Länderbericht Honduras

 

Das Jahr 2013 war in Honduras gekennzeichnet durch eine Reihe von Auseinandersetzungen, die typisch für ein Land des Globalen Südens mit neoliberaler Wirtschaftspolitik und großer Ungleichheit sind. Nationale und multinationale Unternehmen auf der einen Seite, regionale Widerstandsbewegungen auf der anderen – dazwischen ein Staat, der als verlängerter Arm wirtschaftlicher Interessengruppen seine eigenen Gesetze missachtet und für eine katastrophale Menschenrechtslage verantwortlich ist.
Die Besonderheit in diesem Gefüge bildet das Auftreten der neuen Partei LIBRE, mit der sich enorme Hoffnungen auf einen politischen und gesellschaftlichen Wandel verbanden. Hoffnungen, die durch die Wahlniederlage vom 24. November vorerst gedämpft wurden.

LIBRE

LIBRE, die Partei von Mel Zelaya und seiner Ehefrau Xiomara ist nach wie vor in der Opposition
Foto: Jutta Blume

 

Regionale Auseinandersetzungen


Staudämme

In Europa genießt diese Art der Energieerzeugung einen sehr guten Ruf und auch in Lateinamerika hat sie eine lange Geschichte. Die laufenden Kosten sind relativ gering, die Stromerzeugung aus dem Falldruck des Wassers gilt als umweltfreundlich. Auch in Honduras gibt es einige kleinere Staudämme in den Händen der staatlichen Energiegesellschaft ENEE. Sie arbeiten zur Zufriedenheit von Angestellten und lokaler Bevölkerung.
Die neuen Staudämme sind anders. Der Putsch-Präsident Micheletti hatte im August 2009 300 Konzessionen zum Bau von Staudämmen vergeben. Hintergrund dieses enormen Bauvorhabens ist die Hoffnung, Honduras in einen Exporteur von Strom zu verwandeln, wobei allerdings die erzielten Gewinne in die Kassen privater Unternehmen fließen werden und die Interessen der lokalen Bevölkerung bestenfalls ein Hindernis darstellen.

Das Projekt „Agua Zarca“

Rio Blanco

Die Bewohner_innen von Rio Blanco berichten von einem Überfall der Polizei auf ihre Gemeinde
Foto: Paula Brücher

 

Im westlichen Hochland von Honduras sind 47 Konzessionen für Flussprivatisierungen und Wasserkraftwerke bekannt. 46 der Projekte werden von der lokalen indigenen Bevölkerung vehement abgelehnt. Zum Präzedenzfall und Symbol des Kampfes der Lenca-Gemeinden für ihre Rechte hat sich in diesem Jahr das Staudammprojekt „Agua Zarca“ in der Region Rio Blanco entwickelt. Am Rio Gualcarque wollte die honduranische Gesellschaft DESA gemeinsam mit der chinesischen SINOHIDRO im Frühjahr 2013 mit den Bauarbeiten beginnen. Die betroffenen Gemeinden hatten den Bau in Gemeindeversammlungen klar abgelehnt. Sie berufen sich darauf, dass der honduranische Staat ihre in der ILO-Konvention 169 zum Schutz indigener Ethnien garantierten Rechte zu respektieren hat. Nachdem dies nicht der Fall war, begannen Bewohner_innen der betroffenen Gemeinden mit Unterstützung des Zivilen Rates der Volks- und indigenen Organisationen von Honduras (COPINH) am 1. April die Zufahrtsstraße zum Baugelände zu blockieren. Die Betreibergesellschaft DESA reagierte mit der üblichen Doppelstrategie: dem Versuch, die Gemeinden und ihre Organisation zu spalten und mit Repression gegen diejenigen, die sich weder kaufen, noch einschüchtern ließen. Militär und Polizei wurden auf dem Baugelände stationiert.
Am 15. Juli wurde der Gemeindevorsteher Tomás Garcia vor dem Tor zur Kraftwerksbaustelle von einem Soldaten ohne Vorwarnung erschossen, sein 17jähriger Sohn wurde schwer verletzt. Ortsbekannte Auftragsmörder sind unterwegs, private Wachleute der DESA und staatliche „Sicherheitskräfte“ bedrohen die Staudammgegner_innen. Im Rahmen der HondurasDelegation initiierte das Ökumenische Büro einen Offenen Brief, der den Rückzug der deutschen Voith Hydro AG (einem Joint Venture mit Siemens) aus dem Liefervertrag für die Turbinen für „Agua Zarca“ fordert (siehe auch unter „Aktivitäten zu Honduras“). Im Gegensatz zu Voith wird dem chinesischem Staatsunternehmen SINOHYDRO die Angelegenheit zu heiß, es steigt Ende August aus dem Vertrag mit der DESA aus. Die Repression gegen die Staudammgegner_innen hält dennoch an.
Im September wird gegen die Generalkoordinatorin von COPINH, Berta Cáceres, sowie gegen die COPINH-Aktivisten Tomás Gómez und Aureliano Molina Anklage wegen Hetze, Nötigung und Sachbeschädigung im Fall „Agua Zarca“ erhoben. Berta droht überdies ein Verfahren wegen angeblichen illegalen Waffenbesitzes und damit sofortige Beugehaft. Eine internationale Kampagne gegen die Kriminalisierung der Lenca-Gemeinden und von COPINH beginnt. Amnesty International erklärt die drei Menschenrechtsverteidiger_innen für den Fall ihrer tatsächlichen Inhaftierung zu gewaltlosen politischen Gefangenen. Zwei Videos von Mitgliedern der HondurasDelegation dokumentieren, dass Unterschriften gefälscht wurden, um doch noch eine Zustimmung der Gemeinden vorzutäuschen. Zeug_innen aus der Gemeinde La Tejera sagen aus, wie am 1. November maskierte schwerbewaffnete Polizisten in ihre Häuser einbrachen und Kinder und alte Menschen mit dem Tod bedrohten. Die Führungsriege von COPINH wird permanent überwacht und befindet sich auf einer schwarzen Liste potentieller Mordopfer. Was für die einen Musterbeispiel „sauberer“ Grüner Ökonomie und „Entwicklung“ darstellt, ist für die anderen derselbe tödliche Neokolonialismus wie eh und je. Die 2013 mehr denn je ins Zentrum transnationaler Interessen gerückten indigenen Gemeinden stehen inzwischen mit dem Rücken zur Wand. Es bleibt ihnen nicht mehr viel Zeit mit internationaler solidarischer Unterstützung ihre Territorien, ihre Kosmovision und Selbstbestimmung zu verteidigen.


Bodenschätze

„Wo ein Staudamm gebaut wird, ist eine Mine nicht fern“, heißt es im Gebiet der Lenca-Indigenas. In unmittelbarer Nähe der geplanten Staudämme wurden oft auch Konzessionen für Minen vergeben, da der Bedarf der Minen an Wasser und Strom meist lokal nicht zu decken ist.
Honduras liegt im Zielfeld des aktuellen Minen-Booms, der sich auf ganz Lateinamerika erstreckt und die internationalen und nationalen Minenkonzerne in eine Goldgräberstimmung versetzt hat. Im Juli des Jahres kündigte Präsident Porfírio Lobo an, auf Grundlage eines neuen Minengesetzes 280 weitere Minen-Konzessionen zu vergeben.
Dass die jeweils betroffene Landbevölkerung gegen diese Projekte weitgehend schutzlos ist, zeigt der Fall der Gemeinde Nueva Esperanza im nördlichen Department Atlántida. Während sich die Bewohner_innen weigerten, ihr Land zu verkaufen, begann dias honduranische Unternehmen Minerales Victoria in der Umgebung mit Explorationsarbeiten. Im März diesen Jahres stationierte das Unternehmen  im Zentrum des etwa 1000 Einwohner zählenden Ortes ein zwölfköpfiges Kommando schwer bewaffneter Männer. Wenig später eröffnete die lokale Polizei einen Posten mit weiteren 10 Polizisten. Zum Vergleich: In der benachbarten Kleinstadt Arizona mit 11.000 Einwohner_innen gibt es drei Polizisten. Die Schule musste geschlossen werden, nachdem der Lehrer sowohl persönlich als auch mit der Entführung seiner Schüler_innen bedroht wurde.
Am 25. Juli 2013 kam es zur zeitweiligen Entführung von Orlane Vidal und Daniel Langmeier, zwei europäischen Menschenrechtsbeobachter_innen, die zu Gast bei einer Familie aus Nueva Esperanza waren. Den beiden wurde gedroht, sie würden „im Wald verloren gehen“, wenn sie noch einmal in die Gemeinde zurückkehrten. Wegen der Entführung liegen inzwischen Haftbefehle vor, die aber bis jetzt nicht umgesetzt wurden. Die gastgebende Familie sah sich nach der Entführung, bei der ihr Haus von Bewaffneten umstellt worden war, gezwungen, die Gemeinde zu verlassen.
„Wir haben alle Vorfälle angezeigt, aber es passiert nichts. Auf der juristischen Ebene haben wir alles versucht“, berichtet Abel Carbajal von der katholischen Pfarrgemeinde. Der Chef des Unternehmens Minerales Victoria, Lenir Pérez, habe gedroht, wenn die Nationale Partei die Wahlen gewinne, werde wenige Tage später die Armee in Nueva Esperanza einmarschieren. Dies hat sich nicht bewahrheitet: Kurz nach der Wahl begann die Firma mit dem Abzug der Bewaffneten und der Baumaschinen. Es wird vermutet, dass die Exploration ein schlechtes Ergebnis hervorbrachte.
In den ländlichen Regionen von Honduras stehen noch zahlreiche weitere Konflikte dieser Art bevor. Politik, Polizei und Justiz vertreten einheitlich die Interessen der dominierenden Machtgruppen, ebenso die privaten Medien, die fast durchgängig in der Hand der honduranischen Oligarchie sind. Auf Unterstützung können betroffene Gemeinden durch die Zivilgesellschaft hoffen. Das Movimiento Amplio por la Dignidad y la Justicia (Breite Bewegung für Würde und Gerechtigkeit, MADJ) ist eine Organisation von Rechts- und ehemaligen Staatsanwälten, die sich der Beratung und Verteidigung der Landbevölkerung in zahlreichen Fällen von Bedrohung durch Minenvorhaben angenommen hat. Internationale Aufmerksamkeit, etwa durch Menschenrechts-beobachtung, ist dabei ein wichtiger Faktor. Große Hoffnungen machte man sich in den meisten Konfliktgebieten auf eine Veränderung durch einen Wahlsieg der Partei LIBRE.

MADJ

Osman Orellana von MADJ berät Gemeinden, die sich gegen Minenprojekte wehren
Foto: Jutta Blume


Wie bei der Frage der Staudämme, spielt auch bei den Bodenschätzen die Art und Weise der Umsetzung die entscheidende Rolle. Während der 2009 wegge-putschte Präsident Zelaya die vor der honduranischen Karibikküste entdeckten Ölvorkommen zugunsten der Staatskasse ausbeuten wollte, konzessionierte Lobo das Gebiet zu günstigsten Bedingungen an die britische Firma BG. Die indigenen Anwohner_innen der Küstenregion wurden nicht befragt.

Die Straflosigkeit ist die Macht der Oligarchie


Kleinbauernführer_innen, Journalist_innen, Rechtsanwält_innen, Parteiaktivist_innen, Menschenrechtsverteidiger_innen – wer sich in Honduras politisch engagiert, setzt sein Leben aufs Spiel. Auch bei der „gewöhnlichen“ Kriminalität, die ja in gewisser Weise auch immer politisch ist, finden laut Amnesty International nur in 20% der Fälle überhaupt Ermittlungen statt. Die Straflosigkeit der politischen Morde seit dem Putsch liegt bei 100%. Wer Drohungen erhält, kann nicht auf den Schutz des Staates zählen. Selbst bei den ca. 300 Personen, denen derzeit persönliche Schutzmaßnahmen von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) verordnet wurden, bleibt die Polizei in vielen Fällen untätig. Die Betroffenen verlassen für eine Zeit ihren Wohnort, bringen nach Möglichkeit ihre Kinder außer Landes und leben in ständiger Angst. Im November tauchten zwei „Todeslisten“ mit zahlreichen exponierten Vertreter_innen der Demokratiebewegung auf, darunter Berta Caceres (COPINH), Bertha Oliva (COFADEH) und Felix Molina (Journalist). Bei den Menschenrechtsorganisationen wie COFADEH (Comité de Familiares de Detenidos-Desaparecidos en Honduras) stapeln sich die Anzeigen wegen Untätigkeit der Staatsanwaltschaften und Gerichte.

COPINH

Polizei und Justiz auf der selben Seite: Protest von COPINH vor dem Justizpalast von Esperanza
Foto: Paola Reyes


Indessen war die öffentliche Sicherheit 2013 zentrales Wahlkampfthema der Rechten. Wenige Wochen vor Jahresende verlängerte der honduranische Kongress zum wiederholten Mal ein Notstandsdekret, das den Einsatz des Militärs für die öffentliche Sicherheit genehmigt.
Der Sicherheitsapparat wird aufgerüstet. Die in diesem Jahr neu gegründeten Militärpolizei-Einheiten TIGRES und PMOP sollen der regierenden Nationalen Partei zufolge den Jugendbanden und internationalen Drogenkartellen Einhalt gebieten. Bertha Oliva, Koordinatorin von COFADEH, sieht darin einen weiteren Schritt zur Militarisierung des Landes. Die mit weitreichenden Befugnissen ausgestatteten Einheiten sind bereits gegen soziale Aktivist_innen in Tegucigalpa eingesetzt worden.
Antatt die öffentliche Sicherheit weiter zu militarisieren, empfehlen Kritiker_innen die stagnierende Säuberung der stark von Korruption und vom organisierten Verbrechen durchsetzten honduranischen Polizei weiterzuführen und eine bürgernahe, kommunitäre Polizei aufzubauen.

„Resistencia“


Im Jahr 2011 hatte sich die Widerstandsbewegung gegen den Putsch FNRP (Frente Nacional de Resistencia Popular) faktisch gespalten: in die von Zelaya und seiner Ehefrau Xiomara Castro angeführte Partei Libertad y Refundación (LIBRE) und den außerparlamentarisch orientierten Espacio Refundacional (etwa „Plattform zur Neugründung des Landes“). Dieses Bündnis konzentrierte seine Arbeit auf die Vernetzung lokaler Protestbewegungen, den Schutz ihrer Protagonist_innen durch Menschenrechtsarbeit und den Ausbau eigener Medienstrukturen, besonders kommunitärer Radiosender.
Aus der Spaltung der Bewegung ging jedoch keine Feindschaft hervor: Die beiden profiliertesten Organisationen des Espacio Refundacional, die im Oktober in Plataforma del Movimiento Social y Popular de Honduras umbenannt wurde, OFRANEH und COPINH, standen weiterhin in Kontakt mit der Partei und setzten Hoffnungen auf politische Fortschritte im Falle eines Wahlsiegs der Präsidentschaftskandidatin Xiomara Castro.

Wahlen im November


Die historische Bedeutung der Wahl vom 24. November ist erheblich: Die politischen Institutionen des Landes sind seit Jahrzehnten in den Händen der nationalen Oligarchie, die Unterschiede zwischen den beiden großen Parteien Nationale und Liberale Partei praktisch bedeutungslos. Mit der Partei LIBRE trat erstmals seit der (formalen) Wiedereinführung der Demokratie 1982 eine Kraft aus der Mitte der Bevölkerung auf den Plan. Im Wahlkampf führte sie einen relativ moderaten Diskurs, der sich von den offen linken Regierungen Lateinamerikas wie Venezuela, Nicaragua und Cuba abgrenzt, aber für einen „demokratischen Sozialismus“ eintritt.
In der Demokratiebewegung nach dem Putsch waren Zweifel an der Strategie der Partei LIBRE verbreitet: „Wenn die Elite von Honduras vor einem Putsch nicht zurückschreckt, werden sie uns nach einer Wahl nicht die Macht überlassen“, äußerte bespielsweise die Aktivistin Lorena Zelaya.
So war der Weg zur Wahl von etlichen Behinderungen für LIBRE begleitet, die für sich alleine schon einen Wahlbetrug ausmachen. Im Oktober 2013 gab die kanadische Organisation Rights Action eine „Unvollständige Liste von Tötungen und bewaffneten Angriffen im Kontext des Wahlkampf 2012-13“ heraus: Von den 36 dokumentierten Morden an Kandidat_innen, Aktivist_innen und deren Angehörigen wurden allein 18 an Angehörigen der Partei LIBRE verübt, so viele wie bei allen anderen Parteien zusammen.
Ein klares Missverhältnis zugunsten der regierenden Nationalen Partei bestand in den finanziellen Möglichkeiten zur Durchführung der Kampagne. So ermittelte etwa die Beobachtungsmission der EU, dass 66% der Wahlplakate in Tegucigalpa von der Nationalen Partei aufgestellt wurden.
 Weitere Unregelmäßigkeiten betrafen das Wahlregister, hier nennt die EU-Mission eine Fehlerquote von 30%. Die Regierungspartei verteilte in großem Umfang Wahlgeschenke, etwa Küchenherde, und drohte mit der Einstellung von Zahlungen aus dem Armutsbekämpfungsprogramm der Weltbank im Falle ihrer Wahlniederlage.

Unterstützung

LIBRE ist die Partei mit der stärksten öffentlichen Unterstützung
Foto: Paula Brücher

 

Nichtsdestotrotz: In fast allen Umfragen im Laufe des Jahres führte die Kandidatin Xiomara Castro, häufig gefolgt von einem weiteren Newcomer, dem populären Fernsehmoderator Salvador Nasralla, der seine eigene Antikorruptionspartei (PAC) gegründet hatte.

Am Wahlsonntag selbst kam es zu weiteren Unregelmäßigkeiten. Beobachter_innen berichteten von Stimmenkauf durch die Liberale und Nationale Partei, illegalem Handel mit Wahlhelferausweisen zugunsten der Nationalen Partei, Manipulation des Wahlregisters, Abwesenheit der gemeindefremden Wahlaufseher_innen (custodios), wobei es kaum zu gewaltsamen Zwischenfällen kam und die Wahlbeteiligung mit offiziell 61% relativ hoch war. Noch am selben Abend wurde die erste Hochrechnung verkündet, die Juan Orlando Hernández von der Nationalen Partei mit über 34% als Gewinner mit solidem Vorsprung vor Xiomara Castro sah. LIBRE, PAC und zu Beginn auch die Liberale Partei äußerten bereits am Montag , dass sie das Wahlergebnis nicht anerkennen würden.
Einen Tag später, am Dienstag, 26. November, gab die Direktorin der Wahlbeobachtungsmission der EU, die österreichische Grünen-Abgeordnete Ulrike Lunacek, bekannt, die Wahl sei nach ihren Beobachtungen „transparent und friedlich“ verlaufen, auch wenn es im Vorfeld Unregelmäßigkeiten gegeben habe. Die Anfechtung seitens drei der vier großen Parteien erwähnte sie mit keinem Wort – die honduranischen Medien griffen dies dankbar auf. Der Wahlbetrug konnte nicht bewiesen werden. Nach zwei Wochen erklärte der Oberste Wahlrat, seinerseits dominiert von der Nationalen Partei, die Anfechtungen von LIBRE und PAC für nichtig. Xiomara Castro kündigte an, über die 37 gewählten Parlamentsabgeordneten und 31 Bürgermeisterämter Opposition machen zu wollen und regte eine Wiederbelebung der FNRP und damit des außerparlamentarischen Widerstands an.
Vertreter_innen der Widerstandsbewegung kommentierten das Ergebnis gelassen. Betty Matamoros von Alter Eco, einer Organisation zur Förderung Kommunitärer Radiosender, schätzt den Militaristen und Ultrarechten Juan Orlando Hernández gefährlicher ein als seinen Vorgänger und Parteifreund Lobo: „Mit der Militärpolizei PMOP hat er sich ein Instrument geschaffen, das eigentlich nur er selbst kontrolliert.“ Aber, so Berta Cáceres von der Lenca-Organisation COPINH: „Die 37 Abgeordneten von LIBRE werden ihm schon gewisse Kopfschmerzen machen.“ Es ist immerhin das erste Mal überhaupt, dass die Parteien der Oligarchie im Parlament Gegenwind haben werden. Die Nationale Partei hatte noch vor der Wahl durch eine Verfassungsänderung die Macht des Parlamentes gegenüber dem Präsidenten gestärkt. Nun hat sie dort selbst keine Mehrheit mehr.

Angesichts der Machtverhältnisse wird sich die Arbeit des Ökumenischen Büros zu Honduras 2014 in erster Linie auf Menschenrechtsarbeit und Berichterstattung konzentrieren.


Aktivitäten des Ökumenischen Büros zu Honduras



Wie in den vergangenen Jahren stand in unserer Arbeit zu Honduras Menschenrechtsarbeit und Berichterstattung im Vordergrund. In Zusammenarbeit mit der überregionalen Arbeitsgruppe HondurasDelegation führten wir folgende Aktivitäten durch:

Folgeprojekte der Journalist_innen-Delegation 2012


Im Sommer 2012 befanden sich auf Initiative des Ökumenischen Büros sechs junge Journalist_innen für zwei Monate in Honduras. Sie begleiteten die Radiosender der Organisationen COPINH und OFRANEH und bereiteten ihre Erfahrungen und Recherchen in verschiedenen Medienprodukten auf:

In unserer Zeitschrift Infoblatt Nr. 80 erschien zu Jahresbeginn eine ausführliche Analyse von Jutta Blume zu „Verbrechen und Straflosigkeit“ in Honduras. Mitglieder der Journalist_innen-delegation referierten zudem anlässlich eines Symposiums zum 20jährigen Bestehen des Lateinamerika-Magazins „Quetzal“ in Leipzig über honduranischen Perspektiven zum Thema „Indigene Völker und gesellschaftliche Alternativen“.

Die honduranische Journalistin Dina Meza war im Dezember2012 zu Gast in Deutschland und Österreich. Sie sprach bei Veranstaltungen in Hamburg, Berlin und Wien über die Situation von Journalist_innen und Menschen-rechtsverteidiger_innen in Honduras. Mitglieder der Journalist_innen-Delegation organisierten in Kooperation mit FIAN Österreich, Reporter ohne Grenzen Österreich und Deutschland und anderen zahlreiche Termine mit österreichischen und deutschen Regierungsstellen, Parlamentarier_innen, NGOs und ermöglichten eine ausführliche Berichterstattung in österreichischen und deutschen Medien, wo zu Beginn des Jahres weitere eigene Reportagen erschienen waren.

Broschüre

Foto-Interview-Broschüre "Gegen den Ausverkauf des Landes"

 

Im Juni 2013 erschien der von Kirstin Büttner und Jutta Blume herausgegebene 90seitige Foto- und Interview-Band „Honduras: Stimmen gegen den Ausverkauf“. Der Film „Wo der Tod Teil der Landschaft ist – La voz Lenca no se calla“ von Nina Kreuzin-ger und Andrea Lammers wurde fertiggestellt und in Wien, München, Berlin und Leipzig gezeigt. TV-Premiere war im April 2013 beim kommunalen Wiener Fernsehsender OKTO TV. Seit Jahresmitte ist auch ein Video von Axel Anlauf „Wir haben keine Angst – No tenemos miedo“ über die Arbeit von kommunitären Radiomacher_Innen, die mit ihren Sendungen das Medienmonopol der Mächtigen in Frage stellen, im Internet zu sehen.

Desweiteren rief die Journalist_innen-Delegation zur Unterstützung von „Radio Resistencias“, dem ebenso populären wie permanent vom finanziellen Aus bedrohten oppositionellen Programm bei Radio Globo, auf und sandte eine Grußbotschaft an die Teilnehmer_innen des Caminata, einen Protest-Fußmarsch durch das ganze Land, der Ende Februar unter dem Motto „Schritt für Schritt für die Würde und die Souveränität“ für die Rücknahme des neuen Bergbaugesetzes und der Modellstädte sowie die Freilassung des politischen Gefangenen “Chavelo” (Isabel Morales) in die Hauptstadt Tegucigalpa unterwegs war.

Menschenrechtsdelegation zur Wahl 2013


Grundgedanke der Delegation war die Fortführung der bisherigen Delegationsreisen 2010, 2011 und des Journalist_innenprojekts 2012: Pflege und Ausbau der Kontakte zu sozialen Bewegungen in Honduras, Schutz der Aktivist_innen durch internationale Aufmerksamkeit, Recherche für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im deutschsprachigen Raum.
An der Reise nahm eine Kerngruppe von sechs Personen teil. Es fanden zwei Vorbereitungswochenenden statt: Vom 31. Mai - 2. Juni in Bonn und vom 4.-6. Oktober in München. Am 31. Oktober präsentierten die Teilnehmer_innen der Delegation Paula Brücher und Andrés Schmidt einen Bildvortrag über die Situation in Honduras vor der Wahl.

Die Gruppe legte sich auf einen Aufenthalt in Honduras zwei Wochen vor und eine Woche nach der Wahl fest. Vor Ort schlossen sich weitere Aktive der Solidaritäts- und Menschenrechtsarbeit zu Honduras an, sodass die Gruppe zeitweise aus bis zu 12 Personen aus Frankreich, Spanien, Italien, Honduras und Finnland bestand. Am Beginn des Programms stand ein Tagesseminar der Friedrich- Ebert-Stiftung Honduras über die Möglichkeiten und Grenzen der radios comunitarias, der Bewegung basisnaher unabhängiger Lokalsender, die oft als (einziges) Sprachrohr der sozialen Bewegungen fungieren. Nach einem Besuch beim deutschen Botschafter und einer Pressekonferenz begab sich die Gruppe auf eine zehntägige Rundreise durch den Norden des Landes. Stationen waren: Die Lenca-Organisation COPINH, zwei Gemeinden, die von Staudammprojekten betroffen sind, das Forum gegen die Minenprojekte in Santa Barbara, ein Staudamm der staatlichen Energieerzeugungsgesellschaft, die Anwaltsorganisation MADJ in San Pedro Sula, das jesuitische Sozialforschungszentrum ERIC und die Kooperativenorganisation CNTC in El Progreso, die Garifuna-Organisation OFRANEH in Triunfo de la Cruz an der Karibikküste, die Bewohner_innen der von einem Minenprojekt bedrohten Gemeinde Nueva Esperanza, dem politischen Gefangenen Chavelo im Gefängnis El Porvenir, das Menschenrechts-Beobachtungszentrum für die Region Bajo Aguán in Tocoa sowie die Kleinbauernkooperative El Vallecito im Bajo Aguán.
Den Wahltag selbst verbrachten die Delegationsteilnehmer_innen als Beobachter_innen für die Organisation COFADEH in Wahllokalen in Santa Ana, San Esteban, Tegucigalpa und La Esperanza-Intibucá. Sie beobachteten zahlreiche Unregelmäßigkeiten. Anlässlich einer von COFADEH organisierten Pressekonferenz kritisierten auch andere internationale Wahlbeobachtungsdelegationen den Verlauf des Wahltages scharf, so die Delegationen des Honduras Solidarity Network , La Voz de los de Abajo, National Lawyers Guild (USA/Kanada) Jubileo Sur (Zentralamerika) und andere. Der Bericht der Internationalen Menschenrechts-Föderation (FIDH) sprach ebenfalls von massiven Unregelmäßigkeiten.
Bei einem Treffen mit der EU-Mission am Tag nach der Wahl wies unsere Delegationsgruppe auf diese Beobachtungen hin. Wegen der voreiligen Bestätigung des Wahlergebnisses durch die Wahlbeobachtungsmission der EU ver-sendeten wir anschließend einen offenen Brief an die Direktorin der Mission, Ulrike Lunacek.
Weitere Termine in der Woche nach der Wahl waren ein Gespräch mit dem Botschafter der EU in Tegucigalpa, mit Hermilo Soto vom Lutherischen Weltbund, dem Gewerkschaftsführer Carlos H. Reyes und die Beobachtung einer Demonstration der Partei LIBRE, bei der außer dem Wahlbetrug ein weiterer Mord an einem führenden Aktivisten der Partei angeprangert wurde.

Delegatio

Pressekonferenz der Delegation mit Bertha Oliva von der Menschenrechtsorganisation COFADEH

 

Die Delegation veröffentlichte Berichte über ihre Recherchen unter anderem in den Medien amerika 21, Lateinamerika Nachrichten, analyse&kritik, Neues Deutschland, Radio Onda, detektor.fm, Quetzal, Grüne Bildungswerkstatt Österreich.
Am 10. Dezember fand in Stuttgart eine Veranstaltung mit dem Titel „Wenn der Staat keinen Schutz gewährt – Rechtsstaatlichkeit unter Beobachtung in Guatemala, Honduras und Mexiko“ statt. Dort hielt unser hauptamtlicher Mitarbeiter Andrés Schmidt einen Bildvortrag über die Ergebnisse der Delegationsreise.

Offener Brief an Turbinen-Zulieferer Voith Hydro


Am 11. Juli 2013 sendeten wir angesichts der schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem Staudammprojekt „Agua Zarca“ einen Offenen Brief an den Heidenheimer Turbinenhersteller. Dort heißt es unter anderem: „Auch wenn die Firma Voith Hydro GmbH bei dem Projekt Agua Zarca ‘nur’ Zulieferer ist, wird sie dadurch nicht von ihrer ethischen Verantwortung entbunden. Im Gegenteil: Ihr Unternehmen trägt ein hohes Maß an Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft im In- und Ausland. Corporate Social Responsibility beschreibt das gesellschaftliche Engagement über gesetzliche Regulierung hinaus! Das Projekt Agua Zarca zerstört fruchtbares und seit Jahrhunderten den indigenen Gemeinden angestammtes Land, das der lokalen Bevölkerung und deren nachfolgenden Generationen als Lebensgrundlage dient. Ihre eigenen ethischen Grundsätze werden durch die Beteiligung an einem Projekt, welches mit Gewalt gegen den Willen der lokalen Bevölkerung durchgesetzt wird und auf der Grundlage von Rechtsbrüchen und Menschenrechtsverletzungen basiert, ad absurdum geführt. Aufgrund der oben beschriebenen Vorfälle fordern wir die Firma Voith Hydro GmbH auf, sich aus dem Projekt Agua Zarca zurückzuziehen und den Vertrag mit ihrem Partner DESA, welcher klar in Menschenrechtsverletzungen verwickelt ist, zu annullieren.“

Eilaktionen und Spendenaufrufe


Wenige Tage später gab es den ersten Toten vor dem Tor der Baustelle und wir starteten eine Eilaktion mit der Aufforderung an die honduranische Regierung Leben und Unversehrtheit der Staudammgegner_innen zu gewährleisten, Ermittlungen und einen rechtsstaatlichen Prozess wegen außergerichtlicher Hinrichtung gegen den unmittelbaren Täter und seine Vorgesetzten voranzutreiben sowie die freie Meinungsäußerung und die Rechte der Menschen-rechtsverteidiger_innen und indigenen Gemeinden zu gewährleisten. In den nächsten Monaten folgten eine Reihe weiterer Eilaktionen und Informations-Updates zum Staudammprojekt „Agua Zarca“, nicht zuletzt gegen die Kriminialisierung von COPINH. Wir danken allen, die sich 2013 für die Rechte der Lenca-Gemeinden stark gemacht haben, besonders auch den deutschen und österreichischen Bundestags- und Europaabgeordneten, die sich bei der honduranischen Regierung eingesetzt haben und dadurch den Schutz für die Gemeinden und COPINH wesentlich erhöhen konnten.

Für die Arbeit der Gemeinden der Region Rio Blanco und von COPINH liefen in diesem Jahr mehrere Spendenaufrufe: Seit dem 18. Dezember für den Aufbau eines Gemeindehauses und Menschenrechtsbobachtungscamps in La Tejera. Wenige Tage zuvor konnten wir in kürzester Zeit 1.000 Euro für die Logistik des Aktionstages am 16. Dezember sammeln, der unter anderem der Fortbildung zum Thema Konsultationen diente. Drei weitere Spendenaufrufe dienten den Anwaltskosten von Berta, Tomás und Aureliano (siehe S. 18) sowie dem Unterhalt der kommunalen Radios und des Büros von COPINH, für Fahrkosten und Mobilisierungen. Die Spender_innen haben einen wirksamen Beitrag geleistet für das Weiterleben einer landesweit bedeutenden, radikaldemokratischen Organisation im Kampf um eine neue Verfassung, für Frauenrechte und Ökologie, gegen Rassismus und internationale Ausbeutung.

Seminar der HondurasDelegation


Am 11.-13. Januar 2013 trafen sich Mitglieder der Arbeitsgruppe HondurasDelegation und Interessierte zu einem Koordinationstreffen in den Räumen des Medienkombinat Berlin. Zentrale Punkte waren:
•    Der Aufbau einer Infrastruktur zur Menschenrechtsbeobachtung in Honduras, die es ermöglicht, auf lange Sicht kontinuierlich Personen in Deutschland für einen temporären Einsatz als Beobachter_in zu gewinnen, vorzubereiten und zu betreuen.
•    Die Planung der Delegationsreise zu den Wahlen.

An dem Seminar nahmen 13 Personen teil.

 

Honduras im Widerstand – live in München


Honduras im Widerstand – live in MünchenAm 30. September 2013 traten drei Menschenrechtsverteidiger_innen aus Honduras bei einer gemeinsamen Veranstaltung des Ökumenischen Büros mit FIAN München im EineWeltHaus auf: Gilda Rivera Sierra, Heriberto Alemán Rodriguez und die Sängerin und Aktivistin Karla Lara, bekannt als die „Stimme des Widerstands“ in Honduras. Die drei Gäste berichteten, diskutierten und musizierten zum Landkonflikt im Bajo Aguán, zu Frauenrechten in Honduras und den Möglichkeiten, unter extrem widrigen Umständen künstlerische und politische Freiräume zu bewahren. Tags darauf begleiteten wir alle drei zum Interview beim Bayerischen Rundfunk, aus dem eine Sendung für das „Notizbuch“ entstand.

München

Gemeinsam mit FIAN München präsentiert das Ökumenische Büro drei Gäste aus Honduras im EineWeltHaus
Foto: Erika Harzer

 

Beiträge zum BUKO-Kongress


Beim BUKO-Kongress in München präsentierte das Ökumenische Büro eine Veranstaltung mit dem italienisch-nicaraguanischen Journalisten Giorgio Trucchi, der seinen Film „Grito por la Tierra“ über die Landkämpfe in Bajo Aguan präsentierte, sowie den Film „Wo der Tod Teil der Landschaft ist“ von den Teilnehmerinnen des Journalist_innenprojekts Honduras 2012, Andrea Lammers und Nina Kreuzinger, über die Lenca-Organisation COPINH.

 

 

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