Eberhard Albrecht

Die Rückkehr der FSLN

Wohltaten für die Armen, politische Polarisierung und ein autoritärer Führungsstil prägen bislang die Regierung Daniel Ortegas

 

Bei einer Bilanz der ersten zwei Jahre der Regierung Daniel Ortegas fällt zuerst auf, was sich nicht geändert hat: Unverändert seit 1999 bestimmt der Pakt zwischen Ortega und Arnoldo Alemán den politischen Rahmen des Landes. Zugleich steht einigen sozialen Errungenschaften eine wachsende politische Polarisierung gegenüber.

 

 

Daniel Ortega versteht es meisterhaft die Möglichkeiten seines 1999 mit dem damaligen Präsidenten Arnoldo Alemán geschlossenen Paktes für sich zu nutzen. Schon sein überraschender Wahlsieg im November 2006 war ein Musterbeispiel hierfür. Eine entscheidende Voraussetzung für den Sieg war die Wahlrechtsreform, die die FSLN und die PLC Alemáns im Rahmen des Paktes beschlossen hatten. Damit war die Mindeststimmenzahl für die Wahl zum Präsidenten im ersten Wahlgang auf 35 Prozent gesenkt worden. Nach eben dieser Bestimmung wurde Ortega im November 2006 zum Präsidenten gewählt. Aber nur deshalb, weil es ihm zuvor gelungen war, die rechte Opposition in den Alemán-treuen Flügel der PLC und die neoliberale, USA-hörige Gruppe ALN um den Ex-Bankier Eduardo Montealegre zu spalten. Diese beiden rechten Parteien blockierten sich bei der Wahl gegenseitig, sodass die FSLN auch im Parlament mit 38 Prozent der Stimmen erstmals seit 1990 wieder stärkste Fraktion wurde.

 

Undurchsichtige Ölgeschäfte

Gleich mit dem Amtsantritt nahm die neue Regierung wichtige innen- und außenpolitische Weichenstellungen vor. Nicaragua ist dem Wirtschaftsbündnis ALBA und dem PETROCARIBE-Abkommen beigetreten, die beide vor allem großzügige Unterstützung durch die Regierung Venezuelas bedeuten. Am wichtigsten ist dabei die Versorgung Nicaraguas mit Erdölprodukten. Die Transaktion wird zwischen den beiden Staatsunternehmen PDVSA (Venezuela) und PETRONIC (Nicaragua) abgewickelt. Venezuela liefert zu Weltmarktpreisen, aber mit einer attraktiven Finanzierung: PETRONIC, das entsprechend dem Weltmarktpreis an die Verbraucher weiterverkauft, muss nur die Hälfte der gelieferten Menge sofort bezahlen, der Rest geht auf Kredit mit sehr günstigen Zinsen und langer Laufzeit.

Diesen Kredit nutzt die Regierung zur Finanzierung von Infrastruktur- und sozialen Projekten. Der positiven Bewertung dieser Maßnahmen in der nicaraguanischen Öffentlichkeit steht die Kritik an der mangelnden Transparenz dieser Beziehungen gegenüber. Bis heute gibt es von der Regierung keine klaren Aussagen, um welche Summen es sich handelt, wie das Geld im Detail verwendet wird und vor allem, wie die Kredite zurückgezahlt werden sollen. Die Regierung besteht bisher darauf, dass es sich um ein Geschäft zwischen zwei Unternehmen handele und weist nichts davon im Haushalt aus.

 

Politische und soziale Reformen

Auch die Innenpolitik begann mit zwei bedeutenden Maßnahmen: Im Bildungs- und im Gesundheitssektor wurde die Kostenfreiheit aus den 1980er Jahren wieder eingeführt. Damit stieg der Haushalt beider Bereiche in den letzten zwei Jahren um 60 Prozent. Diese Reformen werden sehr positiv bewertet, denn sie bedeuten für viele Menschen eine ganz entscheidende Verbesserung der Lebensqualität. Im Laufe der vergangenen zwei Jahre hat die Regierung noch eine ganze Reihe sehr erwähnenswerter Sozialprogramme (Hambre Cero, Usura Cero, Casas para el Pueblo, usw.) begonnen, die aber nicht den Umfang haben, wie die beiden zuvor erwähnten Reformen. Bei diesen Programmen ist allerdings der Eindruck entstanden, dass es dabei nicht nur um soziale Belange wie Armutsbekämpfung und Milderung des Wohnraummangels geht, sondern auch um die Versorgung treuer AnhängerInnen der FSLN. Auch die Wiederaufnahme der Alphabetisierung und die Beseitigung der Engpässe in der Elektrizitätsversorgung zeigen, dass die Regierung Ortega einiges unternimmt, um die Lebenssituation der Bevölkerung zu verbessern.

 

Pragmatische Wirtschaftspolitik

In der Wirtschaftspolitik hat sich neben der engen Anlehnung an Venezuela nichts Wesentliches geändert. Genauso wie die neoliberalen Vorgängerregierungen sucht und findet die Regierung Ortega den Ausgleich mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und wirbt mit den freien Produktionszonen um Auslandsinvestitionen. Das Freihandelsabkommen CAFTA wird nicht in Frage gestellt und an den Verhandlungen zum Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und Zentralamerika beteiligt sich Nicaragua ohne durch weitergehende Änderungsvorschläge aufzufallen. Genauso pragmatisch wie nach außen fallen wirtschaftspolitische Entscheidungen nach innen aus. Große Konflikte mit dem nationalen Kapital hat es bisher nicht gegeben. Bei Lohnauseinandersetzungen und Streitigkeiten um die Festsetzung des Mindestlohns mit dem Unternehmerverband COSEP konnte sich die Regierung auf die Kompromissbereitschaft der sandinistischen Gewerkschaften verlassen.

 

Polarisierung als Kampfmittel

Die Regierung Ortega bezeichnet sich als „Regierung der Versöhnung“. Die Praxis sieht aber ganz anders aus. Von Beginn an zeigte sich die Regierung allergisch gegenüber Kritik. Ihr Verhältnis zu den Medien ist eine Katastrophe. Ortega handelt nach dem Schema: Wer Kritik äußert ist ein Gegner und Gegner werden niedergekämpft. Die von der FSLN unabhängigen Medien werden pauschal als Lakaien des Imperialismus oder CIA-Angestelle bezeichnet. In den bisher zwei Jahren seiner Amtszeit hat Daniel Ortega noch keine einzige Pressekonferenz abgehalten.

In dieser Wagenburgmentalität wird Ortega von seiner Ehefrau Rosario Murillo bestärkt. Murillo ist – entgegen den Vorschriften der Verfassung, die mit gutem Grund die Vergabe von öffentlichen Ämtern an Familienangehörige verbietet – Vorsitzende des nationalen „Rates für Kommunikation und Staatsbürgerschaft“. In diesem Amt kontrolliert Murillo die gesamte Öffentlichkeitsarbeit der Regierung. Sie ist es auch, die die Regierungspropaganda immer eindeutiger mit religiösen Motiven auflädt und ihr damit Unangreifbarkeit verschaffen will.

Kritik aus der Zivilgesellschaft beantwortet die Regierung mit massiven Einschüchterungsmaßnahmen. Neben den üblichen Beschimpfungen wurden einigen Organisationen unhaltbare Vorwürfe der Geldwäsche gemacht. Die Regierung scheute dabei auch nicht den Konflikt mit Regierungen der Europäischen Union, die sie versucht hatte in den Fall zu verwickeln.

 

Manipulierte Gemeindewahlen

Das polarisierendste Ereignis in der bisherigen Amtszeit Ortegas waren die Kommunalwahlen im vergangenen November. Auch dieses politische Ereignis verlief nach den Regeln des Paktes. Die entscheidende Rolle in diesem Schauspiel war dem Obersten Wahlrat (CSE) vorbehalten. Ebenfalls ein Instrument des Paktes haben sich im CSE in den letzten Jahren die Gewichte zu Gunsten der FSLN verschoben haben. Ihr war es gelungen, in dem paritätisch besetzten Gremium den entscheidenden neutralen Mann, einen Vertrauten des Kardinals Obando y Bravo, auf ihre Seite zu ziehen.

Bereits im Vorfeld der Wahlen hatten sich die beiden Paktparteien lästige Konkurrenz vom Hals geschaffen. Einstimmig beschlossen die Mitglieder des CSE den beiden Parteien MRS (Movimiento Renovador Sandinista) und PC (Partido Conservador) die Rechtsfähigkeit abzuerkennen und ihnen damit die Teilnahme an der Wahl zu verwehren.

Die Wahlen selbst am 9. November wurden allgemein als Wahlbetrug der FSLN wahrgenommen, wobei der CSE die Schlüsselrolle spielte. Zuvor schon hatte er eine unabhängige Wahlbeobachtung verhindert. Der Wahlverlauf und die Auszählung der Stimmen waren von groben Verstößen gegen das Wahlgesetz begleitet. Bis heute ist die vom Gesetz vorgeschriebene Veröffentlichung aller Ergebnisse nicht erfolgt.

Die PLC, die für diese Wahl eine Allianz mit Eduardo Montealegres ALN eingegangen war, erhob den Vorwurf, in über 30 Gemeinden wäre ihr der Wahlsieg gestohlen worden. Sie beruft sich dabei auf die Kopien von über 90 Prozent aller Auszählungslisten, die ihre WahlhelferInnen gemacht hatten. Die von ihr geforderte landesweite Nachzählung unter Beteiligung unabhängiger BeobachterInnen lehnte der CSE ab und verkündete einen überwältigenden Sieg der FSLN.

Nachdem der Streit zunächst teils gewalttätig auf der Straße geführt wurde, verlagerte er sich bald ins Parlament, wo die Rechten – allerdings erfolglos – versuchten, über eine Gesetzesinitiative die Annullierung und Neuansetzung der Wahlen zu erzwingen.

Wochenlang war die Legislative gelähmt, bis im Januar einmal mehr die Logik des Paktes siegte. Der Oberste Gerichtshof beschloss die endgültige Einstellung des Verfahrens gegen den zu 20 Jahren Haft verurteilten Arnoldo Alemán, und nur Stunden später löste sich die Blockade im Parlament. Die PLC gab zu Gunsten der FSLN nach und fügte sich in den vorher so heftig bekämpften Wahlsieg der FSLN.

 

Diskreditierte Opposition

Daniel Ortega dürfte mit seiner bisherigen Regierungszeit höchst zufrieden sein. Nachdem sein letzter innerparteilicher Kritiker Dionisio Marenco seine Amtzeit als Bürgermeister von Managua beendet und die politische Bühne verlassen hat, ist Ortega in der FSLN unumstritten. Die FSLN ist gestärkt aus den Gemeindewahlen hervorgegangen. Wen kümmert es, dass die Mehrheit der Bevölkerung, dies für einen Wahlbetrug hält; Politik ist Kampf und im Kampf zählt nur der Sieg.

Die Opposition ist geschwächt und zeigt sich dem gewieften Machtpolitiker Ortega nicht gewachsen. In der Auseinandersetzung mit der Regierung Ortega haben sich alle blamiert. Die PLC ist nicht mehr als das willfährige Werkzeug ihres korrupten Ehrenvorsitzenden Arnoldo Alemán. Die Gruppe um Eduardo Montealegre, angetreten als kompromissloser Gegner des Paktes, ist zum Schluss eine Allianz mit der Paktpartei PLC eingegangen. Und die MRS, die sich selbst als die besseren Sandinisten präsentiert und als linke Alternative zur FSLN sieht, hat nur eine schwache Verankerung in der Bevölkerung und sich mit ihrer Wahlempfehlung für Eduardo Montealegre diskreditiert.

Aber Ortegas Kampf geht weiter, denn es gibt immer noch Kritik in der Presse und bei den Organisationen der Zivilgesellschaft. Außerdem muss die Macht weiter ausgebaut werden. Nachdem die FSLN im Pakt ihren höchsten Trumpf ausgespielt hat und das Verfahren gegen Arnoldo Alemán eingestellt wurde, ist ungewiss, ob es der FSLN gelingt, mir Hilfe der PLC die Verfassungsänderungen durchzusetzen, die Ortegas Wiederwahl erlauben.

Die politischen Machtverhältnisse haben sich jedenfalls zu Gunsten Ortegas verschoben. Ein Teil der Bevölkerung profitiert sicherlich von der Regierungspolitik. . Die Bedenkenlosigkeit, mit der sich Ortega über die Verfassung und das Rechtsempfinden hinwegsetzt, schadet der politischen Kultur allerdings enorm. Eine „Regierung der Versöhnung“, als die sie sich selbst präsentiert, ist Ortegas Regierung jedenfalls ganz sicher nicht.

 

Eberhard Albrecht

 

Erschienen im INKOTA-Brief 147

 

 

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