Länderbericht El Salvador

 

Militarisierung der Inneren Sicherheit kurz vor dem 20. Jahrestag der Friedensverträge

Kurz vor den Feierlichkeiten zum zwanzigsten Jahrestag der Friedensverträge ist in El Salvador erstmals wieder ein Militär für die Innere Sicherheit verantwortlich. Im November hat Präsident Mauricio Funes den bisherigen Verteidigungsminister General David Munguía Payés zum Minister für Justiz und Sicherheit ernannt. Die Regierungspartei und ehemalige Guerilla FMLN, als deren Kandidat der ehemalige Journalist Funes gewählt worden war, hatte sich zuvor vehement gegen diesen Schritt ausgesprochen, einige hohe Polizeifunktionäre hatten mit dem Rücktritt gedroht. Die Ernennung eines Militärs im Ruhestand zum obersten Verantwortlichen für Innere Sicherheit stellt das Bündnis zwischen dem Präsidenten Funes und der Regierungspartei FMLN erneut auf eine harte Probe.
Dass Polizei und Innere Sicherheit für Militärs tabu sein sollten, galt als eine der größten Errungenschaften des Friedensabkommens, mit dem 1992 zwölf Jahre Bürgerkrieg beendet wurden. Die Größe der Armee wurde damals deutlich reduziert und ihre Aufgabe wurde auf die Landesverteidigung beschränkt. Die militarisierte Nationalpolizei wurde abgeschafft und durch eine zivile Polizei ersetzt.
Munguía Payés löst den FMLN-Politiker Manuel Melgar ab, der Anfang November auf Druck der USA seinen Rücktritt erklärt hatte. Anlass war die Unterzeichnung eines „Partnerschaftsabkommens für Wachstum“ zwischen El Salvador und den USA gewesen, an dessen Unterzeichnung Melgar nicht teilnehmen konnte, weil ihm die USA die Einreise verweigern. Seine Guerilla-Fraktion war 1985 für ein Attentat auf eine Diskothek im Ausgehviertel „Zona Rosa“ von San Salvador verantwortlich, bei dem zwölf Menschen getötet wurden - darunter vier US-Soldaten. Schon beim Rücktritt Melgars hatte die FMLN kritisiert, Funes richte sich zu sehr nach den Wünschen Washingtons.
In dem Abkommen verpflichtet sich El Salvador zur entschlossenen Bekämpfung der Kriminalität. El Salvador gehört mit jährlich 65 Morden pro 100.000 Einwohner zu den gewalttätigsten Ländern der Welt. Um die Drogenkartelle in der Region aufzuhalten, drängen die USA in Zentralamerika auf eine Militarisierung der Inneren Sicherheit nach dem Vorbild Kolumbiens und Mexikos. Offensichtlich haben sie damit Erfolg. In Guatemala wurde am 6. November mit Otto Pérez Molina ein Militär zum nächsten Präsidenten gewählt. Er hat bereits angekündigt, ebenfalls einen General zum obersten Chef der Polizei zu ernennen. In Honduras strebt der rechte Präsident Porfirio Lobo eine Verfassungsänderung an, um der Armee die Verantwortung für die Innere Sicherheit geben zu können. Er will Verteidigungs- und Innenministerium zusammenlegen.
Funes streitet jedoch ab, dass es eine regionale Sicherheitsstrategie in Zentralamerika gebe. Die Beteiligung der Streitkräfte der Region an den Aufgaben der Inneren Sicherheit, dem Kampf gegen das Organisierte Verbrechen und den Drogenhandel, solle nicht verstärkt werden. Auch die Erhöhung des Budgets für die Streitkräfte, um deren stärkeres Engagement bei der Herstellung der Inneren Sicherheit zu finanzieren, sei nicht Teil einer regionalen Sicherheitsstrategie.

Blutig umkämpfte Goldminen in Cabañas

Cabañas

Cabañas liegt im Norden des Landes an der Grenze zu Honduras (Grafik: Wikimedia Commons)

 

 Seit Jahren leben die GegnerInnen des Goldbergbaus in der Region Cabañas mit der ständigen Angst, bedroht, entführt oder getötet zu werden. Im Jahr 2009 wurden drei von ihnen ermordet. Die Gewalt gegen die AktivistInnen soll diese einschüchtern und ihre Kritik am Bergbau und den damit verbundenen korrupten PolitikerInnen zum Verstummen bringen. Die Entpolitisierung (d.h. die Definition der Verbrechen als „Alltagskriminalität“) und Straflosigkeit der Verbrechen motiviert die TäterInnen zu weiterer Gewalt. Im Juni 2011 verschwand der 30-jährige Student und Umweltaktivist Juan Francisco Durán Ayala, nach zehn Tagen wurde seine Leiche entdeckt. Am Tag vor seinem Verschwinden hatte er in Ilobasco Anti-Bergbau-Plakate für das Umweltkommittee von Cabañas (Comité Ambiental de Cabañas - CAC) aufgehängt. Am 24. Juni verurteilte die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (Comisión Interamericana de Derechos Humanos - CIDH) den Mord an dem Umweltaktivisten Ayala und forderte vom salvadorianischen Staat rechtliche Schritte zur Aufklärung des Mordes sowie die Bestrafung der Täter. Auch Menschenrechtsorganisationen wie die Stiftung FESPAD (Fundación de Estudios para la Aplicación del Derecho) hatten eine gründliche Untersuchung der Straftat angemahnt und auf den sehr wahrscheinlich politischen Hintergrund der Tat hingewiesen.

Radio Victoria

In den Produktionsräumen von Radio Victoria (Foto: Knut Hildebrandt)

 

Eine zentrale Institution für den Widerstand in der Region Cabañas ist das kommunitäre Radio Victoria. Die MitarbeiterInnen von Radio Victoria setzen sich kontinuierlich gegen die Goldmine ein und klären über die mit ihr verbundenen Gefahren für Menschen und Umwelt auf. Auch angesichts der Morde an AktivistInnen haben sie immer wieder auf die Notwendigkeit strafrechtlicher Verfolgung und die Ermittlung eventueller Auftraggeber und Hintermänner gedrängt. Nichts zuletzt dieses Engagement hat sie selbst in den letzten Jahren wiederholt zum Ziel von Drohungen werden lassen.
Die Journalisten Pablo Ayala und Manuel Navarrete erhielten in den Tagen vom 30. April bis 4. Mai 2011 Morddrohungen. In einem Brief hieß es, sie sollten binnen drei Tagen die Region verlassen oder sie würden die Konsequenzen zu spüren bekommen. Der Verfasser des Briefes gab an, die Drohungen gingen von einem „Todeskommando“ aus. Am 2. Mai erhielt Pablo Ayala um 20:00 Uhr zwei Kurzmitteilungen, die über das Internet auf sein Mobiltelefon geschickt wurden und mit „Todeskommando“ unterschrieben waren.
Am selben Tag erhielt die Radio Victoria-Redakteurin Marixela Ramos zwei Kurzmitteilungen, die Drohungen enthielten. Am 4. Mai gaben MitarbeiterInnen von Radio Victoria in der Hauptstadt San Salvador eine Pressekonferenz zu den Drohungen, die sie erhalten hatten. Einige Stunden später gingen Pablo Ayala und Manuel Navarrete um 20:00 Uhr jeweils zwei Kurzmitteilungen zu, in denen sie erneut bedroht wurden.
Die Interamerikanische Menschenrechtskommission sah die Drohungen gegen die MitarbeiterInnen von Radio Victoria als so gravierend an, dass sie Vorsichtsmaßnahmen einleitete und die Behörden dazu anhielt, für die Sicherheit der MitarbeiterInnen der Radiostation Sorge zu tragen.1

Pacific Rim

Die kanadische Firma Pacific Rim bewirbt ihren "sozial- und umweltverträglichen" Bergbau
(Foto: Knut Hildebrandt)

 

Einen Erfolg konnten die BergbaugegnerInnen in El Salvador hingegen im März feiern, als die Klage des US-amerikanischen Unternehmens Commerce Group gegen den salvadorianischen Staat vor dem – an der Weltbank angesiedelten – Internationalen Schiedsgericht ICSID (International Centre for the Settlement of Investment Disputes) abgelehnt wurde. Das Unternehmen hatte den Staat El Salvador wegen „entgangener Gewinne“ auf 100 Mio. US-$ verklagt, die ihm durch den 2009 durch die Regierung erlassenen Bergbau-Stopp entgangen waren. Dass die Klage abgelehnt wurde, war jedoch keine politische Entscheidung gegen den Goldbergbau in Zentralamerika, dem Unternehmen Commerce Group wurden lediglich Verfahrensfehler angelastet.
Eine vergleichbare Klage des kanadischen Unternehmens Pacific Rim gegen El Salvador bei dem Weltbank-Tribunal ICSID wegen „entgangener Profite“ über 70 Mio. US-$ ist jedoch noch nicht beschieden. Ermöglicht werden diese Klagen durch die Investitionsschutzbestimmungen des Zentralamerikanischen Freihandelsabkommens CAFTA-DR. Die klagenden Firmen sehen keine gesetzliche Basis für eine Nichtgewährung der Abbaugenehmigung.
 

Gewalt gegen Frauen und ein neues Gesetz

Nicht eine Tote mehr

Nicht eine Tote mehr!

 

Am 25. November 2011, dem „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“, präsentierte das Feministische Netzwerk gegen Gewalt an Frauen alarmierende Zahlen: 554 Frauen wurden im Zeitraum von Januar bis Oktober 2011 ermordet. 7253 Fälle von sexualisierter Gewalt an Frauen und Mädchen wurden im gleichen Zeitraum bei der Polizei angezeigt. Die Dunkelziffer liegt mit Sicherheit höher. Das Netzwerk äußert sich besorgt angesichts der enormen Brutalität und Misogynie, mit der die Gewaltverbrechen und Morde durchgeführt werden und betont die Rolle der symbolischen Gewalt, die dazu beiträgt, dass Frauen als Objekte männlicher Begierde und passive Körper wahrgenommen und behandelt werden.
Am 1. Januar 2012 wird in El Salvador das „Gesetz gegen Gewalt an Frauen“ in Kraft treten, das am 25. November 2010 beschlossen und von den feministischen Organisationen als großer Erfolg gefeiert wurde. Sie sind es auch, die nun darauf drängen, das Inkrafttreten des Gesetzes mit der notwendigen finanziellen, infrastrukturellen und politischen Unterstützung zu begleiten, um effektiv gegen Straflosigkeit und die verschiedenen Formen machistischer Gewalt vorgehen zu können.2

Die Unwetterkatastrophe 12-E

 Im Oktober sorgte das tropische Tief 12-E für Dauerregen in Mittelamerika. In El Salvador wurden die heftigsten Regenfälle seit 50 Jahren gemessen. Insgesamt sind über eine Million Menschen von den Auswirkungen der Regenfälle betroffen. Über 11.000 Familien mussten evakuiert und in Notunterkünften untergebracht und versorgt werden. Insgesamt waren 34 Todesopfer zu beklagen. Diese geringere Zahl als bei den Hurrikans Mitch, Stan und Ida ist vermutlich auf die präventiven Evakuierungen zurückzuführen. Die salvadorianische Regierung erklärte am 17. Oktober den Nationalen Notstand und rief die Internationale Gemeinschaft um Unterstützung an.
Wie meist waren auch in diesem Fall die am stärksten betroffen, die sich auf Grund ihrer ökonomischen Situation und mangels Alternativen an Gefahrenpunkten ansiedeln und zur Selbstversorgung auf ihre Ernte angewiesen sind. Sehr langfristige Auswirkungen wird diese Katastrophe auch auf die Ernährungssituation haben: Über 2000 Hektar an Getreidefeldern wurden zerstört. El Salvador hatte dieses Jahr eine Rekordernte an Mais und Bohnen erwartet. Das erste Mal seit langem hätte die Bohnenernte über dem Eigenbedarf liegen sollen.
Die Ernteausfälle werden die prekären Bedingungen der meisten Betroffenen weiter verschärfen. Am direktesten betroffen sind Kleinbäuerinnen und Kleinbauern sowie Familien, die sich als ErntehelferInnen verdingen. Gleichzeitig steigen die Preise für Grundnahrungsmittel. Die FMLN brachte deswegen im Parlament den Vorschlag ein, die Preise für Grundnahrungsmittel in den nächsten sechs Monaten nach oben hin zu begrenzen.

Die schwerste Verfassungskrise seit Ende des Bürgerkriegs: Der Kampf gegen das Dekret 743

Dekret 743

Massendemonstrationen gegen das Dekret 743 in San Salvador (Foto: http://voiceselsalvador.wordpress.com/)

 

Nach Wochen innenpolitischer Auseinandersetzung hob das salvadorianische Parlament am 27. Juli das umstrittene Dekret 743 auf. Es war am 2. Juni gegen die Stimmen der FMLN beschlossen worden und sah vor, dass künftig das Verfassungsgericht alle seine Urteile einstimmig zu fällen habe. Das Gesetz war innenpolitisch höchst umstritten und führte zu einer Paralysierung der drei Staatsgewalten. Innenpolitisch organisierte sich breiter Widerstand über das Internet, aber auch international wurden z.B. durch die UNO-Sonderberichterstatterin für die Unabhängigkeit der Rechtsanwälte und Richter, Gabriela Knaul, Bedenken über eine Einschränkung der Unabhängigkeit der Justiz geäußert.
Am 27. Juli wurde dann im Parlament über den Vorschlag der FMLN abgestimmt, das Dekret 743 aufzuheben und das Gerichtsverfassungsgesetz in einigen Artikeln zu reformieren. Im Parlament bekam der Vorschlag 57 von 84 Stimmen, ein Abgeordneter stimmte dagegen, der Rest enthielt sich der Stimme. Das neue Gesetz ist das Ergebnis intensiver Verhandlungen zwischen der FMLN, der rechten Oppositionspartei ARENA und Vertretern des Verfassungsgerichts. Es ermöglicht jetzt dem Höchsten Gericht, mit vier von fünf Stimmen Urteile zu fällen. Der Zwang zur Einstimmigkeit ist gefallen. Ursprünglich hatten die ARENA-Abgeordneten für das umstrittene Dekret gestimmt gehabt. Die Fraktion lenkte allerdings ein, um die schwerste Verfassungskrise der Zeit nach dem Bürgerkrieg beizulegen.

Die Schatten der Vergangenheit: symbolische und rechtliche Versuche der Aufarbeitung

Dreißig Jahre nach einem Massaker, in dem Soldaten bei El Mozote im Nordosten des Landes mehr als 1000 Menschen töteten, hat sich die Regierung von El Salvador für das Verbrechen entschuldigt. Das Massaker ist eine jener schweren Menschenrechtsverletzungen, von denen die Wahrheitskommission 1993 forderte, dass sie – stellvertretend für viele andere Verbrechen während des Bürgerkriegs – neu zu untersuchen und strafrechtliche Verfolgung einzuleiten seien.
Bei einer Zeremonie in dem Dorf El Mozote am 10. Dezember 2011 bat Außenminister Hugo Martínez im Namen der Regierung um Vergebung für die tausenden unschuldigen Opfer des Bürgerkriegs von 1980 bis 1992, vor allem für die Opfer des Massakers von El Mozote. Unter den über 1000 Opfern befanden sich zahlreiche Frauen, Kinder und alte Menschen. Viele der Ermordeten wurden vorher gefoltert und vergewaltigt, weil man ihnen vorwarf, SympathisantInnen der Guerilla zu sein. Verübt wurde das Massaker von Angehörigen des Bataillons Atlacatl, einer Spezialeinheit der Streitkräfte. Es gilt als eines der größten Kriegsverbrechen in der Geschichte Zentralamerikas. Eine der wenigen Überlebenden, die inzwischen verstorbene Rufina Amaya, berichtete immer wieder von ihren traumatischen Erfahrungen und trug dazu bei, dass die grausamen Geschehnisse gut dokumentiert sind. Ihr Bericht war auch grundlegend für die Verurteilung des Verbrechens durch die Wahrheitskommission.
Ein weiteres Massaker, für das Angehörige des Bataillons Atlacatl verantwortlich waren, und bei dem Menschenrechtsorganisationen bis heute gegen die Straflosigkeit ankämpfen, war die Ermordung von sechs Jesuitenpatern, einer Haushälterin und deren Tochter im November 1989 an der Zentralamerikanischen Universität (Universidad Centroamericana „José Simeón Cañas“ - UCA) in San Salvador.
Der spanische Untersuchungsrichter Eloy Velasco hat nun Ende Juli diesen Jahres internationale Haftbefehle gegen neun ehemals hochrangige salvadorianische Militärs erwirkt, um sie in Madrid vor Gericht zu stellen. Er beschuldigt sie, am 16. November 1989 das Massaker an der Zentralamerikanischen Universität angeordnet zu haben. Am 7. August 2011 entzogen sich diese ehemaligen Militärs dann in El Salvador dem Zugriff der Polizei, indem sie sich in eine Kaserne flüchteten.
 Mit dem Massaker an der UCA hatte die Armee 1989 versucht, eine unabhängige kritische Stimme im Bürgerkrieg (1980-1992) auszuschalten. Der Rektor der Universität, Ignacio Ellacuría, hatte sich für Verhandlungen zwischen der Guerilla und der ultrarechten Regierung eingesetzt. Vermutlich deswegen ordneten der damalige Generalstabschef Emilio Ponce, der Verteidigungsminister Rafael Humberto Larios und dessen Stellvertreter Juan Orlando Zepeda mit anderen Mitgliedern des Generalstabs das Massaker an. Ellacuría, fünf weitere Professoren und zwei Hausangestellte wurden im Morgengrauen aus den Betten gerissen und erschossen. Fünf der Opfer waren spanische Staatsbürger. Diese Tatsache ermöglicht es nun, die Täter in Spanien vor Gericht zu stellen. Dazu müssten sie allerdings von El Salvador ausgeliefert werden. Und das sieht derzeit nicht erfolgversprechend aus. Am 24. August untersagte das Verfassungsgericht die Verhaftung der Militärs. Es argumentierte dabei, das Auslieferungsgesuch von Interpol würde sich nur auf die „Lokalisierung“, nicht auf die „Festnahme“ der Militärs beziehen. Ähnlich entschied das Oberste Gericht dann erneut im Oktober bezüglich eines weiteren internationalen Haftbefehls gegen fünf hochrangige ehemalige Offiziere, gegen die ebenfalls wegen des UCA-Massakers ermittelt wird. Insgesamt sind vor dem spanischen Gericht 20 ehemalige Offiziere angeklagt.
Anlässlich dieser Entwicklungen beklagen Menschenrechtsorganisationen, dass El Salvador sich weiterhin nicht an die Empfehlungen der Interamerikanischen Menschenrechtskommission bezüglich der Aufklärung der Ermordung Erzbischof Romeros (1980) und des UCA-Massakers (1989) halte und – im Falle der Auslieferung der Verantwortlichen für das UCA-Massaker – sogar eine Aufarbeitung und ein Ende der Straflosigkeit ausdrücklich behinderte. Auch die Abschaffung des 1993 erlassenen Amnestiegesetzes wird von den Menschenrechtsorganisationen nach wie vor dringend eingefordert, da es eine strafrechtliche Verfolgung der Täter vor Ort in El Salvador verhindert.

Parlaments- und Kommunalwahlen im März 2012

Im März 2012 finden in El Salvador Parlaments- und Kommunalwahlen statt. Es werden die ersten Wahlen seit dem „Superwahljahr“ 2009 sein, in dem Parlaments-, Kommunal- und Präsidentschaftswahlen stattfanden, aus denen die FMLN als stärkste Parlamentsfraktion hervor ging und erstmals den Präsidenten stellte.
Die FMLN schickt den Parlamentarier Jorge Schafik Handal ins Rennen für das Amt des Bürgermeisters der Hauptstadt San Salvador. Der Sohn des 2006 verstorbenen Ex-Guerillakommandanten und Mitbegründers der Partei, Schafik Jorge Handal, soll das Amt von der rechtsgerichteten ARENA-Partei zurückgewinnen. Die FMLN hatte den Vorsitz der Hauptstadt 1997 gewonnen, 2009 verlor sie ihn dann an den ARENA-Politiker Norman Quijano. Bei den kommenden Bürgermeisterwahlen im März 2012 will die linke Partei den Posten nun zurückerobern.
Wegen der Konzentration der politischen, administrativen und wirtschaftlichen Strukturen in der Hauptstadt ist das Amt des Bürgermeisters politisch äußerst bedeutsam. Innerparteilich wird der Schritt als Stärkung des linken Flügels der FMLN gewertet.
Die Neuheit bei der bevorstehenden Wahl besteht darin, dass unabhängige KandidatInnen eine Direktstimme erhalten können, die nicht wie bisher an einer Partei gebunden ist. Zudem sollen auch 185 der insgesamt 262 Gemeinden erstmals ihren BürgerInnen Wahllokale im eigenen Stadtviertel zur Verfügung stellen. Das Oberste Wahlgericht hat neun politische Parteien und 19 unabhängige KandidatInnen registriert, die offiziell am 20. Januar 2012 bekannt gegeben werden.
Eine Meinungsumfrage der Jesuitenuniversität UCA Mitte Dezember stellte fest, dass bei Wahlen am auf die Umfrage folgenden Sonntag 28,3 % der WählerInnen der FMLN und 24 % der WählerInnen der ARENA-Partei ihre Stimme gegeben hätten.
Die Differenzen zwischen dem Präsidenten Funes und der Partei, die ihn an die Macht brachte, sind nicht zu übersehen, werden aber sicherlich von der rechten Opposition auch überbetont, um die Regierungsfähigkeit der FMLN in Frage zu stellen. Für alle Beteiligten ist es wichtig, welche Rolle die sozialen Bewegungen bei den Wahlen im März spielen werden. Ob die Enttäuschung, die bei vielen AktivistInnen an der Basis nicht zu übersehen ist, sie zum Überdenken ihrer Wahlentscheidung bringen wird, hängt vor allem davon ab, wie glaubwürdig die FMLN die schwache Ausbeute ihrer Regierung vermitteln kann. Umso wichtiger ist es, dass sich FMLN-AktivistInnen und sozial Engagierte gleichermaßen einig darin sind, dass trotz des Ausbleibens offensichtlicher sozialer Veränderungen Grundlagen für den Wandel gelegt worden sind. Ein Strukturwandel kann in nur wenigen Jahren nicht geleistet werden. Um ihn zu erreichen, braucht die salvadorianische Linke eine soziale Basis mit eigenen Ideen und der Möglichkeit, diese einzubringen.
 Die Partnerorganisationen, mit denen das Ökumenische Büro zusammenarbeitet, stehen zu großen Teilen der FMLN-Regierung mit einer kritischen Solidarität gegenüber, die anerkennt, dass Handlungsspielräume für emanzipatorische Ansätze entstanden sind und Grundlagen für Veränderungen geschaffen wurden. Die Regierungsübernahme durch die FMLN im Jahr 2009 gilt den meisten weiterhin als eine Errungenschaft, die verteidigt werden sollte. Aber die AktivistInnen geben sich auch keinen Illusionen hin: Ob es nun die anhaltende Straflosigkeit für die Bürgerkriegsverbrechen, die immer noch dringend ausstehende Landreform oder die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruches ist, diese Forderungen müssen stetig angemahnt und erkämpft werden. Den sozialen Bewegungen, die sich für Menschenrechte, das Recht auf Land und körperliche Selbstbestimmung der Frau einsetzen, und den vielen anderen, die einen tatsächlichen strukturellen Wandel anstreben, gilt unsere Solidarität und unsere Unterstützung.

 1    Eine Chronologie der Drohungen gegen Radio Victoria findet sich hier:         http://www.dghonline.org/files/page_attachments/RADIO-VICTORIA-CHRONOLOGY-2011.pdf
 2    Vgl. hierzu: http://imuelsalvador.org/wp-content/uploads/2011/11/COMUNICADO-DEL-25-DE-NOVIEMBRE-RED-FEM-CFPA-25-11-11.pdf

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