Länderbericht Nicaragua


„Weiter wie bisher, nur besser“ - mit diesem zentralen Wahlslogan war Daniel Ortega im November 2011 wieder zum Präsidenten Nicaraguas gewählt worden. Nachdem inzwischen ein Jahr verstrichen ist, kann man sagen: daran hat sich die FSLN bisher gehalten. Nicht alle werden dem „besser“ zustimmen, aber die FSLN und Ortega sind sicher mit dem abgelaufenen Jahr sehr zufrieden.
Die Machtfülle der FSLN im Jahr 2012 ist beeindruckend. Sie dominiert alle wichtigen Institutionen des Staates. Seit langem schon hat sie eine unangefochtene Mehrheit im Obersten Gerichtshof. Eine Machtposition, die für die Wiederwahl von Daniel Ortega im vergangenen Jahr entscheidend war. Mit Hilfe des Obersten Gerichtshofs umschiffte er das ihm lästige Verfassungsgebot, dass amtierende Präsidenten sich nicht zur Wiederwahl stellen können. Während der vergangenen Amtsperiode – 2006 bis 2011 – baute die FSLN dann den Obersten Wahlrat zielstrebig zu einem Instrument um, das ihr so schnell wohl keine Wahlniederlage mehr bescheren wird. Einen weiteren Machtzuwachs brachten die Wahlen im November 2011. Seither dominiert sie auch unangefochten die Legislative. Die FSLN hat jetzt in der Nationalversammlung 62 der 90 Sitze und damit die qualifizierte Mehrheit. Sie könnte damit sogar die Verfassung ändern. In einem gewissen Gegensatz zu diesem Machtzuwachs verlief die zweite Amtsperiode Ortegas bisher recht ruhig. Sie begann ohne größere Kabinettsumbildungen und ohne spektakuläre neue Vorhaben.
Roberto Rivas

Der Vorsitzende des Obersten Wahlrats, Roberto Rivas

 

Die Opposition bietet nichts


Dieser Machtfülle steht praktisch nichts entgegen. Die dezimierte Opposition beklagt sicherlich zu Recht die Parteilichkeit des Obersten Wahlrats, die bis zu offenem Wahlbetrug reicht. Unter solchen Bedingungen eine überzeugende Oppositionspolitik zu machen, ist sicherlich nicht einfach. Aber die Opposition bietet kein überzeugendes Gegenkonzept und keine erkennbare Strategie. Nur auf ihre Uneinigkeit ist Verlass. Die beiden wirtschaftsliberalen Parteien PLC und PLI, die einzigen Parteien, die bei Wahlen im Augenblick noch relevante Stimmanteile erringen können, reden zwar seit Jahren von Einheit, bekämpfen sich aber mit Inbrunst gegenseitig. Dieser katastrophale Zustand der Opposition spiegelt sich auch in Umfrageergebnissen wider.1 Im September erklärten 80 Prozent  der befragten   Nicaraguaner_innen, dass sie den Oppositionsparteie misstrauen würden und fast genauso viele bezeichneten ihre Politik als miserabel. Präsident und Regierungspartei genossen hingegen das Vertrauen von zwei Drittel der Befragten.

 

Woher rührt das große Vertrauen in die Regierung?


Aus der erwähnte Umfrage kann man schließen, dass die Bevölkerung vor allem mit der Entwicklung ihrer wirtschaftlichen Situation in den letzten Jahren zufrieden ist. Fehlende Arbeitsplätze und die im Lande herrschende Armut werden weiterhin als die Hauptprobleme Nicaraguas angesehen, aber der Prozentsatz derjenigen, die sich deshalb Sorgen machen, sinkt kontinuierlich. Außerdem sehen die Befragten die Entwicklung der Beziehungen zu Venezuela als sehr wichtig an. Dabei denken sie vor allem an die damit finanzierten sozialen Programme der Regierung. Die Programme Hambre Cero, Usura Cero, Plan Techo und Bono Solidario fördern kleinbäuerliche Landwirtschaft, Kleingewerbe, die Verbesserung von Behausungen und die Einkommen unterer staatlicher Bediensteter und werden unabhängig von den politischen Überzeugungen sehr positiv eingeschätzt. Zwischen 10 und 25 Prozent der Befragten geben an, dass sie von diesen Programmen begünstigt wurden. Die Regierung Ortega wird also vor allem wegen ihrer Sozial- und Wirtschaftspolitik geschätzt.

Auch der Unternehmerverband schätzt die Wirtschaftspolitik der Regierung


Die Wertschätzung der Politik der Regierung beschränkt sich aber nicht auf die Begünstigten, sondern findet sich auch in den Kreisen der nicaraguanischen Wirtschaft und bei den internationalen Finanzorganisationen. Der Unternehmerverband COSEP schätzt vor allem die makroökonomische Entwicklung. Seit Jahren verzeichnet Nicaragua das höchste Wirtschaftswachstum in Zentralamerika. Es wird vor allem vom Export und vom Ausbau der freien Produktionszonen – den Maquilas – angetrieben. Auch die Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen zu Venezuela schätzt der COSEP sehr. Das Land war zwar für Nicaragua schon immer wichtig, weil man von dort Erdöl importierte, aber inzwischen ist es auch ein sehr wichtiger Abnehmer für nicaraguanische Exportprodukte. Nach den USA steht es an zweiter Stelle beim Gesamtexport und beim Rindfleisch ist das Land sogar Hauptabnehmer.
Der COSEP schätzt es auch, dass auf internationaler Ebene die Wirtschaftspolitik der vorhergehenden Regierungen fortgesetzt wird. Das Assoziierungsabkommen mit der EU wurde von der Regierung Ortega verhandelt, unterzeichnet und am 17. Oktober 2012 von der Nationalversammlung einstimmig ratifiziert. Damit ist Nicaragua das erste Land Zentralamerikas, das den Vertrag ratifiziert hat.

Das Dilemma der sozialen Bewegungen


Für die sozialen Bewegungen wird die Situation schwieriger. Dass ihnen eine starke und machtbewusste Regierung, die außerdem mit den Mitteln aus Venezuela über viel Geld verfügt, gegenüber steht, schränkt ihre Möglichkeiten ein. Ein Teil der praktischen Forderungen der sozialen Bewegungen hat sich mit den Sozialprogrammen der Regierung erledigt und weitergehende Forderungen nach grundsätzlichen sozialen Veränderungen sind nicht durchsetzbar, wenn sie mit den politischen Vorstellungen dieser starken Regierung kollidieren. Ein Beispiel hierfür ist das Assoziierungsabkommen mit der EU. Die Regierung war dafür und zog es durch. Davon, dass viele soziale Bewegungen nach den Erfahrungen mit dem Freihandelsvertrag CAFTA mit den USA sehr große Bedenken hatten, hat die Öffentlichkeit kaum etwas mitbekommen. Die sozialen Bewegungen wurden nicht gehört und für einen ins Gewicht fallenden Widerstand fehlten ihnen eigene Kraft und Verbündete. Die Gewerkschaften sind regierungstreu und viele Menschen sind mit den konkreten Verbesserungen ihrer persönlichen Situation durch die Sozialprogramme der Regierung einfach zufrieden. Die Bedeutung der sozialen Bewegungen als Opposition außerhalb der Parlamente nimmt ab. Es erreichten uns allerdings auch keine Nachrichten von Kriminalisierung oder Gewalt gegen die sozialen Bewegungen, Mittel, die für die Regierung Ortega in den ersten Jahren noch gebräuchlich waren. Einige Organisationen, wie zum Beispiel die Frauenorganisation MEC oder das Movimiento Comunal Nicaragüense, sind in der Lage, ihre Forderungen in Gesetzesvorhaben der Regierung Ortega einzubringen. Die Organisation nierengeschädigter Zuckerrohrarbeiter_innen ANAIRC äußert sich zufrieden mit der Unterstützung durch die Regierung. Andere Gruppen werden ignoriert. Der Rückgang von Fördergeldern aus dem Ausland bedingt zudem ein Schrumpfen des professionellen NGO-Sektors. Für viele ausgebildete Kräfte wird der Wechsel in den Dienst der Regierung zur denkbaren Alternative. Andere, darunter viele Frauenorganisationen, bewahren sich ihre Unabhängigkeit und lehnen jede Zusammenarbeit mit der Regierung Ortega ab. Die Leistungen der Regierung in der Frauenpolitik finden jedoch bis in diese Kreise durchaus Anerkennung.

Frauenpolitik


In diesem Jahr sind in Nicaragua einige wichtige Gesetze, die die gesellschaftliche Situation der Frauen betreffen, verabschiedet worden. Das bedeutendste ist das Gesetz gegen die Gewalt gegen Frauen, das im Januar vom Parlament verabschiedet wurde und seit Juni in Kraft ist. Beim Zustandekommen des Gesetzes spielte die Frauenorganisation María Elena Cuadra (MEC) eine wichtige Rolle. Der verabschiedete Gesetzestext geht auf einen Vorschlag des MEC aus dem Jahr 2010 zurück. In dem neuen Strafgesetz wird Frauen das Recht auf ein Leben „frei von Gewalt“ zugesprochen. Gewalt gegen Frauen in verschiedenster Form wird in dem Gesetz definiert und geahndet: physische, psychische, sexuelle und ökonomische Gewalt einschließlich Erbangelegenheiten, ausgeübt von Staatsorganen, am Arbeitsplatz und, erstmals direkt angesprochen, die intrafamiliäre Gewalt. Mit der Reform wird der Begriff des Frauenmordes (femicidio) ins nicaraguanische Strafgesetz eingeführt.
Leider zeigte sich aber inzwischen, dass ein gutes Gesetz nicht automatisch die Verbesserung der Zustände zur Folge hat. Am 25. November, dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, hat die nicaraguanische Frauenbewegung eine ernüchternde Bilanz gezogen. Die Behörden hatten bis dahin 38 Frauenmorde gezählt und damit fünf mehr als im Vorjahr. Die Frauenorganisationen selbst kamen bei einer eigenen Zählung sogar auf die Zahl von 69 Frauenmorden.
In einem zweiten erwähnenswerten Gesetzesvorhaben ging es um die Reform des Gemeindegesetzes. Am 8. März beschloss das Parlament einstimmig, dass in Zukunft bei den Gemeindewahlen die Parteien in den Kandidatenlisten für Gemeinderät_innen, Bürgermeister_innen und Vizebürgermeister_innen 50 Prozent Frauen aufstellen müssen. Da die Gesetzesreform außerdem die Zahl der Gemeinderät_innen verdreifacht, wird die politische Repräsentanz von Frauen enorm steigen. Also auch hier ein bemerkenswerter Versuch, die nicaraguanischen Frauen zu stärken.
CDM Matagalpa

Büro der Frauenorganisation Colectivo de Mujeres de Matagalpa

 

Erneuerbare Energie


Ein Politikfeld, auf dem die Regierung Ortega große Erfolge erzielte, ist die Energiegewinnung. Nachdem die Regierung Ortega in den ersten Jahren Engpässe bei der Stromversorgung mit Hilfe von Generatoren aus Venezuela beseitigen konnte, ist sie jetzt dabei, die Stromerzeugung auf erneuerbare Energie umzustellen. Im November ging Nicaraguas dritter Windpark in Betrieb. Alle drei Projekte befinden sich in der Provinz Rivas im Süden Nicaraguas, wo auf der Landenge zwischen dem Pazifik und dem Nicaraguasee günstige Verhältnisse für den Betrieb von Windkraftanlagen herrschen. Weitere Windkraftanlagen sind in der Planung.
Die Ausbeutung einer für Nicaragua typischen, ganz speziellen Energiequelle wird im Augenblick auch weiter vorangetrieben. Schon unter der sandinistischen Regierung der 1980er Jahren war Nicaraguas erstes und bisher einziges geothermisches Kraftwerk am Vulkan Momotombo gebaut worden. Jetzt gibt es eine zweite Anlage. Noch in diesem Jahr soll die geothermische Anlage San Jacinto Tizate in der Nähe von León, die bisher nur die Hälfte ihrer Leistung bringt, den vollen Betrieb aufnehmen.
Am wichtigsten aber für den Umstieg auf erneuerbare Energie ist der Bau der Wasserkraftanlage Tumarín am Rio Grande de Matagalpa. Das Projekt hat eine lange und kontroverse Geschichte. Schon unter dem konservativen Präsidenten Enrique Bolaños (2002 bis 2007) wurde am Rio Grande de Matagalpa das Megaprojekt Copalar geplant, gegen das sich heftiger Widerstand entwickelte. Der Widerstand kam vor allem aus dem Ort Bocana de Paiwas, der mit seinen 1.500 Häusern vollständig im Stausee verschwinden sollte. Die Regierung Ortega hat erfreuliches Augenmaß bewiesen und das Projekt Copalar auf ein Drittel verkleinert. Von den damals geplanten drei Staudämmen wird nur noch die Anlage Tumarín verwirklicht. Die Bauarbeiten, die inzwischen laufen, werden sich noch bis 2014 hinziehen. Auch ohne das Kraftwerk Tumarín liegt der Anteil der erneuerbaren Energie im Elektrizitätssektor jetzt schon bei 46 Prozent. In der BRD liegt der Wert bei 20 Prozent. Die positiven Konsequenzen für Nicaragua zeigen sich bereits in der Außenhandelsstatistik. In diesem Jahr sank erstmalig die Menge des importierten Erdöls.
Bei der Förderung erneuerbarer Energien geht es der Regierung weniger um den Umwelt- und Klimaschutz als um den wirtschaftlichen Vorzug einer geringeren Abhängigkeit von Erdölimporten. An einer Strategie zum Klimaschutz kommt Nicaragua jedoch nicht vorbei, da Zentralamerika zu den am stärksten vom Klimawandel betroffenen Regionen der Erde gehört. Die Region wird insgesamt wärmer und trockener, während die extremen Wetterereignisse deutlich zunehmen. Die Regierung ist bemüht, eine Strategie zur Anpassung an diese Phänomene zu entwickeln. Die Forderung nach Klimagerechtigkeit, also einem Ausgleich zwischen den Verursachern des Klimawandels im Norden und den Geschädigten im Süden, stellen jedoch nur soziale Organisationen wie das Netzwerk „Otro Mundo es Posible“ oder die Umweltorganisation Intipachamama.

Kommunalwahlen


Politisches Hauptereignis des Jahres 2012 waren ohne Zweifel die Kommunalwahlen am 4. November, spannend waren sie jedoch nicht. Das Verhältnis zwischen Regierungspartei und Opposition war zu ungleich, das Ergebnis stand schon lange vor dem Wahltermin fest. Die Opposition trat ohne Ideen und ohne Geld an. Sogar der Unternehmerverband, traditioneller Verbündeter der Rechtsparteien, glaubte nicht an sie und sparte sich die Ausgaben. Die MRS als einzige linke Oppositionspartei trat zur Wahl gar nicht erst an. Sie ist inzwischen aber auch fast bedeutungslos. Ihre Umfragewerte liegen unter 1 Prozent. So sah die Opposition nur eine Chance: Sie konzentrierte sich von Anfang an darauf, die zu erwartenden Inkorrektheiten beim Wahlprozess zu beklagen. Die FSLN und der von ihr beherrschte Wahlrat waren eifrig bemüht, den Befürchtungen der Opposition gerecht zu werden. Mit Formalitäten ging man großzügig um. Wen stört es schon, dass in der Verfassung steht, dass die Amtszeit der Mitglieder des Obersten Wahlrats nach fünf Jahren abläuft. Die Leute hatten sich offensichtlich bewährt. Eine Wahlbeobachtung wurde nicht genehmigt, schon gar nicht, wenn die sich bewerbenden Organisationen als kritisch bekannt waren.
Der Wahlkampf war müde. Interesse erweckte nur, dass es in 40 Landkreisen innerhalb der Basis der FSLN zu massiven Protesten kam, weil die Menschen vor Ort nicht mit Kandidat_innen einverstanden waren, die ihnen die Parteiführung in Managua aufgezwungen hatte. Die Proteste blieben aber erfolglos.
Das Ergebnis wurde schnell nach der Wahl veröffentlicht und war nicht nachprüfbar. Bei den Wahlen zu den Bürgermeister_innen gewann die FSLN in 134 der 153 Gemeinden. Die stärkste Oppositionspartei PLI gewann elf Gemeinden, die PLC zwei, die ALN eine und die Regionalpartei YATAMA an der Atlantikküste drei. Das war ein beträchtlicher Zugewinn für die FSLN, die bei den vorhergehenden Wahlen 2008 nur in 109 von 153 Gemeinden gewonnen hatte. Die Ergebnisse waren weder völlig unrealistisch noch hundertprozentig korrekt. Dass es ein überragendes Ergebnis für die FSLN geben würde, hatte sich schon in Umfragen angekündigt und wurde nach der Wahl indirekt durch die Opposition bestätigt. Die Opposition legte nämlich nur in vier der 153 Gemeinden Protest ein.
Die geringe Wahlbeteiligung von 46 Prozent wurde von Kritiker_innen als Indiz für eine große Unzufriedenheit mit der parteiischen Wahlbehörde gewertet.

Eduardo Fonseca, PLC

Der Kandidat der PLC für das Oberbürgermeisteramt von Managua beim Wahlkampf

 

Grenzstreit mit Kolumbien


Ein außenpolitisches Ereignis muss noch erwähnt werden, da es weitreichende Konsequenzen haben kann. Am 17. November beendete der Internationale Gerichtshof in Den Haag einen jahrzehntelangen Grenzstreit zwischen Nicaragua und Kolumbien. In einem salomonischen Urteil wies das Gericht Nicaraguas Anspruch auf sieben unbewohnte Karibikinseln ab und sprach sie Kolumbien zu. Gleichzeitig regelten sie aber die Seegrenze zwischen den beiden Staaten so, dass sie einen großen Teil des von Kolumbien beanspruchten Gebietes Nicaragua zusprach. Das Gebiet liegt in der 200-Meilen-Zone Nicaraguas. Das Land hat dort jetzt das exklusive Recht zum Fischfang und zur Förderung der wahrscheinlich vorhandenen Öl- und Gasvorkommen. Genauso groß wie die Begeisterung in Nicaragua - man feierte sofort einen Tag der nationalen Einheit - war die Bestürzung in Kolumbien. Als Konsequenz trat Kolumbien aus dem Bogotá-Pakt aus. In dem Pakt verpflichteten sich die Länder des amerikanischen Kontinents 1948, Konflikte untereinander mit friedlichen Mitteln zu lösen, das heißt bei Uneinigkeiten den Internationalen Gerichtshof in Den Haag anzurufen. Nach dem Austritt Kolumbiens gab es aber schon ein Treffen zwischen den Präsidenten der beiden Länder, in dem beide versicherten, dass man das Problem auf friedlichen Wegen lösen wolle. Wenn dies gelingt, wird die Popularität Daniel Ortegas weiter steigen. Die Opposition ist seither fast völlig verstummt, wird aber auch nicht vermisst.
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Der neu geregelte Verlauf der Seegrenze zwischen Nicaragua und Kolumbien

 

Aktivitäten des Ökumenischen Büros zu Nicaragua


Unter der Regierung Ortega hat sich auch in der Solidaritätsarbeit zu Nicaragua bei den Organisationen in Deutschland ein Wandel vollzogen. Eine Zusammenarbeit mit der FSLN nach dem Vorbild der 80er Jahre kommt für die wenigsten Gruppen infrage. Gleichzeitig verlieren viele unabhängige Organisationen in Nicaragua an Bedeutung, die unter den neoliberalen Regierungen bis 2006 Partner_innen der Solidaritätsarbeit waren. Andere werden von der FSLN vereinnahmt. Auch hierzulande, in der unmittelbaren Umgebung des Ökumenischen Büros, ist eine Krise zu spüren: Die Ebersberger Nicaragua-Initiative Diriomito e.V. löste sich auf.
Gründe gab es genug für die deutschsprachigen Nicaragua-Gruppen, Bilanz zu ziehen und über Perspektiven der Solidarität zu diskutieren. So war die Vorbereitung der Nicaragua-Konferenz im Oktober in Wuppertal ein Schwerpunkt unserer Nicaragua-Arbeit im Jahr 2012.

Nicaragua-Konferenz in Wuppertal

Der Vorbereitungsprozess für die Konferenz im Oktober begann bereits im April, als bei einem ersten bundesweiten Vorbereitungswochenende die vier thematischen Blöcke (Panels) Fairer Handel, Frauenbewegung, Energie/Klima sowie Wirtschaftspolitik festgelegt wurden. Gemeinsam mit dem Gastgeber der Veranstaltung, dem Informationsbüro Nicaragua Wuppertal, übernahmen wir die Vorbereitung des Panels zu Wirtschaftspolitik mit dem Titel „Aufbruch in Abhängigkeiten“. Die Konferenz fand am 19.-21. Oktober in Wuppertal statt und war mit ca. 120 Teilnehmer_innen überraschend gut besucht. Das Panel Wirtschaftspolitik bot folgendes Programm:

    ·    Vortrag im Plenum der Konferenz zur Wirtschaftspolitik Daniel Ortegas von unserem Mitarbeiter Eberhard Albrecht
    ·    Workshop über die Entwicklung der Maquila-Industrie unter Präsident Ortega mit Timm Schützhofer vom Nica-Netz
    ·    „Alternativen zur Exportförderung: Stärkung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft“ von Martha Flores von unserer nicaraguanischen Partnerorganisation „Otro Mundo Es Posible“.
    ·    Workshop zu den Auswirkungen des Assoziierungsabkommens EU-Zentralamerika auf die Ökonomien Zentralamerikas von Pablo Morazan (Südwind)
    ·    Diskussionsrunde: „Stop Assoziierung“ mit Alexander King (Die Linke im Bundestag), Gaby Küppers (Mitglied des Europäischen Parlaments), Klaus Hess (Informationsbüro Nicaragua Wuppertal) und Andrés Schmidt (Ökumenisches Büro) über den Stand der Dinge bei der Verabschiedung des Abkommens, über die Kampagne „Stop Assoziierung“ und über Interventionsmöglichkeiten für die Zivilgesellschaft.

Im Rahmenprogramm des Kongresswochenendes boten wir einen Einführungsworkshop mit Bildvortrag von unserem Nicaragua-Referenten mit dem Titel „Warum sich für Nicaragua interessieren?“. Die beiden ehemaligen Brigadistinnen Maren Krätzschmar und Ina Obuch gestalteten den Workshop „Von Soli bis Weltwärts“, der die verschiedenen Möglichkeiten für junge Leute, in Nicaragua freiwillige Arbeit zu leisten, vorstellte und reflektierte.

Unsere Position bei der Abschlussdiskussion im Plenum am Sonntag Morgen war die folgende: Die wichtigste Solidaritätsarbeit zu Nicaragua ist es, die Rolle zu reflektieren, die wir selbst für die Realität in Nicaragua spielen, sei es als Konsument_innen von Kaffee oder Bioethanol aus Nicaragua, sei es als Bewohner_innen der EU, deren Regierungen in unserem Namen ein Abkommen verhandeln, dass der Bevölkerungsmehrheit in Nicaragua großen Schaden bringen wird.

Fishbowl

"Fishbowl"-Diskussion zum Abschluss des Nicaragua-Kongress in Wuppertal



Aktivitäten zur Frauenbewegung

Die am besten organisierte, regierungsunabhängige soziale Bewegung in Nicaragua ist nach wie vor die Frauenbewegung. Ihre Inhalte stehen zum großen Teil in deutlichem Widerspruch zur Regierungspolitik, aber auch zur machistischen Realität in Nicaragua. Das Ökumenische Büro sieht sich mit deren emanzipativem Ansatz solidarisch und pflegt die dahingehenden Kontakte. Das neue Strafgesetz gegen Gewalt gegen Frauen (siehe oben) nahmen unsere Mitarbeiter_innen Eberhard Albrecht und Marianne Walther in einer Sendung bei Radio Lora unter die Lupe. Die nicaraguanische Frauen-Theatergruppe Nuestra Cara erläuterte in einem Interview mit Eva Bahl, dass das grundsätzlich fortschrittliche Gesetz keinen Durchbruch gegen die frauenfeindliche Kultur in Nicaragua bedeute. Im Gegenteil, die katholische Kirche ginge noch über das herrschende generelle Abtreibungsverbot hinaus und fordere das Verbot aller Verhütungsmittel.

Theater Nuestra Cara in München

Das erwähnte nicaraguanische Frauen-Theater wartete bei seinem Gastspiel im Kulturzentrum Wörthhof in München mit einem gar nicht frauentypischen Thema auf: Das Stück „Der Weg zur ausgetrockneten Lagune“ behandelt die Machtverhältnisse beim Zugang zu Wasser.
Die in Matagalpa ansässige Theatergruppe lud uns ein, bei der nächsten Solidaritätsbrigade das Frauenkollektiv von Matagalpa (CMM) zu besuchen, um deren weitere feministische und kulturelle Arbeit kennen zu lernen. Dadurch inspiriert, wird bei der gemeinsamen Brigade von Infobüro Wuppertal und Öku-Büro im Jahr 2013 das Schwerpunktthema Geschlechterverhältnisse sein.

Theater

"Der Weg zur ausgetrockneten Lagune" im Münchner Kulturzentrum Wörthhof


Beitrag zum „Bildungslabor Lateinamerika“

Unter den Titeln „Fokuscafé Lateinamerika“ und „Bildungslabor Lateinamerika“ erarbeitete das Informationsbüro Nicaragua Wuppertal in den letzten Jahren hochwertige Bildungsmaterialien für Jugendliche und junge Erwachsene. Das im Januar 2012 erschienene, vorläufig letzte Heft der Reihe handelt von den Auswirkungen des Klimawandels in Lateinamerika. Die Teilnehmer_innen der Solidaritätsbrigade 2011 des Ökumenischen Büros erarbeiteten für das Heft einen Beitrag über den Klimawandel in Nicaragua mit spielerischen und partizipativen Lernmethoden.


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