Länderbericht Mexiko


„Der Albtraum ist aus!“ titelte die politische Zeitung Proceso im November. Eine Theateraktivistin aus Ciudad Juárez kommentierte spontan: „Stimmt, der Albtraum ist aus... Aber, was kommt danach?“ Gemeint mit dem Albtraum sind die sechs Jahre Regierungszeit von Felipe Calderón.
Im Folgenden werden wir versuchen  die Ereignisse aus seiner  Amtszeit, die für unsere Arbeit maßgebend waren,  zu analysieren. Wir sind der Meinung, dass die emanzipatorischen Kräfte, die den notwendigen Wandel in einer Gesellschaft in Gang setzen, bei der organisierten Bevölkerung zu finden sind – und nicht bei den Politiker_innen. Da aber die mexikanische Regierung so viele Entscheidungen traf, die sich gegen die eigene Bevölkerung richteten, ist die Amtszeit dieses Präsidenten eine genauere Betrachtung wert. Der mexikanischen Regierung gelang es außerdem,  sich international als entschlossen im „Kampf gegen das organisierte Verbrechen“ darzustellen. Bei der deutschen Regierung und auf Ebene der EU wurde das positiv aufgenommen worden. Dies kritisch zu hinterfragen, ist ein weiterer wichtiger Grund, sich mit der Regierungszeit Calderóns  auseinanderzusetzen.

Calderóns stürmische Anfänge


Felipe Calderón wurde 2006 Präsident Mexikos. Er trat die Nachfolge von Vicente Fox an, der das Amt von 2000-2006 innehatte. Beide gehören der Partei PAN (Partido de Acción Nacional) an. Das Establishment sah darin die Bestätigung des Demokratisierungsprozesses in Mexiko. Kritiker_innen hingegen, wie zum Beispiel der Zapatista Subcomandante Marcos – vermuteten Wahlbetrug.1
Der Kandidat der progressiven Partei PRD (Partido de la Revolución Democrática) Andrés Manuel López Obrador rief zu friedlichen Protesten gegen den Wahlbetrug auf. Daraufhin formierte sich eine Massenbewegung, die in ihren Forderungen weit über das Parteiprogramm Obradors hinaus reichte. Diese Bewegung des friedlichen zivilen Widerstands gegen den Wahlbetrug war jedoch nicht der einzige organisierte Akteur, der im Jahr 2006 am politischen Horizont von Mexiko zu sehen war.
Im Mai 2006 hatte in San Salvador Atenco die gewalttätige Aktion gegen Blumenhändler_innen  zu einer Solidarisierung in der Bevölkerung geführt. Die Polizei wollte ihnen nicht genehmigen, auf dem Markt von Texcoco zu verkaufen. Die Blockade einer nahe gelegenen Schnellstraße wurde mit unverhältnismäßiger Repression beantwortet:  Zwei Jugendliche wurden von der Polizei ermordet, 23 Frauen wurden während ihrer Festnahme und beim Transport von Polizisten sexuell, physisch und psychisch gefoltert. Drei Personen bekamen Gefängnisstrafen von bis zu 112 Jahren. Der Journalist und Akademiker Carlos Fazio definierte den Einsatz der Polizei als „Bevölkerungskontrolle“2  im Sinne einer anti-subversiven, irregulären Kriegsführung.
Die EZLN (Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung) hatte Anfang 2006 mit der „sechsten Deklaration des Lakandonischen Urwalds“ zu einer bundesweiten Befragung über eine neue Form der Gesellschaftsorganisation aufgerufen. “Die andere Kampagne“ (La Otra Campaña)3  sollte durch das ganze Land reisen, um aus erster Hand mehr über die verschiedenen Probleme, aber auch über die Kämpfe im Land, zu erfahren. Grundgedanke der EZLN war, dass es „nichts mehr mit denen ‘dort oben’ zu verhandeln gäbe“.Mit der Sechsten Deklaration betonten sie, dass sie nichts von der nächsten Regierung erwarteten, wer auch immer an die Macht kommen würde.

Zapatistas

Wie 1994, nur diesmal ohne Waffen und in Stille, eroberten die Zapatistas die selben fünf Städte wieder.


Beim Amtsantritt von Felipe Calderón am 1. Dezember 2006 rauchten noch die Barrikaden, die in der Kommune von Oaxaca errichtet wurden4 . Die wichtigste Forderung, den Rücktritt des Gouverneurs Ulises Ruiz Ortiz, erreichte die APPO nicht. Aber die Bevölkerung von Oaxaca hatte wichtige Erfahrungen in der Wirksamkeit von Massenorganisation gesammelt.
Was haben nun diese fünf beispielhaften politischen Ereignissen von 2005 2006 mit dem Amtsantritt Calderóns zu tun? Wir haben auf der einen Seite einen Präsidenten mit geringer Legitimität5 , dem es selbst innerhalb seiner eigenen Partei an Rückhalt fehlt. Auf der anderen Seite konnten die sozialen Bewegungen ihren Organisationsgrad festigen und auch die parteiübergreifende Massenbewegung um López Obrador war gut aufgestellt.
Calderón war sich seiner schwachen Ausgangssituation bewusst. Und auch das Militär und andere Falken der mexikanischen Politik witterten ihre Chance. Am 11. Dezember 2006 erklärte Calderón den Krieg gegen den Drogenhandel.6 Die nationale und die internationale Presse gaben dies fast ausnahmslos ohne Kritik wieder. Als sich der Präsident am 3. Januar und 10. Februar 2007 in Militäruniform präsentierte, konnten wir noch nicht ahnen, welch weitreichenden Folgen diese Pose haben würde. Seine viel zu große olivgrüne Jacke war für die politischen Cartoonisten ein gefundenes Fressen. Aber die Geste war ernst gemeint, er hatte die Jacke nicht etwa angezogen, weil ihm kalt war. In Gesprächen mit unseren Partner_innen in Mexiko wurde uns klar, dass der sogenannte Drogenkrieg definitiv als Krieg zu bezeichnen ist, aber nicht gegen den Drogenhandel, sondern gegen die eigene Bevölkerung7 .  Beispielhaft kann dies an der Situation in Ciudad Juárez aufgezeigt werden.

Cartoon

Calderon als Anhängsel des Militärs (La Jornada)


Aufgrund der hohen Gewalt in der Stadt mit 307 Morden im Jahr 2007 beschlossen die Bundesregierung und die Landesregierung von Chihuahua den Start des „Gemeinsamen Einsatzes von Chihuahua“. In der Folge wurden in der Stadt an der Nordgrenze 8500 Soldaten und 2300 Bundespolizisten eingesetzt. Parallel zu diesem Einsatz schnellte die Mordstatistik nach oben. Laut Observatorio de Juárez wurden in Juárez in den Jahren 2008-2011 jedes Jahr zwischen 1500 und 3000 Menschen ermordet8 . Bei den prominentesten Fällen von Morden wie zum Beispiel dem Massaker von Villas de Salvarcar9  befanden sich Angehörige der Bundeseinheiten in unmittelbarer Nähe der Ereignisse, ohne diese zu unterbinden. Deswegen sehen große Teile der Zivilgesellschaft die Sicherheitskräfte eher als Teil des Problems denn als Teil der Lösung.
Dieses Gefühl der Bevölkerung konnten wir in zahlreichen Gesprächen mit Journalist_innen, Aktivist_innen, Taxifahrer_innen und sogar Schulkindern feststellen.
Nachdem Calderón 2006 zuerst den „Krieg gegen den Drogenhandel“ ausgerufen und ihn später zum „Krieg gegen das organisierte Verbrechen“ umbenannt hatte, negierte er im Dezember 2011 in einem Interview mit López Dóriga, dem Nachrichtenchef von Televisa, jemals einen Krieg ausgerufen zu haben. Unabhängig von Calderóns Benennung kostete dieser Krieg von 2006 bis 2012 mehr als 100000 Menschen das Leben.10  11  Weitere 25 000 Menschen gelten als „Verschwundene“, da ihre Leichen nie gefunden wurden12 . An diesem Krieg sind eine Vielzahl von Gewaltakteuren beteiligt. Die Regierung ist mit Sicherheit nicht für alle diese Morde direkt verantwortlich. Sie trägt aber die Verantwortung dafür, dass fast alle diese Morde straflos blieben. In Mexiko liegt die Straflosigkeit bei 98 Prozent.13

no mas Sangre

Im „Drogenkrieg“ sind die Opfer in Mexiko und die Drogen in den USA

 

Die Analysen bezüglich der Ursachen des Krieges sind vielfältig und teilweise sogar widersprüchlich. Dass die Opfer selten in einer direkten Konfrontation ermordet wurden und kaum jemand bewaffnet war, spricht zumindest gegen die These, dass es sich um Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Banden bzw. mit Sicherheitskräften handeln würde. Der Krieg verfolgt also andere Interessen. Während der Tagung „Mexiko als Rechtsstaat?“ von der Mexiko-Menschenrechts-Koordination setzten sich mehrere Referent_innen und Teilnehmer_innen mit dieser Frage auseinander. Der Journalist Carlos Fazio geht von einer Aktion aus, die von den USA mit gewisser Nachsicht bezuüglich der mexikanischen Oligarchie durchgeführt wird, um gewisse Privilegien zu sichern beziehungsweise auszubauen.14 Hier kommen wieder die anderen vier politischen Momente von 2006 ins Spiel, nämlich: La Otra Campaña, San Salvador Atenco, Die Bewegung des zivilen friedlichen Widerstandes, und die APPO- Komune von Oaxaca. Calderón hat angesichts einer brodelnden sozialen Situation und einer schwachen politischen Stellung den Weg der Gewalt gewählt, um einen sozialen Aufstand zu vermeiden. Der Aufstand blieb ihm erspart, Mexiko aber hat nun noch einige Gründe mehr, um zu rebellieren.


Ereignisse, die für unsere Arbeit wichtig waren


Mitte dieses Jahres verabschiedete das mexikanische Parlament ein Gesetz zum Schutz von Journalist_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen. Dieses Gesetz ist das Ergebnis eines langwierigen Kampfes von Personen, die von Verfolgung und Kriminalisierung betroffen waren. Lange Zeit hatte sich die mexikanische Regierung geweigert, anzuerkennen, dass dies in Mexiko Risikoberufe sind. Verschiedene Berichte von lokalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen15  sowie der UNO machen die gefährliche Lage deutlich, in der sich Menschenrechtsverteidiger_innen und Journalist_innen befinden. Vierzehn Menschenrechtsverteidiger_innen wurden in den Jahren 2010-2012 ermordet. In den letzten 12 Jahren sind 70 Journalist_innen in Mexiko ermordet worden, allein seit 2006 waren es 45.16  Wir hoffen, dass das neu verabschiedete Gesetz mehr Schutz für die Betroffenen bedeutet. Die Nicht- Regierungsorganisationen sind skeptisch bezüglich der  Möglichkeiten eines solchen Gesetzes, denn die Umsetzung ist von den Mitteln abhängig, die  bereit gestellt werden. Und am politischen Willen, mit der Straflosigkeit zu brechen, mangelt es offensichtlich weiterhin.
Felipe Calderón führte jedoch nicht nur Mexiko in ein Blutbad, sondern unterschrieb auch noch in einer seiner letzten Amtshandlungen ein neues Arbeitsgesetz. Das neue Gesetz stieß innerhalb der Bevölkerung auf massive Kritik, da es die prekären Arbeitsbedingungen verschärft. Die Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (Comisión Económica para América Latina y el Caribe, CEPAL) hat deutlich gemacht, dass mit den Reformen mehr Menschen in den informellen Arbeitssektor gedrängt werden statt die versprochenen 400 000 Jobs geschaffen werden. 17   Calderón war als presidente del empleo (der Präsident, der gut bezahlt Jobs ermöglichen wollte) angetreten. Stattdessen nahmen die Arbeitslosigkeit und die Anzahl der informell Beschäftigten zu. Der Mindesttageslohn wurde in den letzten sechs Jahren um 13 Pesos (ca. 1 US-Dollar) erhöht. Die Kosten für Grundnahrungsmittel verdoppelten sich in der gleichen Zeit. Gasolinazo ist ein Neologismus, der in Mexiko für die ständige Erhöhung der Benzinpreise steht, was auch ein Ergebnis der mexikanischen Wirtschaftspolitik ist. 18
Tortilla Precio

Was würden wir machen, wenn das Brot 10 Euro kosten würde?

 

Die Rückkehr der Dinosaurier


Wir verfolgten den Wahlprozess in Mexiko aufmerksam. Und ohne Sarkasmus lässt sich sagen, dass die Wahlen fast nach einem Drehbuch verliefen. In Mexiko spricht man nicht mehr von  Staatswahlen, sondern von  „Medienwahlen“.
Große Teile der Zivilgesellschaft kriti-sieren den Wahlkampf. Die Vorliebe der Medien für den Kandidaten der PRI war deutlich und das spürte die Bevölkerung auch.19  Die wichtigsten Medienunternehmen in Mexiko hatten die Direktoren der renommiertesten Umfrageunternehmen engagiert, um ihrer Ma-nipulationsstrategie einen pseudowissenschaftlichen Charakter zu geben. The Guardian aus London berichtete über Bezahlungen von Peña Nieto an Televisa, dem größten Fernsehkonzern Mexikos, für wohlwollende Berichtserstattung.20  Auch Stimmenkauf wurde praktiziert. Am Tag der Wahl häuften sich die Berichte über die Vergabe von Prepaid-Karten für den Einkauf in Supermarktketten durch Wahlkämpfer_innen von Peña Nieto.
Doch ein Ereignis sorgte dafür, dass nicht alles nach Drehbuch verlief. Die Bewegung #Yo soy 132 21  (Ich bin 132) hatte den Wahlkampf letzten Monat deutlich aufgemischt. Sie stellte insbesondere die Rolle der Medien in Frage. Viele haben sich große Hoffnungen gemacht und sprachen sogar von einem „mexikanischen Frühling“. Der Aufstand blieb aus, aber die Mitglieder dieser neuen Bewegung gehen ihre Wege weiter, unbekümmert von den Erwartungen und Projektionen von außen. Hierzulande sind viele Gruppen von „Ich bin 132“ aktiv, die Münchner Zelle wurde zu einer wertvollen PartnerIn für die Mexiko-Arbeit des Ökumenischen Büros.

yo soy 132


Enrique Peña Nieto ist nicht nur eine Art Sunnyboy, der mit einer hübschen Schauspielerin von Televisa verheiratet ist. Er ist auch nicht nur derjenige, der nicht den Titel der drei wichtigsten Bücher in seinem Leben erwähnen kann.22 Er ist auch der, der das Land Estado de Mexico regierte -und zwar mit harter Hand. So hatte er zum Beispiel die Repression von San Salvador Atenco angeordnet. Menschenrechtsorganisationen, darunter unsere Partner_innen, zählten in einem Bericht die Menschenrechtsverletzungen während seiner Zeit als Gouverneur auf.23
Das gewaltsame Vorgehen der Polizei gegen die Demonstrant_innen am 1. Dezember 2012  während der Amtseinführung, die willkürlichen Verhaftungen und das intransparente Handeln der Justiz lassen in puncto Autoritarismus nicht auf eine grundsätzliche Veränderung der Situation hoffen.
Gerne würden wir goldene Zeiten für Mexiko voraussagen, aber letztlich hat die fünfjährige Tochter unseres Mexiko-Referenten wohl leider recht, wenn sie sagt: Armes Mexiko!

 

Aktivitäten des Ökumenischen Büros zu Mexiko


Die mexikanische Zivilgesellschaft hat sich nicht von der Militarisierung der Gesellschaft einschüchtern lassen. Viele unserer Partner_innen kämpfen nicht nur gegen die Gewalt des sogenannten Krieges gegen die Drogen, sondern sie verteidigen weiterhin ihre Rechte, organisieren sich und leisten Widerstand gegen ein System, dass sie als Feinde sieht. Hier präsentieren wir Ihnen/euch eine Zusammenfassung unserer Aktivitäten zu Mexiko außerhalb des Jahresschwerpunktes Militarisierung.

Veranstaltung „Die Vergessene Migration“

Am 2. Mai berichteten Nora R. Ortega Romero und María Luisa Aguilar Rodríguez, Mitarbeiterinnen des Menschenrechtszentrums Tlachinollan in Guerrero, im Mittwochscafé im Café Marat über die Situation landwirtschaftlicher Tagelöhner_innen, die zu den Plantagen der nördlichen Bundesstaaten emigrieren um dort zu arbeiten.
Wenn über Migration in Mexiko gesprochen wird, denken wir automatisch an die zahllosen Menschen, die in die USA migrieren oder an die vielen Mittelamerikaner_innen, die Leib und Leben riskieren, um die Grenze der USA zu erreichen. Jedoch redet fast niemand über die tausenden Frauen, Männer und Kinder, die jedes Jahr ihre Gemeinde in Guerrero verlassen, um in der Landwirtschaft im Norden Mexikos zu arbeiten. Der Bundesstaat Guerrero ist eine der ärmsten Regionen Mexikos. Aber nicht nur das: Der Staat kommt seinen Aufgaben nicht nach. So gibt es keine ausreichende ärztliche Versorgung und auch zu wenig Unterstützung gegen die Hungerproblematik. Stattdessen schickt man lieber Soldaten gegen die rebellische Bevölkerung. Jahrzehntelang sind die Gemeinden der Montaña de Guerrero (Bergland von Guerrero) von der Regierung und den Behörden ignoriert worden - außer während der Wahlen. Dort befindet sich der ärmste Landkreis Mexikos. In der Montaña leben vor allem Indigene der Me´phaa, Nauas, Na savi und Nn anncue; sie werden als billige Arbeitskräfte in den Feldern von Multis des Agrarbusiness im Norden Mexikos eingesetzt. Ganze Familien müssen in überfüllten und maroden Bussen einige tausend Kilometer weit fahren, um an ihren Arbeitsorten, die gleichzeitig für sechs Monate ihr Zuhause sein werden, anzukommen.“ Auf diesen Feldern, auf denen überwiegend für den Export produziert wird, gilt nur eins: arbeiten, arbeiten, arbeiten... Die Rechte der Tagelöhner_innen werden missachtet;  so werden zum Beispiel  keine schriftlichen Arbeitsverträge ausgehändigt und viele erkranken durch den Einsatz von agrochemischen Mitteln. Um ihr Arbeitspensum zu erfüllen, müssen die Eltern auch die Kinder mit auf die Felder bringen.
1994 gründete Abel Barrera das Menschenrechtszentrum Tlachinollan. In ihrer Arbeit klagen dessen Mitarbeiter_innen Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte ein und fordern, dass sich das Militär für Folter, Vergewaltigungen und illegale Durchsuchungen verantworten muss. Nicht selten werden sie wegen ihres Engagements von den Mächtigen verfolgt.“ Seit 2006 dokumentiert das Menschenrechtszentrum Tlachinollan die“ Menschenrechtsverletzungen gegen die Tagelöhner_innen.“

Informe edomex



Rundreise mit Bettina Cruz zu Windkraftanlagen

Im Mai organisierten wir eine Rundreise mit der sozialen Aktivistin und Menschenrechtsverteidigerin Bettina Cruz aus Juchitan. Sie nahm an der Bundeskonferenz Internationalismus im Mai  in Erfurt teil und besuchte auch Leipzig, Potsdam, Hamburg, Bremen, Bielefeld, Freibug, Basel (CH) und Wiesbaden.
Die Region Tehuantepec ist für ihre kulturellen Attraktionen bekannt. Bettina kam aber nicht auf die bunten Feste von Juchitan zu sprechen. Sie machte in ihren Vorträgen auf die Situation rund um den Bau von Windkraftanlagen aufmerksam. Dabei ging es uns nicht darum, Stimmung gegen alternative Energien zu machen. Wir haben sie eingeladen, um zu berichten, welch große Umweltschäden durch vermeintlich saubere Energien verursacht werden können, wenn die Betreiber_innen nur Gewinn und Profitmaximierung verfolgen.
 In ihren Vorträgen und Präsentationen erklärte Bettina deutlich, welche Schäden der Bau von Windkraftanlagen in ihrer Region der Umwelt, der lokalen Wirtschaft, der Kultur und dem sozialen Leben in ihrer Gemeinde zufügen. Im Portal amerika21.de erschien ein Bericht über Bettinas Vortrag, welcher die Situation deutlich erklärt: „Der Ausbau erneuerbarer Energien in Mexiko schürt neue Landkonflikte. Besonders betroffen ist dabei die Landenge zwischen dem Golf von Mexiko und dem Pazifik, dem Isthmus von Tehuantepec“.
Die Kritik der indigenen Gemeinden richtet sich dabei vor allem gegen die Umsetzung der Bauvorhaben. Zu keinem Moment sei die betroffene Bevölkerung konsultiert oder informiert worden. Es habe sich als unwahr erwiesen, dass der Anlagenbau keine Auswirkungen auf die Umwelt haben würde. Die Baumaßnahmen hätten teilweise zu irreparablen Schäden geführt, die den Ackerbau in Zukunft unmöglich machen.
Staatliche Behörden und Windenergie-Unternehmen reagieren auf Protest wiederum mit Einschüchterungen und Bedrohungen. Derzeit laufen gegen 40 Bauern- und Indigenenvertreter Ermittlungsverfahren. Die Aktivist_innen  hatten versucht, den nicht genehmigten Bau eines Windparks auf ihrem Land zu blockieren. Auch gegen Bettina Cruz ist ein Verfahren anhängig, seitdem sie im Februar auf einer Protestaktion für mehrere Tage festgenommen wurde.
Mittlerweile haben die Bewohner_innen der Gemeinden San Dionisio und San Mateo del Mar durch den Beschluss des mexikanischen Bundesverwaltungsgerichts das Verbot für den Bau einer neuen Windkraftanlage in ihrer Gemeinde erreicht. Dies ist zweifellos eine sehr gute Nachricht. Die Kehrseite ist, dass Bettina ihre Stadt aufgrund von Morddrohungen verlassen musste.

Migrantes

Innermexikanische Migration führt zu ausbeuterischer Kinderarbeit

Rundreise mit CACITA und Stattpark OLGAs Oaxaca-Wochen

Von Ende Juli bis Mitte Oktober haben wir in Zusammenarbeit mit der Ya Basta-Gruppe aus Leipzig eine Rundreise mit zwei Mitgliedern des Kollektivs CACITA aus Oaxaca organisiert. CACITA ist ein autonomes Zentrum für die interkulturelle Herstellung angepasster Technologien und engagiert sich mittlerweile seit acht Jahren in den Bereichen Biokonstruktionen und Fahrradmaschinen und bietet Workshops zum nachhaltigen Umgang zum Beispiel mit Wasser und Müll an. Das Kollektiv arbeitet sowohl in seinem Stadtteil San Paolo Etna in Oaxaca / Mexiko als auch in Gemeinden verschiedener anderer Bundesstaaten. Im Rahmen der dreimonatigen Rundreise in Deutschland, Österreich und der Schweiz, haben Aktive des Kollektivs auf verschiedene Weise ihre Arbeit vorgestellt. Mit einer Infoveranstaltung und einer Fotoausstellung gaben sie Einblicke in ihren Alltag und die vielseitigen Projekte von CACITA. In einem Workshop wurden gemeinsam verschiedene Fahrradmaschinen gebaut, um auf praktische Weise zu lernen, wie man im Alltag auch ohne Strom auskommen kann. Die Workshopteilnehmer_innen waren von den verschiedenen Möglichkeiten, Fahrradmaschinen herzustellen, begeistert.
Hier in München veranstalteten wir den Workshop und die Informationsveranstaltungen im Rahmen von „OLGAs OAXACA Wochen“ im Giesinger Kultur- und Wohnprojekt Stattpark OLGA vom 8.bis 13. August. Wir haben eine fahrradbetriebene Waschmaschine gebaut, die auf einem der Münchner Wagenplätze in Betrieb ist.
Der Graffiti-Künstler und Aktivist Yeska, ebenfalls aus Oaxaca, bestritt den zweiten Teil der Oaxaca-Wochen. Parallel zu einer Ausstellung seiner Werke im Farbenladen (Feierwerk) fand im Stattpark OLGA am 3. August ein Livepainting statt, bei dem er dem Projekt eines seiner bisher größten Bilder überließ. Es wurde ebenfalls ein Film über die Arbeit der Künstler_innen des Kollektivs ASARO gezeigt, anschließend haben wir uns mit Yeska über seine Arbeit und politische Tätigkeit als Künstler ausgetauscht.

Schattenbericht von Yo soy #132

Am 1. September stellten die Mitglieder der Münchner Sektion des weltweiten mexikanischen Demokratienetzwerks Yo soy #132 einen Schattenbericht über die sechsjährige Regierung von Felipe Calderón sowie zu den Prä-sidentschaftswahlen in Mexiko vor. Mit dieser Veranstaltung stellte sich die Gruppe der Öffentlichkeit vor und zeigte, dass ihr politisches Interesse und Engagement über die Bekämpfung von Wahlbetrug hinaus geht.

Buchvorstellung zu Umweltaktivismus von unten

Am 13. September veranstalteten wir im Wohnprojekt Ligsalzstraße 8 die Vorstellung des Buches „Wer Beton sät, wird Zorn ernten. Mexikos Umweltbewegung von unten“ von Luis Hernández Navarro. Kooperationspartner waren Yo soy #132 Munich und die Münchner Menschenrechtsgruppe Pacta Servanda.
In Mexiko sind Bäuerinnen und Bauern, die sich für den Erhalt ihrer natürlichen Lebensgrundlagen einsetzen, regelmäßig Repressionen ausgesetzt oder bezahlen ihr Engagement sogar mit dem Leben. Der Raubbau von natürlichen Ressourcen und der Widerstand der Menschen vor Ort gegen die rücksichtslose Zerstörung ihrer Umwelt sind Thema des Buches von Luis. Es geht um die schwierigen, aber immer wieder auch erfolgreichen Aktionen gegen Abholzungen, die Privatisierung von Trinkwasser, den Bau industrieller Megaprojekte, oder um den Widerstand gegen eine agroindustrielle Produktion, die Kleinbauern und -bäuerinnen verdrängt und schwere Gesundheitsschäden für die dort lebende Bevölkerung nach sich zieht. Der mexikanische Publizist Luís Hernández Navarro ist langjähriger Redakteur der Kommentarseite sowie Kolumnist bei der renommierten mexikanischen Tageszeitung La Jornada. Er hat mehrere Bücher und Artikel über soziale Bewegungen und die unabhängige Gewerkschaftsbewegung in Mexiko veröffentlicht.

Infotische bei Musik-Konzerten

Zusammen mit Yo soy #132 Munich waren wir mit Infotischen bei Konzerten der zwei mexikanischen Bands Molotov und Panteon Rococo präsent. Bei beiden Konzerten haben wir Unterschriften gegen den Wahlbetrug in Mexiko gesammelt und über die Situation im Land informiert. Während des Konzerts von Panteon Rococo konnte ein offener Brief verlesen werden. Mit dieser Aktion erreichten wir ein Publikum, welches normalerweise nicht von unserer Arbeit erfahren würde.

Luis Hernandez

Fiesta de Muertos

Am 1 November feierten wir zusammen mit den Mitgliedern von Yo soy #132 Munich und Freund_innen die Fiesta de Muertos, Das Totenfest ist eines der wichtigsten Feste in Mexiko. Es wird an die toten Verwandten erinnert. Wir haben neben unseren Angehörigen auch der vielen Genoss_innen gedacht, die für eine andere Welt gekämpft haben und heute nicht mehr hier sind.

 1    http://www.spiegel.de/politik/ausland/mexiko-zapatisten-fuehrer-spricht-von-wahlbetrug-a-425686.html
 2    Diese Art von Einsatz, der auf der „Lacheroy Doktrin“ basiert - benannt nach Oberst Charles Lacheroy, der sie in der Schlacht von Algier, nach der französischen Niederlage von Dien Bien Phu einsetzte - ist Bestandteil der psychologischen anti-subversiven Kriegsführung, eine Form der irregulären (nicht-konventionellen) Kriegsführung, kombiniert aus dem gezielten Einsatz nachrichtendienstlicher Öffentlichkeitsarbeit, Propaganda und Massenkontrolle innerhalb eines spezifischen Gebietes.
 3     Trotzdem haben sie ihre neue Initiative genau in einem Moment begonnen, indem die politische Macht neu gewählt wird. SIPAZ-News vom 01.12.2005
 4    Im südwestlichen mexikanischen Bundesstaat Oaxaca fand 2006 eine Revolte statt. Nachdem die Polizei am 14. Juni 2006 gewaltsam eine Zeltstadt streikender Lehrer_innen auf dem Zócalo, dem zentralen Platz der gleichnamigen Hauptstadt des Teilstaates, aufgelöst hatte, begann eine Solidarisierung und Mobilisierung, die weite Teile der Bevölkerung erfasste. Am 17. Juni wurde die Asamblea Popular de los Pueblos de Oaxaca (Versammlung der Bevölkerungen von Oaxaca, APPO) gegründet, in der sich rund 350 Organisationen, Gruppen und Initiativen zusammenschlossen. Bis zu ihrer Niederschlagung durch Beamt_innen der Bundespolizei Ende November 2006 erkämpfte und erlitt die Bewegung gegen den autoritär regierenden Gouverneur Ulises Ruiz Ortiz  (PRI) verschiedene Höhe- und Tiefpunkte: Mindestens 23 Menschen wurden von paramilitärischen, regierungsnahen Gruppen erschossen, ungezählte wurden verletzt und rund 300 verhaftet.
 5    Vgl. hierzu: Gerold Schmidt, Poonal vom 27.02.2007
 6    http://aristeguinoticias.com/2205/mexico/sedena-y-los-pinos-declaran-la-inexistencia-de-una-estrategia-de-combate-al-crimen/ (spanisch)
 7    „Mexiko führt einen Krieg gegen die Bevölkerung“ Anti-Drogenkampf dient als Vorwand für Repression gegen die sozialen Bewegungen. Interview  mit Carlos Fazio
    http://projekte.free.de/bankrott/basta/n20071020.html
 8    2008: 1569, 2009: 2371, 2010: 2980, 2011: 1956. Quelle: http://observatoriodeJuárez.org/dnn/Estadisticas/Homicidios.aspx
 9    Vgl. hierzu: Infoblatt Nr. 80. Willibaldo Delgadillo: „Juárez zwischen der Politik des Schreckens und dem Widerstand“, S 18-23.
 10    http://www.excelsior.com.mx/index.php?m=nota&seccion=nacional&cat=1&id_nota=871927
 11    Die mutmaßliche Anzahl der Mordopfer variiert je nach Quelle, andere Versionen gehen von ca. 83000 Morden aus.
 12    http://www.washingtonpost.com/world/the_americas/mexicos-crime-wave-has-left-up-to-25000-missing-government-documents-show/2012/11/29/7ca4ee44-3a6a-11e2-9258-ac7c78d5c680_story.html
 13    Interview mit MEP Ska Keller „In der Tat: Die Lage der Menschenrechte in Mexiko ist alles andere als rosig. Eines der zentralen Probleme ist die immens hohe Straflosigkeit: 98% aller Straftaten werden niemals aufgeklärt“
    http://www.boell.de/weltweit/lateinamerika/lateinamerika-interview-ska-keller-menschenrechte-mexiko-15674.html
 14    http://www.rechtsstaat-mexiko.de/2012/11/30/paramilitarismo-y-despojo-washington-y-la-territorialidad-de-la-dominacion-el-caso-mexico.html
 15    http://www.blickpunkt-lateinamerika.de/hintergrund/msgf/mexiko%3A_bedrohte_menschenrechtsverteidiger.html

 16    http://www.animalpolitico.com/2012/05/van-70-periodistas-asesinados-en-12-anos/#axzz2EjhMck7q

 17    http://www.sexenio.com.mx/articulo.php?id=20252
 18    http://www.elfinanciero.com.mx/index.php?option=com_k2&view=item&id=27530&Itemid=26
 19    http://aristeguinoticias.com/0306/post-elecciones/50-de-mexicanos-opinan-que-televisoras-apoyan-a-epn/
 20    http://www.guardian.co.uk/world/2012/jun/11/wikileaks-us-concerns-televisa-pena-nieto      
 21    http://www.npla.de/de/poonal/3851-yo-soy-132—studierende-in-mexiko-gegen-pena-nieto
 22    http://www.spiegel.de/politik/ausland/enrique-pena-nieto-gewinnt-praesidentschaftswahl-in-mexiko-a-842004.html
 23    Der Bericht ist auf spanisch: http://www.redtdt.org.mx/media/descargables/Informe_edomex_prodh%202011_1.pdf

 

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