador (AMLO) von der Koalition Juntos Haremos Historia (Zusammen werden wir Geschichte schreiben; MORENA, PT und PES) war mit 53 Prozent der Stimmen der Sieger der Präsidentschaftswahlen.
Das Ergebnis der Wahlen weckte die Hoffnung vieler Mexikaner*innen auf einen Politik- und Richtungswechsel. Für die Anhänger*innen von Mega-Projekten und einer neoliberalen Wirtschaft war das Ergebnis eher enttäuschend. Die Prioritäten des neuen linken Präsidenten AMLO sind der Kampf gegen Korruption und Straflosigkeit, um eine cuarta transformación (1) (vierte Transformation) Mexikos zu erreichen. Das Öku-Büro arbeitete mit Journalist*innen, Menschen-rechtsverteidiger*innen und Partnerorganisationen zusammen, um die Forderungen und Alternativen für eine echte Transformation des Landes sichtbar zu machen.
Die Wahlen- Hohe politische Beteiligung aber viele Tote
Bei den Wahlen vom 1. Juli 2018 gingen 63 Prozent der 89 Millionen stimmberechtigten Mexikaner*innen zum Wählen. Über 3.400 lokale und regionale Ämter, Bürgermeister*innen, Senator*innen, Abgeordnete, Gouverneur*innen der Bundesstaaten sowie Gemeinderäte wurden neu gewählt. Außer der Wahlbeteiligung war auch die Gewaltquote sehr hoch: bis drei Tage vor den Wahlen wurden über 500 Angriffe gegen Politiker*innen registriert und 132 Kandidat*innen getötet. Guerrero und Oaxaca waren die Staaten mit den meisten politischen Morden.
Es war das erste Mal seit der Gesetzesänderung von 2014, dass die Frauenquote in den Parteien gewährleistet sein musste: 50 Prozent der Listenplätze der Parteien mussten mit Frauen besetzt werden. Diese Maßnahme steht jedoch im Widerspruch zur Realität. Frauen wurden während ihrer Kandidatur sexistisch diffamiert und angegriffen, insbesondere in den sozialen Netzwerken, und in einigen Fällen gezwungen, von den Ämtern zurückzutreten, in die sie gewählt wurden. So wurden beispielsweise in Oaxaca 52 Frauen zur Bürgermeisterin gewählt, aber mindestens drei von ihnen und ihre Stellvertreterinnen mussten zurücktreten, damit ihre männlichen Kollegen ihre Ämter ausüben können. Diese Praxis der Simulation des Prinzips der Geschlechtergleichheit wird als juanitas bezeichnet.
Neue Regierung: eine echte nationale Erneuerung? (2)
Mit dem Sieg von AMLO, der am 1. Dezember 2018 sein Amt als Nachfolger von Enrique Peña Nieto antrat, hat Mexiko zum ersten Mal eine linke Regierung. Das bedeutet Hoffnung nicht nur in Mexiko, sondern auch in den Ländern Lateinamerikas, die seit ihren letzten Wahlen eine rechte Regierung haben.
Die Regierung AMLO versprach in ihrem Wahlkampf, gegen Korruption und Straflosigkeit vorzugehen, den Kampf gegen den Drogenhandel, der viele Menschenleben fordert, zu beenden und von den vorgeschlagenen neoliberalen Strukturreformen der Regierung von Enrique Peña Nieto Abstand zu nehmen. Einige von AMLOs Vorschlägen und Bündnissen mit anderen Parteien wurden jedoch von den sozialen Bewegungen, Feministinnen und Linken mit Skepsis betrachtet. Die Koalition von Morena, der Partei von AMLO, mit der PES (soziale Begegnungspartei, Partido Encuentro Social) wurde von der LGBTI*Trans-Gemeinschaft und den Feministinnen scharf kritisiert, da PES eine religiöse Partei ist, die gegen Abtreibung und sexuelle Vielfalt und für ein traditionelles Familienkonzept eintritt.
Die EZLN und andere indigene Gruppen waren auch unzufrieden mit den von der Regierung AMLO vorgeschlagenen Projekten, zum Beispiel dem Maya-Zug. Dieser Zug ist eine Eisenbahnlinie, die in fünf Bundesstaaten im Süden der Republik verkehren wird: Chiapas, Tabasco, Campeche, Yucatán und Quintana Roo. Der offizielle Baubeginn war am 16. Dezember 2018. Der Zug wird Personen- und Güterverkehr anbieten und soll den Tourismus fördern. Die EZLN lehnt dieses Projekt ab, weil eine Konsultation weder gemäß Artikel 169 der ILO noch gemäß den Vereinbarungen von San Andrés (Acuerdos de San Andrés) durchgeführt wurde, bei der der Konsens der von Megaprojekten betroffenen Gemeinschaften in indigenen Gebieten respektiert werden muss.
Der von der Regierung AMLO vorgeschlagene nationale Friedens- und Sicherheitsplan enthält Vorschläge wie die Bildung einer Nationalgarde, die zu Kontroversen geführt haben. Nachdem das gefürchtete Gesetz der vorherigen Regierung über die innere Sicherheit aufgehoben wurde, da es verfassungswidrig war, ist die mexikanische Zivilgesellschaft weiterhin besorgt wegen der zunehmenden Militarisierung des Landes und der Legalisierung der Übernahme von Aufgaben der öffentlichen Sicherheit durch das Militär. Diese Sorge gilt nach wie vor dem Projekt der Bildung einer Nationalgarde, wofür die Verfassung des Landes geändert werden müsste, um die Beteiligung des Militärs an Polizeiaufgaben zu regeln. Es sei daran erinnert, dass die Streitkräfte für mehrere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, insbesondere seit dem Krieg gegen Drogen.
Leichen der vorherigen Regierung
Unter der Regierung von Enrique Peña Nieto verschärfte sich die Menschenrechtskrise im Land. Die Zahl der Morde, das Verschwindenlassen, und die Angriffe auf Journalist*innen und Menschenrecht-sverteidiger*innen haben ein historisch hohes Niveau erreicht. Die Menschenrechtslage in Mexiko wurde international in dem vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen geforderten Prüfverfahren Universal Periodic Review bewertet. Am 7. November wurden insgesamt 264 Empfehlungen der UN-Mitgliedsstaaten veröffentlicht. Die Empfehlungen betonten den Schutz von Menschenrechtsaktivist*innen und Journalist*innen, die Beseitigung der Straflosigkeit und die Klärung der unzähligen Fälle von verschwundenen Personen. Diese Empfehlungen wurden an die Regierung von Enrique Peña Nieto gerichtet und müssen von der neuen Regierung übernommen werden. Das bietet eine Gelegenheit, klare Maßnahmen zur Verbesserung der Menschenrechtssituation im Land zu ergreifen.
Allein in der Amtszeit von Enrique Peña Nieto von 2012 bis 2018 berichtete die Organisation Artikel 19 (3) über knapp 2.000 Angriffe auf Presse und Medien. Neben Mord sind die häufigsten Formen von Aggression gegen Journalist*innen körperliche Angriffe, Entführungen, Drohungen, Einschüchterung, Belästigung, der Diebstahl von Arbeitsmaterial sowie Spionage. Um die Morde an und Aggressionen gegen Journalist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen zu stoppen und ihre Sicherheit zu gewährleisten, ist es wichtig, die Fälle zu untersuchen und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen. Ebenso müssen die Arbeitsbedingungen von Journalist*innen verbessert, ihr geschlechtsspezifischer Schutz gewährleistet sowie die finanzierung der Öffentlichkeitsarbeit der Regierung neu geregelt werden. Die Gewalt gegen Journalist*innen ist nicht nur eine Folge des Krieges zwischen den Drogenkartellen. Sie hat auch mit der jahrelang praktizierten Kontrolle durch die Lokalregierungen zu tun, die genau beobachten, welche Informationen in den Medien veröffentlicht werden. Die Regierung kontrolliert Presse und Medien zum Beispiel über die Vergabe öffentlicher Werbegelder. In Mexiko gibt es eine spezielle Regierungsabteilung, die mit öffentlichen Geldern Werbeplatz in den Medien kauft, um die Regierungspolitik darzustellen. Diese öffentlichen Gelder werden aber weder transparent noch gerecht verteilt und begünstigen so bestimmte Politiker*innen oder/und Medien. Eine Studie des unabhängigen Forschungszentrums Fundar (4) hat aufgezeigt, dass während der Regierung von Enrique Peña Nieto die Hälfte der Werbegelder aus dem Regierungstopf an lediglich zehn Medienunternehmen verteilt wurde. Allein die beiden marktbeherrschenden Fernsehunternehmen Televisa und TV Azteca erhielten von 2013 bis 2016 fast ein Drittel dieser Mittel.
Die Situation der Menschenrechtsverteidiger*innen hat sich ebenfalls nicht verbessert. Michel Forst, UN-Sonderberichterstatter zur Situation von Menschenrechtsverteidiger*innen, stellte in seinem Bericht (5) zu Mexiko dar, dass Menschenrechtsverteidiger*innen weiter Opfer von extralegalen Hinrichtungen, Folter und gewaltsamem Verschwindenlassen sowie von kontinuierlicher Kriminalisierung als Folge von unbegründeten Anschuldigungen und nachfolgenden willkürlichen Verhaftungen sind.
41, 42, 43 und viele mehr. Gerechtigkeit!
Am 22. April eröffnete Enrique Peña Nieto zusammen mit Kanzlerin Angela Merkel die Hannover-Messe, auf der Mexiko das Gastland war. Auf dem Messegelände gab es Slogans von Demonstrant*innen, die ein Ende von Gewalt und Straflosigkeit und Gerechtigkeit für die Verschwundenen und Toten in Mexiko forderten. Es war kein Zufall, dass die Demonstrant*innen die Regierung von Enrique Peña Nieto an diese Mängel erinnerten, denn vier Tage nach der Einweihung der Hannover-Messe, am 26. April 2018, waren es 43 Monate seit dem Verschwinden der Studenten von Ayotzinapa. Bis heute ist ihr Aufenthaltsort unklar. Weltweit wurde zu der Aktion 43x43 aufgerufen, um die Gesichter der Lehramtsstudenten in verschiedenen Städten zu zeigen und Gerechtigkeit zu fordern. Weitere Demonstrationen fanden mexikoweit statt, darunter wegen des Falls der drei Filmstudenten, die vom Cartel Jalisco Nueva Generación in Jalisco entführt und in Säure aufgelöst wurden. Das Jahr 2018 endete mit der aktualisierten Zahl von über 37.485 Verschwundenen in ganz Mexiko.
Tragen deutsche Unternehmen zur Menschenrechtskrise in Mexiko bei? Der Heckler&Koch-Strafprozess in Stuttgart
Am 15. Mai 2018 begann der Prozess vor dem Landgericht Stuttgart gegen das Rüstungsunternehmen Heckler&Koch wegen illegaler Exporte von G36-Sturmgewehren nach Mexiko. Von 2006 bis 2009 sollen über 9.000 G36-Schnellfeuergewehre sowie Zubehörteile wissentlich in mexikanische Bundesstaaten geliefert worden sein, für die es keine Exportgenehmigungen gab, unter anderem nach Guerrero. Hier gehören Menschenrechtsverletzungen zum Alltag. Die illegal nach Mexiko exportierten deutschen Waffen kamen am 26. September 2014 in Guerrero gegen die Studenten von Ayotzinapa zum Einsatz. In dieser Nacht wurde Aldo Gutiérrez durch einen Gewehrschuss der Polizei so schwer verletzt, dass er seitdem im Koma liegt. Sein Bruder, Leonel Gutiérrez Solano, war bei einer der Verhandlungen in Stuttgart anwesend, obwohl das Landgericht Stuttgart im Verfahren gegen Heckler&Koch seine Nebenklage nicht zugelassen hatte. In dem Prozess soll es offenbar nur um Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz gehen. Am 21. Februar 2019 wird die Urteilsverkündung stattfinden.
Ein tolles Weihnachtsgeschenk!
Fast am Ende des Jahres erreichte uns eine sehr gute Nachricht: Damián Gallardo und Enrique Guerrero sind freigelassen! Der neue Präsident Mexikos, Andrés Manuel López Obrador, hatte in seinem Wahlkampf versprochen, dass er den politischen Gefangenen Gerechtigkeit bringen werde. Und dieses Versprechen wurde Ende Dezember 2018 eingelöst: 12 Personen wurden frei gelassen, darunter Enrique Guerrero und Damián Gallardo. Beide Menschenrechtsverteidiger hat das Öku-Büro seit 2016 solidarisch unterstützt.
Damián Gallardo und Enrique Guerrero wurden im Mai 2013 willkürlich inhaftiert. Sie wurden fünf Jahre und acht Monate lang ohne Urteil festgehalten und jetzt dank der Rücknahme der Anklage durch die Staatsanwaltschaft freigelassen. Beide Fälle wurden von der Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen für willkürliche Inhaftierungen beobachtet und ausführlich dokumentiert, darunter die angewandten grausamen Haftmethoden, die Isolationshaft und der physische und psychische Missbrauch, dem sie ausgesetzt waren. Die Arbeitsgruppe der UNO hat den mexikanischen Staat zu Maßnahmen für ihre Freilassung und Entschädigung aufgefordert. Am 27. März 2017 haben wir, das Ökumenische Büro für Frieden und Gerechtigkeit und die Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko, auf das Fortdauern der massiven Menschenrechtsverletzungen im Hochsicherheitsgefängnis CEFERESO Nº. 2 in Puente Grande, Jalisco, hingewiesen, in dem die beiden willkürlich festgenommenen Menschenrechtsverteidiger seit mehr als fünf Jahren festgehalten wurden.
Was Enrique Guerrero und Damián Gallardo widerfahren ist, ist kein Einzelfall. Willkürliche Verhaftungen, das Erfinden von Tathergängen und die Erzwingung von Geständnissen unter Folter fügen sich in ein verbreitetes Muster, mit dem mexikanische Behörden die Arbeit von Menschenrechtsverteidiger*innen kriminalisieren und behindern. Wir fordern Maßnahmen zur Wiedergutmachung und Garantien der Nichtwiederholung, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, die physische und psychische Unversehrtheit von Damian und Enrique, ihren Angehörigen und der sie begleitenden Organisationen sicherzustellen sowie die Kriminalisierung von Menschenrechtsverteidiger*innen in Mexiko zu beenden. Wir fordern: Keine weiteren politischen Gefangenen!
(1) Eine Transformation, die mit drei Momenten in der Geschichte Mexikos vergleichbar ist, der Unabhängigkeit (1821), der Reform oder Kriegsreform (modernisierenden Reformen unter Benito Juárez zwischen 1854 und 1876, die die mex. Staat Säkularisiert haben) und der mexikanischen Revolution (1910).
(2) AMLO ist Mitglied der Partei Morena, was Nationale Erneuerungsbewegung bedeutet.
(3) Democracia simulada, nada que aplaudir: Jahresbericht 2017. https://articulo19.org/nadaqueaplaudir/
(4) “Contar lo bueno cuesta mucho. El gasto en publicidad oficial del gobierno federal 2013 a 2016” http://fundar.org.mx/?p=12134
(5) Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights defenders on his mission to Mexico http://hchr.org.mx/images/doc_pub/A_HRC_37_51_Add_2_EN.pdf
Aktivitäten zu Mexiko
43x43 Ayotzinapa - Lebend wurden sie verschleppt, lebend wollen wir sie wieder!
Am 26. April 2018 waren es 43 Monate ohne die 43 Studenten von Ayotzinapa. In der Nacht vom 26. auf den 27. September 2014 griff die örtliche Polizei von Iguala in Komplizenschaft mit dem organisierten Verbrechen Studenten des Lehrerbildungsinstituts von Ayotzinapa an. Die Staatspolizei, die Bundespolizei und das Militär von Iguala wussten von Anfang an, dass es sich um Studenten handelte, die attackiert wurden. Sechs Personen wurden ermordet, weitere verletzt sowie 43 Studenten gewaltsam verschwinden gelassen. Bis heute ist der Verbleib der Studenten nicht bekannt.
Von München aus forderten wir Wahrheit und Gerechtigkeit. Von München aus fragten wir den damaligen Staatspräsidenten, Enrique Peña Nieto, und die Gouverneure der zwölf Bundesstaaten, die zur Eröffnung der Hannover Messe 2018 angereist waren: Wo sind die über 35.000 Verschwundenen in Mexiko?
Zusammen mit Aktivist*innen, Münchner*innen, Pacta Servanda e. V. und engagierten und solidarischen Personen nahmen wir in München an der weltweiten Aktion 43x43 teil. Dank dem Inside Out Project (1) hatten wir großformatige Porträts der Verschwundenen, die wir auf dem Marienplatz aufstellten, um von der Aktion Fotos zu machen und diese in verschiedenen Medien zu verbreiten. Auf dieser Kundgebung verteilten wir Informationsmaterial.
Wir hatten auch die Möglichkeit, bei einer Sendung des Zündfunk von Bayern 2 über die weltweite Aktion zu sprechen. Unsere Mexiko-Referentin wurde zum Thema Ayotzinapa interviewt und sie berichtete über den aktuellen Stand der Ermittlungen zu dem Fall.
Politische Gefangene in Honduras und Mexiko
„Wir sind in einem kafkaesken Ausnahmezustand – Ungerechtigkeiten werden zur Norm.“ Enrique Guerrero, Mai 2018
In Honduras wurden zu Jahresbeginn Dutzende Demonstrant*innen bei landesweiten Protesten gegen den Wahlbetrug und die erneute Amtsübernahme der Regierung Juan Orlando Hérnandez willkürlich festgenommen. Fünf von ihnen sitzen immer noch hinter Gitter. Ihre Lebensumstände sind prekär. Der langjährige Menschenrechtsaktivist Edwin Espinal wird unter falschen Anschuldigungen im Hochsicherheitsgefängnis La Tolva festgehalten. Wir sprachen über seine Situation und die Kampagne zur Freilassung aller politischen Gefangenen in dem zentralamerikanischen Land.
In der Nacht des 18. Mai 2013 wurde der indigene Lehrer Damián Gallardo Martínez ohne richterlichen Beschluss im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca, Mexiko festgenommen. Er setzte sich für die Rechte indigener Völker sowie das Recht auf Bildung ein und war ein Gegner der nationalen Bildungsreform. In der Nacht davor, am 17. Mai 2013, wurde Enrique Guerrero Aviña in Mexiko-Stadt zunächst verfolgt, beschossen und anschließend Opfer gewaltsamen Verschwindenlassens durch staatliche Sicherheitsbehörden. Als Student in Mexiko-Stadt war er Mitbegründer des Kollektivs Liquidámbar und beim Protest gegen die Bildungsreform aktiv. Beide Aktivisten waren fünf Jahre und sieben Monate in dem Hochsicherheitsgefängnis Puente Grande in Jalisco, Mexiko inhaftiert.
In dieser Zeit kämpften Enrique und Damián für ihre Rechte im Gefängnis; Enrique lernte Deutsch und Damián schrieb Gedichte und malte Bilder. Familienangehörige und begleitende Organisationen wie Consorcio aus Oaxaca machten daraus ein Buch. Das Buch stellte uns Anfang Juni eine Vertreterin der Organisation Consorcio im Kafe Marat vor und berichtete über die beiden Fälle. Heute sind beide Menschenrechtsaktivisten wieder frei.
Frauenrechte und Gleichberechtigung – Die Lage in Lateinamerika mit Fokus auf Mexiko
Auf Einladung der Europäischen Akademie Bayern hielt unsere Mexiko-Referentin im Rahmen des Seminars „Hoffnungsträger Lateinamerika?. Eine Region zwischen Fortschritt und Stagnation“ vom 17. bis 21. September 2018 in Kochel am See einen Vortrag zum Thema Frauenrechte in Mexiko. Basierend auf dem Bericht Derechos y violencias. La experiencia de ser mujer (Rechte und Gewalt. Die Erfahrung, eine Frau zu sein) unserer Partnerorganisation Red TdT aus Mexiko-Stadt stellte unsere Referentin die schwere Lage von Frauen in Mexiko dar. Zusammen mit den Teilnehmer*innen des Seminars diskutierte sie über die Handlungsmöglichkeiten als Frau in Lateinamerika und in Deutschland. Das Seminar wurde durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefördert und evaluiert.
Fotoausstellung: Wo sind sie? – Kein Mensch verschwindet spurlos
„Gewaltsames Verschwindenlassen ist in weiten Teilen Mexikos eine verbreitete Praxis.“ Zu diesem Schluss kam der UN-Ausschuss gegen das Verschwindenlassen von Personen in seinen an die mexikanische Regierung gerichteten Empfehlungen im Jahr 2015.
Dieses Verbrechen wird in Mexiko seit Jahren tausendfach begangen. Amnesty International beklagt seit langem die gleichgültige Haltung des mexikanischen Staates. Warum werden Menschen Opfer des Verschwindenlassens? Was bedeutet es für die Ehefrauen, Ehemänner, Brüder und Schwestern, Freund*innen und Nachbar*innen, wenn ein Mensch plötzlich verschwunden ist? Was können Betroffene unternehmen, um ihre Liebsten zu finden? Diese Fragen beantworteten wir zusammen mit den Bildern und den Referent*innen von Pacta Servanda und dem Öku-Büro in einer Ausstellung im EineWeltHaus. Unter dem Motto „Kein Mensch verschwindet spurlos“ setzt die Wanderausstellung von Amnesty International zum gewaltsamen Verschwindenlassen von Menschen in Mexiko diesem besonders grausamen Verbrechen Öffentlichkeit entgegen. Die Ausstellung zeigt uns, dass die Verschwundenen zumindest in der Erinnerung der Angehörigen und Freunde präsent bleiben.
Journalist*innen in Mexiko – ein Berufsstand im Fadenkreuz
Ohne Journalist*innen gibt es keine Demokratie. Doch genau dieser Beruf ist in Mexiko hochriskant geworden. Mexiko ist das gefährlichste Land der Welt für Journalist*innen, abgesehen von den Ländern, in denen Kriege oder bewaffnete Konflikte herrschen. Trotzdem gibt es mutige Menschen, die sich für die Aufklärung wichtiger Themen einsetzen. Zusammen mit Alleweltonair aus Köln hat das Öku-Büro die Radiosendung „Journalist*innen in Mexiko – ein Berufsstand im Fadenkreuz“ gemacht und den Journalist*innen aus Mexiko gewidmet. Das Kurzfeature erklärt die Ursachen der Menschenrechtskrise und erzählt von Journalist*innen und wie sie mit dieser Situation umgehen.
Dokumentarfilm: No se Mata la Verdad - Die Wahrheit kann man nicht töten
Nach seiner Entführung in Syrien und der Hinrichtung eines Kollegen kehrte der Kriegskorrespondent Témoris Grecko in sein Heimatland zurück: ein gewalttätiges Mexiko. In seinem Dokumentarfilm No se Mata la Verdad dokumentiert er die drei blutigsten Jahre (2015 – 2017) für Journalist*innen aus Mexiko. Der Film zeigt mit Hilfe von Fällen, die die gesamte Republik von Tijuana bis in die Karibik abdecken, die extreme Gewalt gegenüber Journalist*innen in Mexiko und die Straflosigkeit dieses Verbrechens.
(1) Inside Out ist ein globales partizipatorisches Kunstprojekt, das von dem französischen Fotografen JR initiiert wurde. Das Projekt, inspiriert von den großformatigen Straßenverklebungen von JR, ist offen für alle, überall auf der Welt.
Festival Arte Popular México-Alemania: Wandbild, Workshops, Vorträge und Ausstellung
Zum dritten Mal fand im Sommer in München unser Wandbildprojekt sowie das Begleitprogramm mit Workshops, Ausstellungen und Vorträgen statt. Das gesamte Programm heißt Festival Arte Popular México-Alemania, da die Ausstellung in beiden Länder gezeigt wird.
Mural comunal participativo - kommunales partizipatives Wandbild
Zusammen mit Münchner*innen und nicht Münchner*innen führten wir im Stadtteil Au-Haidhausen Umfragen durch, um zu erfahren, was die Bewohner*innen dieses Stadtteils auf dem Wandbild dargestellt wollten. Die Antworten zu der Frage „Was findest du für die Gesellschaft, für die Nachbarschaft und für dich wichtig?“ gestalteten wir visuell durch bunte Motive und Ideen und malten diese auf die Außenwand des Jugendtreffs Au. Innerhalb von drei Wochen wurde das Wandbild geplant, skizziert und gemalt, ohne Pause. Das Wandbild war möglich geworden dank der mexikanischen Künstler*innen Checo Valdez, Fabiola Araiza und Josefa Sánchez, die den gesamten Prozess eines partizipativen, kommunalen Wandbildes begleiteten, und dank aller Teilnehmer*innen, die mit uns malten, kochten, Gitarre spielten und sangen. Das fertige Wandbild kann man im Kegelhof 8 anschauen.
Neben dem Wandbild lernten mehrere Interessent*innen bei unseren Workshops, wie man einen Druck mit Kaltnadelradierung macht, wie ein Comic am besten gestaltet wird und wie man mit Motiven eine Monotypie zeichnet. Die mexikanischen Künstler*innen Victor Ortega und Yescka sowie Sabine Mayer aus München boten diese vielfältigen Workshops an.
„Man ist nicht als Frau geboren, man wird es“ (Simone de Beauvoir) - Eine Ausstellung zum Thema Frauen, Gewalt und Gleichstellung der Geschlechter
Dieses Jahr wählten wir das Thema Geschlechtergleichstellung mit dem Motto „Man ist nicht als Frau geboren, man wird es“ (Simone de Beauvoir). Zusammen mit den Besucher*innen diskutierten wir bei den Vorträgen „Indigene Frauen in Mexiko“, „Frauen, Politik und Wahlen in Mexiko“ sowie „Feminismus ist unverschämt“ über Themen, mit denen sich sowohl die deutsche als auch die mexikanische Gesellschaft auseinandersetzten.
Die Vorträge und Diskussionen stimmten sehr gut mit unserer Ausstellung und deren Motto überein. Künstler*innen aus Mexiko und Deutschland haben rund 40 Bilder gestiftet, die während der Ausstellung erworben werden konnten. Den Erlös spendeten wir an die Organisation Kalli Luz Marina, A.C. in Veracruz, Mexiko. Kalli wurde im Jahr 2007 gegründet mit dem Ziel, Frauen, die mit geschlechterspezifischer Gewalt konfrontiert sind, eine kostenlose umfassende Unterstützung (rechtlich, psychologisch, emotional und sozial) anzubieten. Während der Ausstellung gesammelte Geld wird diese Initiative gestärkt. 2019 wird es die gleiche Ausstellung in Mexiko geben, wo die Kunstwerke ebenfalls erworben werden können.
Das gesamte Festival wurde vom Öku-Büro München, UAM (Universidad Autonóma Metropolitana), der Färberei, dem Konvolut und dem Jugendtreff Au veranstaltet, mit finanzieller Unterstützung durch das Kulturreferat der Landeshauptstadt München, den Katholischen Fonds, das Netzwerk München, Engagement Global und das Öku-Büros München.