Ist die Hoffnung im Keim erstickt?
Das Jahr des Regierungswechsels in El Salvador
I. Wahlen 2009
Nació la Esperanza?
Das Jahr 2009 war in El Salvador ein „Superwahljahr“. Die Kommunal- und Parlamentswahlen fanden am 18. Januar, die Präsidentschaftswahlen am 15. März statt. Die rechten Parteien hatten durchgesetzt, dass Parlaments- und Präsidentschaftswahlen an zwei verschiedenen Terminen stattfinden, was 12 Mio US-Dollar zusätzlich kostete. Grund hierfür war die Annahme gewesen, dass gewonnene Parlamentswahlen die Chancen für einen Sieg bei den Präsidentschaftswahlen erhöhen würden. Aber weder diese noch viele andere Strategien (wie die des Wahlbetrugs oder der Einschüchterung) konnten den Wahlsieg der FMLN (Nationale Befreiungsfront Farabundo Marti) verhindern. Die Partei der ehemaligen Guerilla-Bewegung erhielt bei den Parlamentswahlen 42% der Stimmen, die rechtskonservative ARENA (republikanische, nationalistische Allianz) nur 38%. Somit gewann die FMLN 35 Sitze im Parlament und ARENA 32, die anderen beiden rechten Parteien PCN und PDC haben gemeinsam 15 weitere Sitze. Einen großen Verlust musste die FMLN hingegen in der Hauptstadt San Salvador hinnehmen, wo sie das Bürgermeisteramt an ARENA verlor.
Unbegrenzte Hoffnungen
„Nace la esperanza“ – Hoffnung entsteht. Mit diesem Wahlslogan war die FMLN für die Präsidentschaftswahlen im März dieses Jahres in den Wahlkampf gezogen. Mit Erfolg. Am 15. März 2009 wurde mit Mauricio Funes zum ersten Mal nach zwanzig Jahren ARENA-Regierung und einem Jahrhundert Militärdiktaturen ein Kandidat der FMLN zum Präsidenten gewählt. Raúl Moreno, Dozent an der Nationalen Universität in El Salvador und Mitglied des globalisierungskritischen Netzwerkes Alianza Social Continental, beschreibt den Tag des Wahlsieges so: „Am 15. März war San Salvador rot. Die Menschen lagen sich in den Armen, weinten und lachten. Der Wahlsieg wurde als Triumph des Volkes gewertet, an die neue Regierung waren hohe Erwartungen an wirkliche Veränderung in El Salvador gerichtet.“ Doch wie realistisch ist es, dass die neue Regierung Funes diese Erwartungen der sozialen Bewegungen El Salvadors auf zunehmende wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte erfüllen kann? Welche Möglichkeiten hat sie, eine Politik im Sinne der armen Bevölkerung zu machen? Welchen Spielraum kann sie nutzen, um eine Vergangenheitsbewältigung und die Einhaltung der Menschenrechte voranzubringen? Welcher politische Wille zur radikalen Veränderung ist überhaupt vorhanden?
Begrenzte Möglichkeiten
Um die Regierung von Mauricio Funes zu charakterisieren, ist es wichtig herauszustellen, dass er zwar die Exekutive gewonnen hat, die anderen staatlichen Organe und Institutionen aber weiterhin von den rechten Parteien dominiert werden. In der Legislative haben die rechten Parteien gemeinsam 47 Sitze und somit die Parlamentsmehrheit (wobei sich die Mehrheitsverhältnisse noch auf interessante Weise verschoben haben, als sich im Oktober zwölf ARENA-Abgeordnete von der Fraktion abspalteten). Ebenso werden die Staatsanwaltschaft, die Oberste Wahlbehörde und der Oberste Gerichtshof seit Jahren von der Rechten kontrolliert, was von Vertreter_innen der Sozialen Bewegungen seit längerem heftig kritisiert wird.
Funes hat die Regierung außerdem in einer schwierigen Zeit für tiefgreifende Veränderungen übernommen, die eine tatsächliche „Option für die Armen“ bedeuten würden. In seiner Antrittsrede berief sich Funes zwar auf diese Option im Sinne Oscar Romeros, aber in einem Kontext von Wirtschaftskrise, Militärputsch im Nachbarland Honduras und neuen traurigen Höhepunkten der Gewalt ist der Handlungsspielraum mehr als eingeschränkt für die erste linke Regierung El Salvadors.
Vergangenheitspolitik und die Macht der Militärs
Funes’ Politik zur Vergangenheitsbewältigung ist geprägt von einem Diskurs der nationalen Einheit und der Aussage, er wolle nach vorne blicken. So sagte Funes in seiner Antrittsrede am 1. Juni: „Wir werden ein junges, heiteres und hoffnungsvolles Vaterland machen, (…) ohne Traumata und ohne Voreingenommenheiten. Voller Lebensenergie. Wir müssen Schluss machen mit den Resten unseres Opferkomplexes, weil sie den Hass, das Selbstmitleid, die Rachegelüste und die einfachen Entschuldigungen fördern.“ Das Amnestiegesetz, das Kriegsverbrecher vor der Strafverfolgung schützt, müsste zwar vom Parlament abgeschafft werden, in dem die rechten Parteien dominieren. Mauricio Funes hätte aber die Möglichkeit, einen Gesetzesvorschlag einzubringen, wozu er nicht bereit ist. Angesichts des Militärputsches in Honduras am 28. Juni könnte man annehmen, dass er sich nicht mit den Militärs im eigenen Land anlegen möchte. Aber auch andere Maßnahmen nähren Zweifel daran, welche Bedeutung Bürgerrechte für die Regierung Funes haben. So verkündete dieser Anfang November, dass er - als Antwort auf die Zunahme der Morde auf durchschnittlich 16 pro Tag - über 4.000 Soldaten für Aufgaben der öffentlichen Sicherheit einsetzen werde. Nicht einmal 20 Jahre nach den Friedensverträgen und der Entmilitarisierung, die diese festschrieben, bedeutet dies eine erschreckende Fortsetzung der repressiven Politik der Vorgängerregierungen. Auch die Wahl des Militärs David Munguia Payés als Verteidigungsminister ist ein Zeichen, das gegen einen grundsätzlichen Wandel spricht. Reina Portillo, die sich seit über 20 Jahren für die Suche nach während des Bürgerkriegs verschwundenen Kindern einsetzt (siehe Bericht auf S. 34) stellt dazu fest: „Wenn ich diese grünen Uniformen sehe und mich erinnere, wann ich sie das letzte Mal gesehen habe und was das Militär Schreckliches getan hat, dreht sich mir der Magen um. Mein Ärger ist sehr groß! Wenn die Medien die größten Kriegsverbrecher glorifizieren, wenn es Museen für die Streitkräfte gibt, dreht sich mir der Magen um. Es gibt Leute, die sagen, das alles sei doch längst Vergangenheit. Doch für mich ist nichts Vergangenheit. Ich kann nicht schweigen, wenn die Leute so etwas sagen. Meine beiden Nichten sind immer noch verschwunden, meine Schwester ist tot, für mich ist nichts vorbei!“
Der Militärputsch in Honduras drängt die Frage auf: Und was werden die salvadorianischen Streitkräfte tun, wenn demnächst die Schonzeit für die Regierung des seit Juni amtierenden neuen Präsidenten Mauricio Funes vorbei ist? Der salvadorianische Ökonom Raúl Moreno sieht in der (Re-)Militarisierung der öffentlichen Sicherheit ein wichtiges Indiz dafür, dass die Regierung Funes sich nicht gegen die Interessen der Bourgeoisie und der Oligarchie richten wird. Welche Regierung würde, so fragt Moreno, die Befugnisse des Militärs erweitern, wenn sie sich gegen die Interessen der Bourgeoisie wenden will und damit Gefahr läuft, das Militär gegen sich zu haben. Funes betont stets, dass er die Wunden der Vergangenheit nicht aufreißen wolle. Dabei scheint er zu vergessen, dass viele Wunden nie verheilt waren. Dies ist ein Zeichen unter vielen, das die Hoffnung auf grundlegende Veränderungen in El Salvador trübt. Seit der Regierungsübernahme ist erst gut ein halbes Jahr vergangen. Trotzdem gibt es Hinweise, die nicht sehr ermutigend sind.
Wirtschafts- und Finanzpolitik
Schon während des Wahlkampfs ließ Funes wenig Zweifel daran, dass er mehr mit Lula und Obama sympathisiert als mit Chávez und Morales. Dementsprechend moderat lässt sich seine Wirtschaftspolitik an. So werden weder die Dollarisierung noch die Freihandelsverträge noch die Privatisierungen öffentlicher Güter rückgängig gemacht werden (können).
Um Privatisierungen zu revidieren oder zumindest einer erneuten Überprüfung zu unterziehen, müssten das Parlament und die Gerichte ein Interesse daran haben. Dies ist nicht der Fall. Die Dollarisierung könnte zum Beispiel nur über ein Gesetz rückgängig gemacht werden, das die absolute Mehrheit im Parlament erhält. Und der Freihandelsvertrag mit den USA könnte nur im Einverständnis der Vertragspartner, das heißt zwischen der Regierung der USA und der salvadorianischen Regierung, rückgängig gemacht oder modifiziert werden.
Mauricio Funes hat zwar unmittelbar nach seinem Amtsantritt Maßnahmen eingeleitet, um die Lebensbedingungen der Ärmsten im Land etwas zu verbessern – dazu gehören beispielsweise kostenlose Schuluniformen und Lernutensilien für die Kinder oder Medikamente für öffentliche Krankenhäuser. Doch auch wenn diese Notfallpolitiken grundsätzlich richtig sind, bedeuten sie keine strukturellen Veränderungen. Funes hat das Präsidentenamt in wirtschaftlich schwierigen Zeiten übernommen. Die weltweite Finanzkrise trifft auch El Salvador hart, da die salvadorianische Währung dollarisiert ist. Das heißt, der momentan schwache Dollar wirkt sich unmittelbar auf El Salvador aus, das die Möglichkeit einer eigenen Währungspolitik aus der Hand gegeben hat. Gleiches gilt für die Freihandelsverträge und die Assoziierungsabkommen, die bereits abgeschlossen sind oder momentan verhandelt werden. Die Verhandlungskommission für das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Zentralamerika setzt sich noch immer aus den selben Personen wie unter der ARENA-Regierung zusammen. An der grundsätzlichen Ausrichtung der Außenwirtschaftspolitik auf Freihandel wird sich nichts ändern. Auch bezüglich der Landreform - die zwar in den Friedensverträgen von 1992 vorgesehen war, aber nie wirklich umgesetzt wurde - wird es, so wie sich die Situation im Moment darstellt, keine grundlegende Veränderung der Regierungspolitik geben. Zwar wurden einige Landtitel ausgestellt, die bislang nicht ausgestellt worden waren. Eine Landreform, die wirklich zu einer gerechteren Verteilung der Ländereien führen würde und somit vielen Bewohner_innen El Salvadors das Überleben erleichtern könnte, ist aber nicht zu erwarten. Die Privatisierung vor allem der Rentenfonds wird beibehalten und die Beherrschung von zentralen Märkten wie Erdöl oder Saatgut durch ein oder zwei Großunternehmen wird weitergeführt, obwohl die Verfassung El Salvadors Monopole verbietet.
II. Megainvestitionsprojekte
„Die Megainvestitionsprojekte, die – neben Militarisierung der Region und Freihandelsverträgen – zur hegemonialen Strategie der Industriemächte gehören, haben das Ziel, Kontrolle über die natürlichen Ressourcen Wasser, Biodiversität, Erdöl, Erdgas, Land und Energie zu erlangen. Außerdem sollen sie die notwendige ökonomische Infrastruktur schaffen, damit die in der Region tätigen transnationalen Konzerne effizient arbeiten können.“, so Raúl Moreno von unserer Partnerorganisation FESPAD.
Traurige Höhepunkte erreichte diese Strategie im Jahr 2009 mit der Ermordung von drei Anti-Bergbau-Aktivisten im Department Cabañas und mit der Klage einer Tochterfirma des Goldbergbauunternehmens Pacific Rim gegen den salvadorianischen Staat. Ermöglicht wird diese Klage über 100 Millionen Dollar durch das Freihandelsabkommen CAFTA. So zeigt sich erneut, wie dieses Freihandelsabkommen einen juristischen Rahmen für die transnationalen Unternehmen schafft, der ihnen die Aneignung und Kontrolle der Ressourcen erlaubt.
Pacific Rim verklagt den salvadorianischen Staat
Seit Jahren kämpfen Umweltschutzgruppen gegen die Pläne des Bergbauunternehmens Pacific Rim, im Norden El Salvadors mit Hilfe von hochgiftigem Zyanid Gold abzubauen. Das Unternehmen verteilte Geschenke, versprach Arbeitsplätze und „überzeugte“ Politiker_innen. Dennoch hat die inzwischen abgewählte rechte ARENA-Regierung Anfang des Jahres dem Druck aus der Bevölkerung nachgegeben und das Projekt El Dorado abgelehnt. „Das Land hat ein Recht darauf, Bergbaukonzessionen zu erteilen oder zu verweigern“, erklärte der damalige salvadorianische Präsident Antonio Saca Ende Februar gegenüber der Presse. Als Begründung führte er an, dass Zweifel angesichts der negativen Auswirkungen der Bergbauaktivitäten auf Menschen und Ökosystem nicht ausgeräumt werden konnten. Nach dem vorläufigen Aus für das Goldminenprojekt verklagte die kanadische Pacific Rim - über eine US-amerikanische Tochterfirma - den salvadorianischen Staat vor dem CAFTA-Schiedsgericht auf 100 Millionen Dollar Schadensersatz. Damit muss sich jetzt die Nachfolgeregierung unter Mauricio Funes herumschlagen.
Ermordung der Umweltaktivist_innen Gustavo Marcelo Rivera, Ramiro Rivera und Dora “Alicia” Recinos Sorto
Die Gewalt gegen die Anti-Bergbau-Bewegung im salvadorianischen Department Cabañas reißt nicht ab: Nachdem am 20.12.09 in Ilobasco der Gemeindeaktivist Ramiro Rivera und seine Ehefrau Felícita Echeverría ermordet wurden, wurde am 26.12.09 nahe Trinidad die Aktivistin Dora “Alicia” Recinos Sorto erschossen. Die Opfer waren beim Umweltkomitee von Cabañas (CAC) aktiv gewesen und hatten ihre Stimme gegen die Goldmine El Dorado des kanadischen Konzerns Pacific Rim erhoben.
Bereits am 30. Juni hatte man in Cabañas den gefesselten und von Folterungen gezeichneten Leichnam von Gustavo Marcelo Rivera Moreno gefunden. Er hatte gegen tödliche Bergbauprojekte und ihre negativen Auswirkungen auf die Bevölkerung und die Umwelt in der Region gekämpft. In seiner langen Geschichte als Aktivist hatte er sich außerdem unter anderem für die Menschenrechtsbildung und die Umwelt eingesetzt und Fälle von Wahlbetrug kritisiert.
Radio Victoria ist eine Radiostation, die sich für soziale Rechte und Menschenrechte engagiert und darüber berichtet. Rundfunksprecher_innen des Senders berichteten über Anti-Bergbau-Kampagnen und forderten, dass die für die Entführung und Tötung von Gustavo Marcelo Rivera Moreno Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden, womit sie ihre eigenen Leben gefährdeten.
Drei Sprecher des Senders – José Alexander Beltrán Castillo, 19 Jahre, Ludwin Franklin Iraheta, 20 Jahre, und Vladimir Abarca Ayala, 16 Jahre – erhielten am 24. Juli in anonymen Briefen und Kurzmitteilungen Morddrohungen, nachdem sie im Radio über die Ermordung von Gustavo Marcelo Rivera Moreno berichtet hatten. In einer SMS hieß es: „Ihr seid auch auf der Liste ... ihr habt gesehen, was mit [Gustavo Marcelo Rivera Moreno] passiert ist, ihr seid die nächsten“. Am 27. Juli wurde der katholische Priester Luis Quintanilla aus Cabañas, - auf dem Heimweg von dieser Rundfunkstation, wo er im Radio Gerechtigkeit für Marcelo Rivera gefordert hatte - von einem Fahrzeug von der Straße abgedrängt. Vier bewaffnete und vermummte Männer stiegen aus und umstellten das Fahrzeug von Luis Quintanilla. Der Pfarrer konnte jedoch unverletzt entkommen. Am 4. August wurde dem Gemeindesprecher Héctor Antonio Garcia Berríos von einem Mann, den er kannte, gedroht, dass er und Miguel Rivera, der Bruder des Ermordeten, in Lebensgefahr seien, wenn sie sich weiterhin für Gerechtigkeit in dem Mordfall einsetzen würden.
El Chaparral & El Cimarrón
Mauricio Funes beließ Nicolas Salume, den Präsidenten der staatlichen Elektrizitätswerke CEL (Comisión Ejecutiva Hidroeléctrica del Río Lempa), im Amt. Er ist der einzige Funktionär der ARENA-Regierung, den Funes übernommen hatte. Dieser propagiert seit Jahren den Bau diverser Staudamm-und Wasserkraftwerk-Mammutprojekte, die in ihren sozialen und Umweltauswirkungen katastrophal sind und gegen die sich in den betroffenen Gemeinden starker Widerstand regt.
Zusammen mit weiteren Staudammprojekten gehört El Chaparral in den transnationalen Erschließungsplan Proyecto Mesoamérica unter Federführung der Interamerikanischen Entwicklungsbank. Obwohl der Strom in ein kontinentales Durchleitungsnetz eingespeist und auch ins Ausland verkauft werden soll, sprach Funes sich bisher mit Verweis auf nationale Strombedürfnisse für den Weiterbau von El Chaparral aus. Er übernahm aber auch vertragliche Bindungen der Vorgängerregierung unter Tony Saca mit dem italienischen Bauunternehmen Astaldi. Mauricio Funes hat nun eine hochkarätige Kommission zwecks Kompromissfindung zwischen Kraftwerksbefürworter_innen und -gegner_innen ernannt. Er hält sich damit zurück, solche Projekte zu bremsen oder zu beenden. Er empfing nicht einmal die Aktivist_innen, die sich gegen den Bau des 220 Millionen US-Dollar teuren Staudammprojektes El Chaparral einsetzen, als sie im Juli mehrere Tage vor dem Präsidentenpalast demonstrierten. Und als sein Umweltminister Herman Rosa Chávez den Bau eines weiteren Staudammprojektes „El Cimarrón“ für suspendiert erklärte, beeilte sich Funes, dies zu dementieren. Er beruhigte die Anwohner_innen allerdings damit, der Bau sei nicht besonders weit oben auf der präsidentiellen Agenda und die Notwendigkeit müsse erst ausreichend geprüft werden. Die salvadorianische Tageszeitung La Prensa Gráfica berichtete Anfang November, dass CEL-Präsident Salume verneinte, eine Projektabsage von Funes erhalten zu haben und dass weiter an dem Projekt gearbeitet werde. Gegner_innen der Staudammprojekte fordern den sofortigen Rücktritt Salumes und werfen Funes Bestechlichkeit vor, da der Vater des CEL-Präsidenten, Nicolás Salume senior, einen bedeutenden Beitrag zur Finanzierung seines Wahlkampfes geleistet hatte.
Laut der Umweltschutzgruppe UNES würde übrigens die Ersetzung traditioneller Glühbirnen durch Sparbirnen jährlich 200 MW einsparen, mehr als die projektierte Chaparral-Erzeugung von 66 MW.
III. Hurrikan Ida
Am 6. und 7. November dieses Jahres regnete es in El Salvador innerhalb weniger Stunden so viel, wie es im Jahr 2005 während des Hurrikans Stan in fünf Tagen geregnet hatte. Der Hurrikan kostete mindestens 198 Menschen das Leben, über 70 weitere werden vermisst. Zehntausende sind durch den Verlust ihrer Häuser oder ihres Viehs betroffen. Zum wiederholten Male wurde eine „Natur“katastrophe vor allem deswegen zum Desaster, weil sie auf menschengemachte Bedingungen stieâ. Der Raubbau an der Natur und die extensive infrastrukturelle Erschlieâung im Rahmen von Megainvestitionsprojekten hat El Salvador extrem anfällig für Naturkatastrophen gemacht. Beim Hurrikan Ida war nun auch erstmals die Hauptstadt San Salvador verstärkt betroffen. Am gefährdetsten sind immer die Stadtviertel, in denen die einkommensschwächsten und am meisten marginalisierten Sektoren der Bevölkerung leben. Mangels Alternativen werden Steilhänge, Eisenbahntrassen und Flusstäler besiedelt. Diese Gefährdung aufgrund der Lage wird durch die Bauweise der Hütten verstärkt, die meist aus Holz oder Wellblech bestehen. Präsident Funes deklarierte den Landesweiten Ausnahmezustand und sprach von einem der ”traurigsten Tage in der Geschichte El Salvadors”.
Da der nächste tropische Regenfall bestimmt kommt, können allerdings nur nachhaltige Maßnahmen der Katastrophenprävention, die die Forderungen der Umweltorganisationen zu Bauordnungen und zum Recht auf Wasser berücksichtigen, zukünftige ähnliche Katastrophen verhindern.
Stadtteilkomitees, die von Nichtregierungsorganisationen wie PROCOMES in Katastrophenprävention ausgebildet werden, trugen in den Tagen nach dem Hurrikan einen entscheidenden Teil zur Begrenzung des Schadens bei. In Regionen, in denen Feuerwehr und Technische Hilfswerke nur sehr geringe Kapazitäten haben, ist diese Form der Selbstorganisierung von enormer Bedeutung, da die Stadtteilkomitees schon vorab Risikozonen und Fluchtwege in ihren Vierteln ausfindig machen und aufzeigen und im Notfall die Evakuierung der Bevölkerung vornehmen. Auch unsere Partnerorganisation OIKOS SOLIDARIDAD hat sich eine am Umweltschutz orientierte Katastrophenprävention auf die Fahnen geschrieben. Mit diesen Formen der Basisarbeit sind wir solidarisch und ihnen wird auch weiterhin die Unterstützung des Ökumenischen Büros gelten, denn – um mit den Worten Oscar Romeros zu sprechen: „Nur von den Wurzeln her kann das System verändert werden.“