Mexiko

Länderbericht

Das letzte Jahr des Mandats des mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto hat einen schlechten Saldo hinterlassen: Korruptionsskandale, zunehmende Gewalt und autoritäre neue Gesetze. Menschenrechtsverteidiger*innen und Journalist*innen wurden ständig bedroht, ausspioniert und sogar ermordet. Dank der mexikanischen Zivilgesellschaft und der sozialen Bewegungen wurden in Mexiko zwei Gesetze gegen Folter und gegen das gewaltsame Verschwindenlassen verabschiedet. Das Ökumenische Büro begleitete Familienangehörige und Vertreter*innen von mexikanischen Organisationen, um es ihnen zu ermöglichen, ihre Forderungen an die mexikanische Regierung im europäischen Raum zu äußern.

Regierung spioniert gegen Aktivist*innen und Journalist*innen

Mexikanische Nichtregierungsorganisationen wie Artículo 19, Social Tic, R3D und die Gruppe Citizen Lab von der kanadischen Universität Toronto recherchierten und dokumentierten Überwachungsfälle seitens der mexikanischen Regierung gegen Aktivist*innen, Journalist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen.

Die Betroffenen bekamen Textnachrichten mit Links auf ihre Handys. Wenn die Personen den Link öffneten oder die Nachricht beantworteten, griff die Software Pegasus auf ihre Daten zu. Die Malware installierte sich in den Telefonen, danach verfolgte und überwachte sie Emails, Anrufe, Kontaktlisten, Chats sowie den Standort der Person. Die Software ist so effektiv, dass sie sogar Audio und Video des Handys abgreifen kann.

Pegasus wird von der israelischen Firma NSO hergestellt und nur an Regierungen verkauft, um Terrorist*innen und Kriminelle zu bekämpfen. Die mexikanischen Gesetze wiederum erlauben es nur mit einer Genehmigung eines Bundesrichters, Telefone zu überwachen.

Allerdings missbrauchte die mexikanische Regierung die Software und spionierte Menschenrechtsverteidiger*innen, Regierungskritiker*innen, Journalist*innen, Anwält*innen von Gewaltopfern und sogar Mitglieder der Interdisziplinären Unabhängigen Expertengruppe (Grupo Interdisciplinario de Expertos Independientes, GIEI) aus. Die Expertengruppe befand sich während ihrer Ermittlungen zum Fall Ayotzinapa mit Diplomatenstatus in Mexiko. Es liegen keine Informationen darüber vor, ob es bei den in dem Bericht erwähnten abgehörten Telefonen eine solche Autorisierung durch einen Bundesrichter gab.

Ein blutiges Jahr

Laut Reporter ohne Grenzen war Mexiko im Jahr 2017 für Journalist*innen das gewalttätigste Land der Welt, das sich nicht im Kriegszustand befindet. Insgesamt zwölf Journalist*innen wurden ermordet. Sie hatten vor allem über Korruption und organisierte Kriminalität berichtet. Die Palette der Angriffe auf Journalist*innen reicht von Belästigungen über Bedrohungen bis hin zu Mord. Wegen der hohen Straflosigkeit wird weniger als ein Prozent der Straftaten gegen Journalist*innen aufgeklärt. Politische Motive für die Angriffe werden systematisch ignoriert. In vielen dieser Fälle sind die staatlichen Behörden sowie die lokale und föderale Polizei verwickelt.

Auch die gesamte mexikanische Bevölkerung ist von dieser Gewalt betroffen. Täglich werden 80 Personen in Mexiko ermordet. 2017 war das gewalttätigste Jahr, seitdem Ex-Präsident Felipe Calderón 2006 den „Drogenkrieg“ erklärte

Für die Mexikanerinnen ist die Aussicht noch schlechter. Laut UN-Women werden im Durchschnitt jeden Tag sieben Frauen umgebracht und nur drei dieser Fälle werden als Feminizid kategorisiert, als geschlechtsspezifische Tötung. Jedes Feminizid-Opfer verursacht Wut, Trauer – und Aktion. Nach dem Mord an Mara Fernanda Castilla Miranda protestierten tausende Frauen und Männer aus elf mexikanischen Bundesstaaten und verlangten die Verkündung eines nationalen Geschlechternotstands und Gerechtigkeit für die Opfer von Feminiziden(1). Die 19-jährige Mara Fernanda war eine von 83 Frauen, die 2017 in ihrer Heimatstadt Puebla getötet wurden.

„Damit die Erde in ihren Zentren erbebe“(2)

September ist ein sehr traditioneller Monat in Mexiko, da der Unabhängigkeitstag gefeiert wird. Dieses Jahr jedoch war er der Monat mit katastrophalen Erdbeben in Oaxaca, Chiapas, Puebla, Morelos und Mexiko-Stadt. Am 7. September bebte die Erde mit einer Stärke von 8,2 der Richterskala in Südmexiko. Mehr als 90 Personen kamen ums Leben. Der mexikanische Präsident Enrique Peña Nieto, Regierungsmitglieder sowie Gouverneure waren in Oaxaca und Chiapas als die Erde bebte, und versprachen schnelle Nothilfe, umfassende Schadenserfassung und Wiederaufbau(3). Dennoch beklagten die Opfer des Erdbebens in der Folgezeit, dass nur unzureichende staatliche Hilfe bei ihnen ankam.

Knapp zwei Wochen nach dem ersten Beben traf ein Beben Mexiko-Stadt mit einer Stärke von 7,1 der Richterskala. Am 19. September, exakt 32 Jahre nach dem stärksten Erdbeben in Mexiko-Stadt, bebte die Erde im Bundesstaat Morelos, ca. 120 Kilometer südlich von Mexiko-Stadt. Da Mexikos Hauptstadt auf den weichen Sedimenten eines ehemaligen Sees gebaut ist, waren die Schäden enorm. Überwältigend war aber auch die Solidarität der Freiwilligen, die sich sofort auf die Suche nach Verschütteten begaben. Die Nachbarschaft organisierte gespendete Lebensmittel, Medizin und Decken für die Überlebenden. Auch die sozialen Netzwerke halfen, um die Güter zu verteilen. Aufgrund vergangener Erfahrungen mit Naturkatastrophen vertrauen viele Mexikaner*innen den staatlichen Hilfsprogrammen nicht mehr. Deswegen waren diese Freiwilligenaktionen sehr wichtig, um sicher zu gehen, dass die Hilfe direkt die Opfer erreichte und nicht zum Beispiel für Stimmenkauf benutzt wurde. Die Rettungsdienste von Polizei, Zivilschutz, Marine und Armee trafen oft erst eine Stunde oder mehr nach dem Beben vor Ort ein.

Große Schritte nach vorne – Gesetze gegen Verschwindenlassen und Folte

Der Fall der 43 verschwundenen Lehramtsstudenten in Ayotzinapa im Jahr 2014 erreichte große nationale und internationale Aufmerksamkeit und übte starken Druck auf die mexikanische Regierung aus. Der mexikanische Präsident Enrique Peña Nieto versprach den Mexikaner*innen mehr Regulierung, um zukünftig derlei Verbrechen zu vermeiden. Drei Jahre nach dem gewaltsamen Geschehen verabschiedeten beide Kammern des Parlamentes das Gesetz gegen Verschwindenlassen in Mexiko. Das Gesetz bedeutet einen großen Schritt für die Familienangehörigen sowie für die nationalen und internationalen Organisationen, die seit Jahren diese systematischen, massiven und verbreiteten Verbrechen verurteilt haben. Laut offiziellen Daten wurden von 2006 bis 2017 über 32.000 verschwundene Personen registriert.

Nun soll eine nationale Suchkommission eingerichtet und die Zusammenarbeit zwischen den lokalen und nationalen Behörden der mexikanischen Bundesstaaten verstärkt werden, um Fälle von gewaltsamem Verschwindenlassen mexikoweit aufzuklären.

Das Gesetz gegen Folter zeigt das erfolgreiche Zusammenwirken von mexikanischer Zivilgesellschaft, Familienangehörigen und Betroffenen. Nach zwei Jahren intensiver Lobbyarbeit wurde das Gesetz verabschiedet. Es verbietet den Einsatz von Folter und soll garantieren, dass Zeugenaussagen, die unter Folter gemacht werden, vor Gericht nicht zugelassen werden.

Großer Schritt zurück – Gesetz zur Inneren Sicherheit

Unsicherheit, Gewalt und Kriminalität bedeuten eine große Herausforderung für jede mexikanische Regierung. Um die innere Sicherheit zu erhöhen, entwarfen Abgeordnete der Regierungspartei PRI (Partei der institutionalisierten Revolution), der Partei von Präsident Peña Nieto, ein Gesetz zur Inneren Sicherheit. Mitte Dezember verabschiedete der mexikanische Senat das vorgeschlagene Gesetz. Es reguliert den Einsatz der mexikanischen Sicherheitskräfte in der Kriminalitätsbekämpfung. Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen kritisieren das Gesetz, da es eine zunehmende Militarisierung des Landes bedeutet, die Aufgabenbegrenzung des Militärs nicht klar formuliert ist und es keine definierten Kontrollmechanismen gibt. Diese ungenauen Definitionen könnten demokratische Grundrechte angreifen und zunehmende Gewalt und Menschenrechtsverletzungen provozieren, so Menschenrechtsorganisationen und Experten wie Jan Jarab, Vertreter des Hohen Kommissariats der Vereinten Nationen für Menschenrechte (UNHCHR) in Mexiko.(4)

Die seit 2006 durchgeführte „Drogenbekämpfung“ durch Sicherheitskräfte in Mexiko hat mehr als 200.000 Menschen das Leben gekostet und tausende verschwundene und hunderttausende vertriebene Menschen zur Folge. Es ist klar, dass eine solche Militarisierung nicht zu mehr Sicherheit führt.

Präsidentschaftswahlen 2018

Der Präsident Enrique Peña Nieto wird seine Amtszeit mit mehreren Korruptionsskandalen abschließen. Die mexikanische Journalistin Carmen Aristegui brachte den Fall Casa Blanca (Weißes Haus) ans Licht. Es ging um ein sieben Millionen Dollar Haus, das der Präsidentengattin Angélica Rivera gehört, und das über Finanzanlagen von einem Auftragnehmer der Regierung und Freund des Präsidenten gekauft wurde.(5) Auch die Journalist*innen von Animal Político deckten über 128 Scheinunternehmen auf, die der Staat genutzt hat, um mehrere Milliardenbeträge in Pesos abzuzweigen. Durch diesen „Meisterbetrug“ (Estafa Maestra) wurde vor allem Geld gestohlen, das für die Armutsbekämpfung vorgesehen war. Involviert sind acht öffentliche Universitäten und elf staatliche Behörden.(6)

In Mexiko lebt die Mehrheit der Indigenen, zwölf Prozent der mexikanischen Bevölkerung, in Armut. 2017 ließ sich zum ersten Mal in der Geschichte Mexikos eine indigene Kandidatin für die Präsidentschaftswahlen bei der nationalen Wahlbehörde INE registrieren. María de Jesús Patricio Martínez (Marichuy) vertritt den Regierungsrat der Indigenen (Consejo Indígena de Gobierno, CIG), in dem 35 indigene Völker mit 141 Vertreter*innen aus 62 Regionen aus dem ganzen Land zusammengeschlossen sind.(7) Marichuys Kandidatur wird von der EZLN unterstützt, allerdings benötigt die Kandidatin 866.000 Unterschriften, um bei der Wahl antreten zu dürfen.

Aktivitäten zu Mexiko

Trump gegen mexikanische Migrant*innen - und die Mexikaner*innen?

Am 14. Juni berichteten die Doktorandin Yaatsil Guevara und der Dokumentarfilm-Regisseur Hauke Lorenz über die Situation der Migrant*innen und ihren Transit durch Mexiko und teilten ihre Erfahrungen aus der Herberge „La72“ in Tenosique, Tabasco, Mexiko. „La72“, eine besondere Herberge des Franziskaner-Ordens für Migrant*innen in Tenosique, macht auf die gefährlichen und katastrophalen Lebensumstände der Flüchtlinge aufmerksam und bietet ihnen Verpflegung und eine Übernachtungsmöglichkeit.

Mit Hilfe von Fotos und einem Video schilderten Yaatsil und Hauke Beispiele von persönlichen Geschichten der Migrant*innen. „Die Herberge La72 in Tenosique ist ein Platz für Hoffnung, Begegnung und Lernen“, so Yaatsil Guevara bei der Veranstaltung.

Während und nach dem Vortrag machte das Publikum Kommentare, stellte Fragen und verglich die Situation in Mexiko und Europa bzw. Deutschland. Es gab Unterschiede bei den Zuhörer*innen, wie man die Situation in Europa mit den Flüchtlingen wahrnimmt, sowie welche Lösungsmöglichkeiten man in Betracht zieht. In anderen historischen Momenten wurden Deutsche als Flüchtlinge in mehreren Ländern aufgenommen und diesen Teil der Geschichte sollte man sich gerade zum aktuellen Zeitpunkt in Erinnerung rufen.

Digitale Überwachung

Das Gesetz zur Inneren Sicherheit wurde im Dezember 2017 in Mexiko verabschiedet. Drei Monate vorher, am 7. September, sprachen wir über die Folgen dieses Gesetzes mit der Doktorandin Tania Atilano. Sie verglich dieses Gesetz mit dem am 22. Juni 2017 erlassenen deutschen „Überwachungsgesetz“. Ein Mitglied der Roten Hilfe e. V. erzählte über das Ausspähen von linken Organisationen in Deutschland. Er veranschaulichte die Auswirkungen von Überwachungen anhand des aktuell laufenden TKP/ML (Kommunistische Partei der Türkei/Marxistisch-Leninistisch) Gerichtsprozesses.

Außerdem wurde über die aktuellen Fälle von Spionage in Mexiko gesprochen. Opfer der Spionage sind Aktivist*innen, Journalist*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen und Mitglieder der Interdisziplinären Unabhängigen Expertengruppe (GIEI, Grupo Interdisciplinario de Expertos Independientes) für den Fall Ayotzinapa. Die mexikanischen Gesetze wiederum erlauben es nur mit einer Genehmigung eines Bundesrichters, Telefone zu überwachen. Es liegen keine Informationen darüber vor, ob es bei den in dem Bericht erwähnten Telefonüberwachungen eine solche Autorisierung durch einen Bundesrichter gab, so Tania Atilano.

Über die Spionage in Mexiko verfasste das Ökumenische Büro am 13.#Juli einen Brief, der von mehr als zwanzig Mitgliedern des Europäischen Parlaments, der Abgeordnetenkammer in Spanien und des Deutschen Bundestages sowie Organisationen der internationalen Zivilgesellschaft unterzeichnet wurde. Die Unterzeichnenden verlangen eine vollständige und unabhängige Ermittlung. Der Brief weist auf die besondere Schwere der Spionage gegen die Mitglieder der GIEI, die während ihres Aufenthaltes in Mexiko diplomatische Immunität genossen haben, hin sowie auf die Bedeutung ihrer Mission, bei der Untersuchung des Falles Ayotzinapa zu ermitteln.

Kein Gensoja!

Die Imkerin und Bäuerin Leydy Aracely Pech Martin und die Doktorandin im Bereich ländliche Entwicklung Irma Gómez González sprachen am 27.09. über den Anbau von Gensoja auf der Halbinsel Yukatan. Die Veranstaltung fing mit einem kurzen Video über den Gensoja-Anbau auf der Halbinsel Yukatan an. Christiane Lüst von der Aktion GEN-Klage gab eine Einleitung über die 62. Sitzung des UN-Menschenrechtsausschusses für ökonomische, kulturelle und soziale Rechte, an dem unsere beiden Referent*innen teilnehmen und ihren Bericht über die Folgen von Gensoja im Landkreis Hopelchén, Bundesstaat Campeche, vortragen wollten. Wegen des Erdbebens am 19.#September in Mexiko sagte die mexikanische Behörde ihre Anwesenheit jedoch ab und die UN-Anhörung fand nicht statt.

Leydy Pech erzählte über ihre Arbeit in Bildungsprojekten und nachhaltiger Landwirtschaft und über ihr Imker*innenkollektiv Los Chenes in Campeche. Für sie stellen die Gensoja-Pollen eine Gefahr für die Existenz der Bienen dar, da die Gensojafelder mit Glyphosat gespritzt werden und Abholzung verursachen und weil wegen immer mehr Monokulturen die Diversität im Anbau stark abnimmt. Bienen bestäuben und Honig produzieren sind Teil der Maya-Kultur. Wenn die Bienen sterben, sei das Erbe ihrer Maya-Kultur und ihr Lebensunterhalt betroffen, so Leydy Pech.

Irma Gómez erklärte, woher Gensoja kommt und beschrieb die Akteure, die in dem Konflikt in Hopelchén eine Rolle spielen: Diese sind die Maya-Gemeinden, die mexikanische Regierung, Unternehmer (z. B. Monsanto) und Mennoniten. Gensoja wird lokal als Viehfutter verwendet und für Ölproduktion genutzt.

Wandbildzeugnisse – Verleihung

Knapp ein Jahr nach der Wandbildaktion 2016 trafen sich die Teilnehmer*innen zu einer kleinen Zeremonie und einem fröhlichen Abendessen im ligsalz8. Die mexikanischen Künstler*innen Checo Valdez und Fabiola Araiza verliehen in einer kleinen Zeremonie Zeugnisse an die Absolvent*innen des Wandbild-Workshops, des Multiplikator*in-nenseminars sowie an die Künstler*innen der Ausstellung des Festivals Arte Popular Mexicano 2016.

MAIZ - Performance des Kollektivs tonalli

Das Kollektiv tonalli gastierte am 11.#Oktober in München mit seiner Perfomance MAIZ. Sie bestand aus einer bilingualen Lesung auf Spanisch und Deutsch mit Musik und Elementen aus Theater und Tanz sowie einer Videoinstallation. Die Künstler*innen erklärten sowohl die kulturelle und biologische Vielfalt von Mais, als auch die sozioökonomischen Auswirkungen und globalen Zusammenhänge der Produktion dieses Getreides. Anschließend hielt ein Vertreter des Donihofs aus München einen Vortrag über solidarische Landwirtschaft (SoLawi).

„Ich werde dich suchen, bis ich dich wieder finde“

Eine 10-tägige deutschlandweite Rundreise mit Veranstaltungen und Lobbyterminen mit einer Vertreterin der Las Buscadoras aus Sinaloa, Mexiko, zum Thema gewaltsames Verschwindenlassen in Mexiko fand im November statt. Dulcina Parra hielt Infoveranstaltungen in Stuttgart, Kiel, Hamburg und Berlin. Außerdem traf sie sich mit dem Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe sowie mit dem Auswärtigen Amt und Mitgliedern der Bundesregierung in Berlin. Dulcina Parra und Dolores Seravia, von unserer Partnerorganisation SERAPAZ aus Mexiko, thematisierten auf den Treffen mit den deutschen Abgeordneten das Ende September 2017 verabschiedete Gesetz zum Verschwindenlassen in Mexiko und seine Umsetzung.

Dulcina Parra ist Mitglied der Gruppe Las Buscadoras, die aus Müttern der Verschwundenen in Sinaloa, Nordmexiko, besteht. Sie suchen seit 2014 mittwochs und sonntags in Massengräbern, auf Müllhalden und Brachflächen sowie in Flüssen nach ihren verschwundenen Angehörigen. Sie sind auch die ersten Familienkomitees, die forensische Ermittlungen selbst erlernten. In Sinaloa, wo die Buscadoras herkommen, befindet sich das erste „Suchlabor“, um Verschwundene zu identifizieren. Sie registrierten bisher mehr als 410 Verschwundene und fanden mehr als 100 Überreste. Die Arbeit dieser Frauen sensibilisierte die Familien, Nachbarn und viele Personen in Mexiko für das Phänomen des gewaltsamen Verschwindenlassens und sie zeigten, dass aufgrund der hohen Straflosigkeit alle Personen in Mexiko, Bürger*innen und Migrant* innen, vom gewaltsamen Verschwindenlassen betroffen sein können. Die Buscadoras haben selbst Suchmaßnahmen entwickelt und kümmern sich um die psychischen und physischen Probleme der Familienangehörigen.
Das Engagement von Las Buscadoras ist ein lokaler kleiner Schritt gegenüber von mehr als 30.000 Verschwundenen in Mexiko.

Die Veranstaltungen der Rundreise führte das Ökumenische Büro in Kooperation mit mehreren Organisationen durch. Die Mitveranstalter waren vor allem Nichtregierungsorganisationen und Gruppen, die sich mit Mexiko und Lateinamerika beschäftigen. Dazu gehörten: Amnesty International (lokale Gruppe in Kiel, CASA-Gruppe), Zapapress e. V., die Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko, die Betriebsseelsorge, DiMOE, die Elisabeth-Käsemann-Stiftung, die Evangelische Akademie Bad Boll, die Matthias Claudius Kirchengemeinde, das Forum der Kulturen Stuttgart e. V. und die Plattform Menschenrechte.

Stop Corporate Impunity!

Mit Octavio Rosas Landa haben wir eine gemeinsame Reise nach Genf organisiert, um an der Wochenkampagne „Stop corporate impunity“ und der dritten Anhörung der zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe für Menschenrechte und Unternehmen in Genf teilzunehmen. Die Arbeitsgruppe hat das Mandat, einen bindenden UN-Vertrag bezüglich transnationaler Unternehmen und Menschenrechten auszuhandeln.

Octavio Rosas führte mit dem Ökumenischen Büro im Jahr 2014 eine Rundreise zum Thema „TPP-Ständiges Völker Tribunal, Kapitel Mexiko“ (Tribunal Permanente de los Pueblos) in Deutschland und der Schweiz durch. Damals hatte er zusammen mit Vertreter*innen von NGOs aus mehreren Ländern an der Mobilisierungswoche in Genf teilgenommen. Mehr als 200 internationale soziale Bewegungen und Organisationen sind Teil dieser Mobilisierung.

EU-Mexiko-Menschenrechtsdialog in Mexiko-Stadt

Im Oktober fand der EU-Mexiko-Menschenrechtsdialog in Mexiko-Stadt statt. Ziel des Dialogs ist eine Zusammenarbeit zwischen EU und Mexiko im Bereich Menschenrechte. Themen wie Rechtsstaatlichkeit, Migration, Unternehmen und Menschenrechte, Menschenrechtsverteidiger*innen und zivilgesellschaftlicher Raum (civic space) wurden aufgegriffen. Das Ökumenische Büro nahm teil und berichtete über die europäische Menschenrechtslage mit dem Beispiel „Gen-Technik in Europa“. Auch „Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Europa“ und „Globalabkommen EU-Mexiko“ wurden thematisiert. Von der europäischen Seite waren acht Organisationen dabei: Weltorganisation gegen Folter (Organización Mundial contra la Tortura, OMCT), die Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko, die Plattform gegen das Verschwindenlassen, das Ökumenische Büro, die Internationale Journalisten-Vereinigung (International Federation of Journalists, IFJ), der Internationale Rehabilitationsrat für Folteropfer (International Rehabilitation Council for Torture Victims, IRCT), die Internationalen Brigaden für Frieden (peace brigades international, pbi) und die Schwedische Mitgliedschaft für Schlichtungsverfahren (Swedish Fellowship of Reconciliation, SweFOR).

Gesetz zur Inneren Sicherheit

Am 15. Dezember verabschiedete der mexikanische Senat das Gesetz zur Inneren Sicherheit in Mexiko. Durch das Gesetz wird der Einsatz des Militärs im Landesinneren legal verankert und widerspricht damit den Empfehlungen der UN und des Interamerikanischen Menschenrechtssystems. Einen Tag vor der Verabschiedung begleitete das Ökumenische Büro Fernando Ríos vom Netzwerk Red TdT(1) aus Mexiko bei seinen Terminen in Berlin. Fernando Ríos traf sich mit Mitgliedern des Bundestages, der Mexikoreferentin des Bundespräsidialamtes, Abgeordneten des Auswärtigen Amtes sowie der Menschenrechtsbeauftragten Frau Kofler.

Schließlich gab Fernando Ríos ein Interview über das Gesetz zur Inneren Sicherheit sowie die menschenrechtlichen und verfassungsrechtlichen Bedenken dazu bei der Deutschen Welle. „Anstatt eine militärische Lösung für das Sicherheitsproblem in Mexiko zu suchen, sollten vielmehr zivile Sicherheitskräfte für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität ausgebildet sowie eine effiziente Strafverfolgung umgesetzt werden“, so Fernando Ríos.

 

(1) Mexikanisches Menschenrechtsnetzwerk „Alle Rechte für alle“ (Red Nacional de Organismos Civiles de Derechos Humanos “Todos los Derechos para Todas y Todos”)

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