Jahresbericht 2007:

15 Jahre Friedensabkommen ohne Frieden - El Salvador im Jahr 2007

 

Von vielen Ansprachen und Feierlichkeiten begleitet jährte sich im Januar 2007 der Tag der Friedensschlüsse zum 15ten Mal. Doch von einem erfolgreichen Friedensprozess kann nur bedingt die Rede sein. Denn seit vielen Jahren lässt sich eine erneute Zuspitzung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in El Salvador beobachten: Die soziale Ungleichheit ist heute größer als vor dem Krieg, demokratische Räume werden durch rechtlich fragwürdige Repression und verfassungswidrige Gesetze zunehmend eingeschränkt. Seit achtzehn Jahren ist mit der rechtsgerichteten ARENA-Regierung eine Partei an der Macht, welche bis heute die Interessen einer kleinen Elite vertritt. Ihr Gründer D´Aubuisson koordinierte die Todesschwadronen der achtziger Jahre und war auch Auftraggeber des Mordes an Erzbischof Romero.

 

 

Freihandelsabkommen vertiefen gesellschaftliche Polarisierung

Das neoliberale Wirtschaftsmodell, noch vor Ende des Krieges in El Salvador eingeführt, hat dazu beigetragen, die gesellschaftliche Polarisierung zwischen Arm und Reich zu vertiefen. So auch CAFTA, das Freihandelsabkommen mit den USA, welches seit März 2006 in Kraft ist. Ein Jahr danach haben Organisationen wie Red Sinti Techán und CEICOM im März 2007 eine ernüchternde Bilanz gezogen: Keines der Versprechen, mit denen die rechte ARENA-Regierung für die Einführung des CAFTA geworben hatte, hat sich bewahrheitet. Durch eine Verringerung der Exporte in die USA anstelle der versprochenen Erhöhung sowie durch eine Zunahme der Importe aus den USA verschärfte sich das Handelsdefizit. Arbeitsplätze verschwanden, anstatt dass sie geschaffen wurden und auch die Inflation stieg entgegen der Ankündigungen an. Besonders betroffen ist die kleinbäuerliche Landwirtschaft, die nicht mit der staatlich subventionierten Konkurrenz aus dem Norden mithalten kann. Mais, Reis und Milch haben den salvadorianischen Markt überschwemmt und drücken die Preise für Agrarprodukte. Aber auch andere Sektoren sind betroffen, so die mittlerweile ca. 65.000 StraßenverkäuferInnen von unlizenzierten CDs und DVDs. Sie sichern sich damit ihren Lebensunterhalt in einem Land, in dem formelle Arbeitsverhältnisse immer rarer werden. Sie verstoßen damit aber gegen die Bestimmungen zum Geistigen Eigentum des CAFTA und sind deshalb starker Repression von Seiten der Behörden ausgesetzt. Martín Montoya, ein Aktivist der Bewegung der StraßenverkäuferInnen von unlizenzierten CDs und DVDs, war dieses Jahr auf unsere Einladung hin auf Informationsrundreise in der BRD, um hier über ihre Problematik und ihre Ziele zu informieren.

Doch die ohnehin prekäre Situation, in der sich weite Teile der Bevölkerung bereits befnden, droht sich weiter zu verschlechtern. Denn die EU möchte im Wettlauf mit den USA um die Märkte Lateinamerikas nicht hinten an stehen und verhandelt offiziell seit Oktober 2007 - analog zu CAFTA - ein eigenes Freihandelsabkommen mit dem Namen "Assoziierungsabkommen". Ebenso wie CAFTA stünde das Assoziierungsabkommen über der nationalen Gesetzgebung. Vorrangig geht es um ein Handelsabkommen, es sollen aber auch der politische Dialog und die Entwicklungszusammenarbeit berücksichtigt werden. Die EU ist besonders daran interessiert, einen günstigen rechtlichen Rahmen für ihre Investitionen, öffentlichen Dienstleistungen, geistige Eigentumsrechte und die öffentliche Auftragsvergabe zu schaffen. César Villalona, Wirtschaftswissenschaftler bei der Nichtregierungsorganisation Equipo Maíz, verdeutlicht die Risiken eines solchen Abkommens an folgendem Beispiel: In El Salvador existieren eine subventionierte staatliche Universität und eine Reihe privater, die nicht subventioniert werden. Wenn nun ein ausländischer Investor eine private Universität in El Salvador eröffnen würde, so hätte er laut dem Abkommen Anspruch darauf, die gleichen Subventionen wie die staatliche Universität zu erhalten. Hat nun der Staat nicht das Geld, um beiden die Subventionen zu zahlen, so müsste er der staatlichen Universität die Unterstützung streichen oder beiden den gleichen reduzierten Betrag zahlen.

Unsere PartnerInnen in El Salvador wie das Red Sinti Techan und Oikos Solidaridad berichten, dass es sehr schwer sei, Gehör für die Gefahren eines solchen Abkommens in der Öffentlichkeit in Zentralamerika in zu finden, denn die EU genieße dort ein sehr hohes Ansehen. Dennoch regt sich der erste Widerstand in El Salvador. Wir werden im Jahr 2008 eng mit unseren PartnerInnen in El Salvador zu diesem Thema zusammenarbeiten. Geplant ist die Kampagne "kolonisiert - koffeiniert - assoziiert oder: Gegen die europäische Zubereitung Zentralamerikas. Eine Kampagne zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und Zentralamerika".

Eine staatlicherseits durchaus erwünschte Folge dieser Wirtschaftspolitik ist eine massive Emigration in die USA. Denn die salvadorianische Wirtschaft lebt seit Jahren hauptsächlich von den Rücküberweisungen der EmigrantInnen. So wurden 2006 3,3 Milliarden US-Dollar an remesas nach El Salvador überwiesen. Mittlerweile machen sich gemäß Statistiken täglich bis zu 740 Menschen auf den Weg in den Norden, um dort ein besseres Leben für sich und für ihre Familien zu suchen.

 

Umstrittene Megaprojekte auf dem Vormarsch

Ein Bündel von geplanten Megaprojekten - der Bau einer Schnellstraße und von Staudämmen sowie die Ausbeutung von Edelmetallen - im Norden El Salvadors sorgten auch 2007 für heftige Auseinandersetzungen mit der Bevölkerung, welche diese Maßnahmen nicht einfach so hinnehmen mochte. Um diese Widerstandskämpfe näher zusammenzubringen und Kräfte zu bündeln, hatte sich bereits 2006 das Movimiento Nacional contra los Proyectos de Muerte (Nationale Bewegung gegen die todbringenden Projekte) gegründet.

Die geplante Schnellstraße Longitudinal del Norte ist Teil des sogenannten Pazifischen Korridors, welcher Mexiko und Panama miteinander verbinden soll. Diese Maßnahme ist Teil des Plan Puebla Panamá, einem regionalen Entwicklungsplan für den Süden Mexikos und Zentralamerika. Unter dem Deckmantel der Nachhaltigkeit sollen so die infrastrukturellen Voraussetzungen für den Freihandel in der Region geschaffen werden. In diesem Rahmen gibt es auch Pläne für einen regionalen Stromverbund namens SIEPAC, der Strom für den internationalen Markt bereitstellen soll. Um in dieses Netz einzuspeisen, werden in El Salvador derzeit drei Staudammprojekte geplant. Gegen diese Pläne wehrt sich die lokale Bevölkerung mit Unterstützung von verschiedenen Umwelt-NGOs, Universitäten und der linken Partei FMLN, denn sie muss mit Vertreibung und der Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen rechnen (siehe Jahresbericht 2006). Wenngleich die Ausschreibung für den Bau des Staudammes Ende 2007 wahrscheinlich aus wahlkampftaktischen Gründen ausgesetzt wurde, so wird es im kommenden Jahr eine neue geben. Die widerständige Bevölkerung ist nach wie vor massiven Drohungen und Einschüchterungsversuchen ausgesetzt, wie Pfarrer Antonio Confesor aus der Gemeinde San Antonio del Mosco berichtet. Erst Ende November drohte eine Gruppe von Soldaten mit Erschießungen. Mit einem Delegierten aus der Gemeinde hatten wir 2006 eine Informationsrundreise durch die BRD organisiert.

Die Ausbeutung der Edelmetallvorkommen in El Salvador droht nach wie vor das ökologische Gleichgewicht und damit die Lebensgrundlage vor allem der ländlichen Bevölkerung zu zerstören. Besonders kanadische Unternehmen treiben den Prozess rücksichtslos voran. Sie bestechen nicht nur Schlüsselpersonen aus den betroffenen Gemeinden, sondern betreiben auch eine massive Medienkampagne, welche die Segnungen des "grünen Bergbaus" anpreist. Um Einfluss auf für sie entsprechend günstige Gesetze zu nehmen, paktieren sie mit den rechten Parteien des Parlaments. Ein Gesetzesvorschlag des "Nationalen Tisches gegen den Bergbau", in dem sich die betroffenen Gemeinden und verschiedene Organisationen zum Widerstand zusammengefunden haben, liegt seit Ende 2006 in den Schubladen des Parlaments unbeachtet herum. Doch ein Gesetzesvorschlag der ehemaligen Militärpartei PCN, der zusammen mit dem kanadischen Bergbau-Unternehmen Pacific Rim erarbeitet wurde, ist Ende November sofort nach Einreichung in der Ökonomie- und Landwirtschaftskommission diskutiert worden. Offiziell wurde zwar noch nicht mit der Ausbeutung der Vorkommen begonnen. Es gibt aber Hinweise darauf, dass illegalerweise bereits Gold abgebaut wird, wie Angel Ibarra vom Umweltverband UNES vermutet, denn der Goldexport ist in den letzten zwei Jahren drastisch gestiegen.

 

Privatisierungspläne durch die Hintertür

Nachdem die vergangenen ARENA-Regierungen mit ihren Privatisierungsplänen in der Vergangenheit auf viel Widerstand in der Bevölkerung gestoßen sind, wird nun versucht, Privatisierungen in der Gesundheits- und Wasserversorgung durch die Hintertür voranzutreiben. Mitte des Jahres verkündete Präsident Saca die "Nationale Politik der Dezentralisierung". Diese sieht vor, dass einige Dienstleistungen, die bisher der Staat erbringt, wie zum Beispiel die Gesundheits- und Wasserversorgung, durch Konzessionierungen und delegierte Administration von privaten Unternehmen erbracht werden können. Bereits im Oktober verabschiedete die rechte Mehrheit im Parlament ein Gesetz, das diese Dezentralisierungspolitik aufgreift. César Villalona von Equipo Maíz betont, dass dieses Gesetz die Privatisierung im Gesundheitswesen vorantreiben und bewirken wird, dass Tausende von Personen aus einkommensschwachen Sektoren keine ausreichende Gesundheitsversorgung bekommen werden.

Um gegen die drohende Wasserprivatisierung zu protestieren, wurde im Oktober eine große Demonstration abgehalten und die Kampagne "Democracia Azul" (Blaue Demokratie) ins Leben gerufen. 125 Organisationen und soziale Bewegungen hatten zu diesem Ereignis mobilisiert. Vor dem Parlament wurde gefordert, die beiden Gesetzesentwürfe, die von den sozialen Bewegungen 2006 eingereicht worden waren (siehe Jahresbericht 2006), zu prüfen. Das Ökumenische Büro arbeitet zu diesem Thema mit der Gewerkschaft SETA des staatlichen Wasserversorgers und mit dem Umweltverband UNES zusammen. Repräsentanten beider Organisationen waren 2006 und 2007 bei uns zu Gast.

Erstmals seit Kriegsende: Politische Gefangene in El Salvador

Wie sehr der Regierung daran gelegen ist, ihre neoliberale Wirtschaftspolitik auch gegen den Willen der Bevölkerung durchzusetzen, lässt sich an den Geschehnissen des 2. Juli 2007 in Suchitoto aufzeigen. An diesem Tag wollte Präsident Saca die oben erwähnte nationale Dezentralisierungspolitik ausrufen und ein dezentralisiertes Wasserprojekt einweihen. Viele soziale Bewegungen und Organisationen sehen darin aber die Gefahr einer versteckten Privatisierung des Wassers. Deshalb hatten sie sich in Suchitoto eingefunden, um dagegen zu demonstrieren. Die Polizei griff TeilnehmerInnen des friedlichen Protestes unberechtigt, ohne Vorwarnung und unter extremer Gewaltanwendung auf der Straße an. Sie veranstaltete eine Verfolgungsjagd, ohne auf Verhandlungs- und Mediationsversuche einzugehen, die von den DemonstrantInnen und einem lokalen Priester vorgeschlagen wurden. Zahlreiche Personen wurden durch den Einsatz von Gummigeschossen und Tränengas verletzt. Willkürlich wurden 14 Menschen verhaftet, unter ihnen soziale und politische AktivistInnen aus ländlichen Gemeinden und MitarbeiterInnen der Nichtregierungsorganisation CRIPDES. Letztere wurden auf dem Weg nach Suchitoto aus ihrem Wagen heraus verhaftet. Von den Inhaftierten wurden 13 Personen nach dem Anti-Terrorismus-Gesetz angeklagt, nach dem 40 Jahre Haft möglich sind. Erstmals seit Ende des Bürgerkrieges wurde wieder von politischen Gefangenen gesprochen.

Innerhalb kürzester Zeit koordinierten sich über 60 soziale Bewegungen und Organisationen in El Salvador und gaben eine gemeinsame Resolution heraus. Darin forderten sie die unverzügliche Freilassung der Gefangenen und die Respektierung der verfassungsmäßigen Rechte der Bevölkerung ein und riefen die internationalen Solidaritätsorganisationen auf, sie in diesen Forderungen zu unterstützen. In Deutschland war es das Ökumenische Büro, welches Eil- und Protestbriefaktionen sowie bezahlte Zeitungsanzeigen in El Salvador organisierte.

Der Protest und die Solidarität aus dem In- und Ausland waren enorm. Solidaritätsadressen beherrschten wochenlang die Tagespresse, Angehörige und FreundInnen organisierten eine wochenlange Mahnwache. Dies dürfte ein wesentlicher Grund gewesen sein, dass die Inhaftierten Ende Juli unter Auflagen freikamen. Doch gibt es keinen Anlass zum Aufatmen, denn der Terrorismusverdacht staatlicherseits bleibt bestehen. Ende September 2007 gewährte ein Sondergericht der Staatsanwaltschaft vier Monate Aufschub, um weiter Beweise für eine Terrorismusanklage zu sammeln.

 

Anti-Terror-Gesetz terrorisiert die organisierte Bevölkerung

Aber auch in anderen Fällen wurden Protestierende völlig unverhältnismäßig nach dem Anti-Terror-Gesetz angeklagt. So traf es im Mai 2007 die StraßenverkäuferInnen von unlizensierten CDs und DVDs sowie anderen nachgemachten Markenprodukten, die seit zwei Jahren gegen das Freihandelsabkommen CAFTA mobilisieren. Einen Aktivisten aus der Bewegung, Martín Montoya, hatten wir dieses Jahr im November auf Informationsrundreise durch die BRD eingeladen (siehe Rundreise von Martín Montoya).

Als Reaktion auf das Anti-Terrorismus-Gesetz hat sich das Foro para la Defensa de la Constitución (Forum für die Verteidigung der Verfassung), bestehend aus zahlreichen Organisationen und sozialen Bewegungen gegründet, welches Ende März Verfassungsbeschwerde eingelegt hat. Durch dieses Gesetz herrsche in El Salvador eine permanente Ausnahmesituation. Der Bevölkerung werde damit das Recht genommen, gegen Verletzungen ihrer wirtschaftlichen, sozialen und politischen Rechte zu protestieren. Die damalige Menschenrechtsbeauftragte Beatrice de Carrillo bekräftigte, dass das Gesetz im Detail nicht aufzeige, was unter Terrorismus zu verstehen sei. Somit könne jegliches Verhalten, das Unsicherheit, Unruhe, Schrecken, Angst oder Beklemmung hervorrufe, als terroristischer Akt angesehen werden.

Der massive Protest aus dem In- und Ausland gegen die Praxis der salvadorianischen Behörden, protestierende Personen als TerroristInnen anzuklagen, bewirkte offenbar ein Umschwenken in der Strategie der salvadorianischen Regierung. Bereits im August verabschiedete die rechte Parlamentsmehrheit im Gegenzug eine erhebliche Verschärfung des Strafrechts. Die Störung der öffentlichen Ordnung wird nun mit bis zu acht Jahren Haft belegt. Die sozialen Organisationen und die FMLN werten diesen Vorstoß als weitere Einschränkung der öffentlichen Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

 

Straflosigkeit und Willkür

Straflosigkeit ist weiterhin ein zentrales Thema in El Salvador. 2006 war das politisch aktive Ehepaar Manzanares brutal ermordet worden. Bei der anschließenden polizeilichen Untersuchung wurden die Spuren verwischt, bis heute wurden die Verantwortlichen nicht ermittelt. Die Art und Weise des Vorgehens weist auf eine Tat durch Todesschwadronen hin, die bereits in den 80er und frühen 90er Jahren unter der Mitwirkung von Sicherheitskräften Oppositionelle ermordeten. Die Tochter des Ehepaars, Marina Manzanares, die während des Krieges beim Untergrundsender Radio Venceremos arbeitete, berichtete von den Todesdrohungen, die sie und ihre Eltern vor der Tat erhalten hatten. Auch danach gingen die Drohungen gegen ihre Person weiter. Die Staatsanwaltschaft in San Salvador, bei der sie Gerechtigkeit und Schutz einforderte, versuchte sie mit obskuren Hinweisen auf Ermittlungen im Kreise der eigenen Familie einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen. In einem Artikel der Tagespresse Anfang November beschuldigte die Staatsanwaltschaft Marina Manzanares selbst der Täterschaft. Das Bundestreffen der El Salvador-Solidarität veröffentlichte deshalb im November eine Presseerklärung in Deutschland und El Salvador, in der die Beschuldigungen von Seiten der Staatsanwaltschaft gegenüber Frau Manzanares zurückgewiesen und die Aufklärung des Mordes gefordert werden.

Straflos soll auch der Mord an Erzbischof Romero im Jahr 1980 bleiben, wenn es nach dem Willen der salvadorianischen Regierung und einigen hohen Mandatsträgern der katholischen Kirche geht. Bereits im Jahr 2000 hatte die Interamerikanische Menschenrechtskommission in Washington (CIDH) den salvadorianischen Staat für die Ermordung des Erzbischofs Monseñor Romero verantwortlich erklärt. Sie gab ihm die bindende Empfehlung, den Mord aufzuklären, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, Reparationen zu leisten und das Amnestiegesetz abzuschaffen. Bis heute hat sich der Staat geweigert, den Empfehlungen der CIDH nachzukommen. Deshalb bemühten sich Tutela Legal (das Menschenrechtsbüro der katholischen Kirche) und CEJIL (Centro por la Justicia y el Derecho Internacional) um ein Treffen mit der CIDH und der salvadorianischen Regierung, welches Anfang Oktober 2007 in Washington stattfand. Wenige Tage zuvor jedoch hatten sich Regierungsmitglieder und Mandatsträger der katholischen Kirche getroffen und dabei ein "Schweigeabkommen" geschlossen, damit der salvadorianische Staat seine Verantwortung im Fall Romero nicht anerkennen und ihr nachkommen muss. Als aber das Treffen in Washington stattfand, legte David Morales, Menschenrechtsanwalt von Tutela Legal und 2005 auf unsere Einladung in der Bundesrepublik, den Fall dennoch offen dar und forderte Gerechtigkeit vom salvadorianischen Staat. Mit Folgen, denn unmittelbar darauf wurde David Morales vom Erzbischof der katholischen Kirche von Tutela Legal entlassen.

Dieser Rückblick auf einige Ereignisse 2007 zeigt, dass noch lange kein Frieden und keine Gerechtigkeit in El Salvador eingekehrt ist. Doch trotz aller Repression, der die Bevölkerung ausgesetzt ist und trotz aller Rückschläge, die soziale Bewegungen und Organisationen in ihren Kämpfen um eine gerechtere Gesellschaft hinnehmen mussten - die Menschen lassen sich nicht einschüchtern. Nach wie vor gehen die Menschen für ihre Überlebensinteressen auf die Straße, organisieren sich. Die Stimmung auf den Straßen El Salvadors deutet auf einen politischen Wandel hin, der bei den Präsidentschafts-, Parlaments- und Gemeindewahlen Anfang 2009 bestätigt werden könnte. Das Ökumenische Büro wird den Kampf der Bevölkerung um ein würdiges Leben und um Gerechtigkeit weiterhin begleiten und unterstützen.

 

(ah)
15 Jahre Friedensabkommen ohne Frieden - El Salvador im Jahr 2007
Erschienen im Jahresbericht 2007 des Ökumeninschen Büros
München
Dezember 2007

 

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