Erklärung zur Lage der Menschenrechte in Mexiko

 

Auf spanisch Pronunciamiento en relación a la situación de los derechos humanos en México

 

An die Vorsitzende des Europäischen Rates und Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, Frau Dr. Angela Merkel
An den Präsidenten der Vereinigten Mexikanischen Staaten, Herrn Felipe Calderón Hinojosa,
An den Hohen Vertreter der Europäischen Union für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Herrn Javier Solana

Bad Boll, 29 April 2007

Sehr geehrte Frau Dr. Merkel,
sehr geehrter Herr Calderón,
sehr geehrter Herr Solana,

als Ergebnis einer Menschenrechtskonferenz mit mexikanischen und europäischen Teilnehmern in Bad Boll vom 27. - 29. April und anschließender Veranstaltungen in verschiedenen Städten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz geben wir die folgende Erklärung zur Lage der Menschenrechte in Mexiko ab.

Wir finden es empörend, dass europäische und mexikanische Politiker die mexikanische Regierung als neuen Vorkämpfer für Menschenrechte darstellen, obwohl es in diesem Land nachweislich äußerst schwerwiegende Verletzungen derselben gibt. Damit werden die folgenden Missstände bagatellisiert:

  • die Praxis der Folter, der illegalen Festnahmen, des Verschwindenlassens und der politischen Morde;

  • die brutale Niederschlagung sozialer Bewegungen (Atenco, La Parota, Oaxaca)

  • die zunehmende Militarisierung unter dem Vorwand der öffentlichen Sicherheit und der Bekämpfung des Drogenhandels und die Paramilitarisierung;

  • die Diskriminierung von Frauen, die Serie unaufgeklärter Frauenmorde und die von Militär und Polizeikräften verübten Gewalttaten gegen Frauen;

  • die hochgradige Gefährdung von Journalisten und Menschenrechtsverteidigern, die verfolgt und eingeschüchtert werden;

  • die Monopolisierung der Information durch Televisa und TV Azteca, die das Recht auf Information verletzt;

  • die mangelnde Kontrolle der Exekutive durch eine unabhängige Justiz;

  • der Missbrauch des Strafrechts zu Lasten der Ärmeren;

  • die Marginalisierung und die daraus resultierende Migration der indigenen und bäuerlichen Landbevölkerung als Auswirkung der Freihandelspolitik;

  • die Enteignung der natürlichen Ressourcen ohne Rücksicht auf internationale Regeln und Gerichtsurteile ( La Parota);

  • die rücksichtslose Kontaminierung und Zerstörung der Umwelt;

  • die fehlende Ausbildung der Justizbeamten in Sachen Menschenrechte

Wir übersehen nicht, dass auch die europäischen Länder erhebliche Rückstände und sogar Rückschritte aufweisen, zumal was die Verwirklichung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte (WSK) betrifft. Es geht auch keineswegs darum, Mexiko zu verurteilen, ein Land, für das wir ja arbeiten, vielmehr dafür zu sorgen, dass die Menschenrechte hier und dort als primäre politische Aufgabe und Verpflichtung ernst genommen werden.

Im Blick auf die jüngsten, von uns thematisierten Ereignisse in Oaxaca und Guerrero ( La Parota) stellen wir fest, dass die Rechte von Menschen auf Selbstbestimmung über das Land, auf dem sie leben, auf Mitwirkung an den politischen Entscheidungen, die sie betreffen, auf einen menschenwürdigen Lebensstandard und auf Bildungschancen mit Füßen getreten werden und dass Bewegungen, die sich diesem Unrecht widersetzen, kriminalisiert werden.

Wir fordern insbesondere:

  • 1. dass europäische Politiker in den eigenen Staaten, aber auch in den Beziehungen zu befreundeten Ländern wie Mexiko die Respektierung und Gewährleistung der Menschenrechte über wirtschaftliche, politische und persönliche Interessen stellen,

  • 2. dass der bewundernswerte Einsatz der Widerstandsbewegungen und der Menschenrechtsverteidiger in Oaxaca und Guerrero honoriert wird und in Zukunft die Missstände bekämpft werden statt der Menschen, die gegen sie angehen,

  • 3. dass die Menschenrechte auf Arbeit, einen angemessenen Lebensstandard, soziale Sicherheit, Gesundheit und Bildung fortschreitend realisiert statt rückläufig abgebaut werden,

  • 4. dass die Öffentlichkeit nicht durch rhetorische Schönfärberei über die tatsächlichen Missstände und die sie bedingenden Faktoren getäuscht wird,

  • 5. dass Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit die Medien ihre wichtige Aufgabe wahrnehmen, die Meinungsfreiheit zu fördern, Verletzungen der Menschenrechte sichtbar zu machen und ihrer Verwirklichung öffentlichen Nachdruck zu verleihen,

  • 6. dass die Justiz die Rechte, die jedem Menschen zustehen, in der Rechtsprechung gebührend berücksichtigt,

  • 7. dass die Verbrechen und Unregelmäßigkeiten, die in Atenco und Oaxaca begangen wurden, aufgeklärt und bestraft werden, und dass die zahlreichen Menschen, die verhaftet und verschleppt wurden, ohne Kaution auf freien Fuß gesetzt werden,

  • 8. dass das Projekt des Stauwerks La Parota wegen seiner schlimmen sozialen und ökologischen Auswirkungen aufgegeben wird.

Wir sind bereit, unseren Beitrag für eine Welt „ohne Furcht und Not" zu leisten. Wir erwarten dasselbe von den Politikern, die dafür ihr Mandat erhalten haben.

In Erwartung Ihrer entsprechenden Reaktion grüßen wir sie hochachtungsvoll

c.c. Präsident des Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen
Hochkommissar der Vereinten Nationen in Mexiko
Oberster Gerichtshof von Mexiko
Gouverneur von Guerrero
Gouverneur von Oaxaca
Präsident der Nationalen Menschenrechtskommission in Mexiko
Präsidenten der Menschenrechtsausschüsse des mexikanischen Senats und Abgeordnetenhauses
Direktor des halbstaatlichen Elektrizitätsunternehmen CFE

Politische Entscheidungsträger in Europa, Deutschland und der Schweiz

Unterzeichnet von 729 Personen und 16 Organisationen.

 

Auf spanisch Pronunciamiento en relación a la situación de los derechos humanos en México

 

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