Länderbericht Honduras

Im Jahr fünf nach dem Putsch gegen den Präsidenten Manuel Zelaya und nach einem knappen Jahr Regierungszeit des Präsidenten Juan Orlando Hernández ziehen Menschenrechtsorganisationen in Honduras eine verheerende Bilanz. Die Organisation COFADEH schätzt die Zahl der politischen Morde seit dem Putsch 2009 auf über 300. Besonders betroffen sind Kleinbauern und Kleinbäuerinnen im Norden des Landes und Menschenrechtsverteidiger_innen.

Kundgebung
Die Mobilisierungsfähigkeit der Linken hat nachgelassen

Seit dem Umsturz hat sich Honduras auch zu einem der gefährlichsten Länder für Journalist_innen entwickelt. 32 Medienvertreter_innen sind in den letzten fünf Jahren ermordet worden. Laut dem staatlichen Menschenrechtsombudsmann Roberto Herrera liegt die Quote der Straflosigkeit bei Morden an Journalist_innen bei 96%.
Auch allgemein verzeichnete Honduras nach dem Putsch einen enormen Anstieg an Gewaltkriminalität. Nach wie vor ist es das Land mit der höchsten Mordrate der Welt. Allerdings ist die Rate seit 2012 leicht rückläufig und liegt für 2014 offiziell bei 66 Morden pro 100.000 Einwohner_innen. Der weltweite Durchschnitt liegt bei 8,8 pro 100.00.

Auch ökonomisch befindet sich Honduras in einer schweren Krise. Die aktuelle Regierung von Juan Orlando Hernández setzt, genauso wie die Regierung des Amtsvorgängers Porfirio Lobo, für die Krisenlösung auf eine neoliberale Politik, die die soziale Ungleichheit weiter verschärft. Hieraus ergeben sich unter anderem neue Territorialkonflikte für Kleinbauern und Kleinbäuerinnen und Indigene: Mittlerweile sind Bergbaukonzessionen für inzwischen über 20 % der gesamten Landesfläche vergeben.

Zelaya
Dem Expräsidenten Zelaya bringt die Bewegung immer weniger Vertrauen entgegen

Trotz der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 2009 und 2013 spricht die politische Opposition ebenso wie die Widerstandsbewegung von einer Fortsetzung des Putschregimes. „Die beginnende Demokratie, die wir im Jahr 2009 hatten, konnte noch nicht wieder hergestellt werden. Die Hälfte der am Putsch Beteiligten sind noch immer an der Macht“, erklärte Ex-Präsident Zelaya in einem Interview mit der brasilianischen Nachrichtenagentur Opera Mundi.

Nach seiner Rückkehr nach Honduras im Jahr 2011 gründete der ehemalige Präsident und Mitglied der Liberalen Partei mit Teilen der Widerstandsbewegung die neue, linksgerichtete Partei Libertad y Refundación (LIBRE), die im November 2013 erstmals zu den Wahlen antrat. Zusammen mit der ebenfalls neugegründeten Antikorruptionspartei (PAC) wurde dadurch zum ersten Mal das bisherige Zweiparteiensystem aufgebrochen. Beide Parteien beschuldigten den aktuell regierenden Präsidenten Juan Orlando Hernández und die  Nationale Partei (PN) des Wahlbetrugs. Internationale Wahlbeobachtungsmissionen sprachen von „Unregelmäßigkeiten“, erkannten aber schlussendlich das Wahlergebnis an.

Obwohl die Regierungspartei PN nur 34% der Stimmen erhielt, dominiert sie mithilfe ihrer ehemaligen Konkurrentin, der Liberalen Partei (PL), das Parlament. „Nur selten erhalten wir neuen Oppositionsfraktionen das Recht, im Kongress zu sprechen. Wir können unsere Meinung äußern, wenn es um Unwichtiges geht. Wenn jedoch wichtige Themen diskutiert werden, erhalten wir kein Rederecht oder die Sitzung wird einfach abgebrochen“, so der Menschenrechtsanwalt und LIBRE-Abgeordnete Jari Dixon gegenüber den Lateinamerika Nachrichten. Auch die anderen zentralen Institutionen wie Oberster Gerichtshof, Menschenrechtsombudsmann und Oberster Wahlrat würden von der Nationalen Partei dominiert.

Gleiches gilt für die Medien, die in Honduras zu fast 100% in den Händen der Oligarchenfamilien sind, die hinter den traditionellen Parteien PN und PL stehen. Auch aufgrund dieser Hindernisse hat die Partei LIBRE und auch die außerparlamentarische Nationale Widerstandsfront - Frente Nacional de Resistencia  Popular (FNRP)  im vergangenen Jahr an Kraft eingebüßt.

Außenpolitisch ist die Regierung Orlando stärker als ihre Vorgängerin unter Porfirio Lobo bemüht, Honduras’ Image aufzupolieren. Im Oktober unterzeichnete die Regierung eine Absichtserklärung mit der NGO Transparency International zur Bekämpfung der Korruption. Im April 2015 soll ein Büro des UN-Hochkommissars für Menschenrechte in Honduras eingerichtet werden, was Hernández ausdrücklich begrüßte. Die stärkste Medienpräsenz erfährt jedoch die Frage der Öffentlichen Sicherheit, wobei die unter Juan Orlando eingeführte Militärpolizei PMOP im Vordergrund steht. Ihre Anwesenheit auf den Plätzen und in den Bussen der Großstädte wird als alleinige Lösung für die Probleme der Sicherheit angeführt. Ein Versuch, die bis zu 10.000 Einsatzkräfte der PMOP direkt dem Befehl des Präsidenten zu unterstellen, scheiterte jedoch am Widerstand des Parlaments, in dem erstmals alle Oppositionsfraktionen gegen den Vorschlag der PN stimmten.

Das erste Jahr der Regierung Juan Orlando Hernánez’ trägt die Handschrift klassischer neoliberaler Politik. Während die Interessen nationaler und internationaler Konzerne durchgehend gewahrt werden, ergeben sich für die arme Bevölkerungsmehrheit keine Verbesserungen. Die offizielle Armutsrate stagniert seit 2012 auf ca. 66%. Kleinbauernfamilien erhalten keinerlei Unterstützung und werden durch „extraktivistische“ Projekte wie Minen, Staudämme, Tourismusanlagen oder die sogenannten Modellstädte bedroht.Am Golf von Fonseca im Süden von Honduras begann die Regierung zum Jahresende mit der konkreten Planung der ersten dieser nun in Beschäftigungs- und Entwicklungszonen ZEDE (Zonas de Empleo y Desarollo Economico) umbenannten extraterritorialen „Charter Cities“ mit eigener innerer Gesetzgebung und eigenem Lohn- und Steuersystem . Für Februar 2015 wurde der Abschluss  der ersten Machbarkeitsstudie der südkoreanischen Betreiberfirma angekündigt. Soziale Bewegungen, die zum Beispiel das kommunale Radio in Zacate Grande betreiben und seit Jahren versuchen, sich gegen die Übergriffe von Großgrundbesitzern an der Südküste zu wehren, haben Widerstand angekündigt.
 

Deutsche Entwicklungshilfe für Bergbaukartierung?

 

Keine weiteren Morde
"Keine weiteren Morde"

Für Aufsehen und viel Skepsis bei Indigenen und Umweltorganisationen sorgten im Mai 2014 auch Meldungen in der honduranischen Presse  über eine Zusammenarbeit der deutschen Unternehmen M&P Geonova und Geo-Expert (beide Hannover) und der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GIZ mit dem honduranischen Institut für Geologie und Bergbau (INHGEOMIN). Laut der Tageszeitung La Tribuna und einer Meldung von INHGEOMIN1 unterstützen die Unternehmen und die GIZ die Erstellung einer Bergbaukartierung. Auf der Seite des Honduranischen Institutes heißt es zu dem Projekt: „Es wird in erster Linie darum gehen Mineralvorkommen  zu identifizieren, wobei besonderes Augenmerk  auf seltene Erden und Edelmetalle gelegt wird. Die wissenschaftliche Forschung wird in ausgewählten Gebieten von Honduras stattfinden und daraus wird eine aktualisierte Kartierung der erforschten Minerale erstellt werden.“1

Auf eine Kleine Anfrage von Abgeordneten der Linkspartei an die Bundesregierung bestritt diese die Beteiligung an einer systematischen Kartierung von Mineralien. „Ziel des Projektes ist nachhaltige Entwicklung durch Transfer von Know-how für die umweltfreundliche Erschließung von Edelmetallvorkommen“, heißt es in der Antwort der Bundesregierung. Fragen zur Einhaltung von Menschenrechten in Zusammenhang mit Bergbauprojekten beantwortete die Bundesregierung in ihrer Antwort nur ausweichend und verwies auf den Dialog mit der honduranischen Regierung und Nichtregierungsorganisationen.

 

Widerstand und Menschenrechtsverletzungen


Unterdessen gehen die Auseinandersetzungen im Land weiter. Neben zahlreichen lokalen Territorialkonflikten sind es einzelne Gruppen, die sich gegen die Zumutungen der staatlichen Politik zur Wehr setzen. Entsprechend der politischen Kultur in Honduras sind Menschenrechtsverletzungen an Führungspersönlichkeiten der sozialen Bewegungen nach wie vor an der Tagesordnung. In der Gemeinde Rio Blanco wurden im Jahr 2014 mehrere Personen Opfer von Gewaltverbrechen. Am 14. März wurde der Rechtsanwalt José Nicolás Bernárdez in San Pedro Sula von Motorradfahrern getötet. Am gleichen Tag wurde der Richter Lenin Castañeda in Tocoa im nördlichen Departement Colón, auf offener Straße erschossen. Beide waren in der politischen Linken des Landes aktiv. Am 11. April wurde Carlos Hilario Mejía Orellana in seinem Haus in der Stadt El Progreso erstochen. Er war in der Vergangenheit bereits im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit in Projekten zur Förderung der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit bedroht worden. Carlos Mejía war Marketingleiter bei Radio Progreso und Mitglied der Sozialforschungsinstitution ERIC, zwei landesweit renommierte Einrichtungen der Jesuiten und Sprachrohre der Demokratiebewegung.

Horchata
"Aliens mögen Baleadas und Horchata" – und können die gefüllten Weizenfladen und Erfrischungsgetränke bald in extraterritorialen Charter Cities zu sich nehmen.

Den Schilderungen von der Indigenen-Organisation COPINH zufolge eröffnete am  25. Mai 2014 in der Gemeinde San Francisco de Opalaca (Departement Intibucá) eine namentlich bekannte Gruppe von Angestellten des ehemaligen Bürgermeisters Socorro Sánchez (Nationale Partei) das Feuer auf Irene Meza und Plutarco Bonilla. Die beiden gehörten der Oppositionspartei LIBRE  an und unterstützen die Organisation COPINH. In der Folge erlag Irene Meza seinen Verletzungen.

Eine weitere Eilaktion von Amnesty International befasste sich mit den Bedrohungen gegen die honduranische Journalistin und Menschenrechtlerin Dina Meza, die wegen ihrer journalistischen Tätigkeit drangsaliert und eingeschüchtert wurde. Die Einschüchterungsversuche betrafen auch enge Familienangehörige. Meza ist langjährige Partnerin der deutschen Arbeitsgruppe HondurasDelegation, der das Ökumenische Büro angehört
Ebenfalls Partnerorganisation der HondurasDelegation ist die Garifuna-Organisation OFRNANEH. Am 17. Juli wurden in Vallecito im Norden von Honduras über 20 Aktivisten dieser Organisation entführt, darunter deren Generalkoordinatorin Miriam Miranda, die nur mit Glück und durch die schnelle  Mobilisierung nationaler Menschenrechtsorganisationen entkommen konnte.

Am 27. August traf es in der Gemeinde Villanueva nahe der Stadt San Pedro Sula Margarita Murillo, die bei der Feldarbeit erschossen wurde. Die Aktivistin war seit vierzig Jahren eng mit der Bauernbewegung in Honduras verbunden und eine ihrer führenden Figuren. Nach dem Putsch gegen Manuel Zelaya engagierte sich Margarita Murillo stark im Bündnis FNRP und war ebenfalls maßgeblich an der Gründung der Oppositionspartei LIBRE beteiligt. Während einer Schweigeminute im Nationalkongress machte der Abgeordnete Rafael Alegría darauf aufmerksam, dass bereits mehr als 200 Mitglieder des FNRP umgebracht wurden. Für die Morde ist bisher kaum ein Täter zur Rechenschaft gezogen worden.

In der Nacht des 11. November kam es in der Gemeinde Rigores in der Konfliktregion Bajo Aguan zum Mord an dem Kleinbauernführer Juan Galindo. Galindo war wegen seiner Aktivitäten im Zusammenhang mit den Forderungen um Landrechte bedroht worden und war deshalb in das Schutzprogramm der Interamerikanischen Menschenrechtskommission CIDH (Comisión Interamericana de Derechos Humanos) aufgenommen worden, die ihm vorläufigen Rechtsschutz gewährt hatte.

 

Kinder - „Hüter_innen des Vaterlandes“?


„Sind Kinder wirklich ,Hüter des Vaterlandes’ oder ist es nicht vielmehr das Vaterland, das sie beschützen müsste?“ fragte der Direktor des Dachverbandes der honduranischen Kinderrechtsorganisationen COIPRODEN anlässlich des angeblich enormen Erfolges des samstäglichen  paramilitärischen Erziehungsprogrammes der honduranischen Armee Guardianes de la Patria. Die erste Phase dieses Programms wurde 2014 mit der Aufnahme von über 25.000 Jungen und Mädchen zwischen 7 und 18 Jahren  aus besonders marginalisierten Vierteln  binnen vier Monaten abgeschlossen. Weitere Rekrutierungen sollten gleich darauf folgen. In vielen Medien wurde das Programm als Erfolgsstory in Sachen Kriminalitätsprävention gefeiert. Die Kinderrechtsorganisation Casa Alianza machte sich derweil über ganz andere Zahlen Sorgen: 9.000 Kinder seien 2014 aus den USA nach Honduras deportiert worden, so Casa Alianza.  Landesweit gebe es 14.000 Obdachlose, vagabundierende Kinder, 17.000 Kinder überlebten als Bettler_innen.  1.031 Kinder und Jugendliche seien 2014 ermordet worden.
Der Direkter von Casa Alianza José Guadalupe Ruelas wurde im Mai 2014 von Militärpolizisten krankenhausreif geschlagen und über Nacht festgehalten. Er hatte  in den Wochen zuvor die Regierung wegen ihrer Untätigkeit angesichts der vielen Exekutionen von Kindern und Jugendlichen (270 allein in den ersten vier Monaten des Jahres 2014) kritisiert und geschrieben: „Hier zeichnet sich ein Muster ab: Organisierte Leute, die teure Fahrzeuge, Waffen und Ausrüstung zur Verfügung haben, entführen, foltern und töten  arme Kinder und Jugendliche. All dies nahezu ohne jemals dafür belangt zu werden.“

Die LGBTI-Community kämpft weiter um ihre Rechte

 

LGBTI
Sichtbarsein mit hohem Risiko: LGBTI-.Marsch des Stolzes und der Identität in Tegucigalpa

 

Seit dem Jahr 2009 sind mindestens 186 Angehörige der LGBTI-Community2 Opfer tödlicher hate crimes geworden, so die Statistik der honduranischen Staatsanwaltschaft. Nur in 41 dieser Fälle sei ein Strafverfahren begonnen worden. Erick Martínez, LGBTI-Menschenrechtsverteidiger und Mitglied der Partei LIBRE, weist darauf hin, dass die Mordrate nach dem Putsch stark angestiegen sei, da die Community sich erstmals auf die Straße begeben habe, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Donny Reyes, LGBTI-Menschenrechtsverteidiger und Aktivist bei der Organisation Arcoiris in Tegucigalpa, verbrachte im Jahr 2014 einige Monate im Exil in Deutschland. Er macht verschiedene Ursachen für die Situation der LGBTI in Honduras aus: „Die Homophobie in Honduras wird von der Gesellschaft, der Kirche und dem großen Einfluss der Medien gefördert, die die honduranische Gesellschaft desinformieren. Es ist für ein Kind hart, Aussagen zu hören wie: ‘Ich ziehe es vor, dass mein Kind stirbt, als dass es homosexuell ist’, ‘Es hat nie einen Schwulen in meiner Familie gegeben, und falls es passiert, bringe ich ihn um’. Es gibt Männer und Frauen, die glauben oder denken, dass ihre einzige Option der Selbstmord sei, und die Selbstmordrate unter Erwachsenen LGBTI ist tatsächlich hoch.“ Arcoiris und andere LGBTI-Organisationen arbeiten weiter an der Sichtbarkeit der Community und führten im Jahr 2014 erstmals einen öffentlichen „Marsch des Stolzes und der Identität der honduranischen LGBTI“ durch.

1    LGBTI steht im Spanischen und Englischen für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender/ Transexual and Intersexed. Die EU hat im Juni 2013 die „Leitlinien zur Förderung und zum Schutz der Ausübung aller Menschenrechte durch Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender- und Intersexuelle Personen“ in Drittländern verabschiedet.

 

Kommunitäre Radios: Medien von unten als Beitrag zum gesellschaftlichen Wandel


Vor dem Hintergrund der erdrückenden Dominanz der Oligarchie in Politik, Wirtschaft und Medien wurde die Schaffung unabhängiger Medien zu einem Arbeitsschwerpunkt der Demokratiebewegung. Die Organisationen OFRANEH, COPINH und ERIC verfügten bereits vor dem Putsch über gut funktionierende Radiostationen mit lokaler bis regionaler Reichweite. Seither sind eine Vielzahl von lokalen Radioprojekten entstanden, die vorwiegend von jungen Menschen aus der Bevölkerung getragen werden. Die Organisationen COMPPA aus Chiapas/Mexiko sowie das  honduranische Bündnis AMCH/Alter Eco kümmern sich um die technische und inhaltliche Unterstützung der Initiativen.

Aktivitäten des Ökumenischen Büros zu Honduras

 

Staudamm „Agua Zarca“ Thema bei der Siemens Hauptversammlung in München

 

Siemens
"Terror, Tote und Turbinen": Siemens-Beteiligung an umstrittenen Staudammprojekten sorgt für Proteste vor der Münchner Olympiahalle


Gemeinsam mit einer Koalition aus brasilianischen, US-amerikanischen, französischen und deutschen Organisationen beteiligten wir uns Ende Januar 2014  erstmals an Protesten vor der Siemens-Hauptversammlung in München. Im Anschluss nutzten wir die Rederechte des Dachverbandes der Kritischen Aktionär_innen, um die etwa 7.700 in der Olympiahalle versammelten Aktionär_innen zu informieren. Der Anlass: Die geplanten Turbinenlieferungen des Siemens Joint Ventures Voith Hydro für die Staudämme Belo Monte in Brasilien und Agua Zarca in Honduras sind mit schweren Menschenrechtsverletzungen und enormen Umweltzerstörungen verbunden. In Belo Monte soll der drittgröße Staudamm der Welt entstehen und der Konflikt um Agua Zarca gilt als wichtigstes Beispiel für indigene Kämpfe in Honduras. In den betroffenen Lenca-Gemeinden, die  unsere Partnerorgnisation COPINH  unterstützt, wurden weder das Recht auf vorherige Befragung und Zustimmung nach der ILO-Konvention 169 noch das Recht auf Leben, auf Wasser und Ernährungssouveränität gewahrt, ganz zu schweigen von Versammlungsfreiheit für die Staudammgegner_innen.

Diese litten auch 2014 unter der ständigen Bedrohung und Einschüchterung durch private Sicherheitsleute des Staudammbetreibers, und durch die Polizei. Christian Poirier von Amazon Watch hielt Siemens vor:  „Heute hat Ihr unethisches Verhalten zur Folge, dass Ihr Image angekratzt wird. Morgen wird Ihr zerstörtes Image zur Folge haben, dass Ihr Aktienkurs fällt“. Für das deutsch-österreichische Netzwerk HondurasDelegation wies die Vertreterin des Öku-Büros auf das Beispiel des weltgrößten Staudammbauers SINOHYDRO aus China hin, der ebenso wie ein zur Weltbank gehörender Infrastrukturfonds aus dem Projekt „Agua Zarca“ im westlichen Hochland von Honduras ausgestiegen ist. In Richtung Vorstand und Aufsichtsrat forderte sie von Siemens: „Respektieren Sie internationale Abkommen, respektieren Sie die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, respektieren Sie die Empfehlungen der Weltstaudamm-Kommission und Ihre eigenen Corporate-Governance-Richtlinien! Steigen Sie aus dem Projekt Agua Zarca aus!“

 

Projekt Menschenrechtsbeobachtung in Honduras


Die Analysen und Berichte – u.a.von der Alternativen Wahrheitskommission, der pbi-Erkundungsmission 2012, FIAN International, Amnesty International, der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte – belegen die zahlreichen Morde an Führungspersönlichkeiten der sozialen Organisationen. Morde an Journalist_innen, Anwält_innen und Umweltschützer_innen, Mitgliedern der Bäuer_innenorganisationen, der LGBTI-Bewegung und indigener Organisationen zeigen somit die Dringlichkeit einer Intensivierung der Menschenrechtsarbeit zu Honduras. Organisationen der honduranischen Zivilgesellschaft bitten um internationale Präsenz vor Ort. Es besteht Bedarf an längerfristigen Einsätzen: Die strukturellen Ursachen der Gewalt in Honduras werden nicht rasch zu beseitigen sein. Viele Basisorganisationen, die schon seit Jahren erfolgreich im ländlichen Raum tätig sind, sehen durch die andauernde Bedrohung mittlerweile ihren Handlungsspielraum und letztlich ihre Existenz bedroht.
 
Das Projekt von Ökumenischem Büro und HondurasDelegation zielt darauf, eine langfristig angelegte Menschenrechtsbegleitung durch Freiwillige in Honduras zu gewährleisten und durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland über die Situation in Honduras aufzuklären. Wir wollen die vorhandenen Strukturen internationaler Menschenrechtsarbeit, die bisher hauptsächlich durch die Organisationen PROAH (Proyecto de Acompañamiento Internacional en Honduras) mit  Peacewatch Switzerland und Peace Brigades International (PBI) getragen werden, erweitern und uns dabei auf den Schutz von Menschenrechtsverteidiger_innen konzentrieren. Geeignete Personen sollen für den viermonatigen bis halbjährlichen Einsatz als ehrenamtliche  Menschenrechtsbeobachter_innen in Honduras mobilisiert und ausgebildet werden. In Honduras fungieren die Begleiter_innen als Mitarbeiter_innen bei der Organisation PROAH.
 
Begleitend zur Arbeit in Honduras werden in Deutschland Informationsveranstaltungen zur aktuellen Menschenrechtssituation organisiert. Im Jahr 2014 führten wir die Verhandlungen mit Organisationen zur Finanzierung des Projekts erfolgreich fort, so dass wir im Jahr 2015 in die Realisierung einsteigen können. Bei zwei Workshops machten wir das Projekt bereits in der Öffentlichkeit bekannt:

Workshop bei den „Münchner Freiraumtagen Bei dem dezentral angelegten Festival, an dem sich zahlreiche Münchner Kulturprojekte beteiligten, stellten wir unser Projekt vor. Wir vermittelten einen Überblick über Geschichte, Funktion und Möglichkeiten der Menschenrechtsbeobachtung von Mexiko bis Kolumbien.
Workshop beim BUKO-Kongress in Leipzig Unter dem Titel „Internationalismus praktisch: Menschenrechtsbeobachtung in Lateinamerika“ stellten wir verschiedene Strukturen der Menschenrechtsbeobachtung vor. Zwei Videoaktivist_innen von der Berliner Menschenrechtskette Honduras (CADEHO) gaben einen Einblick in ihre Tätigkeit als Menschenrechtsbeobachter_innen in Honduras und erläuterten an diesem Beispiel die Funktionsweise des Konzepts Menschenrechtsbeobachtung.

Referat zum Zentralamerika-Tag in Nürnberg


Der15. Zentralamerika Tag der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern fand unter dem Titel  „Palmöl – Megaprojekte, Wahlen und Widerstand. Einblicke in die sozioökonomischen und politischen Realitäten in Zentralamerika“ statt. Wir beteiligten uns mit einem Referat zur aktuellen „Großwetterlage“  sowie an spannenden Diskussionen mit Gästen aus Honduras, namentlich Martín Girón, Kirchenpräsident und Suyapa Ordonez, Koordinatorin der Frauenarbeit  der Lutherischen Kirche; sowie einem nachmittäglichen Workshop zum Thema „Lebensgeschichten aus der Migration“, den wir  zusammen mit Julio und Gertie Melara aus Costa Rica gestalteten.

 

LGBTI-Aktivist Donny Reyes zu Gast in München und Oberbayern

 

Donny Reyes
Zum ersten Mal in München: Donny Reyes wurde sehr herzlich aufgenommen

Von April 2014 bis Januar 2015 befand sich der schwule Aktivist Donny Reyes auf Einladung der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte in Hamburg. Das Ökumenische Büro ist bereits seit 2010 mit Reyes und seiner Organisation Asociación LGBTI Arcoiris bekannt. Wir nutzten die Gelegenheit, Reyes zu Aktivitäten in München einzuladen.

Besuch in München und Camp am Walchensee

Im Vorfeld des Queerfeministischen Sommercamps im August, das von einem Münchner Bündnis von LGBTI-Aktiven ausgerichtet wurde, luden wir Donny Reyes zu einer Erkundungsreise durch München ein. Er lernte u.a. das schwule Kulturzentrum Sub und die Stadtratsabgeordneten Christian Vorländer und Lydia Dietrich kennen. Der Süddeutschen Zeitung und dem Magazin Leo gab er Interviews. Donny zeigte sich sehr beeindruckt über die intensive Förderung der „Szene“ durch die Politik der Stadt München.
Beim  Queerfeministischen Camp am Walchensee berichtete Donny Reyes in einem Workshop über seine Arbeit in der LGBTI-Community in Honduras, die seit der Bewegung gegen den Putsch im Jahr 2009 einen großen Aufschwung genommen hat, aber auch mit enormen Risiken konfrontiert ist. Donny war vom 13. bis 18. August Gast des Öku-Büros.

Sich organisieren, um zu überleben - Die Menschenrechtslage der LGBTI in Honduras

Am 25. November präsentierten wir erneut eine Veranstaltung mit Donny Reyes, diesmal im Schwulen Kulturzentrum Sub. Eingeladen hatten neben Sub und Öku-Büro auch die Münchner Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen-Rosa Liste, die Stadtratsmitglieder Lydia Dietrich und Thomas Niederbühl sowie der Candy Club, der mit Thomas Lechner auch einen hervorragenden Übersetzer stellte. Reyes zu Beginn der Veranstaltung: „In Honduras leben wir als LGBTI-Community in Marginalisierung, Armut, physischer und psychischer Gewalt infolge der Diskriminierung unserer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität. Der Staat lässt diese Diskriminierung bewusst zu. Es ist hart für uns, zu wissen, dass für uns die Bürgerrechte nicht gelten. Daher haben wir die Organisation Arcoiris (Regenbogen) gegründet, einen kleinen Freiraum in Tegucigalpa, in dem wir uns versammeln, um zu kämpfen, uns weiterzubilden und unsere Rechte zu verteidigen. Ich bedanke mich beim Sub und dem Ökumenischen Büro für die Einladung nach München und die Gelegenheit, unsere Erfahrungen auszutauschen. Ich hoffe, wir haben eine angenehme Zeit, und vielleicht können wir Bande der Freundschaft und der Solidarität knüpfen.“ So kam es dann auch: Im Anschluss an die Veranstaltung verabredeten zahlreiche anwesende Münchner LGBTI-Gruppen, wie die Organisation Arcoiris unterstützt werden könnte.

 

 

Unterstützung für kommunitäre Radioprojekte


Mit der mexikanischen Organisation COMPPA, die in Honduras die Radiosender von Zacate Grande, COPINH, OFRANEH und das La Red Nacional de Defensoras de Derechos Humanos unterstützen, stehen wir in enger Verbindung. Im Jahr 2014 vermittelten wir eine Spende zur Unterstützung der Radioprojekte. Eine weitere Spende ging direkt an COPINH zur erfolgreichen Reparatur des Langwellensenders der Organisation für die Lenca-Region. Eine dritte Spende vermittelten wir an die honduranische NGO Alter Eco, die die beim Bündnis AMCH organisierten Radioinitiativen betreut. Damit wurde es für den Journalisten Felix Molina und einen Radiotechniker möglich, die weit abgelegenen Radiostationen zu besuchen und ihnen journalistische und technische Fortbildung zukommen zu lassen.

Besuch in Rio Blanco, La Esperanza-Intibucá und Tegucigalpa

 

Rio Gualcarque
Ein freier Fluss ohne Staudamm - Hier lacht dem Rio Gualcarque noch eine Sonne aus Maiskörnern

Zum Jahresende erweiterten wir die Dienstreise nach El Salvador um einen einwöchigen Abstecher über die Grenze zu unserer honduranischen Partnerorganisation COPINH in La Esperanza-Intibucá. Wir informierten uns über die aktuelle Situation und  begleiteten Mitglieder von COPINH in eine Lenca-Gemeinde, wo ein interner Grundstückstreit zu schlichten war, sowie bei mehrtägigen gemeinsamen Aktivitäten mit  Kindern und Jugendlichen aus dem westlichen Hochland von Honduras und aus marginalisierten Vierteln von San Pedro Sula, organisiert von der Gruppe Paso a Paso.  Des weiteren reisten wir in die Region Rio Blanco, um Gemeindemitglieder der vom Staudammprojekt „Agua Zarca“ betroffenen Dörfer zu interviewen.

Daraus entstanden ein Feature für Radio Onda und unser Redebeitrag für die Siemens Hauptversammlung 2015. Ein kurzer Besuch in der Hauptstadt mit Gesprächen unter anderem mit der Journalistin Dina Meza sowie den Teammitgliedern von PROAH und Peace Brigades International rundete die kurze Reise ab.



1     (http://www.inhgeomin.gob.hn/index.php?option=com_content&view= article&id=227:acuerdo-alemania-honduras&catid=82&Itemid=562)

 

2     LGBTI steht im Spanischen und Englischen für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender/ Transexual and Intersexed. Die EU hat im Juni 2013 die "Leitlinien zur Förderung und zum Schutz der Ausübung aller Menschenrechte durch Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender- und Intersexuelle Personen" in Drittländern verabschiedet.

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