Länderbericht El Salvador 2010
Am 10. Oktober 2010 feierte die FMLN ihren 30. Geburtstag mit einem großen Umzug in der Hauptstadt San Salvador, an dem 250.000 Menschen teilnahmen. Die FMLN war am 10. Oktober 1980 durch den Zusammenschluss von fünf Guerillagruppen gegründet worden, um gegen die Militärdiktatur und das von den USA massiv unterstützte Regime zu kämpfen. Nach zwölf Jahren des bewaffneten Konflikts wurde unter Vermittlung der UNO ein Friedensabkommen zwischen der von der rechten ARENA-Partei dominierten Regierung und der FMLN ausgehandelt, das Anfang 1992 in Kraft trat. Für die FMLN bedeutete dieses Abkommen den Übergang in eine politische Partei. Bei den Wahlen des Jahres 2009 konnte sich die FMLN schließlich als stärkste politische Kraft im Land etablieren. Sie stellt die stärkste Fraktion im Parlament und mit dem Journalisten Mauricio Funes erstmals auch den Präsidenten. Dieser war allerdings nur Parteimitglied geworden, weil es für seine Präsidentschaftskandidatur notwendig war.
Das Verhältnis zwischen Funes und der FMLN ist jedoch zuweilen alles andere als rosig. Auch das Verhältnis der sozialen Bewegungen zu „ihrem“ neuen Präsidenten ist weniger harmonisch, als es hätte erwartet werden können. Die feministischen Organisationen konnten zum Jahresende zwar die Verabschiedung eines neuen Gesetzes zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen feiern, wurden aber auch mit der Absetzung von Julia Evelyn Martínez als Direktorin des Staatlichen Instituts für die Entwicklung der Frau (Instituto Salvadoreño para el Desarrollo de la Mujer = ISDEMU) vor den Kopf gestoßen. Dies hat sicher nichts Positives für das Verhältnis zwischen Funes und der feministischen Bewegung zu bedeuten. Und so tut sich die neue Regierung auf einigen Gebieten noch schwer, zwischen den Zwängen Internationaler Abkommen, der zunehmenden Gewalt im eigenen Land und der gesellschaftlichen Polarisierung, progressive Reformen auf den Weg zu bringen.
Das Gesetz gegen Gewalt an Frauen und die Absetzung Julia Evelyn Martínez
Am 25. November, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, zogen hunderte Frauen durch San Salvador. Ziel war das Parlamentsgebäude, wo sie von den Abgeordneten die Verabschiedung eines Gesetzes zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen forderten.
In dem neuen Gesetz wird erstmals der Straftatbestand des “Femizids” (Mord an Frauen) eingeführt, der strenger bestraft werden soll als Homizid. Zudem schließt das Gesetz auch ökonomische, strukturelle und symbolische Gewalt ein und verwendet damit einen sehr progressiven und umfassenden Gewaltbegriff. Das Gesetz wurde schließlich im Parlament mit 75 von 84 Stimmen beschlossen.
Das Netzwerk gegen Gewalt an Frauen verweist darauf, dass 2010 von Januar bis Oktober 496 Frauen ermordet wurden, 15 Prozent davon waren jünger als 17 Jahre alt. Viele der Morde wurden mit besonderer Brutalität begangen, die von großem Frauenhass zeugt. Frauen sind aber auch anderen Übergriffen ausgesetzt. Das Institut für die Entwicklung der Frau (ISDEMU) erhielt im laufenden Jahr über 6.000 Anzeigen wegen Gewalt an Frauen. Die Staatsanwaltschaft registrierte 6.803 Fälle von sexueller Gewalt, allerdings wurden nur 436 Angeklagte auch verurteilt. Das Ende der Straffreiheit ist daher eine weitere zentrale Forderung der Frauenorganisationen.
Nach diesem Erfolg für die Frauenbewegung wurde das Vertrauen derselben in die Regierung Funes‘ einen knappen Monat später stark erschüttert, als Julia Evelyn Martínez von ihrem Posten als Direktorin des Staatlichen Instituts für die Entwicklung der Frau (ISDEMU) abgesetzt wurde.
Julia Evelyn Martínez
"Wegen mangelnden Vertrauens und auf Grund der Gesamtauswertung aller Aktivitäten diesen Jahres“, so lautet die offizielle Begründung für ihre Entlassung am 22. Dezember 2010 nach 18 Monaten im Amt.
Das ISDEMU war bereits 1996 unter der rechten Arena-Regierung gegründet worden. Aber erst mit dem Wahlsieg der linken FMLN-Partei wehte mit der Neubesetzung der Posten ein frischer Wind durch die Strukturen des ISDEMU: Nach über einem Jahrzehnt der Spaltung zwischen der staatlichen Institution und den Frauen-Organisationen und feministischen Gruppen des Landes arbeiteten zuletzt 39 verschiedene Frauen-NGOs mit dem ISDEMU zusammen, um die staatliche Frauenpolitik aktiv mitzubestimmen. Die Arbeit des ISDEMU und vor allem dessen Direktorin Julia Evelyn Martínez waren zunehmend ins öffentliche Bewusstsein getreten.
Ein Prozess, der nicht ohne Kontroversen und öffentliche Polemik vonstatten ging: So entzündete sich anlässlich der Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag am 15. September 2010 eine heftige öffentliche Debatte um die Initiative des ISDEMU, in Zusammenarbeit mit dem Bildungsministerium die so genannten cachiporristas auf Volksfesten und Nationalfeiertagen zu verbieten. Die Tradition der cachiporristas wurde in den 1950er Jahren als Variante der ursprünglich US-amerikanischen Tradition der Cheergirls in El Salvador eingeführt. Die cachiporristas, Schülerinnen zwischen 14 und 16 Jahren, die in einer Art schulischem Schönheitswettbewerb eigens von einer Jury ausgewählt werden, tanzen seitdem bei öffentlichen Umzügen in kurzen Röcken und hohen Stiefeln, begleitet von dem (männlichen) Schulorchester sowie einem Aufgebot an Polizisten, da die jungen Frauen während des Umzugs häufig fotografiert und sexuell belästigt werden.
„Bei dem Verbot geht es weder um die Länge des Rocks noch um Fragen der Moral. Es geht darum, kulturelle Praktiken und Traditionen kritisch zu untersuchen und gegebenenfalls zu ändern, die zum Machismus und dem stereotypen Rollenbild der Frau in unserer Gesellschaft als dekorative Zierde und Sexualobjekt führen“, so Martínez in einem Interview mit der Online-Zeitung El Faro.
Im Zuge der darauf folgenden, extrem polemisch geführten Debatte in der Öffentlichkeit, die sich in erster Linie gegen die Person Martínez richtete und die auch die Mehrheit der Bevölkerung gegen sie aufbrachte, vertagte Präsident Funes im August 2010 die endgültige Entscheidung über das Verbot der cachiporristas schließlich auf 2011 und die Umzüge fanden wie gewohnt statt.
Nur eine Woche später entzog er Martínez nachträglich öffentlich die Befugnis, mit der sie am 16. Juli 2010 in ihrer Funktion als Direktorin des ISDEMU den „Konsens von Brasilia“ unterzeichnet hatte. Von den 33 an dem 11. Treffen der UN-Regionalkommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) teilnehmenden Ländern hatten sich, bis auf die rechts regierten Länder Costa Rica und Chile, alle LandesvertreterInnen bereit erklärt, sich für eine Revision der Abtreibungsgesetze in ihrem Land einzusetzen. Aufklärung, Sexualkundeunterricht in den Schulen, Zugang zu Verhütungsmitteln und besonders die Straffreiheit für das Klinikpersonal und die Patientinnen nach therapeutischen Abtreibungen standen dabei im Zentrum der Absichtserklärung von Brasilia.
Mit der aktuellen Haltung der Funes-Regierung zum Thema Abtreibung besteht allerdings auch weiterhin keine Aussicht darauf, dass El Salvador, das eines der strengsten Abtreibungsverbote der Welt hat, seine entsprechenden Gesetze modifiziert. Im Moment wird jede Art von Abtreibung – selbst wenn das Leben der Mutter gefährdet ist – mit acht bis 30 Jahren Gefängnis bestraft und auch dem Klinikpersonal drohen Gefängnisstrafen, wenn es eine Patientin, die Anzeichen auf eine mögliche Abtreibung zeigt, nicht bei der Polizei denunziert.
Die Regierung Funes setzte mit der Entlassung Martínez‘ ein deutliches Zeichen, dass sie sich, zumindest in näherer Zukunft und in Bezug auf die Frauenpolitik, nicht gegen die rechtskonservativen und katholischen Kräfte im Land durchsetzen wird. Unpopuläre Themen wie Abtreibung oder der Bruch mit sexistischen, „traditionellen“ Praktiken müssen daher in El Salvador, wo die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung streng katholisch ist, auch in Zukunft gegen die Einstellungen der Mehrheitsbevölkerung und der salvadorianischen Medien aufgegriffen und zur Diskussion gestellt werden.
Freihandel konkret – das ICSID-Verfahren gegen den salvadorianischen Staat
Nachdem der salvadorianische Staat dem kanadischen Bergbauunternehmen Pacific Rim keine Schürfrechte für sein Goldbergbauprojekt El Dorado im Norden des Landes erteilt hatte, verklagte ihn das Unternehmen vor dem – bei der Weltbank angesiedelten – Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) wegen „entgangener Gewinne“ in Höhe von 77 Millionen US-Dollar . Am 2. August wies das Tribunal den Einspruch ab, den El Salvador eingelegt hatte.
Verteidigen wir zusammen das Leben - Nein zum Bergbau
Die nächste Anhörung ist für Frühjahr 2011 geplant. Es wird erwartet, dass der salvadorianische Staat Einspruch wegen des Erwerbs einer US-amerikanischen Tochterfirma mit Sitz in Nevada (USA) durch Pacific Rim einlegen wird. Dieser Kauf hatte es dem Unternehmen überhaupt erst ermöglicht, den salvadorianischen Staat auf der Grundlage der Investitionsschutzklauseln des Freihandelsvertrages CAFTA zu verklagen. Den Ankauf der Tochterfirma tätigte das Unternehmen erst, als die Auseinandersetzung mit dem salvadorianischen Staat bereits bestand und das Freihandelsabkommen schon in Kraft war.
Ein weiteres Schiedsgerichtsverfahren wegen Nicht-Erteilung von Schürfrechten im Bergbau bescherte die Firma Commerce Group dem salvadorianischen Staat. In dem Konflikt geht es um weitere 100 Millionen US-Dollar.
Am 18. November 2010 bekräftigte Funes gegenüber JournalistInnen, dass seine Regierung auch in Zukunft nicht vorhabe, in diesem Konflikt einzulenken und zerstörerische Bergbauaktivitäten zu genehmigen.
Wenn El Salvador diese Verfahren verliert, wird ein Präzedenzfall geschaffen, der NachahmerInnen finden wird. Auch wegen der Verzögerungen beim Bau des Staudamms El Chaparral droht eine Klage durch das italienische Bauunternehmen Astaldi. Hier zeigen sich ganz konkret die fatalen Auswirkungen der Freihandelspolitik, wie sie die nordamerikanischen und europäischen Staaten gegenüber den Ländern des globalen Südens betreiben.
Das Massaker von Mejicanos und die neuen Bandengesetze
Die alltägliche Gewalt hat seit dem Regierungswechsel noch deutlich zugenommen. Spätestens seit dem Massaker, das am 20. Juni 2010 in Mejicanos, einem Vorstadtbezirk San Salvadors, stattfand, stehen die Zeichen nun endgültig auf verschärfte Repression. Bei dem Massaker hatten mutmaßliche Jugendbandenmitglieder einen Kleinbus angezündet und dabei 17 Menschen ermordet.
Wenige Tage nach dem Massaker kündigte Präsident Mauricio Funes ein neues Anti-Banden-Gesetz an, das sich nicht grundlegend von den entsprechenden Gesetzen der Vorgängerregierungen unterscheidet. Das Gesetz kriminalisiert schon die alleinige Mitgliedschaft in einer Jugendbande. Dies war bereits 2004 vom Obersten Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden, da es gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt.
KritikerInnen betonen, dass viel mehr die sozio-ökonomischen Ursachen der Bandenkriminalität und vor allem die vorherrschende Straffreiheit und die Ineffizienz der ermittelnden Behörden thematisiert werden müssten. Die Delikte, die ein Jugendbandenmitglied begehen kann, sind durch das Strafgesetzbuch abgedeckt und erfordern kein eigenes „Bandengesetz“. Dieses leistet eher der Diskriminierung männlicher Jugendlicher aus Unterschichts-Stadtvierteln Vorschub.
Massaker an MigrantInnen in Tamaulipas, Mexiko
Am Dienstag, den 24. August, wurden im mexikanischen Staat Tamaulipas die Körper von 72 undokumentierten MigrantInnen aus El Salvador, Guatemala, Honduras, Brasilien und Ecuador gefunden. Laut den Berichten eines Ecuadorianers, der überlebt hat, waren die MigrantInnen auf dem Weg zu der 112 km entfernt gelegenen US-Grenze gewesen, als sie von Mitgliedern des mexikanischen Drogenkartells Los Zetas entführt wurden. Als sie das „Angebot“ ablehnten, für das Kartell zu arbeiten, begann das Massaker.
Unter den identifizierten Opfern befanden sich 13 SalvadorianerInnen im Alter von 15 bis 25 Jahren. Auch von zwei ermordeten Kindern wird angenommen, dass sie salvadorianischer Herkunft waren.
Der salvadorianische Präsident sowie der Außenminister Hugo Martínez äußerten ihre tiefste Bestürzung und leiteten Maßnahmen ein, um die Identifizierung der Opfer voranzubringen. Der Außenminister empfing Familien, die vermuteten, dass Angehörige unter den Opfern des Massakers sein könnten. Außerdem wurde ein Rechercheteam der Nationalen Zivilpolizei (PNC) nach Mexiko geschickt. Funes rief zu einem Treffen zwischen zentralamerikanischen und mexikanischen Regierungen auf, um über das Problem der Sicherheit für MigrantInnen zu sprechen.
Das Massaker ist ein erschreckendes Beispiel für die Gefahren, denen lateinamerikanische MigrantInnen auf ihrem Weg in die Vereinigten Staaten ausgesetzt sind. In El Salvador gehen Schätzungen inzwischen davon aus, dass täglich 500 Menschen das Land Richtung Norden verlassen, um ein besseres Leben zu suchen. Vor allem junge Männer sind es, die in Massen auswandern, um der Perspektivlosigkeit und der Gewaltspirale zu entkommen.
Gesellschaftliche Öffnung und wertvolle Aufklärungsarbeit
Das Sekretariat für soziale Inklusion unter der Präsidentschaft der „First Lady“ Vanda Pignato hat sich verstärkt gesellschaftlichen Sektoren zugewandt, die von den rechten Regierungen der vergangenen Jahre komplett ignoriert wurden. So werden nun auch Indigene und Menschen mit sexuellen Identitäten, die nicht der heterosexuellen „Norm“ entsprechen, von Regierungsseite anerkannt und unterstützt.
Zaira Navas
Dass die Menschenrechtsanwältin Zaira Navas als Generalinspektorin der Polizei eine effektive Arbeit macht, lässt sich wohl unter anderem daran erkennen, dass sogleich eine parlamentarische Kommission eingesetzt wurde, um zu überprüfen, ob ihre Arbeit „politisiert“ und parteiisch sei. Vom Präsidenten Funes und der Inspektorin Navas wurde allerdings der Verdacht geäußert, dass die entsprechenden (der rechten Opposition angehörigen) ParlamentarierInnen ein Eigeninteresse daran hätten zu verhindern, dass in den oberen Rängen der Polizei Korruption, Verwicklung in Organisierte Kriminalität und Drogenhandel aufgedeckt würden. Navas ermittelt unter anderem gegen ehemalige hochrangige Polizeioffiziere, darunter den früheren Polizeichef Ricardo Meneses. Er soll Verbindungen zu Drogenbaronen und kriminellen Banden unterhalten haben.
Funes und die FMLN
Konflikte zwischen Präsident Funes und der Partei FMLN hat es immer wieder gegeben. Als das Parlament im Januar 2010 z. B. einstimmig die Abschaffung der Grundgebühren für Telefonanschlüsse beschloss, weil die Telekommunikationsunternehmen die Kosten für ihre Investitionen längst bekommen haben, opponierte Funes gegen diese Entscheidung. Ob sich Funes damit „an die Konzerne verkauft“ hatte oder es nur an der mangelnden Kommunikation zwischen Partei und Regierung lag, blieb fraglich.
Aber auch in der Außenpolitik sind die Differenzen zwischen Partei und Exekutive nicht zu übersehen. Funes hatte sich bereits in seiner ersten Rede nach dem Wahlsieg für starke Beziehungen zu den USA ausgesprochen, erteilte aber einem von seiner Partei geforderten Beitritt des Landes in die Bolivarianische Staatenallianz ALBA eine Absage. Zudem ist er einer der Fürsprecher der Wiederaufnahme von Honduras in die Organisation Amerikanischer Staaten OAS und erkannte das Regime von Porfirio Lobo an, während die FMLN eine Solidaritätserklärung mit der Widerstandsbewegung in Honduras und gegen die de-facto-Regierung von Porfirio Lobo unterzeichnete.
Nicht zu vergessen ist aber auch, dass die rechte Opposition ein starkes Interesse an dieser Spaltung hat und sie deswegen – wo sie es kann – befördert oder in ihrer Darstellung der Dinge übertreibt.
Kampagne für Klimagerechtigkeit
Klimawandel in El Salwador:
Weniger Trinkwasser
Weniger Nahrungsmittel
Mehr Krankheiten
Mehr Katastrophen
Die Klimaveränderungen sind für Regionen wie Zentralamerika schon heute ein reales Problem. In der Ländernotiz der Weltbank zu El Salvador wurde diesbezüglich einerseits eine besondere strukturelle Anfälligkeit des Landes gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels festgestellt und andererseits die drastische Beeinträchtigung des Agrarsektors durch extreme Klimaphänomene diagnostiziert. So wird beispielsweise eine Territorialeinbuße von bis zu 19 Prozent der Küstenregionen in Folge des erwarteten Anstiegs des Meeresspiegels vorhergesagt. Auch mit vermehrten Waldbränden und erhöhter Erosion als Konsequenz von gehäuften Dürren und Niederschlagsreduktion ist zu rechnen. Dies bedeutet sowohl eine akute Gefährdung der Nahrungsmittelversorgung als auch die Zuspitzung sozialer Ungerechtigkeit, da die ärmsten Mitglieder der Gesellschaft den Folgen von Klimakatastrophen am schutzlosesten ausgesetzt sind.
Unsere salvadorianischen Partnerorganisationen, die Umweltorganisation UNES (Unidad Ecológica Salvadoreña) und OIKOS Solidaridad beteiligen sich an der weltweiten Kampagne “Klimagerechtigkeit Jetzt!”, die anlässlich der 13. Weltklimakonferenz in Bali ins Leben gerufen wurde und sich für einen nachhaltigen und sozial verträglichen Klimaschutz einsetzt. Im Zuge dieser Kampagne mobilisierten sie unter anderem nach Cancún zur diesjährigen 16. UN-Klimakonferenz, bei der von der internationalen Gemeinschaft auf ein völkerrechtlich verbindliches Nachfolgepapier für das Kyoto-Protokoll zur Eindämmung des Klimawandels und seiner Folgen hin gearbeitet werden sollte.
In einer von UNES initiierten Protestbriefaktion an Präsident Funes wurde eine nachhaltige nationale Klimapolitik gefordert und die salvadorianische Regierung dazu aufgerufen, in den internationalen Klimaverhandlungen entschieden für eine Reduzierung der Emission von Treibhausgasen seitens der Industrieländer einzutreten. Des Weiteren wurden die staatlichen VertreterInnen El Salvadors angehalten, sich in diesem Rahmen für die Anerkennung der „Klimaschuld“ des globalen Nordens sowie die Schaffung eines Zentralamerika-Fonds für Anpassungen an die Auswirkungen des Klimawandels einzusetzen. In Parallelveranstaltungen zum offiziellen Klimagipfel wurden alternative Konzepte der sozialen Bewegungen vorgetragen und die Forderungen nach Ausgleich der Klimaungerechtigkeit zum Ausdruck gebracht. Allerdings hatte UNES-Präsident Angel Ibarra im Vorfeld des Gipfels bereits vorausgesagt, dass nicht mit Fortschritten in diesen Punkten zu rechnen sei, was sich mit dem Ausgang der Klimakonferenz bewahrheitet hat. Zwar bestehen vage Pläne zur Schaffung eines „Klima-Hilfsfonds für Entwicklungsländer“, aber die völkerrechtliche Verbindlichkeit und die Übernahme der der Verantwortung durch die Industriestaaten blieben wie erwartet aus. Umso wichtiger sind die Kontakte zwischen sozialen Bewegungen des globalen Südens und Nordens, da diese globalen Probleme – wenn überhaupt – nur gemeinsam zu lösen sind.